• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Weiterentwicklung des Belegarztwesens — ein Schlüssel zur Krankenhauspolitik" (22.04.1976)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Weiterentwicklung des Belegarztwesens — ein Schlüssel zur Krankenhauspolitik" (22.04.1976)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Weiterentwicklung des Belegarztwesens — ein Schlüssel

zur Krankenhauspolitik

BLICK ÜBER DIE GRENZEN:

Medizin

in Entwicklungsländern Der hoffnungsvolle Fortschritt — vom Helikopter zu Pflugochsen

BEKANNTMACHUNGEN

PERSONALIA

FEUILLETON:

Vom Geheimnis Kretas

Die „Verknüpfung von freier Praxis und Krankenhaus" wird derzeit im- mer lauter in der gesundheitspoliti- schen Diskussion gefordert. Bei al- len politischen Parteien taucht die- ses beinahe schon zur Floskel ge- wordene Wort auf und erst recht bei allen Organisationen und Ver- bänden, die sich nach ihrer Aufga- benstellung mit dem Gesundheits- wesen beschäftigen.

Hinter dem Wort „Verknüpfung"

verbergen sich allerdings sehr un- terschiedliche Vorstellungen, je nach der gesellschaftspolitischen Grundeinstellung derer, die sie proklamieren. Vor allem auf der linken Seite des politischen Spek- trums werden damit „institutionel- le" Vorstellungen verbunden: Man denkt an neue Institutionen, die zwischen Krankenhaus und Praxis geschoben werden könnten, wie zum Beispiel die noch immer un- verdrossen proklamierten „medizi- nisch-technischen Zentren" ge- werkschaftlichen Ursprungs. Oder an die Einschaltung der Kranken- häuser als Institutionen in die am- bulante Behandlung der Versicher- ten — obwohl dieser Weg nur ein Schritt zur Entpersönlichung der Patient-Arzt-Begegnung wäre und weit höhere Kosten als bisher ver- ursachen würde (vgl. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 14/1975, Seite 937, und 38/1975, Seite 2587). Das „so- zialpolitische Wunderland" Schwe-

den baut in seiner Regierungspoli- tik inzwischen die Krankenhausam- bulanzen wegen dieser Nachteile zum Beispiel wieder ab!

Wer eine kostentreibende gesell- schaftspolitisch motivierte System- veränderung in unserem Gesund- heitswesen nicht

nur als

Lippenbe- kenntnis ablehnt, sollte sich heute mehr denn je der Vorschläge erin- nern, die die Deutschen Ärztetage zur besseren Verbindung der bei- den Leistungsbereiche Kranken- haus und Praxis gemacht haben.

Erwähnt seien insbesondere die

„Leitsätze zur Struktur der Kran- kenhäuser und ihres ärztlichen Dienstes", verabschiedet 1972 in Westerland, und die „Gesundheits- und sozialpolitischen Vorstellun- gen der deutschen Ärzteschaft", verabschiedet 1974 in Berlin. Sie sehen u. a. einen Ausbau und vor allem eine Modernisierung des Be- legarztsystems vor, in Richtungen, wie sie im Ausland schon lange mit Erfolg praktiziert werden. Diese Vorschläge zielen — und das sollte von allen Beteiligten zur Kenntnis genommen werden — auf eine ent- scheidende Weiterentwicklung des bestehenden Belegarztwesens in Richtung auf mehr Koordination und mehr Kooperation ab. Damit können eine Reihe von Nachteilen vermieden werden, die hier und da zu Recht gegen das geltende Be-

Weiterentwicklung

des Belegarztwesens — ein Schlüssel

zur Krankenhauspolitik

Gerhard Vogt

(2)

Aufsätze •Notizen

Belegärzte

legarztwesen erhoben werden. An- dererseits würde aber die hier vor- geschlagene Reform gerade die Nachteile einer Institutionalisierung der Krankenhausbehandlung ver- meiden. Es ist deshalb an der Zeit, die Ärztetagsvorschläge noch einmal in systematisierter Form zusammenzufassen und zu erläu- tern.

