pelblind-Studie an Patienten mit mittelschwerer bis schwe- rer Migräne hatte sich unter subkutan appliziertem Su- matriptan nach einer Stunde in 72 Prozent der Fälle (bei 6 mg) beziehungsweise 79 Pro- zent der Fälle (8 mg) die Symptomatik massiv gebes- sert oder war ganz beseitigt;
und nach zwei Stunden wur- den Ansprechraten von 86 beziehungsweise 92 Prozent verifiziert. Die Vergleichs- zahlen unter Plazebo: 25 Pro- zent nach einer und 37 Pro- zent nach zwei Stunden.
Während in dieser Studie die
Sumatriptan-Injektion durch den Arzt durchgeführt wurde, erfolgte in einer weiteren kontrollierten Studie die sub- kutane Applikation durch den Patienten selbst mittels einer Autoinjektionshilfe.
Die Ergebnisse waren ähnlich gut wie bei Applikation durch den Arzt.
Bei oraler Applikation von Sumatriptan schließlich wur- de in einer großangelegten plazebo-kontrollierten Multi- zenter-Studie nach zwei Stun- den eine Ansprechrate von 67 Prozent (bei 100 mg) gegen- über 27 Prozent unter Plaze-
bo ermittelt. Und in zwei Stu- dien gegen herkömmliche Therapieregime — Ergotamin/
Koffein beziehungsweise Azetylsalizylsäure/Metoclo- pramid — erwies sich orales Sumatriptan laut den Refe- renten als wirksamer, wobei besonders der schnellere Wirkeintritt hervorgehoben wurde. Alle vorliegenden Stu- dien zeigen übereinstim- mend, daß nicht nur die Mi- gräne-Kopfschmerzen, son- dern auch Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen, Photo- und Phonophobie durch Sumatriptan gut zu be-
einflussen sind. Nebenwir- kungen wurden in den Studi- en bei bis zu fünfzig Prozent der mit Sumatriptan Behan- delten beobachtet (im Schnitt zwanzig Prozent unter Plaze- bo). Im Vordergrund stehen Geschmacksstörungen und Übelkeit. Mit gravierenden Nebenwirkungen sei nicht zu rechnen; lediglich bei Patien- ten mit unkontrollierter Hy- pertonie sei wegen eines mög- lichen Blutdruckanstiegs Vor- sicht geboten, erklärten die Experten. Laut den vorlie- genden Erfahrungen besteht kein Abhängigkeitsrisiko. vi
Risiken der Hypoglykämie unter Insulintherapie
H
ypoglykämie und Hu- maninsulin — so lautete das Thema eines vom Pharmaunternehmen Novo gesponserten internationalen Symposiums, welches unter der wissenschaftlichen Lei- tung der Professoren K. Fe- derlin (Gießen), H. Mehnert (München) und H. Keen (London) Anfang November in München stattgefunden hat. Anlaß war der nach wie vor im Raum stehende Ver- dacht, daß unter Humaninsu- lin gegenüber tierischem In- sulin möglicherweise das Ri- siko fataler Hypoglykämien erhöht sein könnte, und zwar aufgrund einer reduzierten Wahrnehmung hypoglykämi- scher Warnsymptome.In der Fachzeitschrift Lancet war 1987 über drei Pa- tienten berichtet worden, die nach Umstellung von tieri- schem auf Humaninsulin schwere Hypoglykämien erlit- ten hatten, ohne diese zu be- merken. Außerdem referierte Lancet eine offene Studie, in der bei einem Drittel der Pa- tienten nach Umstellung auf Humaninsulin eine veränder- te Hypoglykämiesymptomatik gesehen wurde. Diese Beob- achtung ist später spekulativ in Zusammenhang gebracht worden mit dem Phänomen plötzlicher Todesfälle bei jun- gen Diabetikern, deren Grö- ßenordnung Prof. Keen für Großbritannien auf einhun- dert bis zweihundert Fälle pro Jahr bezifferte. Der Deutschen Diabetesgesell-
schaft liegen dagegen laut Prof. Federlin keine Berichte über derartige Todesfälle vor.
