ine gute Alternative zu den kleinen, meist unwirtschaftlich arbeitenden hauptamtlichen Kinderabteilungen in unseren Kran- kenhäusern könnten gut organi- sierte pädiatrische Belegabteilungen sein. Dr. med. Harald Hauser, Stockdorf, Beauftrag-
ter „Belegärzte“ im Berufsverband der Ärzte für Kinderheil- kunde und Jugend- medizin Deutschlands e.V., weist darauf hin, daß infolge des Rück- gangs der Liegedau- ern und der Geburten- ziffern kleine Kinder- kliniken, aber auch Kinderabteilungen in größeren Kranken- häusern in ihrem Be- stand gefährdet sind.
Wenn der Bettenab- bau so weitergeht wie bisher, ist die statio- näre Versorgung von Kindern und Jugendli- chen stark beeinträch- tigt.
Der Berufsverband ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- heilkunde haben schon 1981 betont, daß eine familiennahe, stationäre Grundversorgung durch Kinderärzte vor allem in ländlichen Gebieten ohne pädiatrische Belegabteilungen nicht gewährleistet werden kann. Die da- maligen Präsidenten Prof. Dr. med.
Hermann Olbing und Dr. med. Wol- linger machten sich für die Erhaltung beziehungsweise Neueinrichtung päd- iatrischer Belegabteilungen in solchen Gegenden stark, in denen eine sta- tionäre Versorgung in Kinderabtei- lungen mit hauptamtlichen Chefärz-
ten nicht oder nicht in ausreichendem Umfang möglich ist. Ihre Argumente gelten auch noch heute.
Eine wohnortnahe pädiatrische Versorgung könnte nach Ansicht der Belegärzte flächendeckend und wirt- schaftlich vertretbar von Belegstatio- nen in Krankenhäu- sern der Grundversor- gung realisiert wer- den. Das demonstrie- ren zahlreiche, schon seit mehr als 20 Jahren bestehende Belegab- teilungen. Bevor eine kleine, unwirtschaft- liche hauptamtliche Kinderabteilung ge- schlossen wird, sollten die Sozialministerien prüfen, ob nicht eine Belegabteilung mit zehn bis 15 Planbetten diese Aufgabe über- nehmen könnte. Der Appell der Belegärzte richtet sich aber eben- so an die verantwortli- chen leitenden Ärzte von Kinderkranken- häusern, das Belegarztsystem als eine ernst zu nehmende Möglichkeit für ei- ne wohnortnahe und wirtschaftliche stationäre Grundversorgung auf dem Lande zu akzeptieren (siehe Tabelle).
Verbesserung der Versorgung
Eine Belegabteilung kann die Grundversorgung in der Kinderheil- kunde mit einer Bettenzahl sicherstel- len, die für eine hauptamtliche Abtei- lung unwirtschaftlich wäre. Zudem kann der belegärztlich tätige Pädiater
mit seinem geschulten Schwestern- stamm in der Neonatologie wesent- lich effektiver arbeiten als der nur konsiliarisch zugezogene Kinderarzt.
Damit könnte das pädiatrische Beleg- arztsystem auch in der Geburtshilfe einen wichtigen Beitrag zur Verbesse- rung der Versorgung leisten.
Als Voraussetzungen für eine gute Funktionsfähigkeit nennt Hau- ser ein kooperatives Belegarztsystem mit mindestens zwei bis drei Kin- derärzten, qualifizierten Kranken- schwestern, einem Assistenten nur für die Kinderstation, eventuell noch zu- sätzlich einem Arzt im Praktikum.
Die Kinderärzte sollten auch voll in die Neugeborenenversorgung des Hauses integriert sein. Gefordert sind eine ständige Aufnahmebereitschaft rund um die Uhr an 365 Tagen des Jahres, ein kinderärztlicher Sonntags- und Feiertagsdienst gemeinsam mit den benachbarten niedergelassenen Pädiatern sowie eine enge Zusam- menarbeit mit der nächstgelegenen großen Kinderklinik, insbesondere für den Neugeborenen-Abholdienst und für aufwendigere Spezialdiagno- stik.
Für die Krankenhausträger und die Krankenkassen ergeben sich da- durch etliche Vorteile, hält Hauser vor:l Weil die Arztkosten wegfallen,
insbesondere auch die Bereitschafts- dienst-Zulagen, können die Perso- nalkosten von sonst 70 bis 75 Prozent auf 50 Prozent gesenkt werden.
Die Großgeräte des Krankenhauses (Röntgen, CT, Ultraschall einschließ- lich Echokardiographie, Labor usw.) werden besser ausgelastet. Die Ge- burtshilfe eines Krankenhauses mit Kinderabteilung ist für die Bevölke- rung wesentlich attraktiver.
Als Aufgaben für den Pädiater in der Neonatologie nennt Hauser zum Beispiel die Anwesenheit im Kreiß- saal bei Risikogeburten, die Erstver- sorgung asphyktischer Neugeborener bis zum Eintreffen des Neugebo- renen-Abholdienstes, die Untersu- chung jedes Neugeborenen in den er- sten zwölf Stunden und vor jeder Ent- lassung; ebenso die Übernahme der Neugeborenen bei Komplikationen und Überwachung, die Möglichkeit der Betreuung und Behandlung von komplikationslosen Frühgeborenen A-2298 (18) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 38, 18. September 1998
P O L I T I K AKTUELL
Verzahnung ambulant/stationär
Pädiatrische Belegärzte optimieren Versorgung
Pädiatrische Belegabteilungen können eine Alternative zu kleinen Kinderabteilungen sein.
