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Verdacht auf Kindesmisshandlung kennen erkennen - handeln

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Academic year: 2022

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Verdacht auf Kindesmisshandlung

kennen – erkennen - handeln

Diplomarbeit Sabrina Jakob

Küssnacht am Rigi, 06.Mai 2021

Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudium HF Aargauische Fachschule für

Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege

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Diese Arbeit wurde im Rahmen des Nachdiplomstudiums an der Aargauischen Fach- schule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege der beiden Kantonsspitäler Aarau AG und Baden AG verfasst.

Deklaration:

Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig an- gefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen In- halt übernommenen Formulierungen sind durch genaue Quellenangaben angegeben.

Ich nehme zur Kenntnis, dass im Falle von Plagiaten auf nicht erfüllt erkannt werden kann.

Ort, Datum und Unterschrift der Studierenden:

Küssnacht, 06.Mai 2021, Sabrina Jakob

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Vorwort

Ein Teil meines abschliessenden Qualifikationsverfahrens im Nachdiplomstudium Not- fallpflege ist die Diplomarbeit. In meiner Diplomarbeit beschäftige ich mit der Thematik

«Verdacht auf Kindesmisshandlung» sowie das entsprechende Vorgehen auf der Not- fallstation.

Das Thema Kindesmisshandlung ist auch heute noch ein grosses Tabuthema. Genau aus diesem Grund möchte ich vermehrt dieses Thema ansprechen und so Personen in meinem beruflichen sowie auch im privaten Umfeld mit meiner Diplomarbeit sensi- bilisieren.

Am Anfang war es für mich schwierig ein passendes Thema für meine Diplomarbeit zu finden. Ich hatte viele verschiedene und spannende Themen zur Auswahl. Nach dem Unterricht bei Dr. Patrick Haberstich und Seraina Wicky an der aargauischen Fach- schule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege (Afsain) war für mich klar, dass dies mein Thema für die Arbeit ist, welches ich gerne vertiefter anschauen möchte. Wäh- rend der Literaturrecherche fragte ich mich immer wieder, ob es wirklich so ist, dass wir kaum Fälle mit Kindesmisshandlungen auf der interdisziplinären Notfallstation im Spital Schwyz haben? Oder fehlt uns einfach die gewisse Grundlage und das Wissen zum Thema Kindesmisshandlung? Sind wir als Pflegende und Ärzte zu wenig sensibi- lisiert auf unserer Notfallstation? Diese Gedanken waren für mich ein weiterer Grund, warum ich diese Thematik vertiefen wollte. Wie lässt sich der Begriff Kindesmisshand- lung überhaupt definieren? Welche Formen von Kindesmisshandlungen gibt es und welche physischen und psychischen Anzeichen sind vorhanden? Wie sieht es mit der rechtlichen Situation in Bezug auf die Kindesmisshandlung im Kanton Schwyz aus?

Welche Hilfsmittel müssen zur Verfügung stehen um eine Misshandlung zu erkennen?

Und die grundlegendste Frage die ich mir stellte war: Was müssen wir auf der Notfall- station bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung unternehmen? Wie sieht die Vor- gehensweise aus?

Durch die Erarbeitung und Vertiefung dieser Thematik, möchte ich die oben erwähn- ten Fragen beantworten können. Auch möchte ich mehr Sicherheit im Umgang und in der Betreuung von solchen Fällen, aber auch Verdachtsfällen erwerben.

Das Hauptziel meiner Diplomarbeit ist es, dass ich das Team der interdisziplinären Notfallstation im Spital Schwyz, in der Thematik Kindesmisshandlung sensibilisieren kann, sei es im Erkennen der wichtigsten Warnzeichen, aber auch in der Vorgehens- weise bei einem Verdachtsfall.

Dankeswort

Ich bedanke mich von Herzen bei allen Personen, welche mich auf irgendeine Art und Weise während der Diplomarbeit unterstützt haben.

Sie beantworteten mir die Fragen, welche in der Erarbeitung entstanden sind, gaben mir hilfreiche Rückmeldungen und nahmen sich Zeit, um meine Anliegen anzu- schauen.

Mit folgenden Personen habe ich für meine Diplomarbeit zusammengearbeitet:

Amtes für Kindes- und Erwachsenenschutz Innerschwyz Kanton Schwyz (KESI):

 Leitung der KESI, Petra Senn

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Rechtsmedizin Universitätsspital Zürich:

 Oberärztin Dr. med. Rosa Maria Martinez und ihr Forensic Nurse Stefan Schärli Kinderspital und Kinderschutzgruppe Aarau:

 Leitender Arzt Kindernotfall, Dr. Patrick Haberstich

 Leiterin Kinderschutzgruppe / Sozialarbeiterin, Karin Karin Kinderspital Zürich:

 Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie FMH / Ober- ärztin Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle, Dr. Anja Böni

Spital Schwyz:

 Ärztlicher Leiter interdisziplinäre Notfallstation, Dr.Steffen Pfarr Ein weiteres grosses Dankeschön geht an folgende Personen:

 Franziska Brand, Dipl. Expertin Notfallpflege am Spital Schwyz, für die grosszü- gige Unterstützung

 Ramona Betschart, Dipl. Expertin Notfallpflege und Co-Stationsleitung am Spital Schwyz, für die Überprüfung meiner praxisrelevanten Produkte und für Korrektur meiner Arbeit

 Rina Latscha, St.v. Oberärztin Innere Medizin am Spital Schwyz, für die fachliche Korrekturlesung

 Sarah Betschart, Dipl. Expertin Notfallpflege, für die guten Inputs für meine Arbeit

 Flavia Betschart, Kauffrau, für die Unterstützung beim Layout meiner Arbeit

 Sybille Gosteli, Studiengangsleitung Notfallpflege an der Afsain Aarau, für die Be- reitschaft bei Fragen

Und allen Personen, die mich in irgendeiner Art und Weise während der Erarbeitung meiner Diplomarbeit unterstützt und motiviert haben. Vielen Dank!

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Abstract

Im Jahr 2019 wurden in der Schweiz bis zu 1568 Fällen der Kindesmisshandlungen registriert.

Eine Kindesmisshandlung kann zu schweren Langzeitfolgen führen. Das Erkennen von Kindesmisshandlungen ist nicht immer einfach. Die physische Form der Kindes- misshandlung können durch die ersichtlichen Red Flags besser erkannt werden als die psychische Form. Die psychische Misshandlung hinterlässt keine körperlichen Spuren. Die häusliche Gewalt ist eine indirekte und wichtige Form der Kindesmiss- handlung. Es wird oft vergessen, dass bei häuslicher Gewalt oftmals noch Kinder im Spiel sind, die darunter leiden. Oft wird die Kindesmisshandlung viel später entdeckt.

In unserer Gesellschaft ist die Kindesmisshandlung weiterhin ein Tabuthema. Bei uns auf der interdisziplinären Notfallstation merke ich, dass eine grosse Unsicherheit im Umgang von solchen Fällen vorhanden ist.

Wenn ein Verdacht auf Kindesmisshandlung besteht, ist es wichtig, dass keine Allein- gänge gemacht werden. Das heisst, Pflegende die einen Verdacht haben, müssen dies immer mit dem zuständigen Assistenzarzt, dem Kaderarzt und wenn möglich mit der Teamleitung anschauen und besprechen. Vorschlüssige und schnelle Handlungen führen zu Fehlern bei der Vorgehensweise. Um eine fachkompetente Vorgehensweise der Pflegefachpersonen sowie den Ärzten zu ermöglichen, ist es von Vorteil, wenn die Kinderschutzgruppe beigezogen wird oder wenn eine anonyme Meldung an den Kin- des- und Erwachsenenschutz gemacht wird. Sie können das ganze interdisziplinäre Notfallteam im Umgang mit solchen Patientensituationen unterstützen. Damit die Fachpersonen professionell und nicht wertend handeln können, ist es wichtig sich mit der Definition, Ursachen, Formen, Anzeichen einer Kindesmisshandlung, rechtliche Grundlagen, Betreuungsschwerpunkt, Dokumentationen, etc. auseinanderzusetzen.

Genau diese Punkte werden in meiner Arbeit dargelegt.

Die Anzeichen der körperlichen und psychischen Kindesmisshandlung ist der Grund- stein um die Kindesmisshandlung zu erkennen. Wichtig dafür ist, dass Fachpersonen auf dieses Thema sensibilisiert werden.

Bei der Untersuchung der Kinder ist es wichtig, dass wir als Fachpersonen ihnen gut zuhören und ihnen Vertrauen schenken. Im Umgang mit den Angehörigen sollten wir nicht wertend oder vorurteilhaft auftreten. Denn oft wird die Kindesmisshandlung nicht aus Böswilligkeit ausgeübt, sondern weil die Eltern oder die Sorgeberechtigten über- fordert sind.

Damit wir diese Kinder kompetent betreuen können, uns aber als Pflegefachpersonen gleichzeitig schützen können, ist es wichtig das wir die rechtlichen Grundlagen im Kan- ton Schwyz kennen.

Wenn das ganze interdisziplinäre Notfallteam in Bezug auf die Kindesmisshandlung sensibilisiert wird, kann eine empathische, kompetente und adäquate Betreuung für die betroffenen Kinder und deren Eltern / Sorgeberechtigte gewährleistet werden. Ein Teil dieser Sensibilisierung soll eine erstellte Handlungsleitlinie sein, welche als roter Faden in solchen nichtalltäglichen Situationen dient. Die Leitlinie beschreibt die Be- treuungsschwerpunkte, die wichtigsten rechtlichen Grundlagen, die Vorgehensweise bei einem Verdachtsfall sowie die Dokumentationsschwerpunkte.

