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Archiv "SPD-Gesundheitspolitik: Mächtige Verbündete" (06.09.2002)

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P O L I T I K

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A2294 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 366. September 2002

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ozialverbände und Gewerkschaf- ten machen im Bundestagswahl- kampf massiv Stimmung für die SPD. Erstmals haben sich zehn Sozial- verbände auf gemeinsame Positionen in der Gesundheitspolitik geeinigt. In einem auf Initiative des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack (SPD), verfassten Eckpunkte- papier für eine Gesundheitsreform plä- dieren die Spitzenverbände von chro- nisch Kranken und Behinderten für den Erhalt des Solidarsystems und gegen Wahlleistungen in der Gesetz- lichen Krankenversicherung (GKV).

Gleichzeitig stellte sich auch die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer, klar auf die Seite der SPD. Am 22. Sep- tember werde eine „Richtungsent- scheidung“ für das Gesundheitswe- sen getroffen. „Gesundheit für alle oder das Ende der Solidarität“, sagte die Gewerkschafterin bei einem DGB- Kongress in Berlin.

Sozialverbände gegen Grund- und Wahlleistungen

Die Nähe des Reformpapiers der Sozi- alverbände zu den gesundheitspoliti- schen Aussagen des SPD-Wahlpro- gramms ist frappierend. Dennoch han- dele es sich „ausdrücklich nicht um ein SPD-Papier“, beteuerte Haack bei der Vorstellung des Positionspapiers in Berlin. Die Eckpunkte richteten sich vielmehr an alle Parteien. Grund- und Wahlleistungen sowie das Abwählen von Leistungen in Form einer Kasko- versicherung lehnten die Verbände ab.

„Der Mensch ist schließlich kein Auto“, sagte Walter Hirrlinger (SPD), Präsi-

dent des Sozialverbandes VdK. Ein sol- ches System benachteilige nur alte, chronisch kranke und behinderte Men- schen. Mit dem Reformpapier wolle man einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik einleiten. Mit der Neukodifizierung des Reha- und Be- hindertenrechts im Sozialgesetzbuch (SGB) IX sei dies in der Behinderten- politik bereits gelungen. Die Grund- prinzipien des SGB IX, wonach die ge- sellschaftliche Teilhabe und Selbstbe-

stimmung chronisch kranker und be- hinderter Menschen definiert und gesi- chert werden solle, gelte es nun auf das Gesundheitssystem zu übertragen, for- derte Hirrlinger.

Im Mittelpunkt des Konzepts der So- zialverbände steht ein „ganzheitlicher Gesundheitsbegriff“. Demnach müssen alle Behandlungs- und Versorgungslei- stungen abgestimmt werden. Die Ge- sundheitsleistungen und deren Koordi- nation haben sich am Menschen zu ori- entieren und nicht umgekehrt. Dem Hausarzt müsse noch stärker die Rolle des „Lotsen“ im Gesundheitswesen zu- kommen. Damit man aber auch den Be- dürfnissen chronisch Kranker gerecht werde, sollten auch Fachärzte diese Aufgabe übernehmen können. Zur Ver- meidung von Krankheiten und Behin- derung müsse die Prävention gestärkt werden. Hier sei eine deutliche Aufwer- tung gegenüber der Akutmedizin nötig.

Außerdem sollten Präventionsangebo- te auch gezielt chronisch kranke und behinderte Menschen erreichen.

Positive Resonanz in Politik und Selbstverwaltung

Überwiegend positiv äußerten sich Ver- treter aus Politik und Selbstverwaltung über die Reformvorschläge der Sozial- verbände. Viele Ansätze seien be- grüßenswert, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm, bei der Präsentation des Eckpunktepapiers. Auch die Ärzte- schaft stehe für die solidarische Fi- nanzierung des Gesundheitswesens.

