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Archiv "SPD-Gesundheitspolitik Brückners Rundum- Schlag . . ." (03.02.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Nach dem bekannten Motto „In der Opposition kann man befreiter und unbefangener drauflosschlagen" geht offen- bar die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) die aktuelle Gesundheitspolitik an. Die harte Rolle des Opponierens macht Kräfte frei, so of- fenbar auch beim neu gewählten Bundesvorstand dieser gesundheitspolitischen Gliederung der Sozialdemokraten.

Wohl

wissend, daß die SPD Vi seit der Bonner Wende der Regierungsverantwortung im Bund ledig ist, nutzte der Bre- mer Gesundheitssenator und wiedergewählte ASG-Bundes- vorsitzende Herbert Brückner, die Gunst der Stunde, um der Regierungskoalition im Ge- sundheitsbereich „totale Ta- tenlosigkeit", eine „Politik des Ausklammerns" und der

„Problemverweigerung" vor- zuwerfen. Fast ironisch-scha- denfroh geißelte Brückner die

„dürftigen" Reformansätze und vielfältigen „Unterlas- sungssünden" der CDU/CSU- FDP-Koalition. Im Gesund- heitsbereich sei eine „Wende nach rückwärts" vollzogen worden. Selbst die der derzeiti- gen Bundesregierung (noch) wohlgesonnenen Verbände sowie deren Repräsentanten vereinnahmte Brückner unge- fragt für seine massive Kritik an der Bonner Gesundheitspoli- tik. Die Bundesregierung habe sich der Aufarbeitung der im Gesundheitsbereich offen zu- tage liegenden Problemberei- che bisher konsequent verwei- gert. Durch dieses zögerliche Zuwarten habe sie das Vertrau- enskapital selbst konservativer Kräfte verspielt, wagte Herbert Brückner zu analysieren. Ja er

SPD-Gesundheitspolitik

Brückners Rundum- Schlag...

ging so weit, gar eine Gesin- nungs- und Meinungsfront zwi- schen SPD-Gesund heitspol iti- kern und Sprechern der Ärzte- schaft zu konstruieren.

Vor der Presse in Bonn war Se- nator Brückner sichtlich darum bemüht, auch die Äußerungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt- schaftlichen Entwicklung („Fünf Weise") für die aktuel- len, wenn auch nicht gerade neuen sozialdemokratischen Anliegen einzuspannen. Na- mentlich Bundesgesundheits- minister Dr. Heiner Geißler warf Brückner „gesundheits- politische Inkompetenz" vor.

Die „Generalabrechnung mit den Strukturschwächen des

deutschen Gesundheitssy- stems" seitens der „fünf Wei- sen" habe er bisher weder zur Kenntnis genommen noch die von den (mehrheitlich libera- len) Sachverständigen „ange- mahnten Reformen" in Gang gesetzt. Dies sei um so enttäu- schender, als gerade Geißler vor und nach der Regierungs- bildung im Herbst 1982 hoch- gesteckte, weitreichende ge- sundheitspolitische Ziele for- muliert und entsprechende Forderungen angemeldet ha- be. Für ASG-Brückner und die Gesundheitsarbeiter in der SPD sind die Sündenböcke der

„gesundheitspolitischen Kon- zeptionslosigkeit" namentlich ausgemacht: Die Minister Geißler und Blüm wurden als Exponenten einer Politik ge- brandmarkt, die über kaum noch hinnehmbare Opfer zu Lasten der sozial Schwächsten

„geradewegs in eine andere Republik führe". Der „Grund- konsens" unseres Staates — seine Sozialpflichtigkeit — wer- de durch das „rechts-liberale Bündnis" durch eine Ellenbo- gengesellschaft und überzoge- ne marktwirtschaftliche Prinzi- pien ersetzt. Gerade diese hät- ten schon gar nichts im Ge- sundheitswesen verloren.

Weil es nun gerade zu einer Manie geworden ist, tagtäglich diesen und jenen Minister zum Rücktritt aufzufordern oder dem Bundeskanzler nahezule- gen, einen „Offenbarungseid"

abzulegen, den verantwort- lichen Minister zu entlassen, mochte auch Brückner hier nicht zurückstecken:

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 5 vom 3. Februar 1984 (13) 253

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SPD-Gesundheitspolitik

Bundesgesundheitsminister Geißler habe wegen seiner viel-

fältigen Versäumnisse in der Ge-

sundheitspolitik seine "Legiti- mation für das Ministeramt" ver- loren und sollte zurücktreten.

Was die ASG unter

"Strukturreform" versteht Vor diesem verbal-akrobati- schen Geplänkel unterbreitete Brückner einen ganzen Strauß sozialdemokratischer Reform- vorhaben. Der Bundesregierung warf er vor, "die längst überfälli- ge Reform der Struktur und Or- ganisation der gesundheitlichen Versorgung" - ein von der ver- flossenen sozialliberalen Bun- desregierung vor Jahren ange- kündigtes Strukturgesetz - zu hintertreiben (er verschwieg wohlweislich, daß auch frühere Bundesregierungen sich gegen- über den Rufen Brückners und der ASG taub gestellt hatten).

