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Archiv "Periphere arterielle Verschlusskrankheit: Es besteht Handlungsbedarf" (03.02.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 5

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3. Februar 2012 A 205

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ehr als 4,5 Millionen Deut- sche leiden an einer peri- pheren arteriellen Verschlusskrank- heit (pAVK), ab einem Alter von 65 Jahren ist jeder Fünfte von einer klinisch bisher asymptomatischen pAVK betroffen. „Die pAVK wird von allen klinisch relevanten vas- kulären Erkrankungen am seltens- ten diagnostiziert, behandelt und in wissenschaftlichen Studien unter- sucht“, kritisierte Prof. Dr. med.

Edelgard Lindhoff-Last, Frankfurt/

Main, beim „AngioUpdate 2011“

in Wiesbaden. Zudem würden die 2009 veröffentlichten S3-Leitlinien viel zu wenig beachtet (Dtsch Arztebl 2011; 108[40]: A–2094). Es beste- he großer Handlungsbedarf.

Die Mortalität von pAVK-Patien- ten liegt mit 2,4 Prozent pro Jahr sogar höher als bei KHK-Patienten (1,8 Prozent). Besonders hoch ist

das Mortalitätsrisiko laut neuen Da- ten bei Patienten mit proximalen Lo- kalisationen einer pAVK, und beson- ders ungünstig ist die Konstellation Typ-2-Diabetes plus erniedrigtem Knöchel-Arm-Index (ABI < 0,9), das Standarddiagnosekriterium einer pAVK im Frühstadium.

Die Blutzuckereinstellung korreliert mit der Prognose

Die Mortalität dieser Patienten be- trug in einer Langzeitstudie über zehn Jahre mehr als 50 Prozent, während sie bei Diabetikern mit einem ABI > 0,9 nur bei 17 Pro- zent lag. Auch die Blutzuckerein- stellung korreliert mit der Progno- se. So stieg in einer Metaanalyse der Daten von 14 Studien mit ins- gesamt 95 000 Patienten für je- de Zunahme des HbA

1c um einen Prozentpunkt das Risiko für eine

Beinamputation signifikant um das 1,26-fache.

Eine pAVK betrifft meistens die unteren Extremitäten. Aber auch Atherosklerose-bedingte asympto- matische Stenosen der A. carotis und der A. subclavia sind nicht selten. In einer Metaanalyse betrug die Rate asymptomatischer höhergradiger Ca- rotisstenosen (> 70 Prozent) 0,1 Pro- zent bei unter 50-jährigen Männern bis drei Prozent bei über 80-Jähri- gen; bei Frauen war die Rate deut- lich niedriger und betrug nur null bis 0,9 Prozent. A. subclavia-Steno- sen wurden in einer US-Studie bei 4,6 Prozent der Teilnehmer im Alter von 45 bis 84 Jahren nachgewiesen, bei über 75-jährigen Frauen betrug die Rate sogar sieben Prozent.

Mit der Bestimmung des Knö- chel-Arm-Index steht eine einfache und kostengünstige Methode zur PERIPHERE ARTERIELLE VERSCHLUSSKRANKHEIT

Es besteht Handlungsbedarf

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit führt zu einer um zehn

Jahre verkürzten Lebenserwartung. Doch sie wird zu wenig diagnostiziert, behandelt und wissenschaftlich erforscht.

Foto: mauritius images

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A 206 Deutsches Ärzteblatt

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3. Februar 2012 Diagnose einer bisher asymptoma -

tischen pAVK zur Verfügung. Ein ABI ≤ 0,9 weist nach dem Ergeb- nis einer aktuellen Metaanalyse mit einer sehr hohen Spezifität von mehr als 90 Prozent auf eine min- destens 50-prozentige Gefäßstenose hin. Allerdings lag die Sensitivität der Methode im Schnitt nur bei 70 Prozent und war vor allem bei äl- teren Patienten über 75 Jahre und Diabetikern gering, berichtete Lind- hoff-Last. Außerdem können die ABI-Werte bei unterschiedlichen Messmethoden erheblich variieren.

Besonders umstritten sind automati- sierte Messmethoden. Ist der ABI- Wert nicht eindeutig, sollte eine Du- plexsonographie erfolgen.

Nutzen der Plättchenhemmer bei Primärprävention fraglich

Die Therapie der pAVK erfolgt sta- dienbezogen. Basis ist in allen Sta- dien die Modifikation vaskulärer Risikofaktoren (Nikotinstopp, mög- lichst gute Einstellung von Cho - lesterin, Blutdruck, Blutzucker) so- wie die Thrombozytenfunktionshem- mung (ASS, Clopidogrel) zur Se- kundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse. Allerdings: Je älter die Patienten sind, desto seltener kom- men prophylaktisch wirksame Me- dikamente wie Statine zur Anwen- dung, sagte Lindhoff-Last.

Der Nutzen einer Plättchenhem- mung in der Primärprävention ist fraglich. Zwar wurde in einer Meta - analyse der Daten von sechs Studi- en bei asymptomatischen Patienten mit erniedrigtem ABI eine geringfü- gige Risikoreduktion durch Einnah- me von ASS (75–500 mg täglich) belegt (12 Prozent Risikoreduktion relativ, absolut 0,07 Prozent pro Jahr), aber auf Kosten eines deutlich erhöhten Blutungsrisikos. Die Rate schwerer gastrointestinaler und ex- trakranialer Blutungen stieg von 0,07 Prozent auf 0,10 Prozent pro Jahr (Zunahme um 30 Prozent). ASS sollte bei asymptomatischen pAVK- Patienten zurückhaltend verordnet werden, riet Lindhoff-Last.