Ich hoffe mit meiner Diplomarbeit zum Thema «Verdacht auf Kindesmisshandlung»

das interdisziplinäre Notfallteam zu sensibilisieren, damit das Fachpersonal mögliche Red Flags frühzeitig bemerkt, sofort reagiert und auch dokumentiert.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 8

1.1.Begründung der Themenwahl ... 8

1.2.Bezug zum Praxisfeld ... 8

1.3.Methode des Vorgehens und Aufbau der Arbeit ... 9

1.4.Abgrenzung ... 10

1.5.Fragestellung ... 10

1.5.1 Kernfrage ... 10

1.5.2 Leitfragen ... 11

1.6.Zielsetzung ... 11

1.6.1 Persönliches Ziel ... 11

1.6.2 Ziel für das Team der interdisziplinären Notfallstation Spital Schwyz ... 11

1.6.3 Produktziel ... 11

2. Hauptteil ... 12

2.1.Definition Kindesmisshandlung ... 12

2.2.Epidemiologie in der Schweiz ... 12

2.3.Formen der Kindesmisshandlung ... 13

2.4.Anzeichen einer physischen und psychischen Kindesmisshandlung ... 14

2.4.1 Anzeichen von physischen Kindesmisshandlungen ... 14

2.4.2 Anzeichen von psychischen Kindesmisshandlungen ... 21

2.5.Risikofaktoren die zu einer Kindesmisshandlung führen können ... 21

2.6.Rechtliche Grundlagen ... 22

2.7.Melderecht und Meldepflicht ... 23

3. Praxistransfer ... 24

3.1 Allgemeine Schwerpunkte auf der Notfallstation ... 24

3.2 Handlungsleitlinie ... 25

3.2.1 Betreuungsschwerpunkte der Kinder und Angehörigen ... 26

3.2.2 Vorgehensweise ... 27

3.3 Dokumentation und Spurensicherung ... 30

3.3.1 Dokumentation ... 30

3.3.2 Fotografische Dokumentation ... 31

3.3.3 Anamnese ... 32

3.3.4 Spurensicherung ... 33

3.4 Leitfaden / Dokumentationsbogen erstellen ... 33

4. Schlussteil ... 33

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5. Erarbeitung der Ziele ... 34

5.1 Gewonnene Erkenntnisse ... 34

5.2 Schlussfolgerung für die Notfallstation des Spital Schwyz ... 35

5.3 Reflexion des Produktes ... 36

5.4 Reflexion des Prozesses sowie des persönlichen Lernprozesses ... 36

5.4.1 Selbst- und Sozialkompetenz ... 36

5.4.2 Fachkompetenz ... 37

5.4.3 Methodenkompetenz ... 37

6. Literaturverzeichnis ... 38

6.1 Bücher ... 38

6.2 Studienarbeit ... 38

6.3 Unterrichtsunterlagen ... 38

6.4 Online Informationen ... 38

6.5 Gespräche ... 39

7. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ... 39

7.1 Abbildungsverzeichnis ... 39

7.2 Tabellenverzeichnis ... 40

8. Anhang ... 40

8.1 Interview ... 40

8.2 Handlungsleitlinie ... 48

8.3 Dokumentationsbogen ... 59

8.4 Zeitplan ... 75

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1. Einleitung

1.1. Begründung der Themenwahl

Ich wusste von vorherein schon, dass am Ende meines Nachdiplomstudiums eine Dip- lomarbeit anstehen wird. Damit ich mir persönlich nicht allzu viel Stress machte, habe ich frühzeitig meine Gedanken und Ideen rund um die Diplomarbeit gesammelt. Ver- schiedenste Inputs kamen auch aus unserem interdisziplinären Team, die ich gerne in meine Themenwahl mit einbezogen habe, wie zum Beispiel Katecholamine, Drogen- intoxikation, Schmerzmanagement, etc.

Um eine Übersicht über meine Ideen zu bekommen, habe ich alle möglichen Themen anhand eines Mindmaps zusammengestellt. So hatte ich die Möglichkeit Vor- und Nachteile von Themen direkt zu vergleichen.

Nachdem wir aber die Unterrichtssequenzen zum Thema Kindesmisshandlung bei Dr.

Patrick Haberstich und Seraina Wicky an der Afsain hatten, war für mich klar, dass ich mich vertiefter mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte. Auch die Rückmeldun- gen zu dieser Thematik seitens Notfallteam waren stets positiv und interessiert.

Ein Motivationspunkt mehr, dass ich diese Thematik genauer unter die Lupe nehme.

Meine Entscheidung steht fest, ich möchte etwas zur Verbesserung und Erkennung von Kindesmisshandlung auf unserer interdisziplinären Notfallstation beitragen und das gesamte interdisziplinäre Team auf diese Thematik sensibilisieren.

1.2. Bezug zum Praxisfeld

Nicht vor allzu langer Zeit, hatte eine Teamkollegin einen etwas skurrilen Fall mit einer jungen Patientin, Jahrgang 2008.

Die Patientin wurde vom Rettungsdienst nicht weit von unserem Notfalleingang auf dem Trottoir sitzend vorgefunden. Sie hatte diverse Schürfwunden an den oberen und unteren Extremitäten sowie an der Stirn. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt neuro- logisch auffällig und zeigte sich allseits desorientiert. Sie hatte einen Fahrradhelm da- bei und ihr Fahrrad wurde vor dem Lieferanteneingang im Spital Schwyz abgeschlos- sen vorgefunden.

Da ich mich zum Zeitpunkt, als ich die Geschichte hörte, schon etwas vertiefter mit der Thematik Kindesmisshandlung beschäftigte, reagierte ich etwas sensibilisiert und machte mir Gedanken, ob dies ein möglicher Fall von Kindesmisshandlung sein könnte. Ich stellte mir die Frage, ob dies unseren Ärzten und Pflegenden der interdis- ziplinären Notfallstation in diesem Moment auch in den Sinn gekommen ist? Die Team- kollegin, welche die Patientin zu diesem Zeitpunkt betreut hatte, hat sich diese Patien- tensituation im Nachhinein als mögliches Fallbeispiel herausgeschrieben und mir die Daten für meine Diplomarbeit zur Verfügung gestellt. In dieser Akte ist ersichtlich, dass für die junge Patientin schon mehrere chirurgische Fälle in kurzer Zeit bei uns im Spital Schwyz eröffnet wurden. Trotz diesen Umständen hatte man in dieser Situation keine weiteren Schritte eingeleitet.

Dieser Fall bestätigte mir, dass wir auf der interdisziplinären Notfallstation im Spital Schwyz noch Potenzial zur Sensibilisierung von solchen Situationen haben und ein Leitfaden beim Verdacht auf Kindesmisshandlung fehlt.

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Folgende Grundfragen sollten im Leitfaden beantwortet werden: «Wie erkenne ich eine Kindesmisshandlung? » und «Wie sieht das Vorgehen auf der interdisziplinären Not- fallstation bei einem Verdachtsfall von Kindesmisshandlung aus? »

Ein weiterer Grund, dass ich mich mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte ist, dass das nächste Kinderspital ca. 45 Minuten vom Spital Schwyz entfernt ist. Es ist das Kinderspital Luzern. Somit stellen wir bei uns auf der interdisziplinären Notfallsta- tion auch die Erstversorgung von Kindern in unserer Region sicher.

Wie ersichtlich ist, gibt es verschiedenste Gründe aus der Praxis, die mir bestätigen, dass wir Potenzial in dieser Thematik haben und mein Interesse sehr gross ist, mich vertiefter mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

1.3. Methode des Vorgehens und Aufbau der Arbeit

In den letzten Monaten habe ich mich ausführlich mit der Thematik Kindesmisshand- lung auseinandergesetzt. Um dem Ganzen einen sinnvollen Ablauf zu geben, werde ich im ersten Teil meiner Arbeit die Grundlagen der Kindesmisshandlung erarbeiten.

Im Juni 2020 unterrichtete Dr. Patrick Haberstich und Seraina Wicky uns Studierende an der Afsain über das Thema Kindesmisshandlung inklusive Diagnostik und Mass- nahmen. Von diesem Unterricht konnte ich viel profitieren. Auch die beiden Skripte, die wir erhalten haben, gaben mir einen guten Einblick in die ganze Thematik.

Das Buch «Kindesmisshandlung; medizinische Diagnostik, Interventionen und rechtli- che Grundlagen», vom Springerverlag dient mir als Unterstützung für die fachliche Er- arbeitung der Grundlagen meiner Arbeit. Auch die Recherche im Internet bietet ein grosses Potenzial an Unterlagen zum Thema Kindesmisshandlung, was ich gut in meine Arbeit integrieren kann.

Im zweiten Schritt werde ich kurz die rechtlichen Grundlagen erwähnen. Für diese Er- arbeitung unterstützte mich Dr. Rosa Maria Martinez, Leitung klinische Rechtsmedizin am Institut für Rechtsmedizin an der Universität Zürich, in der Vertiefung der rechtli- chen Aspekte und der Dokumentation sowie Spurensicherung.