Dennoch sei es legitim, über freiwil- lige Selbstbehalte der Versicherten nachzudenken. Zufrieden mit dem Modell zeigte sich insbesondere Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Die Patienten-Perspektive werde in dem Papier konsequent durchgehalten, lob- te Schröder das SPD-nahe Konzept.

Auf weitgehende Ablehnung stießen dagegen die Forderungen der Sozial- verbände nach einer so genannten Dritten Bank im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Man wolle keine womöglich von der Pharmaindu- strie gesponserten Verbände am Tisch haben, sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans Jür- gen Ahrens. KBV-Chef Richter-Reich- helm verwies auf rechtliche Probleme bei der Durchsetzung einer solchen Forderung.

Die Sozialdemokraten haben mit den Verbänden der chronisch Kranken und Behinderten Verbündete für den Bundestagswahlkampf gefunden. Zwar betonen die Sozialverbände ihre Unab-

SPD-Gesundheitspolitik

Mächtige Verbündete

Patientenvertreter und Gewerkschaften wollen das Ruder noch einmal herumreißen und unterstützen die SPD.

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinder- ter Menschen, Karl Her- mann Haack (SPD):

„Bei dem Reformkon- zept handelt es sich ausdrücklich nicht um ein SPD-Papier. Die Eck- punkte richten sich an alle Parteien.“Foto: Bundestag

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A2296 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 366. September 2002

GLOSSE

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ehr geehrte Frau Kollegin, sehr ge- ehrter Herr Kollege, als erste Ab- solventin der Weiterbildung zur Fachärztin für Druck, Papier und Büro- kratie, kurz DPB, möchte ich mich vor- stellen.

Welche(r) Kollege/in, ob niedergelas- sen oder im Krankenhaus tätig, fühlt sich noch der immer größer werdenden Flut von Formularen, Vorschriften und Richtlinien gewachsen? Allein Bestel- lung und Bevorratung der möglicher- weise benötigten Formulare erfordert inzwischen fast eine Arbeitskraft. Die vorhandene Abrechnungsmöglichkeit (wem was in Rechnung zu stellen ist) ist eine Wissenschaft für sich. Wissen Sie, wie viele Feuerlöscher Ihre Praxis

benötigt? Wartungsintervalle? Hängt der Hygieneplan aus? Nein? Wo besorgt man so einen Plan? Welche Zertifizie- rungsvorschriften? Sind die auszulegen- den Praxisvorschriften auf dem neue- sten Stand? Richtige Gewichtung der DRG? Gerätebuch vollständig? Tragen Ihre RR-Manschetten überhaupt noch die gültige Eichmarke? Wo ist das Prüf- protokoll für das BZ-Messgerät? (Ach, Sie wussten gar nicht, dass Sie ver- pflichtet sind, mithilfe einer Testlösung regelmäßig die Funktionsfähigkeit Ihres Gerätes zu prüfen und das Ergebnis zu dokumentieren?)

Liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kol- lege, gehen Sie in sich: Haben Sie eine der Fragen mit „Nein“ beantwortet, oder sind Sie bei Ihren Überlegungen ins Stocken geraten, dann sind Sie ein Fall für mich. Die Trennung in einen ad- ministrativen (non patient care = npc) Sektor und einen kurativen war längst überfällig.

Nachdem ich mir beim 12 Jahre dau- ernden Spagat zwischen Patientenwohl und Bürokratenzufriedenheit beide Hüftgelenke ausgekugelt habe, habe ich mich dem npc-Segment zugewandt. Mit meinem Formulatorium, das alle nur er-

denklichen Formulare vorrätig hält, fah- re ich direkt zu Ihnen, und Sie laden Ihren ganzen Papierkrieg auf meinen mobilen Schreibtisch. Derzeit befindet sich dieser in einem Kleintransporter.

Aber mit zunehmender Globalisierung und dem Vordringen von EU-Richtlini- en, die keine deutsche Vorschrift erset- zen, sondern additiv hinzukommen, wird mein jetziges Formulatorium bald zu klein: Ich arbeite bereits am LKW- Führerschein.

