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Archiv "Arzneimittelrisiken: Sildenafil ist mit erhöhtem Melanomrisiko assoziiert" (20.06.2014)

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A 1144 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 25

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20. Juni 2014

STUDIEN IM FOKUS

Myokardinfarkte sind die häufigste vaskuläre Komplikation nach nicht- kardialen Operationen, verursacht durch eine Thrombozytenaktivie- rung und dem Risiko für Thromben in den Koronarien. Mit Acetylsali- cylsäure (ASS) soll die Thrombo- zytenaggregation während und nach der Operation gehemmt wer- den. Es gibt zwar deutliche Hinwei- se, dass ASS kardiovaskuläre Er- eignisse nach nichtkardialen Opera- tionen verhindern kann, aber Unsi- cherheit zum Nutzen-Risiko-Ver- hältnis. In der POISE-2-Studie*

wurden Wirksamkeit und Sicherheit von perioperativer ASS in niedriger Dosierung im Vergleich zu Placebo untersucht. 10 010 Patienten im Al- ter über 45 Jahren wurden aufge- nommen. Sie wurden operiert (nicht am Herzen) und hatten eine koronare Herzkrankheit oder eine periphere arterielle Verschluss- krankheit, einen Schlaganfall in der Anamnese oder schon eine Gefäß- operation. Die Patienten erhielten randomisiert Placebo oder 200 mg ASS direkt vor der Operation und dann 100 mg/Tag über 30 Tage. Pa- tienten, die schon vor der Operation regelmäßig ASS eingenommen hat- ten, stoppten die Einnahme spätes- tens 72 Stunden vor der Operation, nahmen dann 200 mg Acetylsalicyl- säure direkt vor der Operation, dann für 7 Tage 100 mg und an- schließend in der Dosis wie vor der Operation. Die Patienten wurden danach stratifiziert, ob sie bislang schon ASS nahmen oder nicht.

Der primäre Endpunkt, die Kom- bination von Tod oder nichttödli- chem Myokardinfarkt in den ersten 30 Tagen nach Operation, trat bei 7,0 % (351/4 998) der Patienten der ASS-Gruppe und bei 7,1 % (355/5 012) in der Placebo-Gruppe auf (Hazard-Ratio 0,99; 95-%-Kon- fidenzintervall [KI] 0,86–1,15;

p = 0,92). Schwere Blutungen wa- ren in der ASS-Gruppe häufiger als unter Placebo (HR 1,23; 95-%-KI 1,01–1,49; p = 0,04), die Myokard- infarkt-Rate in beiden Strata ähn- lich.

Fazit: Die perioperative Gabe von ASS verringert im Vergleich zu Pla- cebo die Häufigkeit von Todesfäl- len und nichttödlichen Myokardin- farkten nicht, erhöht jedoch das Ri- siko für schwere Blutungen. „Das kann in der Versorgungsforschung passieren: Wenn eine in den Emp- fehlungen und Leitlinien anerkann- te Regel – in diesem Fall die peri- operative Fortführung von Acetyl- salicylsäure zur Sekundärpräventi- on bei arteriellen Gefäßerkrankun- gen – aus einer anderen Perspektive betrachtet und untersucht wird, wird diese infrage gestellt,“ so der Kommentar von Prof. Dr. med. Mi- chael Spannagl, Klinikum der Uni- versität München, zu den Ergebnis-

sen dieser Studie. Seiner Meinung nach unterstützen diese eine indivi- duelle Risikoeinschätzung des pe- rioperativen Blutungs- und Throm- boembolierisikos und nicht ein pau- schales Vorgehen: „Eine signifikan- te Risikoerhöhung für perioperative Blutungskomplikationen durch ASS ist bekannt, entscheidend ist jedoch der kombinierte Endpunkt aus Blutung und Thromboem - bolie.“ Dr. rer. nat. Susanne Heinzl Devereaux PJ, et al.: Aspirin in patients undergoing noncardiac surgery. NEJM 2014;

370: 1494–503.