Eine zusätzliche Unterstützung zum rechtlichen Aspekt, war Petra Senn von der Kin- des- und Erwachsenenschutzbehörde Innerschwyz (KESI) des Kantons Schwyz. Vor allem in Bezug auf das Vorgehen bei einem Verdachtsfall und bei Hilfsmitteln, die wir auf unserer interdisziplinären Notfallstation anwenden können, um eine Kindesmiss- handlung besser oder frühzeitiger zu erkennen.

Auch konnte mir Petra Senn mögliche Kontaktadressen zur Verfügung stellen, die wir als Notfallteam nutzen können, aber bei denen wir auch mögliche Hilfe für Kinder an- fordern können.

Um einen wichtigen Praxisbezug zu erstellen, unterstützte mich Frau Karin Büstl, Lei- terin Kinderschutzgruppe Kantonsspital Aarau und Dr. Patrick Haberstich, Leiter Kin- dernotfall Aarau, bei der Bearbeitung in Bezug auf die Kinderschutzmassnahmen. Zu- sätzlich unterstützten sie mich beim Umgang und Betreuung der betroffenen Kinder und Eltern.

Um mein Vorgehen zu erreichen, führte ich mit den oben erwähnten Personen ein Interview. Die Interviews wurden im Anhang abgelegt.

Um die ganze Diplomarbeit im Spital Schwyz, vor allem auf der Notfallstation, integrie- ren zu können, habe ich mir die Unterstützung von Dr. Steffen Pfarr, Leitender Arzt interdisziplinäre Notfallstation, geholt. Ich werde beide Bereiche, das heisst Medizin und Chirurgie, in die interne Weiterbildung integrieren, da der ärztliche Nachtdienst bei

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uns durch die Medizin abgedeckt wird. Die Einführung und Machbarkeit des Leitfadens sowie den Dokumentationsbogen wird durch die Co-Stationsleitungen der Notfallsta- tion, Marina Fedier und Ramona Betschart, genehmigt.

Wie schon erwähnt, plane ich zum Abschluss meiner Diplomarbeit eine Weiterbildung zum Thema «Verdacht auf Kindesmisshandlung» für das gesamte interdisziplinäre Notfallteam des Spital Schwyz. Dabei wird vor allem der Leitfaden sowie der Doku- mentationsbogen Schwerpunkt sein.

Um meine Arbeit auch von einem Kinderarzt, welcher auf der Notfallstation tätig ist, abzusegnen, habe ich Dr. Patrick Haberstich, Leitender Arzt Kindernotfall Aarau, an- gefragt. Mit Dr. Anja Böni., Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psycho- therapie FMH / Oberärztin Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle Kinderspital Zürich, führte ich ebenfalls ein Interview zu der ganzen Thematik Kindesmisshandlung, Betreuung mit dem misshandelten Kind und dem Umgang mit den Eltern. Um einen professionellen Dokumentationsbogen zu erstellen, konnte ich ebenfalls die Hilfe von Dr. Anja Böni in Anspruch nehmen.

1.4. Abgrenzung

In meiner Diplomarbeit werde ich besonders auf die physischen und psychischen Miss- handlungen von Kindern eingehen. Ausgenommen sind Säuglinge sowie Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr.

Themen wie Schütteltrauma-Syndrom, sexueller Kindesmissbrauch, das Münchhau- sensyndrom sowie die Kindstötung werde ich aus meiner Arbeit ausgrenzen.

Die Folgen und Schäden einer Kindesmisshandlung werde ich auch ausgrenzen, da dies sonst der Rahmen meiner Arbeit sprengen würde. Aus diesem Grund werden auch die rechtlichen Grundlagen im Kanton Schwyz sowie die Spurensicherung kurz und knackig umschrieben.

1.5. Fragestellung

Während der Vorbereitungszeit stellte ich fest, dass dieser Thematik bei uns im Spital Schwyz, vor allem bei uns auf der interdisziplinären Notfallstation, zu wenig Aufmerk- samkeit geschenkt wird und zu wenig Wissen in diesem Bereich vorhanden ist.

Folgende Fragen habe ich formuliert, die ich während meiner Diplomarbeit erarbeiten möchte:

1.5.1 Kernfrage

Was muss das interdisziplinäre Notfallteam des Spital Schwyz über die Kindes- misshandlung wissen, um dem Kind von der Triage bis zur weiteren Versorgung eine bestmögliche Betreuung zu gewährleisten?

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1.5.2 Leitfragen

 Wie lässt sich der Begriff Kindesmisshandlung beschreiben?

 Welche Formen von Kindesmisshandlungen gibt es?

 Welche Anzeichen gibt es bei einer physischen oder psychischen Kindesmiss- handlung?

 Wie sieht die rechtliche Situation im Kanton Schwyz bei einer Kindesmiss- handlung aus?

 Welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung um eine Kindesmisshandlung zu er- kennen?

 Wie muss / kann bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung vorgegangen werden?

1.6. Zielsetzung

Um die Ziele korrekt zu formulieren, wendete ich die RUMBA Methode an, die ich bei meiner Ausbildung als diplomierte Pflegefachfrau HF kennenlernte.

1.6.1 Persönliches Ziel

Mein persönliches Ziel bei dieser Diplomarbeit ist es, dass ich mich vertieft mit dem Thema Kindesmisshandlung auseinandersetze. Somit kann ich mir ein vertieftes Wis- sen aneignen und dies nach der Fertigstellung meiner Diplomarbeit in die Praxis um- setzen.

 Ich werde mein Wissen zum Thema Kindesmisshandlung vertiefen, damit ich Kinder, welche mögliche Opfer einer Kindesmisshandlungssituation wurden, frühzeitig erkenne und optimal betreue.

1.6.2 Ziel für das Team der interdisziplinären Notfallstation Spital Schwyz Das Team der interdisziplinären Notfallstation des Spital Schwyz wird ebenfalls davon profitieren.

 Das Team der interdisziplinären Notfallstation des Spital Schwyz wird als Hilfs- mittel einen schriftlichen Leitfaden erhalten. Der schriftliche Leitfaden enthält Informationen über die Erkennung sowie über das Vorgehen bei einem Ver- dachtsfall von Kindesmisshandlung.

 Das gesamte interdisziplinäre Team inklusiv Ärzte erhalten eine interne Weiter- bildung Ende 2021 zum Thema Kindesmisshandlung.

1.6.3 Produktziel

 Ich erstelle einen laminierten Leitfaden zum Thema Kindesmisshandlung. Er beinhaltet die wichtigsten Punkte im Erkennen, im Umgang und im Vorgehen bei einem Verdachtsfall sowie Kontaktadressen, an wen sich das Pflegeperso- nal und die Ärzte der Notfallstation wenden können.

 Ich erstelle einen verwendbaren Dokumentationsbogen welcher bei einem Ver- dacht auf Kindesmisshandlung ausgefüllt werden kann und anschliessend im Patientendossier abgelegt werden kann.

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 Mein Fernziel dieser Diplomarbeit ist es, dass wir im Spital Schwyz gemeinsam mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Schwyz im Ver- lauf des Jahres 2021 eine interne Gruppe erstellen werden, die sich grundsätz- lich mit der Thematik Kindesmisshandlung befasst.

2. Hauptteil

2.1. Definition Kindesmisshandlung

«Kindesmisshandlung ist die nicht zufällige, bewusste oder unbewusste körperliche und / oder seelische Schädigung (durch aktives Handeln oder durch Unterlassung) durch Personen (Eltern, andere Erziehungsberechtigte, Dritte), Institutionen und ge- sellschaftliche Strukturen, die zu Entwicklungshemmung, Verletzung oder zum Tode führt, eingeschlossen die Vernachlässigung kindlicher Bedürfnisse.»

(Dr.Patrick Haberstich, 2019, S.5).

2.2. Epidemiologie in der Schweiz

Im Jahr 2019 wurden von 21 Kinderspitäler in der Schweiz 1568 Fällen von Kindsmiss- handlung festgestellt. Davon wurden 31% körperliche Misshandlung, 20,5% psychi- sche Misshandlung und 30% Vernachlässigung erfasst. Siehe unten in Abbildung (Abb.) 1.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Abb. 1: Häufigkeit von bekannt gewordenen Fällen von Kindesmisshandlung an der Schweizer Kliniken

Zwei von fünf Kindern sind von der psychischen Misshandlung betroffen. Viele Kinder erleben dabei die häusliche Gewalt zwischen ihren Eltern. Die Knaben sind mit 44%

und die Mädchen mit 56% betroffen. Jedes sechste misshandelte Kind ist jünger als ein Jahr alt und 46% sind jünger als sechs Jahre.

Kinder unter drei Jahren sind am häufigsten betroffen, da sie sich nicht wehren kön- nen.

(Dr.Patrick Haberstich, 2019).

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Viele Fälle von Kindsmisshandlungen werden nicht in einem Kinderspital abgeklärt.

Deshalb widerspiegelt diese Zahl nicht der tatsächlichen Anzahl von Kindesmisshand- lung.

(Nationale Kinderschutzstatistik - Pädiatrie Schweiz, 2019).

2.3. Formen der Kindesmisshandlung

Kindesmisshandlungen lassen sich in verschiedene Formen unterteilen:

 Körperliche / physische Misshandlung

 psychische Misshandlung

 Vernachlässigung

 sexuelle Misshandlung

 Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom Oft liegt mehr als eine Misshandlungsform vor.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Körperliche Misshandlung:

Schläge (Ohrfeige, Schläge mit Händen, Stöcken), Verbrennungen (auf den Ofen set- zen), Verbrühungen (mit heissem Wasser), Quetschungen sowie das Schütteltrauma sind Formen der physischen Misshandlung. Durch die zugeführte, körperliche Gewalt, entstehen Verletzungen der Haut, den Weichteilen und den Knochen.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Diese Misshandlungen können bewusst oder durch unkontrollierte Affekthandlungen ausgeführt werden.