Die Vorschläge für die Weiterent- wicklung des Belegarztwesens könnten auch Schlüssel sein in der Diskussion um die Erhaltung klei- nerer Krankenhäuser. Schon vor Erlaß des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes von 1972 hatte die Bundesärztekammer davor ge- warnt, die Anzahl der Betten in ei- nem Krankenhaus zum formalen Beurteilungskriterium für dessen weitere Existenzberechtigung zu machen. Vielmehr kann es doch nur darauf ankommen, welche Lei- stungen ein Krankenhaus unter welchen wirtschaftlichen Bedin-

Die seit vielen Jahren praktizierte Form belegärztlicher Versorgung von Krankenhauspatienten wird auf die Dauer nicht mehr den Bedürf- nissen des Gesundheitswesens ge- recht. Daher hat der Deutsche Ärz- tetag, zuletzt 1974 in Berlin, ein neuartiges leistungsfähiges Beleg- arztwesen vorgeschlagen.

1. Definitionen

1.1. Belegärzte sind, entsprechend der bisherigen Definition, freiprak- tizierende Ärzte, die an der statio- nären ärztlichen Versorgung mit- wirken und ihre Patienten, auf Überweisung auch die Patienten anderer Ärzte, im Krankenhaus sta- tionär behandeln.

1.2. Für eine belegärztliche Tätig- keit kommen grundsätzlich alle nie- dergelassenen Ärzte in Betracht.

gungen in einem nach Leistungs- gruppen gestuften System erbrin- gen kann. Auch die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft bezeichnet in- zwischen den Trend zum Groß- krankenhaus, den das Kranken- hausfinanzierungsgesetz nachhal- tig förderte, als verhängnisvoll für die Kostenentwicklung. Er ist es aber auch — wie die Erfahrungen zeigen — für die notwendige bür- gernahe Versorgung.

Bei einem Abbau des „Bettenber- ges" dürfen also nicht schematisch nur die kleineren Krankenhäuser auf die Abschußliste gesetzt wer- den. Vielmehr müssen alle Beteilig- ten den Mut aufbringen, ggf. auch die größeren Krankenhäuser sach- bezogen in diese Diskussion einzu- beziehen. Dabei sollte bei einem Kostenvergleich auch auf die Vor- teile des Belegarztsystems geach- tet werden, wie sie in der nachfol- genden Darstellung aufgeführt sind:

Auch niedergelassene Allgemein- ärzte sollten in stärkerem Maße als bisher belegärztlich tätig sein.

2. Grundsatz der Kooperation Der entscheidende Unterschied zum bisherigen Belegarztwesen, bei dem in der Regel für jede Kran- kenhausabteilung nur ein Belegarzt beschäftigt wird, liegt in der koope- rativen Versorgung der Patienten durch eine größere Zahl qualifizier- ter Ärzte.

2.1. Belegabteilungen an Beleg- krankenhäusern oder an Anstalts- krankenhäusern sollen in Zukunft von mehreren Belegärzten der glei- chen Fachrichtung versorgt wer- den.

2.2. Die Zahl der Belegärzte an ei- nem Krankenhaus soll nicht mehr

begrenzt werden wie bisher. In den wichtigsten Abteilungen (Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe) sollten in der Regel mindestens drei bis vier erfahrene Belegärzte, in den übrigen minde- stens zwei bis drei Belegärzte zu- sammenwirken.

Erfahrungen aus dem Ausland, vor allem dem englischsprachigen, zei- gen, daß diese Mindestzahlen ohne weiteres um ein Vielfaches über- schritten werden können, wenn eine hierfür geeignete Organisa- tionsform und allseits der Wille zur Zusammenarbeit besteht.

2.3. Dementsprechend soll prinzi- piell allen hierfür qualifizierten nie- dergelassenen Ärzten im Einzugs- bereich eines belegärztlich ver- sorgten Krankenhauses oder einer belegärztlich versorgten Kranken- hausabteilung die Mitwirkung als Belegarzt offenstehen.

