A 2062 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 40|
7. Oktober 2011 Die Teilhabe von Menschen mitBehinderungen im Sinne der UN- Behindertenrechtskonvention ist in Deutschland noch längst nicht ver- wirklicht. „Es gibt Handlungsbe- darf in vielen Bereichen des Ge-
sundheitswesens“, betonte der Be- auftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, zum Abschluss zur Tagungsreihe „Gesundheit für Men- schen mit Behinderung“ in Berlin.
Im Gegensatz zu den von No - vember 2010 bis Juni 2011 veran- stalteten Workshops fand die Ab- schlussveranstaltung nicht im Haus UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION
Dringender Handlungsbedarf
des Behindertenbeauftragten, son- dern im Marie-Elisabeth-Lüders- Haus des Deutschen Bundestages statt. „Wir wollen mit unseren An- liegen dahin, wo sie entschieden werden“, erläuterte Hüppe.
Konzentriert kamen auf diese Weise die von Men- schen mit Behinderungen in den Workshops benannten Defizite auf den Tisch: Be- nachteiligungen beim Arzt- besuch und Klinikaufent- halt sowie mangelnde Ver- sorgung mit Hörgeräten, In- kontinenzmitteln oder mit Sportrollstühlen, fehlende Barrierefreiheit von Praxen und Kliniken und unzu - reichend angepasste Bera- tungsgespräche für Lernbe- hinderte, gehörlose, blinde und taub- blinde Menschen. Hüppe betonte erneut, dass er erwarte, dass die von der Bundesregierung angekündig- ten Initiativen in den Bereichen
„barrierefreie Arztpraxen“ und „Sen- sibilisierung des medizinischen Personals für die Belange behinder- ter Menschen“ zu spürbaren Ver- besserungen führen. ER Der barriere-
freie Zugang zu allen Praxen und Kliniken ist in Deutschland noch nicht ver-
wirklicht.
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Die von vielen niedergelassenen Ärzten heftig kritisierten Ambulan- ten Kodierrichtlinien (AKR) müs- sen nicht mehr angewendet werden.
Das sieht eine Vereinbarung zwi- schen der Kassenärztlichen Bun - desvereinigung und dem Spitzen- verband der gesetzlichen Kranken- kassen vor, die am 12. September geschlossen worden war. Anlass für den Beschluss ist die Absicht der Bundesregierung, die verpflich- tende bundesweite Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien auf- zuheben. Dies soll mit dem Versor- gungsstrukturgesetz erfolgen, das zum 1. Januar 2012 in Kraft tre- ten wird.
Die Einführung der Kodierrichtli- nien hatte der Gesetzgeber ursprüng- lich mit dem Ziel beschlossen, das Krankheitsgeschehen genauer ab - zubilden, um die Geldströme im Gesundheitswesen bedarfsgerech- ter steuern zu können. Auch wenn die AKR nunmehr entfallen, bleibt die seit dem Jahr 2000 gesetzlich verankerte Verpflichtung zur Dia - gnosenverschlüsselung nach der ICD-
10-GM bestehen. JM
VERTRAGSÄRZTE
Aus für die Ambulanten Kodierrichtlinien
Die Immunologie steht im Fokus des diesjäh- rigen Nobelpreises für Medizin und Physiologie.
Eine Hälfte des Preisgeldes von etwa einer Million Euro teilen sich der US-Amerikaner Bruce Beutler und der Luxemburger Jules Hoffmann für Entdeckungen zur Aktivierung der angeborenen (unspezifischen) Immunab- wehr. Die andere Hälfte erhält der Kanadier Ralph Steinman für seine Entdeckung der dendritischen Zellen und ihre Rolle in der er- worbenen (spezifischen) Immunität. Der For- scher erhält den Preis posthum, eine Ehrung, die die Statuten des Nobelpreises eigentlich nicht vorsehen. Steinman war erst am 30.
September im Alter von 68 Jahren an den Folgen eines Pankreaskarzinoms gestorben.
Da die Jury ihm den Preis zusprach, im Glau- ben, er würde noch leben, bleibt der Verstor- bene nun Nobelpreisträger.
Die drei Immunologen forschten zwar paral- lel, aber völlig unabhängig voneinander: Hoff- mann an der Fruchtfliege Drosophila, Beutler an Mäusen und Steinman mit Zellkulturen. Durch die Forschungen der Wissenschaftler sei das Rätsel gelüftet worden, wie die beiden Arme der menschlichen Immunabwehr aktiviert werden und miteinander kommunizieren, heißt es in der Begründung des Nobelpreiskomitees. Auf Basis ihrer Arbeiten seien Impfstoff-, Aids- und Krebs- forschung maßgeblich vorangetrieben worden.
Die angeborene Immunabwehr gilt als erste Verteidigungslinie für eindringende Viren, Bak- terien und andere Krankheitserreger. Dabei binden sich – wie von Beutler und Hoffmann entdeckt – Teile der Mikroorganismen an so- genannte Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR) von Makrophagen und anderen Zellen. Allerdings ist diese Reaktion unspezifisch. Um gezielt ge-
gen einzelne Erreger vorzugehen, muss die zweite Verteidigungslinie, das erworbene oder spezifische Immunsystem, mit seinen T- und B-Lymphozytenzellen in Stellung gebracht wer- den. Die T-Lymphozyten werden durch die von Steinman 1973 entdeckte dendritische Zelle aktiviert. Was heute als Basiswissen gilt, war lange Zeit auf Widerstände gestoßen. Doch Steinman hatte beharrlich und geduldig seinen wissenschaftlichen Weg verfolgt.
Er hatte bis zuletzt das Zentrum für Immu- nologie und Immunkrankheiten an der Rocke- feller University in New York geleitet. Der 53-jährige Beutler ist Professor für Genetik und Immunologie am Scripps-Forschungs - institut in La Jolla/Kalifornien. Hoffmann (70) leitete zwischen 1974 und 2009 das Institut de Biologie Moléculaire et Cellulaire in Straß- burg. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn