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Archiv "Die Anwendung von Langzeit-Neuroleptika" (09.11.1978)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Einführung neuroleptischer Substanzen mit Langzeitwirkung gehört zu den wichtigsten Errun- genschaften der Psychopharmako- logie und Pharmakopsychiatrie der letzten Jahre. Langzeiteffekte sol- cher Medikamente lassen sich auf drei Wegen verwirklichen:

0 Die neuroleptische Wirksubstanz wird an eine Trägersubstanz gebun- den, die eine verlangsamte Freigabe aus einem im Körper gesetzten De- pot hervorruft. Dieses Prinzip ist ver- wirklicht in Fluphenazin-Dekanoat (Lyogen®-Depot, Dapotum® D) im Fluphenthixol-Dekanoat (Fluanxol®

Depot) und im Perphenazin-Onan- that (Decentan® Depot). Bei dem Fluphenazin-Dekanoat handelt es sich um einen Fluphenazinester mit der Caprin- oder Decansäure, der in Sesamöl gelöst ist. Perphenazin-Ön- anthat ist ein Ester des Perphena- zins mit der Önanthsäure. Auch beim Flupenthixol-Dekanoat wird die Depotwirkung durch die Lösung in Öl herbeigeführt.

49 Eine weitere wichtige neurolepti- sche Substanz mit Langzeitwirkung ist Fluspirilene (Imap®), das von Janssen und Mitarbeitern entwickelt wurde. Es wurde von den Butyro- phenonen abgeleitet, für die Halope- ridol (Haldol®) als prototypisch zu gelten hat. Fluspirilene wird wie die zuerst genannten Präparate intra- muskulär injiziert und bildet inner- halb der Muskulatur ein mikrokri- stallines Depot. Eine Veresterung und Lösung in Öl sind zur Depotwir- kung nicht notwendig.

Der Langzeiteffekt (etwa 1 Wo- che) des Penfluriodol (Semap®) be- ruht auf einem völlig anderen Wir- kungsprinzip. Die Substanz wird oral eingenommen, sie wird sehr langsam von der Hirnsubstanz rezi- piert. Auch die Ausscheidung aus dem Gehirn erfolgt verzögert. Eine intrazerebrale Metabolisierung fin- det nicht statt. Penfluridol läßt eine erhebliche chemische Verwandt- schaft mit Pimozide (Orap®) erken- nen, dieses Präparat hat allerdings nur eine 24stündige Wirksamkeit in einer beim Menschen therapeuti- schen Dosierung.

Langzeit-Neuroleptika im weiteren Sinne sind die genannten Flu phena- zin- und Perphenazin- sowie Flu- penthixolester, Fluspirilene und das oral zu applizierende Penfluridol.

Letzteres ist als Langzeitneurolepti- kum im engeren Sinne ohne eigent- lichen Depoteffekt zu bezeichnen, die zuerst genannten drei Substan- zen stellen die zur Zeit wichtigsten Vertreter der Gruppe der Depot- Neuroleptika dar.

Pharmakologische Daten

Beim Menschen fand Mclsaac nach oraler Fluphenazin-Gabe die Aus- scheidung von 81 Prozent der radio-

aktiv markierten Dosis innerhalb von 7 Tagen in Urin und Faeces. Nach intramuskulärer Fluphenazin-Önan- that-Gabe (dem Fluphenazin-Deka- noat vergleichbares Depot-Neuro- leptikum) wurden innerhalb von 14 Tagen 24 Prozent bis 40 Prozent

Die Depot-Neuroleptika Flu- phenazin-Decanoat (Lyogeng- Depot, Dapotum® D), Flupen- thixol-Decanoat (Fluanxol®

