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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997 (1) er Hoechst-Konzern hat
sich von seinem wohl um- strittensten Produkt, der sogenannten Abtreibungspille RU 486, getrennt. Wie der französi- sche Hersteller des Medikaments, Roussel Uclaf, bekanntgab, hat das Unternehmen alle Rechte oh- ne finanzielle Gegenleistung an den ehemaligen Vorstandsvor- sitzenden von Roussel Uclaf und Mitentwickler von RU 486, Edouard Sakiz, abgetreten. Dieser will das Mittel nun in eigener Re- gie herstellen und vermarkten.
Hoechst hat sich damit eines Pro- duktes entledigt, das ihm ver- gleichsweise wenig Umsatz (rund sechs Millionen DM pro Jahr), dafür aber erhebliche Imagepro- bleme eingebracht hat. Radikale Abtreibungsgegner fürchten, mit der Pille werde der willkürlichen Tötung ungeborenen Lebens Tür und Tor geöffnet. In den USA hat- ten selbsternannte Pro-life-Aktivi- sten erst kürzlich zum Boykott von Medikamenten des Konzerns auf-
gerufen. In die Schußlinie radika- ler Abtreibungsgegner geraten, entwickelte Hoechst gleich zu Be- ginn ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Produkt. Konzernpolitik war, nie selbst die Zulassung für das Medikament zu beantragen, sondern die Verantwortung dafür an die Regierungen der jeweils in- teressierten Staaten zu delegieren.
Das Unternehmen knüpfte dar- über hinaus einen Zulassungsan- trag (sinnvollerweise) an die Vor- aussetzung, daß in den betreffen- den Staaten die Abtreibung ge- setzlich geregelt sein müsse und diese über eine medizinische Infra- struktur verfügen. In Europa steht RU 486 nur in Großbritannien, Frankreich und Schweden zur Ver- fügung. Die emotionsgeladene Diskussion hat vielfach verschlei-
ert, daß es sich bei dem Medika- ment nicht um einen Freibrief zur Abtreibung handelt, sondern ledig- lich um eine Methode des Schwan- gerschaftsabbruchs, der nach me- dizinischem Ermessen vergleichs- weise schonender erfolgen kann als ein chirurgischer Eingriff. An den gesetzlichen Bedingungen oder den Verfahren, denen sich Frauen un- terziehen müssen, um legal einen Abbruch vornehmen zu lassen, än- dert sich dadurch ebenso wenig wie an der medizinischen Kontrolle.
Die hochgeschürte Kritik hat zu- dem, so Sakiz, dazu geführt, daß die Entwicklungsmöglichkeiten des Mittels beispielsweise zur Schwan- gerschaftsverhütung oder zur Krebs- behandlung blockiert wurden (vgl.
Rubrik „Medizinreport“ in diesem Heft). Heike Korzilius
D
ei den Führungsgremien der SPD-Bundestagsfrak- tion zeichnet sich eine neue Aufgabenverteilung unter den etablierten Sozial- und Ge- sundheitspolitikern ab: Zwar hat die SPD-Bundestagsfraktion Ru- dolf Scharping (49) als Vorsitzen- den bestätigt und sechs Stellvertre- ter gewählt. Ottmar Schreiner (50), Jurist aus Saarlouis, bisher sozialpolitischer Sprecher der Fraktion, wurde jedoch neu in den Vorstand gewählt. Dieser gehört dem Bundestag seit 1980 an, ohne sich groß in die Gesundheitspolitik der Partei einzumischen. Hier hat- te bislang Rudolf Dreßler (56), seit 1984 Vorsitzender der Arbeits- gruppe für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA), neben dem ge- sundheitspolitischen Sprecher der SPD, Klaus Kirschner (55) MdB, das Sagen. Rudolf Dreßler, der im Zuge der Beratungen der dritten Stufe zur Strukturreform im Ge- sundheitswesen ebenso wie bei Kernfragen zur Erneuerung und Modernisierung des Sozialstaates
als Blockadepolitiker und inner- halb der Fraktion als unnachgiebi- ger Hardliner eingestuft wurde, ist ohnedies durch seine nur knappe Wiederwahl als SPD-Fraktionsvi- ze zumindest vom Wahlergebnis her redressiert worden.
Dreßlers beharrliches Agieren bei der Gesundheitsreform hat auch zum Teil die SPD-regierten Länder, vor allem die Stadtstaaten, aus haushaltspolitischen Gründen (Ein- standspflicht für die Krankenhaus- investitionskosten) gegen die Frak- tion aufgebracht – einmal abge- sehen vom rechten Flügel der SPD, der Seehofers erstem Reforment- wurf zur dritten Stufe vermutlich eher zugestimmt hätte. Gespannt wird man deshalb auf die künftigen Bearbeitungsschwerpunkte der So- zial- und Gesundheitspolitiker der SPD sein. Immerhin verfügt die
Fraktion im Vorstand mit Schrei- ner und mit den bestätigten Stell- vertretern Rudolf Dreßler und Anke Fuchs jetzt über drei enga- gierte Sozialpolitiker, die für ab- weichende Positionen stehen könnten. Es könnte sein, daß Ott- mar Schreiner den angestammten gesundheitspolitischen Part im Par- teivorstand von Dreßler über- nimmt, dieser sich auf renten- und arbeitsmarktpolitische Fragen kon- zentriert. Da sind noch Klaus Kirschner, der Arbeitskreisvorsit- zende Gesundheit der Fraktion, und Prof. Dr. rer. pol. Martin Pfaff (58) MdB aus Augsburg, seit 1994 Vor- sitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und So- zialdemokraten im Gesundheits- wesen (ASG), eher ein gemäßigter, kompromißbereiter Gesundheits- politiker. Dr. Harald Clade