*POISE-2-Studie: Perioperative Ischemic Evaluation Study 2

PERIOPERATIVE PROPHYLAXE KARDIOVASKULÄRER KOMPLIKATIONEN

ASS perioperativ reduziert nicht die Herzinfarktrate

Die RAS/RAF-Mitogen aktivierte Proteinkinase und die extrazellulär signalregulierte Kinase ERK/MEK wirken an der Umwandlung von ex- trazellulären in intrazelluläre Signa- le mit und haben Bedeutung für das Malignomwachstum. Eine Hyper- aktivierung von ERK findet sich in einem hohen Anteil von Melanom- zellen, häufig reguliert über somati- sche Mutationen im Gen für BRAF (circa 50 % der Melanome) oder für NRAS. Die Phosphodiesterase 5 (PDE-5) ist ein Zielmolekül von BRAF und spaltet zyklisches Gua- nosin-Monophosphat (cGMP).

Über die MEK/ERK-Kaskade regu- liert aktiviertes BRAF die PDE-5 herunter mit der Folge, dass die

cGMP-Spaltung gehemmt und der intrazelluläre Kalziumspiegel er- höht wird. Über diesen Mechanis- mus könnte invasives Melanom- wachstum gefördert werden.

Experimentelle Untersuchungen haben ergeben, dass die Exposition von Melanomzellen gegenüber PDE-5-Inhibitoren deren Invasivi- tät erhöht, vor allem bei BRAF- Mutationen. Da PDE-5-Inhibitoren wie Sildenafil häufig verschriebene Arzneimittel bei erektiler Dysfunk- tion sind, ist ein US-amerikanisches Forscherteam in einer prospektiven Kohortenstudie der Frage nachge- gangen, ob die Einnahme von Sil- denafil mit einem erhöhten Risiko für maligne Melanome assoziiert ARZNEIMITTELRISIKEN

Sildenafil ist mit erhöhtem Melanomrisiko assoziiert

GRAFIK

Primärer kombinierter Endpunkt der POISE-2-Studie nach 30 Tagen (Kaplan-Meier-Schätzungen).

Patienten mit Ereignis (in %)

Zeit nach Randomisierung (Tage)

HR 0,99 (95-%-KI, 0,86–1,15), p = 0,92 Placebo Aspirin

modifiziert nach: NEJM 2014; 370: 1494–503.

7 6 5 4 3 2 1 0

0 5 10 15 20 25 30

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20. Juni 2014 A 1145 sein könnte. Basiskohorte ist die ab

1986 laufende Health Professio- nal’s Follow-up Study mit 51 529 Männern (40–75 Jahre). Für die pri- märe Analyse wurden die Daten von 25 848 Männern (durchschnitt- lich 64,8 Jahre) ausgewertet. Sie durften zum Zeitpunkt der Befra- gung im Jahr 2000 keine Maligno- me haben. Gefragt wurde, ob sie aktuell Sildenafil einnahmen oder in der Vergangenheit angewandt hatten. Dies bestätigten 6,3 %. Im weiteren Verlauf wurde jährlich nach Tumordiagnosen gefragt.

Im Verlauf von 10 Jahren traten 142 Melanome auf, 580 Plattenepi- thel- und 3 030 Basalzellkarzino- me. Die Sildenafil-Einnahme (zu ir- gendeinem Zeitpunkt) war mit ei- nem erhöhten Melanomrisiko asso- ziiert (nach Multivariaten-Analyse

adjustierte Hazard Ratio [HR] 1,92;

95-%-Konfidenzintervall [KI]

1,14–3,22), nicht aber mit einem er- höhten Risiko für Plattenepithelkar- zinome (HR 0,84; 95-%-KI 0,59–1,20) oder für Basaliome (HR 1,08; 95-%-KI 0,93–1,25). Blieben Patienten mit schweren chroni- schen Erkrankungen unberücksich- tigt, betrug die HR für eine Mela- nomdiagnose bei Sildenafil-An- wendern 2,77 (95-%-KI 1,32–5,85) im Vergleich zu Nicht-Anwendern.

Fazit: Die Anwendung von Sildena- fil ist mit einem erhöhten Mela- nomrisiko assoziiert. Aus der Ko- hortenstudie lässt sich allerdings die Frage nach einem kausalen Zu- sammenhang nicht beantworten.