Depot), Perphenazin-Onan- that (Decentan® Depot), Flu- spirilene (Imap®) und das Langzeitneuroleptikurn Pen- fluridol (Semap®) sind in der neuroleptischen Behandlung schizophrener Erkrankungen unentbehrlich geworden. Ihre erfolgreiche Anwendung setzt die Kenntnis der Dosierungen und Applikationsintervalle voraus. Mit dem Patienten müssen die möglichen Begleit- erscheinungen vor Beginn der Behandlung besprochen werden. Die Steuerbarkeit der Therapie ist gut. Indikationen sind produktive schizophrene Syndrome sowie prophylakti- sche Anwendungen im sym- ptomfreien Intervall.

ausgeschieden. Etwas mehr als die Hälfte der Gesamtdosis wurde inner- halb von 7 Tagen ausgeschieden.

Radioaktives Fluphenazin-Dekanoat wurde zu 18 Prozent bis 23 Prozent innerhalb von 30 Tagen durch Urin und Faeces aus dem Körper ent- fernt. Die Hälfte der Gesamtdosis war zwischen dem 12. und 14. Tag in den Exkreten nachzuweisen.

Fluphenazin-Dekanoat ruft bei Rat- ten maximal zu 50 Prozent bis 60 Prozent eine Hemmung des beding- ten Fluchtreflexes hervor (Adam- son). Nach 50 bis 55 Tagen beträgt die Hemmung immer noch 25 Prozent.

Flupenthixol-Dekanoat hat im Tier- versuch eine kataleptische Wirkung

') Auszugsweiser Nachdruck mit Genehmi- gung des Verlages aus Aktuelle Neurologie und Psychiatrie Band III, herausgegeben von J. Finke und R. Tölle, Springer-Verlag Berlin/Heidelberg/New York 1978

") Herrn Professor Dr. Wolfgang Wirth, dem Initiator psychiatrisch-pharmakologischer Zusammenarbeit, zum 80. Geburtstag gewidmet.

Die Anwendung

von Langzeit-Neuroleptika

Kurt Heinrich*)**)

Aus der Rheinischen Landesklinik —

Psychiatrische Klinik der Universität Düsseldorf (Leitender Arzt: Professor Dr. med. Kurt Heinrich)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 9. November 1978 2665

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Langzeit-Neu rolepti ka

von 2 bis 3 Wochen. Die motilitäts- hemmende Wirkung bei der Maus ist im Zitterkäfig zweimal stärker als die von Chlorprothixen (Truxal®) und Clopenthixol (Ciatyle). Die hypnoti- sche Wirkung von Flupenthixol-De- kanoat ist gering, ebenso die anti- konvulsive Wirksamkeit. Ein direkt dämpfender Einfluß auf die Groß- hirnrinde ist allenfalls sehr schwach ausgeprägt.

Bei i. m. und s. c. Applikation verrin- gert Perphenazin-Önanthat die be- dingte Fluchtreaktion und die allge- meine motorische Aktivität von Rat- ten wesentlich länger (18 bis 21 Ta- ge) als äquimolare Dosen von Per- phenazin.

Das pharmakologische Wirkungs- profil von Fluspirilene (Imap®) äh- nelt dem bekannten typischen neu- roleptischen Verbindungen. Nach intramuskulärer Injektion ist Fluspi- rilene etwa achtmal wirksamer als Fluphenazin-Önanthat, die Wir- kungsdauer beträgt nach einmaliger Injektion etwa 6 Tage. Nach den Er- gebnissen der Tierversuche sind hy- potensive oder andere vegetative Begleitwirkungen bei Fluspirilene nicht zu erwarten. Im Tierexperi- ment ergeben sich keine nennens- werten Symptome der Somnolenz, der Benommenheit und der Sedie- rung. Typische extrapyramidale Be- gleitwirkungen treten bei höherer Dosierung im Tierversuch auf. Toxi- sche Effekte waren bei Langzeitbe- handlung von Tieren nicht zu erwei- sen, die entsprechenden Versuche wurden 14 Wochen bei Ratten und über ein Jahr bei Hunden durchge- führt.