(Retschke A., 2009).

Psychische Misshandlung:

Diese Form der Misshandlung ist schwierig festzustellen, da sie keine physischen Spu- ren hinterlassen. Die betroffenen Kinder erleben wiederholt eine negativ-destruktive Einstellung der Erziehungsberechtigten. Die Kinder werden mit Beschimpfungen, Ent- würdigungen, Demütigungen oder sogar mit Drohungen herabgesetzt. Das führt zu einem verminderten Selbstwertgefühl des Kindes. Auch das Miterleben von psychi- schen, verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen der Eltern sind eine Form der psychischen Kindesmisshandlung.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Häusliche Gewalt ist eine wichtige, indirekte Form von psychischer Kindesmisshand- lung. Die betroffenen Kinder sind von der Gewalt selbst nicht betroffen aber sie befin- den sich mitten im Gewaltgeschehen. Die Kinder fühlen sich in ihrem zu Hause nicht mehr sicher. Sie sehen die Schläge, spüren die Angst oder hören den Streit und die Drohungen. Diese Erlebnisse führen bei Kindern zu massiven Störungen.

(Dr.Patrick Haberstich, 2019).

Vernachlässigung:

Vernachlässigung heisst «das Nichterfüllen von kindlichen Bedürfnissen». Zum Bei- spiel (z.B.) unzureichende Ernährung (ungenügende oder fehlende Gewichtszu- nahme), Hygiene (schlechte Haut- und Zahnpflege), Kleider, Fürsorge und Aufsicht, usw.

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Das Unterlassen von kindlichen Bedürfnissen kann bewusst oder unbewusst erfolgen.

Eine unbewusste Vernachlässigung kann passieren, wenn die Eltern für die Fürsorge ihrer Kinder überfordert sind. Wie z.B. Suchterkrankungen, psychische Erkrankungen, finanzielle Sorgen, usw.

Mögliche Anzeichen können sein, wenn Kinder…

 …nicht altersgemäss sich selbst überlassen werden

 …Suchtmittel konsumieren oder unkontrollierte elektronische Medien benützen

 …ausgeprägte Karies haben

 …aufgrund von Schmerzen häufig auf den Notfall oder zum Kinderarzt müssen

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

2.4. Anzeichen einer physischen und psychischen Kindesmisshandlung

2.4.1 Anzeichen von physischen Kindesmisshandlungen

Der Ursprung für einen Verdacht auf eine körperliche Misshandlung ist der somatische Befund. Es ist der beweiskräftigste Parameter für eine physische Kindesmisshandlung.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Allgemeine Hinweise wie verzögertes Aufsuchen des Arztes, Widersprüche in der Anamnese, verschiedene alte Verletzungen des Kindes, unbegründete Ärztewechsel oder inadäquates Verhalten der Eltern / Erziehungsberechtigten deuten auf eine kör- perliche Kindesmisshandlung hin. Dies sind mögliche Verhaltensauffälligkeit der Eltern / Erziehungsberechtigte.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Hautbefunde:

Hämatome

Die Haut ist bei physischer Misshandlung zu 90% betroffen. Hämatome kommen bei aktiven Kindern häufig vor, sind aber auch die häufigsten klinischen Zeichen einer kör- perlichen Kindesmisshandlung. Deshalb muss folgendes bei der Beurteilung von Hä- matomen berücksichtigt werden:

Alter und psychomotorischer Entwicklungszustand des Kindes

Damit ein Hämatom entstehen kann braucht es eine stumpfe Gewalteinwirkung wie z.B. ein Sturz oder ein heftiges Anstossen. Dafür muss ein entsprechender motori- scher Entwicklungszustand des Kindes vorhanden sein. Deshalb können Säuglinge sowie bettlägerige Kinder mit eingeschränkter Motorik ohne Fremdeinwirkung keine Hämatome bekommen. Hämatombildung bei Kleinkindern unter 6 Monaten ist ein grosses Alarmzeichen und deutet auf eine körperliche Misshandlung hin. Bei Kindern im Gehbeginn sind häufiges Anschlagen und Stürzen vorhanden und weisen typische Hämatome auf.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

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Lokalisation

Akzidentielle (unverdächtige) Hämatome

Typische Lokalisationen bei unfallbedingten Hämato- men sind meist das knöcherne Hervorstehen der Vor- derseite des Körpers («Leading edges»). Dies ge- schieht, wenn sich Kinder während des Sturzes an Gegenständen oder Flächen stossen. Am häufigsten betroffen sind die Knie und die Schienbeine. Weniger als 5% der Kinder zeigen Hämatome im Gesicht und / oder um die Augenpartie auf.

Beim Stolpern, Ausrutschen und Hinstürzen ist meist der Hinterkopf und das «fasziale T» (Stirn, Nase, Oberlippe und Kinn) betroffen.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Abb. 2: Typische unfallbedingte Hämatome

Abb. 3:Hämatom an typischen Anschlagestellen

Hämatome bei Misshandlungen (verdächtige)

Untypische Hämatome befinden sich meist abseits der knö- chernen Prominenzen. Hier ist die häufigste Lokalisation der Kopf, insbesondere das Gesicht, die linke Wange und das linke Ohr. Laut einer Studie weisen Hämatome an Stamm, Ohren oder Hals stark an eine Misshandlung auf. Es kann trotzdem jede Körperregion betroffen sein.

In der Praxis sieht man immer häufiger Kinder mit Hämato- men nach einzelnen Einwirkungen wie z.B. geformte Einblu- tungen an der linken Gesichtsseite nach einer Ohrfeige durch einen Rechtshänder von vorn.

Bei einem misshandelten Kind treten häufig multiple, grosse und gruppierte Hämatome und Petechien auf.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen,

2016). Abb. 4: Typische misshandelte

Hämatombildung

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Abb. 5: Gesäss als klassische Lokalisation für Schläge Abb. 6: Multiple, grosse Oberschenkelhämatome durch eine Misshandlung

In der untenstehenden Tabelle werden noch Mals zusammengefasst die typischen ak- zidentelle und die typischen misshandelten Hämatomlokalisation aufgezeigt.

Typisch akzidentielle Hämatomlokali- sation

Typische Hämatomlokalisationen bei Misshandlung

Stirn, Schläfe Ohren (häufiger links)

Schläfe Kieferwinkel, Mastoid

Nase Wangen (häufiger links), Gesicht

Oberlippe Unterlippe, Frenulum

Kinn Schulter, Oberarme symmetrisch

Beckenkamm Unterarme ventral an der Parierfläche (passive Ab- wehrverletzung)

Knie Handrücken

Schienbeine Thorax, Abdomen

Knöchel Rücken

Ellenbogen Gesäss, Genitale

dorsale Unterarme Oberschenkel ventral

Ober- und Unterschenkel dorsal Fussrücken

Tabelle 1: Typische akzidentelle Hämatomlokalisation, typische Hämatomlokalisation bei Misshandlungen

Alter

Eine Faustregel sagt, dass alle Hämatome die bei einem einzigen Unfall entstehen, die gleiche Farbe haben. Da die Menge der Blutansammlung und das umgebene Ge- webe die Farben beeinflussen können, können verschiedene gefärbte Hämatome gleichzeitig entstehen. Bei gesunden Kindern ab einem gewissen Alter können häufig verschiedene Hämatome vorkommen. Diese sind aber an typischen «Anstossungs- stellen» vorhanden!

«Gelbverfärbung bedeutet, dass das Hämatom mehr als drei Tage alt ist».

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Spuren

Beweisend für eine Misshandlung sind Spuren von Gegenständen wie z.B. Gürtel- schnalle, Stock (=lineare Doppelkontur), Kleiderbügel oder Körperteile wie Hand / Fin- ger, Bissspuren, usw. Die verwendeten Gegenstände stammen meistens aus dem Haushalt.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

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Abb. 7: Spur einer massiven Ohrfeige

Bissverletzungen

Bissverletzungen zeigen typische zwei gegenüberliegende halbmond- oder hufeisen- förmige Hämatome mit zentraler Aussparung auf. Zudem können auch Oberhaut- durchtrennungen oder -abschürfungen auftreten. Zum Beispiel zentrale Petechien o- der Hämatome nach Saugen («Knutschfleck»).

Bissverletzungen befinden sich zu 29% an den Armen, 19% Beinen, 10% Schulter, 8,5% Rücken und je 7% an Gesäss und Gesicht.

Zur Sicherung von vielleicht vorhandener Fremd-DNA sollte bei frischen Bissverlet- zungen einen Abstrich gemacht werden.

Bei Bissspuren ist eine exakte Vermessung der Spuren notwendig, um eine Differen- zierung von Kinder- und Erwachsenengebiss zu machen. Oft werden Geschwister als Bissverursacher angegeben. Deshalb ist die Vermessung der Spuren wichtig. Fol- gende Faustregel gibt es:

 Beim Erwachsenengebiss haben die Eckzähne einen Abstand (interkaniner Durchmesser) von mehr als 3cm haben. Mit 12 Jahren wird das Erwachsenen- gebiss erreicht.

 Beim Kindergebiss entspricht der Abstand 2.5-3cm.

