M E D I Z I N
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A2092 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 31–324. August 2003
hungsweise der Partnerin oder des Partners. Eine Hepatitis-B-Infektion durch Piercing in Deutschland (5) dürfte sicher nicht die Einzige sein.
Literatur
1. Deutscher Arbeitskreis für Krankenhaushygiene:Anfor- derungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen.
AWMF-Leitlinie Nr. 029/024. HygMed 2000; 25: 142–
144. www.awmf-online.de
2. Eid des Hippokrates. www.uni-heidelberg.de/institu- te/fak5/igm/g47/bauerhip.htm (29. 4. 2003) 3. Ferguson H: Body piercing. BMJ 1999; 319: 1627–1629.
4. Jacobs VR, Golombeck K, Jonat W, Kiechle M: Drei Fall- beispiele von Brustabszess nach Brustwarzenpiercing:
Unterschätzte Gesundheitsprobleme eines Modephä- nomens. Zentralbl Gynäkol 2002; 124: 378–385.
5. Krause H, Bremerich A, Sztraka M: Komplikationen nach Piercing im Mund und im Gesicht. Mund Kiefer Gesichtschir 2000; 4: 21–24.
6. Raths A: Webseite: www.eurostyle.de/Publikationen/
Arzte_Forum_2001/arzte_forum_2001.html (29. 4. 2003)
Dr. med. Volker R. Jacobs
Frauenklinik der Technischen Universität München Issmaninger Straße 22, 81675 München E-Mail: volkerjacobs@hotmail.com
Kritisch hinterfragen
Patienten mit schwerer autonomer Dys- funktion infolge einer Multisystematro- phie können häufig nur wenige Sekunden oder Minuten stehen, bevor Symptome auftreten.Die Behandlung der orthostati- schen Hypotonie kann die Lebensqua- lität erheblich verbessern. Einige der the- rapeutischen Empfehlungen von Wüllner und Klockgether müssen jedoch kritisch hinterfragt werden. Die Autoren schla- gen eine Therapie mit 10 mg Midodrin
dreimal täglich vor. Diese Dosierung ist für die Mehrzahl der Patienten mit schwerster autonomer Dysfunktion zu hoch gewählt und könnte einen bedrohli- chen Blutdruckanstieg verursachen. Der Verlust der autonomen Regulation führt dazu, dass Patienten mit schwerer or- thostatischer Hypotonie extrem empfind- lich gegenüber Substanzen sind, die eine Änderung des Gefäßtonus verursachen (3). Bei einigen Patienten steigt der Blut- druck bereits nach Einnahme von 5 mg Midodrin um deutlich mehr als 50 mm Hg an. Neben Midodrin können andere preiswerte und im Gegensatz zu L-DOPS (L-Dihydroxyphenylserin) leicht verfüg- bare Substanzen, wie zum Beispiel Etile- frin, Yohimbin und Indomethacin, einge- setzt werden (1). Da das Ansprechen von Patient zu Patient unterschiedlich ist, muss die Dosierung der jeweiligen Sub- stanz vorsichtig titriert werden. Die Ein- nahme der Medikation sollte am Morgen und gegebenenfalls noch einmal am Mit- tag oder frühen Nachmittag erfolgen.
Eine Einnahme am späten Nachmittag oder Abend, wie von den Autoren emp- fohlen, könnte die Hypertonie im Liegen während der Nacht verstärken. Fludro- cortison sollte als Mittel der zweiten Wahl angesehen werden, weil es die nächtliche Hypertonie verstärken kann. Dosierun- gen von 0,1 bis 0,2 mg/Tag reichen in der Regel aus.Wichtig erscheint der Hinweis, dass Fludrocortison erhebliche Hypoka- liämien verursachen kann. Regelmäßige Kontrollen der Elektrolyte und gegebe- nenfalls Kaliumsubstitution sind notwen- dig. Die Autoren schlagen die Gabe von Desmopressin zur Reduktion der nächt- lichen Urinproduktion vor. Bei Patien- ten mit orthostatischer Hypotonie beruht die verstärkte nächtliche Urinproduktion auf einer vermehrten Natriumausschei- dung (2, 5). Eine exzessive Natriumaus- scheidung wird durch die Gabe von Des- mopressin nicht verhindert. Außerdem könnte die Gabe von Desmopressin zu ei- ner weiteren Zunahme des Blutdrucks im Liegen führen (4).
Literatur
1. Jordan J, Shannon JR, Biaggioni I et al.: Contrasting ac- tions of pressor agents in severe autonomic failure.Am J Med 1998; 105: 116–124.
2. Jordan J, Shannon JR, Pohar B et al.: Contrasting effects of vasodilators on blood pressure and sodium balance in the hypertension of autonomic failure. J Am Soc Nephrol 1999; 10: 35–42.
3. Jordan J, Tank J, Shannon JR et al.: Baroreflex buffering and susceptibility to vasoactive drugs. Circulation 2002;
105: 1459–1464.
4. Mohring J, Glanzer K, Maciel JJ et al.: Greatly enhanc-ed pressor response to antidiuretic hormone in patients with impaired cardiovascular reflexes due to idiopathic orthostatic hypotension. J Cardiovasc Pharmacol 1980;
2: 367–376.
5. Wilcox CS,Aminoff MJ, Penn W: Basis of nocturnal polyu- ria in patients with autonomic failure. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1974; 37: 677–684.
Priv.-Doz. Dr. med. Jens Jordan Dr. med. Jens Tank
Synkopen- und Hypotoniesprechstunde Franz-Volhard Zentrum für Herz-Kreislaufforschung Charité Campus Buch
Wiltbergstraße 50, 13125 Berlin
Schlusswort
Wir danken für die Anmerkung, in der hingewiesen wird, dass die medika- mentöse Therapie eines Symptoms bei der Multisystematrophie ein anderes verschlechtern kann. Daher müssen je- weils im Einzelfall Nutzen und mögliche Nebenwirkungen eines Medikamentes sorgfältig beachtet werden. So sollten al- le blutdrucksteigernden Medikamente vorsichtig titriert werden. Midodrin be- ginnend mit ein- bis zweimal 2,5 mg, wobei in einer neueren Doppelblindstu- die bei der Mehrzahl der Patienten mit schwerem autonomen Versagen letzt- lich zwei- bis dreimal 10 mg notwendig waren, was auch unserer Erfahrung ent- spricht (1). Bei schwerer nächtlicher Hypertension sollte keine abendliche Gabe erfolgen und die abendliche Gabe von Fludrocortison (Astonin H) oder Desmopressin ist in diesem Fall natür- lich auch nicht sinnvoll. Ganz ähnlich muss auch der Einsatz von Antidepres- siva mit anticholinergen Nebenwirkun- gen sorgfältig abgewogen werden: Zwar kann durch die detrusorrelaxierende Wirkung die Miktionsfrequenz gesenkt werden, dies kann bis zum Harnverhalt führen und verstärkt die Obstipations- neigung.
Literatur
1. Wright RA, Kaufmann HC, Perera R, Opfer-Gehrking TL, McElligott MA, Sheng KN, Low PA:A double-blind, dose- response study of midodrine in neurogenic orthostatic hypotension. Neurology 1998; 51: 120–124.
Priv.-Doz. Dr. med. Ullrich Wüllner Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn
zu dem Beitrag
Klinik und Therapie der Multisystematrophie
von
Priv.-Doz. Dr. med. Ullrich Wüllner
Prof. Dr. med. Thomas Klockgether
in Heft 07/2003