Gehtraining (mindestens zweimal pro Woche eine halbe Stunde über mindestens drei Monate) ist die The- rapie der ersten Wahl bei pAVK-Pa- tienten mit Claudicatio intermittens.

Besonders effizient sind Gehtrai- ningsprogramme mehrmals pro Wo- che in Therapiegruppen unter Anlei- tung, die in den Niederlanden bereits weit verbreitet sind. Dringend wer- den solche Programme flächende- ckend auch in Deutschland benötigt, um die Langzeitprognose der Patien- ten weiter verbessern zu können, be- tonte die Angiologin.

Gut belegt ist auch ein günstiger Einfluss einer Therapie mit vasoakti- ven Substanzen, etwa mit dem Phos- phodiesterase-III-Hemmstoff Cilos- tazol. In einer Metaanalyse der Da- ten von neun Studien mit insgesamt 1 259 Patienten verbesserte sich bei dieser Therapie die Gehstrecke im Mittel um 41 Meter im Vergleich zur Placebogruppe. Möglicherweise hat die Therapie auch einen antiathero - sklerotischen Effekt: Im Verlauf von zwei Jahren konnte bei Typ-2-Diabe- tikern mit Verdacht auf pAVK die Zunahme der Intima-Media-Dicke verlangsamt werden.

Eine günstige Beeinflussung der Gehstrecke konnte in weiteren klei- nen Studien auch für den Angioten- sin1-Rezeptor-Blocker Telmisartan und für orales Koffein (6 mg/kg KG) belegt werden: Die Gehstrecken wur-

den jeweils um etwa 26 Prozent ver- längert. Allerdings klagte in der Kof- feinstudie jeder fünfte Behandelte über Schwindel.

Endovaskuläre Therapieverfahren zur Revaskularisierung von Ge fäß - stenosen werden ab dem Fontaine- Stadium IIb (Gehstrecke < 200 m) empfohlen, chirurgische Verfahren in den Stadien III (Ruheschmerz) und IV (Ulkus/Gangrän). Bei der Indika - tionsstellung sollte allerdings außer dem Stadium der pAVK und der Aus- prägung der Gefäßläsionen stets auch der individuelle Patientenwunsch be- rücksichtigt werden, heißt es in der S3-Leitlinie zum pAVK-Manage- ment aus dem Jahr 2010.

Der Trend geht zu den interventionellen Verfahren

Die Verfahren sollten generell nur bei starken Beschwerden, hohem Leidensdruck oder bei beruflicher Notwendigkeit einer verbesserten Gehleistung erwogen werden und sind insbesondere eine Alternative bei Patienten, bei denen ein Gehtrai- ning unmöglich, wenig erfolgver- sprechend oder nicht erfolgreich ist.

Es gibt einen Trend dazu, inter- ventionelle Verfahren als Therapie der ersten Wahl zu bevorzugen. Al- lerdings hängt dies auch von der Lokalisation der Stenose ab. Bei Läsionen in Beckenarterien zum Beispiel werden mit interventionel- len Verfahren hohe Erfolgsraten er- zielt, berichtete Prof. Dr. med. Gun- nar Tepe, Rosenheim, sogar bei kompletten Verschlüssen, während bei Stenosen in der Arteria femora- lis communis die Operation nach wie vor der Goldstandard sei.

Bei der Entscheidung, ob pri- mär interventionell oder chirurgisch vorgegangen werden sollte, hilft die TASC*-Klassifikation, bei der aorto-/iliakale Läsionen nach ihrem Schwierigkeitsgrad der Revasku - larisierung eingeteilt werden. Bei TASC A-Läsionen gilt die interven- tionelle Therapie als Methode der Wahl, bei B-Läsionen als bevorzug- te Methode; höhergradige Läsionen der Typen C und D sind die Domä- ne chirurgischer Eingriffe.

Roland Fath

*TASC = Trans-Atlantic inter-Society Consensus document on management of arterial disease

Der Ankle-Brachial-Index (ABI) wird oft als Methode der Wahl zum Screening auf eine periphere arterielle Ver- schlusskrankheit (pAVK) gesehen (Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 1). Der ABI soll im Liegen nach fünf Minu- ten Ruhe bestimmt werden. Das Prinzip beruht auf einer Messung des systolischen Blutdrucks am Oberarm an der A. brachialis und am Knöchel an den Aa. dorsalis pedis und tibialis posterior.

Der Quotient aus den Blutdruckwerten am Knöchel und am Oberarm wird als ABI bezeichnet. Die Reproduzierbar- keit der Methode ist gut, die Inter- und Intraobserver-Va- riabilität liegt zwischen acht und neun Prozent. Beim Ge- sunden ist der systolische Blutdruck an der unteren Extre- mität um 10 bis 15 mmHg höher.

Ein normaler ABI liegt zwischen 0,91 und 1,30.

Werte von 0,75 bis 0,9 zeigen eine leichte pAVK an.

Werte über 0,5 bis 0,75 mittelschwere pAVK

Werte unter 0,5 schwere pAVK (kritische Ischämie)

Werte über 1,30 weisen auf eine verminderte Kompri- mierbarkeit der Gefäße mit Verdacht auf Mediasklerose hin.

Dementsprechend haben Patienten mit erhöhten ABI- Werten eine schlechtere Prognose auch hinsichtlich kar-

diovaskulärer Ereignisse. EB

ANKLE-BRACHIAL-INDEX

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Referenzen

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