Die für die ASG unverzichtbaren Elemente einer "Vorwärtsstrate- gie" (übrigens noch nicht mit dem Parteivorstand, geschwei- ge denn mit der Gesamtpartei abgestimmt) lauten thesenartig:

~ Überwindung der kostentrei- benden starren Trennung von ambulanter und stationärer Ver- sorgung durch die Möglichkeit teilstationärer Klinikbehand- lung, durch gemeinsame Nut- zung medizinisch-technischer Apparate durch Krankenhaus und niedergelassene Ärzte so- wie eine Verpflichtung zu ko- operativem Zusammenwirken von Kliniken, freien Praxen und öffentlichem Gesundheitsdienst u. a. auf der Ebene sozialpsych- iatrischer Dienste, in der Haus- pflege und im Bereich der So- zialstationen.

~ Bei der Krankenhausreform sollten auch die Kliniken als In- stitution für ambulante Opera- tionen zugelassen werden. Dar- über hinaus müsse die Bedarfs- planung mit dem Ziel verbessert werden, "den Chefarztwettbe-

DEUTSCHES itß.ZTEBLATT

werb durch das Prinzip der ar- beitsteiligen Koordinierung der Krankenhäuser zu ersetzen so- wie durch Schaffung kranken- hausentlastender Einrichtungen im Bereich der Pflege."

~ Das Solidarprinzip in der ge- setzlichen Krankenversicherung soll durch eine klare Absage an zusätzliche Eigenbeteiligungen und Aushöhlungen des gel- tenden Versicherungssystems durch Wahltarife erneuert und gefestigt werden. Am gelten- den Sachleistungsverfahren der GKV will die ASG nicht gerüttelt wissen. So intransparent und steuerungseffizient es wohl ist, für die ASGier jedenfalls ist das Naturalleistungsverfahren der Garant für einen umfassenden, bedarfsnotwendigen Gesund- heitsschutz der Bevölkerung.

~ Selbstkosten-Hürden würden die Bemühungen, die Frühar- kennungs-Vorsorgemedizin zu intensivieren, konterkarieren.

~ Nach den Wünschen der SPD sollte der Schwerpunkt der Ge- sundheitssicherung von der der- zeit dominierenden behandeln- den zur vorbeugenden Medizin mit dem Ziel verlagert werden, in der Arbeits- und Freizeitweit das Krankheitsrisiko durch die Schaffung "gesundheitsgerech- ter Strukturen" zu mindern.

~ Der Arzneimittelmarkt sollte gesetzlich reguliert werden, in- dem das "jetzt unüberschauba- re Sortiment an Präparaten mit Hilfe von Positivlisten begrenzt und einer verbesserten Preis- transparenz unterworfen wird. Die gerade durch die Selbstver- waltungsbeschlüsse bewirkten Ausgabenbegrenzungen wer- den von Brückner zwar zur Kenntnis genommen, die von ihm als notwendig propagierten

"strukturellen und organisatori- schen Veränderungen" müßten allerdings erst jenseits dieser nur marginalen und finanzkos- metischen Veränderungen ein- setzen. Beitragssatzsenkungen seien gerade von der CDU/CSU- FDP-Bundesregierung unter

den Primat der Haushaltssanie- rung gestellt worden. Wiewohl der Bremer Senator die sozialli- berale Koalition hierbei nicht davon ausnahm, eine Gesund- heitspolitik vorwiegend unter dem Diktat des Rechenstifts be- trieben zu haben. Das geglieder- te System, die Selbstverwaltung der Beteiligten könnten nur in- soweit toleriert werden, als sie sich den Regeln eines staatsge- lenkten und staatskontrollierten Gesundheitswesens voll unter- ordnen.

Bei aller Voreingenommenheit und Pauschalbeurteilung ver- wundert es denn auch nicht, daß auch die Ärzte noch mehr unter die Knute des Staates und der Krankenkassen genommen wer- den sollen. Die Auszehrung der ambulanten Praxen durch medi- zin-technische Zentren, Hono- rarpauschalen, Leistungskom- plexhonorare und die Öffnung der Krankenhäuser für die vor- und nachstationäre Versorgung werden genannt. Un'ter dem fa- denscheinigen Siegel einer grö- ßeren Transparenz werden eine Zentralisierung der Honorarver- handlungen, eine breitere Publi- zität der Honorarentwicklung sowie eine dadurch verstärkte Kontrolle durch die öffentliche Meinung als sozialdemokrati- sche Position umschrieben.

Derlei Heilslehren sind indes weder originell noch neu. Die Gesundheitsarbeiter von der

"Basis" tönten so schon immer auf ASG-Tagungen. Sie werden aber nicht staatstragender, wenn sie sozial verbrämt wer- den oder unter den Schutzschild von fehlinformierten Wirt- schafts-Sachverständigen ge- stellt werden. Die Weiterent- wicklung des Gesundheitswe- sens und der gesetzlichen Kran- kenversicherung ist jedenfalls nicht "wendeabhängig". Daß mancher Sozialbarock abgebaut werden muß, um das ganze Sy- stem vor dem Kippen zu bewah- ren, das müßte auch wohlmei- nenden Sozialdemokraten ein- leuchten. Harald Clade 254 (14) Heft 5 vom 3. Februar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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