Meine ausklappbare Satellitenanten- ne stellt sofort den Kontakt zum World Wide Web her, sodass ich die evidenzba- sierten Richtlinien der „American Asso- ciation for functional disorders of the right knee“ herunterladen kann.

Häufiger fallen zum Beispiel Ver- sorgungsamtsanfragen an. Da sich Deutschland zu einem Land von Invali- den entwickelt und es kaum einen über 65-Jährigen gibt, der nicht an einer de- generativen Gelenkerkrankung oder Hypertonie leidet, bietet mein einmali- ges Computersystem die Möglichkeit, Diagnosen und Textbausteine mittels Zufallsgenerator zu koppeln; es entsteht immer ein individuell erscheinender Be- fundbericht. Diese Vorgehensweise ist ökonomisch und trägt der minimalen Honorierung Rechnung. Alltäglichkei- ten wie das korrekte Ausstellen eines Physiotherapieformulares einschließ- lich Formulierung der Zielsetzung sind mit dem Programm eine Lappalie.

Habe ich Sie neugierig gemacht, wie Sie Ihren Praxisalltag von administrati- ven Zeiträubern entlasten können?

Gerne bin ich bereit, Ihnen mein Formu- latorium vor Ort zu demonstrieren.

Einen Wermutstropfen beinhaltet dieses Programm: Mit floatenden Punk- ten, zahlbar nach einem halben Jahr, bin ich nicht zufrieden; Euro, zahlbar in Fri- sten, wie sie im reellen Geschäftsleben üblich sind, müssten es schon sein.

Ihre Dr. med. Sabine Bührer-Erz

Dienstleistung einmal anders

hängigkeit von den Parteien, de facto handelt es sich aber bei dem Eckpunk- tepapier um ein deutliches Bekenntnis zur Politik von Bundesgesundheitsmi- nisterin Ulla Schmidt.

Auch Gewerkschaften sehen Schmidt auf richtigem Weg

Unterstützung bekommt Schmidt auch vom Deutschen Gewerkschafts- bund. Auf dessen Tagung „Gesundheit für alle“ in Berlin sagte DGB-Vize Ur- sula Engelen-Kefer: „Insgesamt fin- den sich die wesentlichen Eckpunkte des DGB zur Gesundheitsreform im SPD-Regierungsprogramm wieder.

Allerdings sind die vorgeschlagenen Maßnahmen noch nicht weitreichend genug.“ Erneut hat sich der DGB für mehr Kompetenzen der Krankenkas- sen bei den Verhandlungen mit den Leistungserbringern ausgesprochen.

Nur die Sicherstellung der Versorgung durch die Krankenkassen und die freie Vertragsgestaltungen zwischen Kas- sen und Ärzten ermöglichten die best- mögliche medizinische Versorgung der Patienten, behauptete Engelen- Kefer.

Ministerin Schmidt plädierte auf dem DGB-Kongress erneut für den Er- halt des Solidarsystems und sprach sich gegen Wahltarife und Selbstbehalte aus. Schmidt: „Am 22. September steht der Erhalt und die Weiterentwicklung der solidarisch finanzierten Gesetzli- chen Krankenversicherung auf dem Spiel.“ Dagegen bekräftigte der CSU- Gesundheitsexperte, Horst Seehofer, die Forderung, den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung des Versicherungsschutzes einzuräu- men. Allerdings sei die Einführung von Selbstbehalten erst mittel- und langfri- stig möglich. Belastungen und Entla- stungen für die GKV müssten sich da- bei die Waage halten. Darüber hinaus kündigte Seehofer im Fall eines Regie- rungswechsels als eine der ersten ge- setzlichen Maßnahmen an, die Selbst- hilfeorganisationen in die Politikbera- tung und -entscheidung stärker einzu- beziehen. Zumindest in diesem Punkt ist der Union wohl die Zustimmung von Sozialverbänden und Patienten- vertretern gewiss. Samir Rabbata

Referenzen

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