2.4. Für die Aufnahme eines nie- dergelassenen Arztes in das Team der am Krankenhaus tätigen Ärzte ist ein besonderes Verfahren zu entwickeln, wobei Krankenhausträ- ger und die betroffenen Fachkolle- gen zusammenwirken sollen.

2.5. Entsprechend den Leitsätzen des Westerländer Ärztetages 1972 über die Struktur der Krankenhäu- ser und ihres ärztlichen Dienstes sollen auch die Belegärzte einer Krankenhausabteilung in einem Kollegialsystem in Fachgruppen zusammenarbeiten.

2.6. Innerhalb einer Abteilung bzw.

Fachgruppe sollte eine funktiona- le Spezialisierung der Belegärz- te angestrebt werden, zum Beispiel im Sinne der Teilgebiete der Wei- terbildungsordnung für Ärzte.

2.7. Entgegen der bisherigen Übung ist dem Belegarzt im Fach- gruppensystem keine bestimmte Anzahl von Betten fest zuzuweisen.

Die Größe der Abteilung hat sich allein nach dem insgesamt beste- henden Bettenbedarf im Einzugs- bereich zu richten. Sie ist nicht schematisch nach oben hin zu be-

Modell einer

reformierten belegärztlichen Tätigkeit

1174 Heft 17 vom 22. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Belegärzte

grenzen, sofern genügend ärztliche und nichtärztliche Mitarbeiter ge- wonnen werden können.

2.8. Die Patienten der Abteilung werden von den Belegärzten — insgesamt gesehen — gemeinsam betreut. Dabei bleibt jedoch jeder Belegarzt für die von ihm behan- delten Patienten allein verantwort- lich.

Dieser Einzelverantwortung des Arztes steht seine Verpflichtung zur Konsultation und Kooperation gegenüber. Hierfür sind neue Or- ganisationsformen festzulegen (vgl.

Abschnitt 4).

2.9. Neben den Belegärzten in ei- nem Belegkrankenhaus oder einer belegärztlich versorgten Kran- kenhausabteilung kann das Kran- kenhaus hauptberufliche Kranken- hausärzte beschäftigen, zum Bei- spiel für Assistenzaufgaben, aber auch für bestimmte eigenverant- wortliche Funktionen, für die noch keine Belegärzte tätig sind (z. B.

Anästhesie, Radiologie, Laborme- dizin).

3. Einsatzmöglichkeiten

im gestuften Krankenhaussystem Das modernisierte Belegarztverfah- ren kann grundsätzlich an allen Krankenhäusern praktiziert wer- den, wenn auch in unterschiedli- chem Maße:

3.1. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung können in all ih- ren Abteilungen belegärztlich ver- sorgt werden.

Auch funktionsärztliche Tätigkeiten im Krankenhaus, etwa im Bereich der Anästhesie, Radiologie und La- bormedizin, können von freiprakti- zierenden Ärzten übernommen werden.

Natürlich ist es auch möglich, ein- zelne Abteilungen durch Belegärz- te und andere durch hauptberufli- che Krankenhausärzte versorgen zu lassen, vor allem unter dem Aspekt der Weitergeltung beste- hender Verträge.

3.2. In Schwerpunkt- und Zentral- krankenhäusern, die als Anstalts- krankenhäuser betrieben werden, bietet sich die belegärztliche Tätig- keit insbesondere für die soge- nannten Organfächer (z. B. HNO- und Augenkrankheiten) an.

3.3. Außerdem kann das Belegarzt- verfahren in Krankenhäusern aller Größenklassen Bedeutung gewin- nen für ärztliche Spezialaufgaben in einer Abteilung, die ansonsten mit hauptberuflichen Krankenhaus- ärzten besetzt ist (Beispiele: Tätig- keit eines niedergelassenen Hand- chirurgen in einer allgemeinchirur- gischen Abteilung oder eines nie- dergelassenen Hämatologen in ei- ner inneren Krankenhausabtei- lung).

Die Arbeit solcher niedergelasse- ner Spezialisten kann das Lei- stungsangebot der hauptberufli- chen Krankenhausärzte sinnvoll ergänzen und abrunden.

