A-2734 (10) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 43, 25. Oktober 1996
S P E K T R U M LESERBRIEFE
Rolle? Einzelne unbegründe- te Verordnungen, schwarze Schafe unter den Ärzten gab es schon immer. Daran kann der Kostenanstieg nicht lie- gen. An einzelnen schwarzen Schafen darf man nicht den ganzen Berufsstand messen.
Aber machen wir vielleicht doch einiges anders als früher? . . .
Bei den Forderungen der Kassen kann von Regreß gar keine Rede sein (wenn der Arzt die Medikamente für 10 000 DM nicht selbst ver- zehrt hat und weil er sich da- mit auch nicht bereichert ha- ben kann); um Bußgeld, um Geldstrafe handelt es sich hier. Das Ansinnen an die Vertragsärzte, Krankenhaus- leistungen ambulant zu er- bringen mit der Absicht, trotz der ernormen Einsparungen die Arzneikosten dieser Be- handlungen von ihnen dann aber später sogar noch
zurückzufordern, kann man nur als hinterhältig bezeich- nen. Würde ein Privatmann so verfahren, müßte man von Wirtschaftskriminalität spre- chen.
Bei jedem Regreß, bei je- dem Budget müssen wir uns im klaren sein: Jedes Budget fordert von der Ärzteschaft, der Fachgruppe und dem ein- zelnen Arzt in letzter Konse- quenz: Entweder werden dem Versicherten Medika- mente und Behandlungen, auf die er nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse Anspruch hat, vorenthalten, oder der Arzt trägt die Ko- sten selbst. Wie würden wohl die Feuerwehrleute reagie- ren, wenn sie für die Lösch- wasserkosten haften müßten?
Recht geschähe uns, wenn wir uns dies gefallen ließen!
Dr. med. Klaus Günterberg, Hönower Straße 214, 12623 Berlin-Mahlsdorf
schlossen bleiben mit flächen- deckendem Notdienst zur Mi- nimalversorgung? Sollen alle Verordnungen dem MDK vorgelegt werden zur Über- prüfung und Beurteilung, ob Voraussetzung, Art und Um- fang der jeweiligen Verord- nung gerechtfertigt sind ? . . . Welche bindende Wirkung haben in einer solchen Situa- tion die Arzneimittel-Richtli- nien, insbesondere die zentra- len Aussagen?
. . . Zum jetzigen Zeit- punkt muß gegenüber den Vertragspartnern und der Bundesregierung erklärt werden, daß die Übernahme des Morbiditätsrisikos in ein existenzgefährdendes Ver-
ordnungsrisiko der Kassen- ärzte nicht hingenommen werden kann.
Wie soll unter solchen Be- dingungen der Sicherstel- lungsauftrag der KV mit „Ge- währleistung einer humanen, ausreichenden, zweckmäßi- gen und wirtschaftlichen ver- tragsärztlichen Versorgung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Stan- des der medizinischen Er- kenntnisse“ entsprochen wer- den, wenn der Preis für die Übernahme vertragsärztli- cher Pflichten die Existenzge- fährdung ist?
Dr. med. Ralph Krolewski, Dümmlinghauser Straße 76, 51647 Gummersbach
Verhandeln
. . . Dann muß natürlich auch die medikamentöse Ver- sorgung budgetiert werden.
Dies kann aber nicht so geschehen, daß die Pharma- industrie ihre Preise nach marktwirtschaftlichen Grund- sätzen kalkuliert, während das Risiko planwirtschaftlich von der Solidargemeinschaft der Kranken mit den Gesun- den auf die behandelnden Ärzte verlagert wird.
Im schönen planwirt- schaftlichen Gesundheitssy- stem ist ein Budget für die Apotheker und Pharmaindu- strie sinnvoll mit einem Si- cherstellungsauftrag für die Medikamentenversorgung.