Indikationen

Bei den genannten Depot- bezie- hungsweise Langzeit-Neuroleptika handelt es sich um sehr stark anti- psychotisch wirksame Substanzen.

Ihre psychomotorisch sedierende, hypnoleptische Wirkungsqualität ist entsprechend den Ergebnissen der Tierversuche auch beim Menschen nicht stark ausgeprägt. Bei psycho- motorischen Erregungszuständen

reicht die Wirkung der Substanzen allein nicht zur Dämpfung aus. Flori- de, symptomreiche schizophrene Krankheitsbilder können durch Lyo- gen®-Depot, Dapotum® D, Fluanxol®

Depot, Decentan® Depot und Imap®

gut neutralisiert werden, auch hebe- phrene Erkrankungen und Syndro- me nach Art der Schizophrenia sim- plex stellen Zielsyndrome dar, die mit den genannten Präparaten be- einflußt werden können.

Von der Therapie manifester schizo- phrener Schübe abgesehen ist die Erhaltungstherapie im symptomfrei- en oder symptomarmen Intervall ei- ne weitere wichtige Indikation der Langzeit-Neurolepsie. Es kann im Einzelfall erhebliche Schwierigkei- ten verursachen, den Termin des Abbruchs einer neuroleptischen Dauermedikation zu bestimmen. Die Beachtung folgender Vorgehens- weisen hat sich für die Langzeit- Neurolepsie bewährt:

• Eine neuroleptische Langzeitme- dikation ist so lange angezeigt, wie noch produktive schizophrene Sym- ptome nachzuweisen sind.

• Die Langzeitneurolepsie setzt voraus, daß der Arzt seinen Patien- ten regelmäßig sieht. Bei den intra- muskulär zu applizierenden Depot- Neuroleptika ergibt sich der persön- liche Kontakt an den Injektionster- minen. Bei der Verwendung von Se- map® sind, wie bei anderen oralen Neuroleptika auch, für die ersten 4 bis 6 Wochen die ambulanten Thera- pie-Konsultationen alle 2 bis 3 Wo- chen notwendig, später können sie in vierteljährlichen Abständen durchgeführt werden.

• Der Arzt muß den Patienten und seine Angehörigen auf die Notwen- digkeit der regelmäßigen Applika- tion der Langzeitneuroleptika hin- weisen. Untersuchungen, die auch in anderen medizinischen Fachge- bieten durchgeführt wurden, lassen erkennen, daß Patienten in 40 bis 50 Prozent der Fälle dazu neigen, ihre Medikamente ambulant nicht einzu- nehmen. Die „Drehtürpsychiatrie"

hat hier eine ihrer wichtigsten Ursa- chen.

• Besteht ein schizophrenes Resi- dualsyndrom im Sinne eines soge- nannten Defektes, so ist eine niedrig dosierte neuroleptische Erhaltungs- medikation nützlich. Leidet der Pa- tient ausschließlich an einem „rei- nen Defekt" im Sinne eines energe- tischen Potentialverlustes, so be- währt sich häufig die Kombination einer niedrig dosierten neurolepti- schen Langzeittherapie mit einem Thymoleptikum, zum Beispiel 50 mg Pertofran®, Anafranil® oder Tofra- nil®.

© Bestehen nach dem Abklingen produktiver schizophrener Sympto- me keine defektuösen Erscheinun- gen, so ist eine ambulante Erhal- tungsmedikation mit Langzeit-Neu- roleptika oder anderen neurolepti- schen Substanzen über 8 Wochen hinaus nicht notwendig. Der Arzt sollte allerdings den Patienten in Abständen von 2 bis 3 Monaten se- hen und sollte ihn auch auf mögli- che Frühsymptome eines neuen Krankheitsschubes hinweisen, da- mit die Therapie rechtzeitig wieder begonnen werden kann, bevor es zur Manifestation eines voll ausge- prägten Schubes kommt. Auch die Angehörigen sind nach Möglichkeit in eine solche therapeutische Ver- einbarung einzubeziehen.