4. Leitungs-

und Organisationsaufgaben 4.1. In belegärztlich versorgten Krankenhäusern oder in belegärzt- lich versorgten Abteilungen muß — wie im Anstaltskrankenhaus auch

— eine ärztliche Leitung bestehen.

Es müssen also leitende Ärzte der Abteilungen und ggf. auch ärztli- che Direktoren aus dem Kreis der Belegärzte bestellt werden.

4.2. Die ärztliche Leitung regelt u. a. die Kooperation des ärztlichen Dienstes und des Pflegedienstes, die Zusammenarbeit der verschie- denen Abteilungen und die ge- meinsame Nutzung zentraler Ein- richtungen.

4.3. In Belegkrankenhäusern sind wie in Anstaltskrankenhäusern

„Ärztliche Vorstände" zu bilden. In Anstaltskrankenhäusern mit Beleg- abteilungen müssen auch Beleg- ärzte dem „Ärztlichen Vorstand"

angehören.

4.4. Durch die Zusammenarbeit mehrerer Belegärzte in einer Abtei- lung läßt sich die ärztliche Präsenz

im Krankenhaus zufriedenstellend regeln. Der Organisationsplan muß also, fachgebunden, eine gestaffel- te Anwesenheit, zumindest aber ständig die Rufbereitschaft und schnelle Erreichbarkeit eines er- fahrenen Belegarztes gewährlei- sten

5. Honorierung

Entsprechend der bisherigen Rege- lung ist davon auszugehen, daß Belegärzte im Krankenhaus ihre Leistungen auf Grund originärer Rechtsbeziehungen zum Patienten erbringen.

5.1. Die Belegärzte rechnen ihre Leistungen auf Grund der ge- schlossenen Verträge mit den Pa- tienten, ihren Kostenträgern bzw.

den Kassenärztlichen Vereinigun- gen ab.

5.2. Dementsprechend erhält das Krankenhaus nach § 3 Abs. 2 der Bundespflegesatzverordnung nur einen um den Arztanteil ermäßig- ten Pflegesatz.

5.3. Finanzielle Beziehungen zwi- schen Krankenhaus und Belegarzt entstehen nur insoweit, als der Krankenhausträger von sich aus ei- nen Teil der Kosten des ärztlichen Dienstes trägt, z. B. für Assistenz- ärzte. Diese Kosten haben die Be- legärzte zu erstatten.

5.4. Das jetzige Honorierungsver- fahren für die Belegärzte im Be- reich der gesetzlichen Krankenver- sicherung hat gewisse ungerecht- fertigte Einkommensunterschiede zwischen den Arztgruppen zur Fol- ge. Diese Unterschiede sind von den Vertragspartnern der GKV zu harmonisieren.

6. Belegärztliche Versorgung in der Krankenhausplanung Die belegärztliche Tätigkeit darf durch die Krankenhausgesetze und Pflegesatzregelungen der Länder nicht behindert werden.

6.1. Belegkrankenhäuser, die zur Versorgung der Bevölkerung auf

(4)

Aufsätze • Notizen Belegärzte

Dauer erforderlich sind, müssen in die Krankenhausbedarfspläne der Länder aufgenommen und auf- grund des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes finanziell gefördert werden, auch wenn sie weniger als 100 Betten haben.

6.2. Die Benachteiligung von Be- legkrankenhäusern und von An- staltskrankenhäusern mit Belegab- teilungen, besonders die Schlie- ßung von Belegkrankenhäusern unter Berufung auf die Kranken- hausplanung der Länder, ist im Hin- blick auf die notwendige möglichst ortsnahe Patientenversorgung nicht zu verantworten.

7. Vorteile der Reform

Nach den bisherigen Überlegungen hat dieses modernisierte Beleg- arztsystem folgende Vorteile:

7.1. Durch das Zusammenwirken mehrerer Belegärzte wird das Lei- stungsangebot für den Patienten qualitativ verbessert.

7.1.1. Es stehen mehr erfahrene Ärzte für die stationäre Versorgung zur Verfügung. Bekanntlich man- gelt es daran gerade in den mittle- ren und kleineren Krankenhäusern.