E
Dr. Harald Hauser, Kinderarzt aus Stockdorf bei München, der als Beleg- arzt mit den ungünstigen finanziellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen kämpfen muß. Foto: privat
bis zu einem Geburtsgewicht von 1 700 bis 1 800 Gramm sowie die ra- schere Rückverlegung von in das Kin- derzentrum verlegten Kindern.
Als weitere Funktionen einer pädiatrischen Belegstation führt der Sprecher an: Anlauf für Notarzt- Einsätze und schnellere wohnortna- he Versorgung akuter Notfälle wie zum Beispiel Krampfanfälle, steno- sierende Laryngo-Tracheobronchiti- den, schwere Asthmaanfälle, unklare hochfieberhafte Zustände, Meningiti- den, Gastroenteritiden mit beginnen- der Exsikkose und Prätoxikose, un- klare akute Abdominalerkrankun- gen, gezielte Voruntersuchungen bei chirurgischen Eingriffen, Intoxikatio- nen und so weiter.
Allein an diesen Beispielen wird nach Hausers Ansicht deutlich, daß eine personell und apparativ gut aus- gestattete Belegabteilung wesentlich schneller und effektiver Hilfe leisten kann als ein Kinderarzt in seiner Pra- xis. Damit dies aber optimal funktio-
nieren kann, müßten einige Rahmen- bedingungen verbessert werden, for- dert der Pädiater. Die stationären Leistungen müßten besser honoriert werden, am besten über einen drit- ten „Topf“ für belegärztliche Lei- stungen.
Kaum Umsetzungshilfen
Die Weiterbildung zum Pädiater muß mehr die allgemeine Pädiatrie berücksichtigen, so daß umfassend weitergebildete Pädiater für diese Aufgabe zur Verfügung stehen, und der Belegarzt muß zur Teamarbeit und Kooperation bereit sein und Ver- antwortung übernehmen können. Auf diese Weise kann nach seiner Ansicht nicht nur die pädiatrische Versorgung auf dem Lande verbessert werden, sondern gleichzeitig ein Beitrag zur intensiveren Verzahnung von ambu- lantem und stationärem Sektor gelei- stet werden.
Obwohl das Belegarztwesen ei- ne optimale Form der Verzahnung darstellt, geschieht kaum etwas zu seiner Umsetzung. Auf der Jahres- hauptversammlung des Bundesver- bandes der Belegärzte e.V. (BDB) Ende April in München beklagte der Bundesvorsitzende Dr. med. Klaus Michael Hahn, Chirurg aus Mün- chen, daß das Belegarztwesen weiter- hin vor sich hin vegetiert. Trotz nied- riger Pflegesätze würden wirtschaft- lich gesunde Beleghäuser aus vor- dergründigen Motiven geschlossen.
Auch bei den jetzt überall entstehen- den Netz-Strukturen spielen die Be- legärzte nach seinen Worten nur eine untergeordnete Rolle. Die hausärzt- lich geprägten Netze arbeiteten be- vorzugt mit Krankenhäusern, beklag- te Hahn, und seien zum Teil sogar schon darin angesiedelt. Seine Positi- on und die des Belegarztverbandes lautet nach wie vor: „Soviel ambulant wie möglich, soviel stationär wie nötig.“ Klaus Schmidt, München A-2300
P O L I T I K AKTUELL
(20) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 38, 18. September 1998 Tabelle
Genehmigung für belegärztliche Tätigkeit im Jahr 1996
Belegärzte belegbare Betten
Arztgruppe insgesamt Veränderung Anteil Anzahl der Ärzte Anzahl der Ärzte Anzahl der Ärzte zum Vorjahr an allen Ärzten mit bis zu mit 10 bis 20 mit über 20
Anzahl in % d. Gruppe in % 10 Betten Betten Betten
Augenärzte 564 3,3 11,0 490 64 10
Chirurgen 458 – 0,7 13,6 271 113 74
Frauenärzte 1 514 – 1,5 16,1 995 398 121
HNO-Ärzte 1 522 0,6 39,8 1 203 286 33
Hautärzte 30 15,4 0,9 187 9 4
Internisten 334 0,6 2,2 187 98 49
Kinderärzte 45 – 11,8 0,8 25 17 3
Mund- und 172 6,8 29,3 158 12 2
Kieferchirurgen
Nervenärzte 27 8,0 0,6 13 9 5
Neurochirurgen 29 11,5 27,4 18 9 2
Orthopäden 377 2,2 8,1 260 90 27
Urologen 440 0,7 18,2 289 128 23
Sonstige Ärzte1 32 23,1 0,4 26 4 355
Ärzte mit Gebiets- 5 544 0,6 8,4 3 952 1 237 2
bezeichnung
Allgemein-/ 167 – 11,6 0,4 120 35 12
Praktische Ärzte
Summe Ärzte 5 711 0,2 5,2 4 072 1 272 367
Quelle: Bundesarztregister der KBV 1 Enthalten: Anästhesisten, Laborärzte, Lungenärzte, Nuklearmediziner, Radiologen