• Es ist anzustreben, mit den ge- ringsten, gerade noch wirksamen neuroleptischen Langzeit-Dosierun- gen auszukommen.

Dosierung

Bei der Anwendung von Dapotum®

D beziehungsweise Lyogen"-Depot in der klinischen Behandlung bei floriden schizophrenen Syndromen sind Einzeldosen von 12,5 mg bis 50 mg alle 7 bis 14 Tage als Norm anzusehen. Einzeldosen von 500 mg sind in wöchentlichen Abständen bei außerordentlich therapieresi- stenten schizophrenen Erkrankun- gen gegeben worden, auch wir ver- fügen über entsprechende Erfah- rungen. Es ist selbstverständlich, daß eine solche „adequate indivi- dualized dosage" Ausnahmefällen vorbehalten bleiben muß. Bei ambu-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2666 Heft 45 vom 9. November 1978

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Langzeit-Neu roleptika

Tabelle 1: Depotneuroleptika

Dosierung Dosierung

bei bei

klinischer ambulanter Therapie Erhältungs- mg i. m./ therapie Applikation

Indikations- schwerpunkte

Mögliche Begleit- wir- kungen Firmen-

bezeichnung

1-11/2 1-4 1-4 1-3 Imap 1

Fluanxol Depot

Dapotum D Lyogen-Depot

Decentan Depot

Fluspirilene

Flupenth ixol- decanoat

Fluphenazin- decanoat

Perphena- zi nönan- that

Chronische Schizophrenien Erhaltungs- bzw.

Langzeittherapie Chronische Schizophrenien, Erhaltungs- bzw.

Langzeittherapie Chronische Schizophrenien, Erhaltungs- bzw.

Langzeittherapie Chronische Schizophrenien, Erhaltungs- bzw. Langzeit- therapie

Chronische Schizophrenien, Erhaltungs- bzw.

Langzeittherapie

1-4

20-30

25

50-200

20-40 per os

Müdigkeit, extrapyramidale Symptome

Extrapyramidale Symptome

Extrapyramidale Symptome

Extrapyramidale Symptome, Müdigkeit

Extrapyramidale Symptome, Müdigkeit 2-6

20-40

12,5-50

100-250

20-60 per os Langzeitneuroleptikum

Semap Penfluridol Internationale chemische Kurz- bezeichnung (generic name)

Applikations- intervalle in Wochen

lanter Dosierung reichen im allge- meinen 25 mg alle 2 bis 4 Wochen aus.

Fluanxol® Depot wird bei klinischer Therapie in einer Dosierung von 20 mg bis 40 mg wöchentlich ange- wendet, ambulant sind 20 mg bis 30 mg in 1- bis 3wöchigen Interval- len als Regeldosierungen anzuse- hen.

Decentan® Depot ist klinisch in einer i. m. Dosierung von 100 bis 250 mg wöchentlich oder 14tägig zu geben, ambulant können alle 2 bis 4 Wo- chen 50 mg bis 200 mg injiziert werden.

Imap® wird klinisch in wöchentli- chen Intervallen in einer Dosierung von 2 mg bis 6 mg appliziert, bei der ambulanten Langzeit-Therapie rei-

chen 1 mg bis 4 mg wöchentlich aus.

Semap® wird in der klinischen The- rapie schizophrener Erkrankungen alle 7 Tage in einer Dosierung von 20 mg bis 60 mg als ausreichend be- funden. Für die ambulante Erhal- tungstherapie sind 20 bis 40 mg alle 7 bis 10 Tage zu empfehlen.