7.1.2. Die Erschließung des Lei- stungspotentials der erfahrenen dergelassenen Fachärzte ermög- licht außerdem eine gewisse bisher nicht darzustellende Spezialisie- rung in diesen Krankenhäusern oder Abteilungen. So können sich z. B. mehrere Belegärzte in einer in-

neren Abteilung, die bislang nur von einem oder wenigen Fachärz- ten hauptberuflich versorgt wur- de, besser auf Teilgebiete speziali- sieren (z. B. Kardiologie, Nephrolo- gie, Hämatologie). Es können ent- sprechende fachliche Schwerpunk- te gebildet werden; damit kommen die Fortschritte der Medizin auch in den kleineren Krankenhäusern besser als bisher den Patienten zu- gute.

7.1.3. In den operativen Fächern ist darüber hinaus gegenseitige fachli- che Assistenz bei allen Eingriffen möglich.

7.2. Das Zusammenwirken mehre- rer Ärzte in einem Fachgebiet er- leichtert die Diensteinteilung der Ärzte im Krankenhaus.

7.2.1. Insbesondere kann die Prä- senz jeweils eines fachlich kompe- tenten Arztes am Krankenhaus besser gewährleistet werden als im Einzelbelegarztsystem (vgl. Ab- schnitt 4.4.).

7.2.2. Erleichtert wird auch die Vertretung eines Belegarztes wäh- rend des Urlaubs oder der Teilnah- me an Fortbildungsveranstaltun- gen.

7.3. Die verstärkte Einbeziehung niedergelassener Ärzte in die sta- tionäre Krankenbehandlung trägt dazu bei, die Trennung zwischen beiden Leistungsbereichen unter Wahrung des Prinzips der freien Arztwahl und der Erhaltung des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt zu überwinden.

Ein Systemwandel in Richtung auf eine weitere Institutionalisierung der Medizin wird vermieden.

Im einzelnen ergeben sich folgen- de Vorteile:

7.3.1. Der Patient bleibt zumeist in der Behandlung des von ihm ge- wählten Arztes, der ihn u. U. schon lange Zeit ambulant behandelt hat.

Belastungen, die ein Arztwechsel manchmal für den Patienten mit sich bringt, entfallen.

7.3.2. Die damit gewonnene besse- re Kenntnis der Lebens- und Krankheitsumstände des Patienten und das dem Arzt bewiesene Vertrauen in seine Behandlung er- möglichen gezieltere Entscheidun- gen über den Zeitpunkt einer Kran- kenhauseinweisung und Kranken- hausentlassung. Die Folge kann eine Verringerung der Verweildau- er sein.

7.3.3. Wenn der Arzt nicht wech- selt, können Untersuchungsergeb- nisse und die Kenntnis des Krank- heits- und Therapieverlaufs pro- blemlos vom ambulanten in den stationären Bereich übernommen

werden und umgekehrt. Der Patient wird damit nur im wirklich notwen- digen Maße belastet; unnötige Be- handlungszeiten werden vermie- den, Kosten gespart.

7.4. Schließlich wird sich die breite Realisierung des modernisierten Belegarztsystems allgemein gün- stig auf unser Gesundheitswesen auswirken.

7.4.1. Dem seit Jahren anhaltenden und administrativ kaum zu steuern- den Trend, daß sich Ärzte nach mehrjähriger Krankenhaustätigkeit als Fachärzte und nicht als Allge- meinärzte niederlassen, kann durch eine sinnvolle und systemge- rechte Reintegration von Fachärz- ten ans Krankenhaus begegnet werden.

7.4.2. Das in vielen Jahren Kran- kenhaustätigkeit erworbene Wissen und Können niedergelassener Ärz- te bleibt der Bevölkerung auch in- soweit erhalten, als es nur statio- när angewandt werden kann.