Anhand ihres ovalären und gequetschten Charakters sind Menschenbisse von Tier- bissen gut zu unterscheiden.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Thermische Verletzungen:

Thermische Verletzungen zählen zu den besonders schwerwiegenden Kindesmiss- handlungen. Dadurch entstehen langfristige physische Störungen wie Narbenbildung und psychisch-emotionale Störungen.

Bei Unfällen und Misshandlungen sind häufig Verbrühungen vorhanden. 10-15% der misshandelten Kinder weisen eine thermische Verletzung auf. Oft sind Kinder unter einem Jahr betroffen.

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Verbrühung

Verbrühung ist die Folge von Einwirkungen feuchter Hitze, zumeist einer heissen Flüs- sigkeit (meist Wasser). Bei der Verbrühung ist der Erhalt der Hautanhangsgebilde wie z.B. der Haare, vorhanden.

Bei Klein- und Kindern passieren häufig Unfälle von Verbrühungen, in dem sie heisse Getränke und Speisen vom Tisch oder Küchenablage herunterziehen. Der psychomo- torische Entwicklungsstand spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Typische unfallbedingte Verbrühungsmuster:

 betroffen sind Brust, Bauch, Schulter und Kinn

 Tiefegrad von Verbrühungen nimmt von cranial nach caudal ab

Zu Verbrühungen kann auch kommen, wenn der Säugling auf dem Arm oder auf den Knien der Eltern oder Betreuungsperson ist und gleichzeitig halten die Eltern / Betreu- ungsperson in der anderen Hand ein heisses Getränk.

Das Eintauchen in heisses Leitungswasser (Immersion) ist die Mehrzahl bei misshand- lungsbedingter Verbrühung. An den Extremitäten sind häufig symmetrische, typische, socken- und handschuhförmige Verbrühungen ersichtlich. Wie unten in Abbildung 8 und 9 ersichtlich ist.

Durch das Eintauchen kann es zu vollständigen Verbrühungen der Haut kommen. Aus- geschlossen das Finger- und Fussnagelbett. Es entsteht eine scharfe Abgrenzung zur umgebenden gesunden Haut und uniformer Verbrennungstiefe. Hochsignifikant mit Misshandlung korrelieren bilaterale Stumpfmuster der unteren Extremitäten mit Immer- sionsverbrühungen des Anogenitalbereichs.

Misshandlungsbedingte Verbrühungsmuster sind:

 scharfe Abgrenzung

 Lokalisation v.a. an Händen / Unterarme, Füsse / Unterschenkel und im Ano- genitalbereich  dies sind Regionen, wo sich Kinder durch Fremdeinwirkung keine Verbrühungen zuführen können.

 Werden häufig bilateral gefunden.

Abb. 8: Immersionsverbrühung der Hand Abb. 9: Immersionsverbrühung des

Unterschenkels

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In der untenstehenden Tabelle ist eine Checkliste zur Differenzierung der Misshand- lungswahrscheinlichkeit aufgezeigt.

Hochverdächtig auf Misshandlung

Verdächtig auf Miss- handlung

Misshandlung un- wahrscheinlich

Mechanismus Immersion Übergiessen, bzw. Ver-

schütten, von oben her- unterfliessendes Wasser Ursache Heisses Leitungswasser Nichtleitungswasser:

Getränke, Kochtopwas- ser, Kochtopfflüssigkei- ten

Muster Scharfe obere Begren- zung, Symmetrie (Exträ- mitäten)

Uniforme, Verbrühungstiefe Hautfaltenaussparung, zentrale Aussparung am Gesäss

Unregelmässige Wund- ränder + -tiefe, kein Handschuh bezw.

Strumpfmuster Verteilung Isolierte Verbrühungen

Gesäss, Perineum +/- untere Extremität Isolierte Verbrühung der unteren Exträmität

Handschuh- bezw. Strumpf- muster an einer Extremität

Asymmetrische Beteili- gung der unteren Extre- mität Kopf, Hals, Schul- ter, oberer Stamm, Ober- körper

Klinische Kenn- zeichen

Zusätzliche Verletzung ohne Bezug zur Verbrü- hung

Anamnese inkompatibel Koexistierende Frakturen

Frühere Verbrennungen Gedeihstörung, Vernachläs- sigung

Anamnese mit Entwick- lungsstand nicht vereinbar Anamnestische /

soziale Kennzei- chen

Passives, introvertiertes, eingeschüchtertes Kind Vorherige Misshandlun- gen, häusliche Gewalt, Vielzahl frühere Unfälle, Verbrühung Geschwister- kind angelastet

Trigger wie Enuresis, Enko- presis, Ungehorsam Wechselnde Erklärungs- muster, gehäuft frühere Un- fälle, Vorstellung nicht durch Eltern, Kind dem Jugend- amt bekannt

Tabelle 2: Checkliste zur Differenzierung der Misshandlungswahrscheinlichkeit

Verbrennung

Verbrennung ist eine trockene Hitzeeinwirkung, im Sinne einer Kontaktverbrennung.

Bei Verbrennungen werden die Hautanhangsgebilde wie Haare geschädigt.

Die häufigsten thermischen Misshandlungen sind die Kontaktverbrennungen. Dabei ist der Rücken, die Schulter, Unterarme, Handrücken und das Gesäss die häufigste Lo- kalisation. Bei unfallbedingten Verbrennungen sind v.a. die tastenden Finger oder Palmarflächen der Hände betroffen, teilweise auch weitere Körperparteien. Gekenn- zeichnet sind diese mit nicht gleichmässigen, verwischten, streifigen Muster. Ausge- nommen sind die thermischen Verletzungen durch absichtlich auf eine heisse Herd- platte gedrückte Hände.

Zigarettenverbrennungen sind häufig, da sie überall verfügbar sind. Sie kommen häu- fig an Handrücken, Daumengrundgelenk, Handfläche, Rücken und am Stamm, oft gruppiert in einem kleineren Bereich, vor. Die durchschnittliche Fläche beträgt 0.8- 1cm.

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Typische Gegenstände für Kontaktverbrennungen sind:

 Zigarette = rundliche, ca. 0.8-1cm grosse Verbrennung, zumeist 2.-3. Grades mit narbiger Abheilung

 Bügeleisen = dreieckige umrissene, scharf demarkierte Verbrennung, oft 3.

Grades, ersichtlich sind Dampfdüsen

 Haartrockner = klar demarkierte Abbildung des Föngitters, eher Gesicht

 Herdplatte = rundliche, 3. Grade Verbrennungen, typisch an Handflächen und Gesäss.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

In der untenstehenden Tabelle sind Merkmale bei Verbrennungen, die für einen Unfall oder für eine Misshandlung sprechen, aufgezeigt.

Für einen Unfall spricht: Für eine Misshandlung spricht:

unregelmässige Ränder Gleichmässige Tiefe der Verletzung durch Eintau- chen von heissem Wasser

uneinheitliche Tiefe Scharf, demarkierter Übergang zur gesunden Haut

Ablaufspuren

nach unten abnehmende Verbrühungstiefe meist Arme / Hände mitbetroffen, zusätzlich

Schulter und obere Thoraxabschnitte

Tabelle 3: Merkmale unfallbedingte und misshandelte Verbrennungen

Frakturen:

Frakturen in einem ungewöhnlichen jungen Alter oder Frakturen, die nicht zum Unfall- mechanismus passieren, sind wichtige Hinweise für eine Kindesmisshandlung.

Frakturen die vor dem 1. Lebensjahr entstehen gelten als hochverdächtig. Denn jede zweite Fraktur vor dem 1. Geburtstag wird durch eine Misshandlung verursacht.

Bei 80% der unfallbedingten Frakturen haben die Kinder meist nur eine Fraktur. Miss- handelte Kinder weisen jedoch im Durchschnitt drei Frakturen auf. Ein weiterer Aspekt, der für eine Misshandlung spricht, ist wenn mehrere alte Frakturen beim Kind vorlie- gen.

Rippenfrakturen, Frakturen der langen Röhrenknochen oder meta- und epiphysäre Frakturen bei Kleinkindern gelten ebenfalls als hochverdächtig.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Allgemeine Verdachtshinweise bei Frakturen sind, wenn…

 …das Kind jünger als 1 Jahr ist

 …es keine adäquate Anamnese ergibt

 …kein Hinweis auf Knochenerkrankungen vorliegt

 multiple, unterschiedliche alte Frakturen vorhanden sind

Folgende radiologische Befunde deuten auf eine nichtakzidentielle Frakturentstehung hin:

Hochverdächtig:

 klassische metaphysäre Frakturen (unter 2 Jahren)

 Rippen-, Sternum-, Skapula-, Schulter- und Wirbelfrakturen (Dornfortsätze)

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Mittelverdächtig:

 multiple Frakturen, v.a. bilateral, Frakturen in verschiedenen Heilungsstadien

 Einzelfrakturen und weitere Misshandlungshinweise

 komplexe Schädelfrakturen (Sturzhöhe unter 1.5 Meter)

 Becken- Wirbelkörper-, Fuss-, Hand- und Fingerfrakturen

 epiphysäre Ablösung Niedrigverdächtig:

 einfache, lineare Schädelfrakturen

 diaphysäre Schaftfrakturen

 meta- und epiphysäre Frakturen bei älteren Kindern

 Claviculafrakturen (v.a. in Schaftmitte)

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016, S.92).