Begleitwirkungen

Bei allen Langzeit-Neuroleptika mit und ohne Depotwirkung stehen als Begleitwirkungen extrapyramidale Erscheinungen im Vordergrund. Die Manifestationshäufigkeit und -aus- prägung sind außerordentlich ver- schieden. Sie hängen von der indivi- duellen Reagibilität des einzelnen, von der verwandten Substanz, von

der Dosierung und vom Intervall ab.

In den ersten Tagen der Behandlung sind paroxysmale Dyskinesien („Zungen-Schlund-Syndrom") mög-•

lich, am häufigsten kommt es zu neurolepsiebedingten Parkinson- Syndromen. Nach wochen- bezie- hungsweise monatelanger Therapie klagen manche Patienten über Aka- thisie (Unruhe in den Beinen) und Tasikinese (dranghaftes Umherlau- fen wegen allgemeiner muskulärer Unruhe). Eine extrapyramidale Be- gleitwirkung, die nach jahrelanger neuroleptischer Therapie auftreten kann, stellen die späten Hyperkine- sen dar (choreiforme, athetoide, bal- listische beziehungsweise hemibal- listische Erscheinungen).

Bei der paroxysmalen Dyskinesie hilft die i. v. Injektion von Akineton®

(1 bis 2 Ampullen) sofort. Danach

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 9. November 1978 2667

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Langzeit-Neuroleptika

muß entweder die neuroleptische Dosis reduziert werden oder ein An- tiparkinsonmittel regelmäßig zum Neuroleptikum hinzugegeben wer- den. Das Parkinsonsyndrom sollte ebenfalls Anlaß des Versuchs einer Reduktion der Neuroleptika-Dosie- rung sein, ist dies aus therapeuti- schen Gründen nicht möglich, so muß ein Antiparkinsonmittel (zum Beispiel Akineton®, 1 bis 3 Tabletten täglich, Akineton® retard 1 bis 2 Ta- bletten täglich) verordnet werden.

Bei Akathisie und Tasikinese sind Antiparkinsonmittel nutzlos, auch hier empfiehlt sich die Reduzierung der neuroleptischen Dosis bezie- hungsweise die zusätzliche Anwen- dung eines Ataraktikums (zum Bei- spiel 3 x 5 mg Librium®). Späte Hy- perkinesen können durch Antipar- kinsonmittel nicht günstig beein- flußt werden, die Herabsetzung der Neuroleptika-Dosis ist häufig von ei- ner Verstärkung der Erscheinungen gefolgt. Eine Dosiserhöhung läßt oft die späten Hyperkinesen wieder ver- schwinden.

Über Müdigkeit wird von manchen Patienten vor allem an den ersten beiden Tagen nach der Applikation des Langzeit-Neuroleptikums ge- klagt. Wie andere neuroleptische Substanzen auch, können Depot- und Langzeitneuroleptika ein nach dem Abklingen florider schizophre- ner Symptomatik manifest werden- des postremissives Erschöpfungs- Syndrom (Heinrich) von wochen- bis monatelanger Dauer hervorrufen. In solchen Fällen sollte nach Möglich- keit eine Reduzierung der Neurolep- tika-Dosis versucht werden.

Sowohl beim postremissiven Er- schöpfungs-Syndrom wie auch bei neurolepsie-bedingten depressiven Syndromen bei der Langzeit-Be- handlung ist die thymoleptisch-neu- roleptische Kombinationstherapie angezeigt. Psychomotorisch stimu- lierende Thymoleptika in niedriger Dosierung (50 mg Pertofran®, Nor- trilen®, Anafranil®, Tofranil® vormit- tags) sind nützlich. Depressive Syn- drome bei neuroleptischer Langzeit- therapie müssen vom behandelnden

Arzt sehr ernst genommen werden, es sind Suizide vorgekommen.

In Tabelle 1 sind die beschriebenen Depot-Neuroleptika hinsichtlich ih- rer ,Firmenbezeichnung, ihrer inter- nationalen chemischen Kurzbe- zeichnung, ihrer chemischen Grup- penzugehörigkeit, der Indikations- schwerpunkte, der Dosierung und Applikationsintervalle sowie in be- zug auf ihre möglichen Begleitwir- kungen zusammenfassend charak- terisiert.