7.4.3. Die belegärztliche Tätigkeit und die damit mögliche Koopera- tion mit Berufskollegen und Assi- stenzberufen ist vor allem für jün- gere Ärzte attraktiv und beruflich befriedigend.

Sie gewährleistet zugleich, daß diese niedergelassenen Ärzte stän- dig mit den sich erweiternden Möglichkeiten der Medizin in Kon- takt bleiben.

7.4.4. Belegmöglichkeiten an Kran- kenhäusern auf dem Lande und in Stadtrandgebieten veranlassen Fachärzte, sich auch in diesen we- niger attraktiven Bereichen nieder- zulassen. Das wird dazu beitragen, Engpässe der ärztlichen Betreuung zu überwinden und eine möglichst gleichmäßige flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Da- her sollte das modernisierte Beleg- arztverfahren gerade in diesen Be- reichen bevorzugt eingeführt wer- den.

7.5. Auch kostenmäßig dürften die Vorteile des modernisierten Beleg- arztwesens überwiegen:

1176

Heft 17 vom 22. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(5)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

7.5.1. Ein breites Leistungsangebot durch Belegärzte in kleineren und mittleren Krankenhäusern vermin- dert die Notwendigkeit, Patienten mit „leichteren" Erkrankungen in Schwerpunktkrankenhäuser zu überweisen. Kleinere Krankenhäu- ser arbeiten aber im allgemeinen kostengünstiger als große. Der all- seits als notwendig anerkannte Ab- bau an Bettenkapazitäten könnte mehr als bisher auch im Großkran- kenhaus erfolgen

7.5.2. Die durchschnittliche Ver- weildauer kann gesenkt werden (vgl. Abschnitt 7.3.2.). Damit wür- den weitere Kapazitäten frei.

7.5.3 Die kostensenkende Über- nahme von Befunden und Behand- lungsergebnissen vom ambulanten in den stationären Bereich und um- gekehrt wird erleichtert. Doppel- diagnostik (soweit sie überhaupt vermeidbar ist und keine Siche- rung oder Verlaufskontrolle dar- stellt) kann durch keine andere Re- gelung so gut vermieden werden wie durch eine durchgehende Be- handlung desselben Patienten durch denselben Arzt (vgl. Ab- schnitt 7.3.3.).

7.5.4. Die durchgehende Behand- lung durch denselben Arzt, der den Patienten und seinen Gesundheits- zustand schon kennt, verhindert schließlich, daß bei der Aufnahme ins Krankenhaus die sonst allge- mein bei allen Patienten übliche Generaluntersuchung mit einer großen Zahl von kostenaufwendi- gen Labor- und Röntgenuntersu- chungen stattfindet. Der Belegarzt kann sofort gezielter diagnostizie- ren und therapieren.

7.5.5. All das dürfte zu Kostenein- sparungen im stationären Bereich führen, und zwar auch dann, wenn man bei einer Gesamtbetrachtung den um den Arztanteil verringerten Krankenhauspflegesätzen die Ho- norare für die belegärztliche Tätig- keit hinzurechnet.

8. Probleme der Neuregelung Das vom Ärztetag vorgeschlagene modernisierte Belegarztsystem ent-

spricht nicht den gewachsenen Traditionen in unserem Gesund- heitswesen.

Es bedarf daher eines prinzipiellen Umdenkens bei allen Beteiligten.

8.1. Die Ärzte müssen mehr als bisher die Möglichkeiten der Ko- operation nutzen. Sie müssen er- kennen, daß diese nicht nur ihnen selbst, sondern in erster Linie auch den Patienten zugute kommen.

8.2. Ein Umdenken ist auch bei den ärztlichen Organisationen und Krankenkassen erforderlich. Hier- bei spielen natürlich auch Fragen des Honorierungssystems eine wichtige Rolle (vgl. Abschnitt 5.4.).

8.3. In besonderem Maße müssen sich die Krankenhäuser auf eine solche Neuregelung einstellen. Der Krankenhausträger muß erkennen, daß die gewohnte hierarchische Struktur der Chefarztabteilungen nicht auf die Belegabteilung über- tragen werden kann und daß Ver- antwortungen verteilt werden müs- sen.