2.4.2 Anzeichen von psychischen Kindesmisshandlungen

Die psychische Misshandlung hinterlässt keine offensichtlichen Spuren wie bei der körperlichen Kindesmisshandlung.

Folgende Anzeichen können bei betroffenen Kindern auftreten:

 Die betroffenen Kinder sind niedergeschlagen.

 Sie zeigen Verunsicherung.

 Sie haben vermehrt ein Minderwertigkeitsgefühl.

 Lügen und Stehlen können ebenfalls Anzeichen sein.

 Die psychisch misshandelten Kinder weisen ein aggressives Verhalten auf.

 Lernbehinderung und Leistungsschwäche können ebenfalls ein Hinweis auf psychische Kindesmisshandlung deuten.

(Volksschulbildung Luzern, 2015).

Psychisch misshandelte Kinder können zudem eine depressive Reaktion, Distanzlo- sigkeit oder sogar Berührungsängste aufweisen. Weitere Hinweise können auch Schlafstörungen, Essstörungen, chronische Schmerzen wie Bauch- oder Kopfschmer- zen sein. Das Einnässen kann ebenfalls ein Warnsignal auf Misshandlung sein. Bei Selbstverletzung des Kindes, Substanzmissbrauch, Suizidalität oder das Zurückfallen in Verhalten einer jüngeren Entwicklungsstufe muss das Pflegepersonal sowie die Ärzte hellhörig werden.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

2.5. Risikofaktoren die zu einer Kindesmisshandlung führen können Kindesebene

 Entwicklungsstörungen

 abweichendes und unerwartetes Verhalten

 Fehlbildungen

 niedriges Geburtsgewicht welche zu körperlichen und geistigen Behinderungen führen kann

 usw.

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Eltern- / Familienebene

 Suchtverhalten

 psychische Erkrankung der Eltern

 häusliche Gewalt

 alleinerziehende oder minderjährige Eltern

 aggressives Verhalten

 Mangel an erzieherischer Kompetenz

 usw.

Sozioökonomische Situation

 Arbeitslosigkeit

 Kinderfeindlichkeit

 schlechte Wohnsituation

 finanzielle Notlage

 Existenzunsicherheit

 Unzureichende familienbezogene Hilfeangebote

 usw.

(Anja Retschke, 2009).

2.6. Rechtliche Grundlagen

Der Kindesschutz ist für die rechtlichen Bestimmungen da, damit das Kind vor Beein- trächtigungen und Schädigungen geschützt wird. Die Eltern sind in erster Linie für das Wohlergehen ihrer Kinder verantwortlich. Der Grundsatz des Kinderrechts ist, das Kin- deswohl in sämtlichen Bereichen, die das Kind betreffen, zu bewahren.

Das Kindesschutzsystem Schweiz besteht aus dem freiwilligen, zivilrechtlichen und dem strafrechtlichen Kindesschutz.

Der freiwillige Kindesschutz ist für Eltern und Minderjährige da, wenn in der Familie Unsicherheiten oder Überforderungen auftreten, die die Eltern alleine nicht mehr meis- tern können. Die Eltern oder Sorgeberechtigten sind dann auf externe Hilfe angewie- sen. Der freiwillige Kinderschutz bietet Angebote wie Erziehungsberatung, Mütter- und Väterberatung, Leistungen von Sozialdiensten oder kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst an. Durch den Anspruch dieser Beratungsstellen kann das Kindeswohl gesi- chert werden und die Unterstützung von zivilrechtlichen Kindesschutzmassnahmen werden vermieden.

Im zivilrechtlichen Kindesschutz geht es darum, wenn die Eltern das Kindeswohl nicht mehr gewährleisten (können) und der freiwillige Kindesschutz nicht greift, dass dann die Kindesschutzbehörde (KESB) eingeschaltet wird. Die Aufgabe der KESB besteht darin, mögliche Gefährdungen abzuklären und wenn nötig Massnahmen einzuleiten.

Somit könnte eine Verschlimmerung der Situation und eine Schädigung des Kindes verhindert werden. Im Gegensatz zum Strafrecht geht es im zivilrechtlichen Kindes- schutz nicht um die Schuldzuweisung der Eltern.

Der strafrechtliche Kinderschutz wird erst dann eingeschaltet, wenn der hinlängliche Verdacht vorliegt, dass eine strafrechtliche Schädigung erfolgt sein könnte. Der Sach- verhalt wird durch die Polizei und / oder Staatsanwaltschaft abgeklärt. Dazu braucht es eine Befragung des betroffenen Kindes.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

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Laut Frau Karin Bürstl, Leiterin Kinderschutzgruppe / Sozialarbeiterin Kantonsspital Aarau, ist das Kindeswohl gefährdet, wenn die Eltern oder Sorgeberechtigten nicht für den Bedarf des Kindes sorgen.

Kinder, die häusliche Gewalt miterleben müssen sind akut gefährdet. Wenn z.B. die Mutter durch ihren Mann häusliche Gewalt erlebt oder sie durch das, einen psychi- schen Zusammenbruch erleidet, so kann es sein, dass sie nicht mehr für ihr Kind / Kinder sorgen kann. Das Kind wird dann notfallmässig bei Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder in einer Notfallunterkunft untergebracht.

Wenn Kinder von häuslicher Gewalt betroffen sind, können Personen, die eine Kin- deswohlgefährdung befürchten eine Gefährdungsmeldung machen. Wenn der Ver- dacht besteht, dass das Kind direkt von der Gewalt betroffen ist, können Personen die der beruflichen Schweigepflicht unterstehen, ohne Entbindung, eine Anzeige bei der Vormundschaftsbehörde machen. Dies ist eine Gesetzesbestimmung und ist im Straf- gesetzbuch hinterlegt.

Sobald ein Verdacht auf körperliche Misshandlung besteht, können Fachpersonen im Gesundheitswesen die Polizei informieren. Dies ist auf das kantonale Gesundheitsge- setzt gestützt. Es ist von Vorteil, wenn vorgängig die Kinderschutzgruppe oder die spe- zialisierte Opferberatungsstelle miteinbezogen werden, um das Vorgehen zu bespre- chen. Durch die Jugendhilfe (wie z.B. Kinder- und Familienberatung) kann die Vor- mundschaftsbehörde abklären, ob die zivilrechtlichen Kindesschutzmassen zum Schutz der Kinder notwendig sind.

(Bänzinger V., Bass B., Fleischli M., Triofini A. Weingarten M., 2010).

Art. 307 Abs. 1 ZGB

«Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Kindesschutz des Kindes.»

(Matthias Huber, 2019, S.6).

2.7. Melderecht und Meldepflicht

Folgendes konnte ich aus dem Interview mit Frau Dr. Anja Böni in Bezug auf das Mel- derecht und die Meldepflicht herausfinden:

Bundesebene Art. 314c ZGB «Melderecht»

1. Jede Person kann der Kindeschutzbehörde die Meldung erstatten, wenn die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität eines Kindes gefährdet er- scheint.

2. Liegt eine Meldung im Interesse des Kindes, so sind auch Personen meldebe- rechtigt, die dem Berufsgeheimnis nach dem Strafgesetzbuch unterstehen.

Diese Bestimmung gilt nicht für die nach dem Strafgesetzbuch an das Berufs- geheimnis gebundene Hilfspersonal.

Laut Dr. Anja Böni heisst dies konkret, dass Ärzte trotz des Berufsgeheimnisses be- reits bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, eine Meldung bei der KESB ma- chen dürfen.

Mit dem, im Artikel erwähnten Hilfspersonen, sind beispielsweise medizinische Praxi- sassistentinnen oder Mitarbeitende von der Spitex gemeint. Diese müssen ihre Be- obachtungen dem zuständigen Arzt (oder Arbeitgeber) melden, welcher dann wiede- rum gegenüber der KESB meldeberechtigt ist.

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Bundesebene Art. 314d ZGB «Meldepflichten»

1. Folgende Personen, soweit sie nicht dem Berufsgeheimnis nach dem Strafgesetz- buch unterstehen, sind zu Meldung verpflichtet, wenn konkrete Hinweise dafür be- stehen, dass die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität eines Kindes ge- fährdet ist und sie der Gefährdung nicht im Rahmen ihrer Tätigkeit Abhilfe schaffen können:

a) Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pflege, Betreuung, Erziehung, Bildung, Sozialberatung, Religion und Sport, die beruflich regel- mässigen Kontakt zu Kindern haben;

b) wer in amtlicher Tätigkeit von einem solchen Fall erfährt.

2. Die Meldepflicht erfüllt auch, wer die Meldung an die vorgesetzte Person richtet.

3. Die Kantone können weitere Meldepflichten vorsehen.

Petra Senn von der KESB ergänzte zudem:

Folglich besteht für Pflegefachpersonen keine Meldepflicht im Sinne von Art. 314d Abs. 1 ZGB, weil sie dem Berufsgeheimnis gemäss StGB unterliegen. Sie sind aber gemäss Art. 314c Abs.2 ZGB meldeberechtigt.

Bei Gefährdungsmeldung gilt folgendes im Kanton Schwyz:

§ 29 43 II. Melderecht und Meldepflicht

Jede Person ist berechtigt, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eine hilfsbedürftige Person zu melden.

Mitarbeitende des Kantons, der Bezirke und Gemeinden sowie Lehrpersonen und Ärzte, die in Ausbildung ihres Berufes von der Hilfsbedürftigkeit Kenntnis erhalten, sind zur Meldung verpflichtet, sofern mit anderen Massnahmen keine Abhilfe geschaffen werden kann.