. . . Ähnlich wie über neue Leistungen im EBM zwischen Ärzten und Krankenkassen
verhandelt wird, müßten Preise für neue Medikamente ebenfalls zwischen Pharmain- dustrie und Krankenkassen ausgehandelt werden. Wir Ärzte können hier als Ratge- ber zur Seite stehen . . .
F. Stagge, Isinger Tor 12, 45276 Essen
Zu dem Beitrag „Krankenkassen kün- digen Regreßwelle an“ von Dr. med.
Lothar Krimmel, KBV, in Heft 39/1996:
Unannehmbar
Die Ausführungen des stellvertretenden Hauptge- schäftsführers der KBV ma- chen den Ernst der Lage deutlich. Die Verhandlungs- bereitschaft der Krankenkas- sen hinsichtlich einer Budget- erhöhung schätzt er gleich null ein. In einigen Tagen be- ginnen dann von KV zu KV die Zahltage, an denen wir Kassenärzte für die verordne- ten Arznei- und Heilmittel zur Kasse gebeten werden.
Diese unannehmbare Si- tuation muß sofort geklärt werden! Sollen ab dem
„Stichtag“ die Praxen ge-
Fatalistisch
Die fatalistische Mittei- lung der KBV, von welchem Zeitpunkt an die Kassenärzte – wegen des niedrigeren An- teils der ambulanten Medizin an den Gesamtausgaben zu- erst in den neuen Bundeslän- dern – alle verordneten Medi- kamente selbst bezahlen müs- sen, ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Denn hier wird den Kassenärzten suggeriert, daß sie wehrlos sind, weil effektive Gegen- maßnahmen nicht einmal er- wogen werden.
Dem Verfasser ist zuzu- stimmen, daß wir uns nicht auf die langsam mahlenden Mühlen der Justiz verlassen können. Deshalb sollte mit massiver Öffentlichkeitsar- beit – schließlich sind zirka 90 Prozent der Wähler Kassen- patienten – versucht werden, von den Kassen eine verbind- liche Zusage zu erhalten, daß solange keine Kollektivre- gresse zu erwarten sind, wie nicht die gesetzlich vorgege- bene, zeitnahe Information über das jedem Arzt zuste- hende Budget realisiert ist.
Für den Fall, daß dies er- gebnislos bleiben sollte, käme als effektivstes Gegenmittel die konzertierte Rückgabe der Kassenzulassungen in Be- tracht. Wie gesetzlich vorge- sehen, würden wir dann zum Einfachsatz der GOÄ privat
behandeln, könnten uns in Ruhe unseren Patienten wid- men und wären die Budget- frage ein für allemal los. Eine möglicherweise sinkende Ge- samtvergütung wäre wohl in Kauf zu nehmen, wenn da- durch wirtschaftliches Über- leben bei planbaren Einkom- men auf DM-Basis erreicht wird. So, wie man zur Zeit meint, mit den Kassenärzten umspringen zu können, wür- de man es sich mit keiner anderen gesellschaftlichen Gruppe erlauben . . .
Dr. med. Roland Schmerler, Lindenstraße 12, 04509 Gle- sien
Konkretisieren
Ich hätte mir sehr ge- wünscht, daß in diesem Arti- kel konkrete Vorschläge ge- macht worden wären, wie wir ab dem Tag der Arzneimittel- Budgetüberschreitung ver- fahren sollen. Wir haben schon immer nur notwendige Präparate verschrieben, eine Beschränkung nur auf solche bringt also nichts. Sollen wir Privatrezepte ausstellen und die Patienten auffordern, sich diese erstatten zu lassen? Mit den Aussagen nur dieses Ar- tikels fühlen wir uns im Re- gen stehengelassen . . .
Dr. med. Walter Brinker, Theodor-Heuss-Platz 8, 42853 Remscheid
Anonym
Die Redaktion veröf- fentlicht keine anonymen Zuschriften. In besonderen Fällen werden Briefe ohne Namensnennung publiziert – aber nur dann, wenn der Absender bekannt ist. DÄ