Außerdem gilt es organisatorische Probleme im Betriebsablauf zu überwinden, die durch die gleich- zeitige oder zeitlich gestaffelte Tä- tigkeit mehrerer Ärzte an einer Ab- teilung entstehen.

8.4. Schließlich müssen auch alle staatlichen Stellen und die Politi- ker davon überzeugt werden, daß das von der Ärzteschaft vorge- schlagene modernisierte Beleg- arztverfahren die Nachteile des Einzel-Belegarztsystems vermeidet, zugleich aber eine Reihe gesund- heitspolitischer Vorteile bietet.

Das modernisierte Belegarztsystem sollte mehr als bisher gefördert und in die Krankenhausplanung einbezogen werden.

Anschrift des Verfassers:

Gerhard Vogt Tersteegenstraße 31 4000 Düsseldorf 30

Medizin in

Entwicklungs- ländern

Gedanken

zum neuen Postgraduierten-Kurs für Ärzte der Tropeninstitute in Heidelberg, Tübingen und Hamburg

H. J. Diesfeld

Fortsetzung und Schluß

Das Bewußtsein, daß sämtliche An- strengungen der Entwicklungslän- der zum Ausbau ihrer materiellen und sozialen Strukturen letzten En- des der Gesundheit ihrer Bevölke- rung im Sinne der normativen WHO-Definition dienen, hat dazu geführt, den Stellenwert der Medi- zin in diesem Zusammenspiel neu zu definieren. Die Forderung nach einer tieferen Integration der medi- zinischen Versorgung in das Ge- meinwesen und in sein Entwick- lungskonzept wurde daher auch auf der 28. Vollversammlung der WHO im Mai 1975 programmatisch in sieben Thesen formuliert*):

„1. Die medizinische Primärversor- gung sollte an den Lebensgewohn- heiten und Lebensstilen der Bevöl- kerung, der sie dient, orientiert sein und sollte sich an den Bedürf- nissen der Gemeinschaft ausrich- ten.

2. Der Basisgesundheitsdienst soll- te ein integraler Bestandteil des nationalen Gesundheitssystems

*) W.H.O. Official Records Wrld. Hlth.

Org. No 226_ Geneva 1975, WHA 28.88, S. 53 und Annex 15, S. 112-119, „Se- ven principals of health care", deutsche Übersetzung aus „Der Überblick" 3/75, S. 10.

BLICK

ÜBER DIE

GRENZEN Belegärzte

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Kinder und Jugendliche verbringen aber auch immer mehr Zeit in Kinder- gärten und Schulen.. Darum ist es auch bei diesen Einrichtungen notwendig hochwertige Außenräume zu

April 2022 – Mit der Investitionshilfe des Bundes über den Zukunftsfonds werden den Krankenhäusern für dringend notwendige Modernisierungsinvestitionen

Leistungen, die nicht durch Fallpauschalen oder Sonderentgelte vergütet werden, werden im Rahmen eines individuell zu verhandelnden Budgets über Ab- teilungs-Pflegesätze und

Das Nicht- erfüllen dieser Forderung stellt in jedem Falle eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldstrafe bis zu 10 000 DM geahndet werden kann.. Es soll auch

Die Zentralstelle für Zivilschutz hat in diesem Zusammenhang eine sehr nützliche Broschüre: ,Für den Notfall vorgesorgt‘ herausgebracht, die mit ge- nauen Angaben für

So ist es an die Bedürfnisse unterschiedlicher Lesergruppen angepasst: Wer sich schnell auf einer Seite über die Kernaussagen des Autors und seine Empfehlungen für die

müssen so geändert und auf das DRG- System ausgerichtet werden, dass die bisherigen abteilungsbezogenen und nicht konsequent auf das Unterneh- mensziel ausgerichteten

Neue Operationsschlüssel wurden für sechs Indika- tionen vorgeschlagen: The- rapien für enterale und par- enterale Ernährung und In- fusionstherapie; Differenzie- rung