(Petra Senn, 2019).

3. Praxistransfer

3.1 Allgemeine Schwerpunkte auf der Notfallstation

Die Erstversorgung von Kindernotfällen gehört nicht zu unserem Alltagsgeschäft. Je nach Schweregrad der Verletzung wird dies zu einer absoluten Ausnahmesituation für das gesamte Team der interdisziplinären Notfallstation, da man schnell an seine eige- nen emotionalen Grenzen stossen kann.

Ein Beispiel von einer solchen Ausnahmesituation ist sicher der Fall von Kindesmiss- handlung. Den oft sind uns unsere Hände gebunden und der Fall von Kindesmiss- handlung stösst bei uns an die emotionalen Grenzen. Kindesmisshandlungen sind meist nicht Einzelfälle, oft entwickeln sie sich zu chronischen Situationen. Immer wie- der kehrende Fälle können zu Entwicklungsstörungen im Kindesalter führen. Eines der grössten Probleme im Umgang mit misshandelten Kindern ist, dass sie meist zu spät erkannt werden. Somit verzögert sich die entsprechende Behandlung und Betreuung.

Da es sich hierbei um ein ethisches Dilemma, zwischen Helfen, Verstehen und Schutz des Kindes handelt, erschwert es die Arbeit der Pflegenden und Ärzte umso mehr.

Bei Kindesmisshandlung gibt es keine Patentlösung oder das Schema X. In der pädi- atrischen Versorgung ist das Wohl des Kindes an erster Stelle und nicht die Klärung einzelner Handlungen und Unterlassungen. Wichtig für das Pflegefachpersonal sowie

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den Ärzten ist, ein Vertrauensverhältnis gegenüber dem Kind aufzubauen und mit Ruhe und Geduld die Problematik anzugehen. Das Vertrauen von den Kindern, sollte nicht durch ein allfälliges Nichteinhalten von Versprechen zerstört werden. Es sollten gegenüber den Eltern oder der Erziehungsberechtigten keine Vorwürfe, Vermutungen oder Vorurteile gemacht werden. Das Verhalten gegenüber den Eltern sollte stets freundlich und auf neutraler Ebene sein.

Es ist wichtig, dass die Ängste der Kinder vor einer Untersuchung berücksichtigt wer- den. Kinder fürchten sich vor schmerzhaften, unbekannten und unvorhersehbaren Er- eignissen. Während den pflegerischen Handlungen sollte dem Kind möglichst viele Auswahlmöglichkeiten gegeben werden. Das Kind soll das Gefühl bekommen, dass es die Kontrolle über die eigene Situation und seinen Körper hat. Ein altersangemes- senes Umfeld ist enorm wichtig. Die Kooperation der jüngeren Kinder kann durch ein spielerisches gestaltetes Untersuchungszimmer gesteigert werden, was auch beruhi- gend auf das Kind wirken kann.

Es ist aber zu beachten, dass bei Jugendlichen oder etwas älteren Kinder, welche sich z.B. in der Pubertät befinden, die kindliche Einrichtung oft keine positive Wirkung zeigt, da es sein kann, dass sie sich durch das nicht ernstgenommen fühlen.

Das Miteinbeziehen von Puppen oder Kuscheltieren des Kindes kann während den Untersuchungen dabei helfen, den Druck und Fokus vom Kind zu nehmen. Wenn ap- parative Hilfsmittel zum Einsatz kommen, sollte vorher dem Kind das Gerät und die Handlung erklärt werden. Dies kann die Ängstlichkeit verringern.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Dr. Anja Böni meinte im Interview, dass viele Eltern, die ihre Kinder misshandeln, dies nicht aus Böswilligkeit ausüben, sondern weil sie mit der ganzen Situation zu Hause, am Arbeitsplatz, usw. überfordert sind. Die meisten Eltern willigen ein, dass sie Hilfe brauchen.

Die Gesprächsführung mit dem misshandelten Kind und dessen Eltern ist für uns auf dem Notfall ebenfalls eine Herausforderung. Häufig tauchen Fragen auf wie «Wie kön- nen wir es professionell und empathisch ansprechen?» «Wann müssen die Eltern da- bei sein?», usw. Im Kinderspital Zürich sowie im Kinderspital Aarau steht immer die Kinderschutzgruppe für die interdisziplinäre Notfallstation zur Verfügung. Ausserhalb der Bürozeiten ist in Zürich immer ein Pikett vorhanden. Diese können dann auf fach- kompetenter Weise das Gespräch mit allen Beteiligten suchen. Die Notfallstationen können also jederzeit die Kinderschutzgruppe in Anspruch nehmen.

Da im Kanton Schwyz keine Kinderschutzgruppe zur Verfügung steht, führt dies zu einer zusätzlichen Herausforderung auf unserem Notfall. Wir haben deshalb keine wirkliche Anlaufstelle, wo wir uns melden können. Um dieser Herausforderung etwas entgegen zu wirken, habe ich im Rahmen meiner Diplomarbeit einen Leitfaden erstellt, in welchem vor allem das Vorgehen bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung be- schrieben ist. Dieser soll für Pflege und Arzt als roter Faden dienen.

3.2 Handlungsleitlinie

Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich für unsere interdisziplinäre Notfallstation im Spital Schwyz eine Handlungsleitlinie zum Thema «Verdacht auf Kindesmisshand- lung» erstellt. Diese Leitlinie ist für Kinder bis zum 16. Lebensjahr, ausgenommen sind Säuglinge sowie die sexuelle Misshandlung.

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Die Handlungsleitlinie beinhaltet folgendes:

 Betreuungsschwerpunkte

 Rechtliche Grundlagen  Meldepflicht, Melderecht

 Vorgehensweise bei einem Verdacht

 Dokumentationsbogen

3.2.1 Betreuungsschwerpunkte der Kinder und Angehörigen

Um die Anzeichen einer Kindesmisshandlung zu erkennen braucht es Erfahrung, Auf- merksamkeit und Empathie gegenüber dem misshandelten Kind und deren Eltern / Erziehungsberechtigten. Da solche Fälle bei uns auf der Notfallstation nicht alltäglich sind, habe ich Betreuungsschwerpunkte in meiner Handlungsleitlinie zusammenge- fasst aufgelistet. Diese soll uns helfen, die Anzeichen frühzeitig zu erkennen, um dem- entsprechend richtig zu reagieren und alle Betroffenen professionell zu betreuen und zu unterstützen. Damit die Dokumentation bei uns auf der Notfallstation einheitlich und vollständig gemacht wird, habe ich einen Dokumentationsbogen erstellt. Wichtig ist, dass wir als Pflegefachpersonen aufmerksam Hinschauen, Zuhören und das Entste- hen von Verletzungen oder das abnorme Verhalten der Kinder hinterfragen. Die Sen- sibilisierung in Bezug auf die Thematik «Verdacht auf Kindesmisshandlung» von Pfle- gepersonal sowie den Ärzten hat oberste Priorität.

Gesprächsführung

Im Buch, mit dem ich mich zum Thema «Kindesmisshandlung» auseinandergesetzt habe, wird geraten, dass Anzeichen welche auf eine mögliche Kindesmisshandlung hindeuten, direkt in einem Gespräch mit den Eltern oder Erziehungsberechtigten an- gesprochen werden. Wie oben schon erwähnt, sollte dabei eine vertrauensvolle, vor- urteilsfreie und ruhige Umgebung gegenüber den Eltern geschaffen werden. Das Ge- spräch wird durch den Arzt geführt und sollte, wenn möglich nicht unter Zeitdruck statt- finden. Der Arzt sollte sich, wenn möglich auf das Gespräch vorbereiten, vor allem in Bezug auf die möglichen Reaktionen der Eltern, die Konsequenzen, Beratungsstellen, Hilfsangebote, etc. Es könnten auch z.B. Flyer abgeben werden. Im Gespräch sollte deutlich gemacht werden, dass wir uns Sorgen um die Gesundheit des Kindes ma- chen.

Ein guter Startpunkt für das Gespräch ist, wenn der Arzt die bereits vorhandenen Be- funde des Kindes, z.B. Fotos von Verletzungen, Röntgenbilder, etc. in Kombination mit den vorhandenen Symptomen den Eltern aufzeigt. Zum Beispiel: «Ihr Kind macht uns einen sehr ängstlichen Eindruck auf uns. Haben Sie eine Vorstellung woran es liegen kann?» Die Eltern sollten die Gelegenheit haben, den Grund für die Misshandlung zu erklären.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Solche Gespräche mit den Eltern / Erziehungsberechtigten sollten immer zu zweit (Pflege / Arzt) durchgeführt werden. Auch die Vor- und Nachbesprechung soll gemein- sam gemacht werden.

(Anja Böni, 2021)

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Red Flags - Warnzeichen

Das Vorhandensein von möglichen Red Flags kann auf eine Kindesmisshandlung hin- deuten. Wenn solche Warnzeichen auftreten, müssen alle Alarmglocken läuten. Das Erkennen von diesen Red Flags ist der erste und wichtigste Schritt in Bezug auf die Betreuung und Behandlung. Zu diesen Red Flags gehören folgende Punkte:

 Eltern vereinbaren den Arzttermin verzögert.

 Verletzungen, die nicht mit der Entstehungsgeschichte / Anamnese überein- stimmen.

 Wenn bei häuslicher Gewalt Kinder im Spiel sind.