Es wurden inzwischen zahlreiche Studien durchge- führt, um Inzidenz, Schwere und Wahrnehmung von Hy- poglykämien unter Humanin- sulin zu prüfen, doch ist ein abschließendes Urteil nicht möglich. Die mehrheitliche Expertenansicht ging beim Symposium zwar dahin, daß für die große Mehrzahl der Patienten unter Humaninsu- lin kein erhöhtes Hypoglyk- ämierisiko besteht, aber — so Prof. Mehnert in seinem Schlußwort — „ein Rest von Zweifel bleibt". Und Prof. Fe- derlin sagte: Das Problem ei- ner möglicherweise reduzier- ten Hypoglykämiewahrneh- mung wird nicht geleugnet, aber die Größenordnung die- ses Problems ist bis jetzt nicht geklärt. Schätzungen belau- fen sich auf weniger als ein bis zwei Prozent aller mit Humaninsulin Behandelten.
In einer Fachpressekonfe- renz im Anschluß an das Symposium betonte Prof. Fe- derlin zunächst, daß bei gut mit tierischen Insulinen ein- gestellten Diabetikern keine Indikation für eine Umstel- lung auf Humaninsulin be- steht. Bei jeder Umstellung wie auch bei der Neueinstel- lung auf Humaninsulin, so
Federlin weiter, müssen die Patienten sorgfältig über- wacht und auf die eventuell auftretenden Probleme auf- merksam gemacht werden.
Die vorliegenden Untersu- chungen deuten darauf hin, daß es — falls Probleme auf- treten — meist zu einer Re- duktion, nicht aber zu einem völligen Verlust der Wahr- nehmung hypoglykämischer Warnsymptome kommt. Nach den Erfahrungen Federlins läßt sich durch (erneutes) Umstellen auf tierisches Insu- lin bei Problempatienten die gestörte Hypoglykämiewahr- nehmung selten verbessern, dennoch sollte dieser Ver- such unternommen werden.
Wie ein unterschiedlicher Einfluß der verschiedenen In- suline auf die Hypoglykämie- wahrnehmung zustandekom- men könnte, ist völlig unge- klärt. Es gibt Hinweise, daß die klassischen Warnsympto- me wie Hunger und Schwit- zen unter Humaninsulin re- duziert sein können bei gleichzeitiger Zunahme von neuroglykopenischen Sym- ptomen wie Konzentrations- schwäche und Konfusion. An- dererseits deutet eine in München präsentierte neuro- physiologische Untersuchung überraschenderweise darauf hin, daß die sensorischen Funktionen bei einer durch
tierisches Insulin induzierten Hypoglykämie und nicht etwa bei einer durch Humaninsu- lin induzierten Hypoglykämie stärker beeinträchtigt wer- den.
Was die Frage einer ver- mehrten Inzidenz schwerer Hypoglykämien anbelangt, so betonte Prof. Mehnert in München, daß differenziert werden muß, ob das konsta- tierte Hypoglykämierisiko aus dem insulintherapeutischen Regime per se oder aus der Verwendung von Humanin- sulin resultiert. Die vorliegen- den Studienergebnisse lassen diese Differenzierung nicht immer zu. Etwa gleichzeitig mit dem Humaninsulin wurde auch die intensivierte Insulin- therapie eingeführt, welche zwangsläufig das Hypo- glykämierisiko erhöht.
Weder bezüglich der Inzi- denz hypoglykämischer Epi- soden noch der Mortalität lassen die vorliegenden Studi- en seit Einführung des Hu- maninsulins in die Diabetes- therapie einen Anstieg erken- nen. Die Sichtung des Datenmaterials unterstreicht aber andererseits auch, daß das Hypoglykämierisiko gene- rell ein nicht zu unterschät- zendes Problem darstellt:
Wie Prof. R. Tattersall, Not- tingham, in München aus- führte, weisen die Langzeit- studien in einem bis dreizehn Prozent aller Todesfälle bei Diabetikern als Ursache Hy- poglykämien aus!
Ulrike Viegener A-410 (78) Dt. Ärztebl. 88, Heft 6, 7. Februar 1991