Außerdem basierten Analysen zur Fragestellung auf Selbstauskünften,

die ungenau sein können. „Auch wenn die Analyse auf der Basis von 142 Melanomen nicht ausreicht, um generelle Schlussfolgerungen auf die Verwendung von Sildenafil zu ziehen, sollte der Verdacht bei einer Verordnung von Lifestyle-Medika- menten Anlass sein, Patienten zu informieren und auf regelmäßige dermatologische Untersuchungen hinzuweisen“, kommentiert Prof.

Dr. med. Thomas Otto, Chefarzt der Urologischen Klinik am Lukas- krankenhaus in Neuss. „Auch legt die Studie nahe, dass es sich um ein Substanzklassenproblem von PDE- 5-Hemmern handeln könnte.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Li WQ, Qureshi AA, Robinson KC, Han J:

Sildenafil use and increased risk of incident melanoma in US men: A prospective cohort study, JAMA Intern Med 2014, 174: 964–70.

Multiple endokrine Neoplasien vom Typ 2 (MEN2) sind seltene, autosomal dominant vererbte Syn- drome, zu deren Merkmalen ein ho- hes Risiko für medulläre Schilddrü- senkarzinome und Phäochromozy- tome zählen. Gentests ermöglichen bei Hochrisiko-Konstellationen die lebensrettende prophylaktische Thyreoidektomie. Auch zur Phäo- chromozytom-Prophylaxe werden häufig noch beide Nebennieren ent- fernt. Aber es gibt inzwischen or- gansparende, teilweise auch endo- skopische Operationsmethoden, von deren Zuverlässigkeit viele On- kologen überzeugt sind. Da bei die- sem seltenen Krankheitsbild rando-

misierte Studien kaum zu realisie- ren sind, wurden in einer weltwei- ten retrospektiven Untersuchung an 30 universitären Zentren die Daten von 1 210 Patienten mit MEN Typ 2 gesammelt, von denen 563 ein Phäochromozytom aufge- wiesen hatten. Bei 79 % der 552 Pa- tienten, die deswegen operiert wur- den, wurde komplett adrenalekto- miert, bei den übrigen eine organ- sparende Methodik angewendet.

In vier von 153 organsparend operierten Nebennieren (3 %) wur- de im Verlauf von 6–13 Jahren ein Rezidiv gefunden, ebenso in 11 von 717 radikal operierten Organen (2 %); der Unterschied war nicht

signifikant (p = 0,57). Dafür litten 292 von 339 Patienten mit bilatera- lem Phäochromozytom, die kon- ventionell operiert worden waren (86 %), postoperativ an einer Ne- benniereninsuffizienz oder einer Steroidabhängigkeit, aber nur 35 von 82 Patienten (43 %), die wegen ebenfalls bilateraler Tumoren or- gansparend operiert worden waren.

Fazit: Obwohl die bekannten Ad- dison-artigen Komplikationen fast unausweichlich sind und eine le- benslange Steroidsubstitution erfor- dern, werden in vielen Zentren beidseitig die Nebennieren entfernt, wenn Patienten mit MEN vom Typ 2 ein Phäochromozytom entwi- ckeln. Das Ergebnis der aktuellen großen Fallserie ist, dass organspa- rende Operationen durch erfahrene Chirurgen erfolgreich und sicher sind und vielen Patienten die endo- krinen Komplikationen der radika- len Operation ersparen könnten. Sie sollten deshalb die Methode der Wahl sein, wenn Lage und Größe des Tumors es gestatten. Josef Gulden

Castinetti F, et al.: Outcomes of adrenal- sparing surgery or total adrenalectomy in phaeochromocytoma associated with multiple endocrine neoplasia type 2: an international retrospective population-based study. Lancet Oncol 2014; 15: 648–55.

PHÄOCHROMOZYTOM

Die Neoplasie sollte organsparend operiert werden

GRAFIK

Krankheitsfreies Überleben von Patienten mit Phäochromozytom nach organsparender Tumorresektion und kompletter Adrenalektomie (p = 0,27)

100 90 20 10 0

0 5 10 15 20 25 30 Ereignisfreies Überleben der Patienten (in %)

Follow-up nach Operation (in Jahre) Organsparende Tumorresektion komplette Adrenalektomie

modifiziert nach: Lancet Oncol 2014; 15: 648–55.

M E D I Z I N R E P O R T

Referenzen

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