 Abnormer Entwicklungsstand des Kindes

 «Frozen watschfullness» (eingefrorene Wachsamkeit)

 Thermische Verletzungen die eine scharfe Abgrenzung aufzeigen.

 Auf die Lokalisation der Verletzungen achten.

 geformte Hautläsionen

 Wenn mehrzeitige Frakturen vorhanden sind.

 metaphysäre Frakturen und dorsale Rippenfrakturen.

 chronische Schmerzen, z.B. Bauch- oder Kopfschmerzen

 Wenn ein Kind psychosomatische Störungen aufweist.

(Patrick Haberstich, 2019).

3.2.2 Vorgehensweise

In meiner Arbeitsschicht erlebe ich einen Verdachtsfall in Bezug auf die Kindesmiss- handlung. Was muss ich nun machen? Wie muss ich vorgehen?

Leider werden die Anzeichen einer Kindesmisshandlung oft erst spät entdeckt. Gewalt oder Ausbeutung wurde meistens schon über längere Zeit ausgeübt. Wenn keine akute Gefährdung des Kindes vorbesteht, braucht es eine sorgfältige Abklärung. Nur dann kann die richtige Intervention eingeleitet werden. Ein wichtiger Grundsatz dabei ist, dass die Kinder aufgrund der Loyalität gegenüber den Eltern/Bezugspersonen keine Entscheidung in Bezug auf das Vorgehen treffen müssen. Es ist jedoch wichtig, dass die Kinder dem Alter entsprechend in die Entscheidung miteinbezogen werden.

(Volksschulbildung Luzern, 2019)

Die Interventionen/Massnahmen dienen dazu, dass das Kind vor weiterer Gewalt ge- schützt wird. Zudem sollen seelische sowie körperliche Schäden behandelt werden und die Würde des Opfers wiederhergestellt und die sozialen Folgen vermindert wer- den.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Es gibt 4 Phasen um das Vorgehen bei einem Verdachtsfall strukturiert und geplant anzugehen.

Phase 1: Informationen und Hinweise erkennen, eigene Beobachtungen festhalten Es gibt Hinweise und Informationen auf Seite des Kindes oder von Drittpersonen.

Das Kind kann Äusserungen über erlebte Misshandlungen oder Verletzungen ma- chen oder es weist Verhaltensänderungen auf. Das äussere Erscheinungsbild des Kindes kann ebenfalls ein Anzeichen auf Kindeswohlgefährdung sein.

Das Verhalten von den Eltern/Bezugspersonen können ebenfalls ein Hinweis auf Kindeswohlgefährdung sein. Dabei spielt die familiäre Situation des Kindes, die Wohnsituation oder die persönliche Situation der Eltern/Bezugspersonen eine Rolle.

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Die eigenen Beobachtungen der Pflegenden und Ärzten sind auch ein wichtiger Anhaltspunkt in dieser Phase. Hilfreich dabei ist das Erkennen von den Red Flags.

Phase 2: Auslegeordnung, Einschätzung und Beurteilung

Zusätzlich zu Phase 1 gibt es Anzeichen von Kindesmisshandlungen. Die beschrie- benen Merkmale vom Kapitel 2.4 sind hierbei hilfreich. Wenn Anzeichen einer Ge- fährdung vorhanden sind, dann müssen die Risiko- und Schutzfaktoren überprüft werden.

Schutzfaktoren haben auf die Entwicklung des Kindes einen schützenden Effekt, wenn sich das Kind in ungünstigen Lebensumständen befindet. Sie erhöhen die Bewältigungskompetenzen und mindern die Risikofaktoren.

Für die Einschätzung muss immer die eigene vorgesetzte Stelle und Fachpersonen aus verschiedene Fachdisziplinen miteinbezogen werden. Die beteiligten Perso- nen (Eltern und Kind) können dabei integriert werden. Wichtig ist es aber, dass sich die Situation in dem sich das Kind befindet, nicht verschlimmert.

Für eine fundierte Beurteilung braucht es Informationen, Hinweise, eigene Be- obachtungen, das Erkennen von Anzeichen der Gefährdung und die Schutz- und Risikofaktoren. Das heisst alle Informationen, Hinweise und Beobachtungen müs- sen miteinbezogen werden sowie alle Anzeichen der Kindesmisshandlung und die Schutz- und Risikofaktoren. Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt ist das Mehrau- genprinzip (nicht alleine handeln)!

Phase 3: Schlussfolgerungen und Handlungsmöglichkeiten Folgende Schlussfolgerungen ergibt sich aus der Phase 1+2:

 Aktuell und in Zukunft ist keine Kindeswohlgefährdung zu erwarten.

Es kann trotzdem sinnvoll sein, die spezifischen Bedürfnisse des Kindes und/oder der Familie zu prüfen.

 Die Situation des Kindes ist unklar. Der Verdacht auf Kindesmisshandlung kann weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Hier ist es wichtig, dass die Kinderschutzgruppe oder eine andere Fachstelle miteinbezogen wird. Eine anonymisierte Beratung und Einschätzung der Si- tuation bei der KESB, Opferhilfe- und Opferberatungsstelle oder bei der Kin- derschutzgruppe kann dabei hilfreich sein. Bei schwerwiegender Kindes- wohlgefährdung kann die Polizei zugezogen werden.

Ziel ist es, die Kindeswohlgefährdung bestätigen oder ausschliessen zu kön- nen.

 Aktuell oder in Zukunft ist eine Kindewohlgefährdung zu erwarten.

In diesem Fall müssen die Sofortmassnahmen eingeleitet werden. Entweder mit oder ohne Einverständnis der Eltern und dem Kind. Eine Gefährdungs- meldung an die KESB kann ebenfalls eine Massnahme sein.

Die ärztliche Untersuchung wie z.B. die Behandlung von Verletzungen, Traumatisierungen, Krankheiten ist eine Sofortmassnahme für das Kind.

Dies ist zu empfehlen, wenn das Kind sichtbare Verletzungen oder Miss- handlungsspuren aufweist. Aber auch wenn unsichtbare Verletzungen durch die Informationen und Hinweisen des Kindes, Dritter oder durch ei- gene Beobachtungen vermutet werden.

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Folgende Sofortmassnahmen für Personen im Umfeld des Kindes kann es geben:

 Medizinische oder psychiatrische Hilfestelle für einen Elternteil.

 Bei häuslicher Gewalt polizeiliche Interventionen.

 Es gibt für Kinder und Mütter Frauenhausaufenthalte

 Durch zusätzliche Betreuung kann eine Entlastung der Kinder und El- tern erfolgen.

 usw.

Phase 4: Auswertung

Es ist wichtig das standardisierte Vorgehen zu evaluieren. Hilfreich ist, wenn dies mit den Fachstellen z.B. die Kinderschutzgruppe durchgeführt wird.

(Matthias Huber, 2019).

Die Grundprinzipien der Interventionen sind, dass wir als Pflegefachpersonen Ruhe bewahren und versuchen eine Eskalation zu vermeiden. Es soll eine zeitnahe kinder- psychologische oder kinder- und jugendpsychiatrische Untersuchung erfolgen. Bei entsprechender medizinischer Indikation ist eine stationäre Aufnahme sinnvoll. Wichtig beim Handeln von Kindesmisshandlung ist, dass immer multiprofessionell gearbeitet werden muss.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Aus allen Interviews konnte ich einen wichtigen Punkt in Bezug auf das Vorgehen mit- nehmen: Keine Alleingänge und keine Entscheidungen im Affekt treffen! Es ist sehr wichtig, dass bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung mehrere Fachperso- nen beigezogen werden (mind. 4-Augen-Prinzip). Ein Alleingang ist der falsche Weg.

Falls eine akute Gefährdung für das Kind besteht oder die Eltern auf der Notfallstation aggressiv wirken, kann eine stationäre Aufnahme des Kindes laut Dr. Anja Böni sinn- voll sein. Somit wird eine akute Sicherung des Kindes gewährleistet. Dann kann den Eltern mitgeteilt werden, dass das Kind aufgrund medizinischer Indikation stationär aufgenommen werden muss. So kann in die Kinderschutzgruppe eingeschaltet werden und es erfolgen professionelle Gesprächsführungen und Handlungen. Die Weiterbe- treuung und den Schutz des Kindes kann während dem Aufenthalt organisiert werden.

Für uns auf dem interdisziplinären Notfall des Spital Schwyz bedeutet dies, dass wir das Kind extern in ein Kinderspital verlegen müssen. Falls es auf der Notfallstation zu einer Eskalation kommen würde, muss die Polizei für die Intervention aufgeboten wer- den.

Petra Senn von der KESB sagte mir, dass wir von der Notfallstation jederzeit eine anonyme Meldung machen können. Eine Beratung ohne rechtliche Schritte können sie uns, als KESB, zu Bürozeiten von Montag bis Freitag gewährleisten.

Auch Dr. Anja Böni teilte mir mit, dass wir bei Fragen oder Unklarheiten jederzeit (24 Std.) mit dem Notfall vom Kinderspital Zürich Kontakt aufnehmen können. Ebenfalls kann laut Dr. Anja Böni während den Bürozeiten die Kinderschutzgruppe Zürich zur Hilfe beigezogen werden. Da wir von der Notfallstation im Spital Schwyz mit Zürich arbeiten, werde ich diese Adressen im Leitfaden vermerken.

Nicht zu vergessen ist der pädiatrische Pikettdienst, von unseren Kinderärzten im Tal- kessel Schwyz, dieser muss in jedem Fall involviert sein.

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