Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 51–52|
21. Dezember 2009 A 2533 Mehr als 70 Prozent der Chirurgin-nen und Chirurgen in Deutschland geben an, zu wenig oder gar keine Zeit für das Privat- und Familienle- ben zu haben. Zu diesem vorläufi- gen Ergebnis kommt die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie in einer Studie, bei der mehr als 3 600 Kol- CHIRURGIE
Das Privatleben bleibt oft auf der Strecke
legen befragt wurden. Demnach hat sich der Arbeitsalltag von Chirur- gen in den letzten Jahren gewan- delt. Neben Operationen gehören dazu immer umfangreichere admi- nistrative Aufgaben. Überstunden seien zur Regel geworden. „Chirur- gen tragen die höchste Arbeitsbe- lastung aller Klinikärzte, ihre risi- koreiche Tätigkeit birgt zudem gro- ße Verantwortung“, sagt einer der Studienautoren, Priv.-Doz. Dr. med.
Thomas Bohrer, Würzburg.
Anhand der Ergebnisse zeigt sich, dass etwa 40 Prozent der Be- fragten ihre Lebensqualität schlech- ter einschätzen als die der restlichen Bevölkerung. Drei Viertel beklagen sich darüber, dass sie zu wenig Zeit für ihr Privatleben hätten. Trotzdem würden etwa 80 Prozent ihren Be- ruf ein zweites Mal wählen. „Die meisten Chirurgen zeichnen sich durch einen hohen Grad an Idealis- mus aus“, erläutert Bohrer. hil
RANDNOTIZ
Sabine Rieser
Literatur kann Leben retten. Als vor fünf Jahren an Weihnachten ein Tsunami im Indischen Ozean die an- liegenden Küstenstaaten überrollte und Zehntausende Menschen tötete, half manchen Urlaubern das Buch
„Der Schwarm“. Zumindest ließen sie Autor Frank Schätzing wissen, aufgrund der Lektüre hätten sie die Gefahr erkannt und wären vor dem Meer geflüchtet.
Wie Literatur bei einer anderen Bedrohung helfen kann, schildert
der Theologe und Schriftsteller Klaas Huizing in seinem neuen Buch
„Fürchte Dich nicht – Die Kunst der Entängstigung“. In diesem Essay re- flektiert er persönliche Erfahrungen mit Ängsten, ihre vielen Formen, die tieferen Ursachen – und Bewälti- gungsangebote der Theologie, Philo- sophie und Psychologie.
Medizin und Gesundheit sind Quellen des Ängstigens geblieben, stellt Huizing fest: „Die betagte Angst vor Arztbesuchen bekommt eine neue Schärfe: Jetzt gibt es auch Ärzte, die als datengestützte Propheten auftre- ten.“ Als Beispiel dient ihm das Buch
„Oben ohne“. Dessen Autorin hatte sich aus Angst angesichts ihres fami- liären Krebsrisikos zu einer Totalam- putation ihrer Brüste entschieden.
„Die Angst hat jetzt Zahlen und Prozente“, schreibt Huizing. „Fraglos hat die genetische Forschung die Angst vor einigen Krankheiten neh- men können, sie hat aber, das zeigt das Beispiel, auch neue Ängste ge- zeugt. Die Summe der Ängste wird offensichtlich nicht kleiner.“
Weshalb das so ist und man dar - an nicht verzagen muss, das schil- dert Huizing. Und einen schönen Rat gibt er: den zu lesen. „Literatur ist der Übungsraum gegen die Angst.
Sie übt ein, mit unvorstellbaren Si- tuationen umzugehen.“ Nicht nur zur Weihnachtszeit.
Und fürchte Dich nicht
Foto: picture alliance
Zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung hat Dr. med. Andreas Köhler gefordert, die Bedarfspla- nung zu modernisieren. „Wir wis- sen alle, dass die derzeit gültige Bedarfsplanung nicht mehr den Ansprüchen genügt“, sagte der Vor- standsvorsitzende der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV).
Man brauche Ärzte in der Fläche und an den Krankenhäusern, wobei die Verteilung nur noch gemeinsam zu lösen sei.
Köhler schlug vor, in jedem Bun- desland den Bedarf im ambulanten wie im stationären Bereich durch Regionalverbünde zu ermitteln. Dar - in sollten neben der KV die Landes- krankenhausgesellschaft, die Lan- desärztekammer und das Landes- ministerium stimmberechtigt ver- treten sein. Vertreter der Kassen und der Patienten hätten im Gremi- um eine beratende Funktion. Die Sicherstellung verantworteten für den ambulanten Bereich weiter die BEDARFSPLANUNG
Bessere Abstimmung in Regionalverbünden
KVen und für den stationären Be- reich die Länder, so Köhler. Die KBV hat bereits vor Längerem ein Modell entwickelt, das den Bedarf besser erfassen kann. Diese „Applikation zur kleinräumigen Versorgungsana- lyse“ (DÄ, Heft 26/2008) könnte man auch auf Kliniken ausdehnen.
Ingo Kailuweit, Vorstandsvorsit- zender der KKH-Allianz, begrüßte den Vorschlag. „Wir haben nicht generell zu wenig Ärzte, sie sind nur falsch verteilt“, sagte Kailu- weit. Er verwies darauf, dass es teil- weise aber auch schon eine fach- ärztliche Unterversorgung gebe, beispielsweise an Rheumatologen.
Insgesamt seien bei der Zulassung
„stärkere Differenzierungen nach Regionen, nach Schwerpunkten des Arztes und nach Erkrankungen der Bevölkerung erforderlich“. Auch der Spitzenverband Bund der Kran- kenkassen würde eine Neujustie- rung begrüßen. Dies geht aus einem aktuellen Positionspapier hervor. Rie
Viel Arbeit, kaum Freizeit:
Da kommen Familie und Freunde meist
zu kurz.