Teilnahme am Straßenverkehr unter einer neuroleptischen Langzeittherapie

Klinische neuroleptische Therapie und aktive Teilnahme am Straßen- verkehr am Steuer eines Autos oder als Zweiradfahrer schließen einan- der aus. Unmittelbar nach der Klinik- entlassung sollte ein Patient, bei dem eine neuroleptische Erhal- tungsmedikation notwendig ist, für etwa 4 bis 6 Wochen kein Kraftfahr- zeug steuern. Danach gibt es keine grundsätzlichen Verbotsgründe, es muß von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhängig gemacht wer- den, ob bei einer neuroleptischen Langzeittherapie das Lenken eines Kraftfahrzeuges ärztlich erlaubt wer- den kann.

Ein prinzipieller Grund, den Patien- ten von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, ist nicht vorhanden. In solchen Fällen, in denen eine deutliche Herabset- zung des Reaktionsvermögens be- steht, muß der Arzt das Lenken eines Kraftfahrzeuges durch den Patien- ten unterbinden. Notfalls muß der behandelnde Arzt den Amtsarzt ein- schalten.

Zusammenfassung

Langzeit-Neuroleptika begegnen in der ärztlichen Praxis immer noch ei- ner gewissen Zurückhaltung, weil eine schlechte Steuerbarkeit in der Therapie befürchtet wird. Derartige Befürchtungen sind nicht ange- bracht, wenn die vorgeschlagenen

Intervalle und Dosierungen einge- halten werden. Die intramuskulär zu applizierenden Präparate garantie- ren die tatsächlich wirksame Medi- kation und veranlassen Patient und Arzt zur regelmäßigen Kontaktauf- nahme. Die Erfolgsrate der neuro- leptischen Erhaltungstherapie schi- zophrener Kranker kann durch die kontinuierliche und regelmäßige An- wendung dieser Präparate deutlich gesteigert werden. Die Ergebnisse der klinischen Neurolepsie können im Laufe der auf die Entlassung des Patienten aus der Klinik folgenden Wochen und Monate noch verbes- sert werden („Remissionsgewinn").

Die klinische Wirksamkeit und die Begleitwirkungen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den Ge- gebenheiten bei anderen stark wirk- samen Neuroleptika. Über die ge- nannten Substanzen hinaus sind weitere Langzeit-Neuroleptika in kli- nischer Erprobung, es kann damit gerechnet werden, daß sich das the- rapeutische Instrumentarium der Langzeit-Neurolepsie noch verfei- nern wird.

Literatur

Adamson, L.: Chemistry and Pharmacology of Long-acting Fluphenazine-Preparations, Sym- posium on long-acting Phenothiazines at the State University Groningen on September 16th 1970, Squibb N. V. - Heinrich, K.: Psychophar- maka in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart 1976 - Heinrich, K., Baer, R.: Zur depot-neuro- leptischen Therapie Schizophrener in der klini- schen Ambulanz. In: Neuroleptische Dauer- und Depottherapie in der Psychiatrie. Schnetz- tor-Verlag GmbH, Konstanz 1969, 77-84 - Janssen, P. A. J., Niemeegers, C. J. H., Schelle- kens, K. H. K., Lenarts, F. M., Verbruggen, F. J., van Nueten, J. M., Schaper, W. K. A.: The phar- macology of Penfluridol (R 16341), a new po- tent and orally long-acting neuroleptic drug, Europ. J. Pharmacol. 11 (1970) 139-154

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Kurt Heinrich Psychiatrische Klinik der Universität Düsseldorf —

Rheinische Landesklinik Bergische Landstraße 2 4000 Düsseldorf

2668 Heft 45 vom 9. November 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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