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Dokumentation und Spurensicherung

3. Praxistransfer

3.3 Dokumentation und Spurensicherung

3.3.1 Dokumentation

Die ärztliche Dokumentation hat einen hohen Stellenwert bei einem Verdacht auf Kin-desmisshandlung. Die Sicherung der Beweise hängt am Anfang häufig vom Arzt/Pflege ab. Diese müssen auf eine sorgfältige Dokumentation und Spurensiche-rung achten. Dabei ist wichtig, dass der diensthabende Pädiater beigezogen wird.

Falls keine strafrechtlichen Massnahmen eingeleitet werden (Polizei), soll trotzdem eine ausführliche, vollständige und klare Dokumentation inklusiv (inkl.) Fotodokumen-tation gemacht werden. Denn oft kommt es erst später zu einer Strafanzeige oder zu strafrechtlichen Schritten.

Bei der Befunderhebung bei Verdacht Kindesmisshandlung gelten die gleichen Emp-fehlungen wie bei der Untersuchung von erwachsenen Gewaltopfern. Zur Sicherung der strafprozessualen Verwertbarkeit müssen folgende Befunde erhoben werden (ei-nige Beispiele):

 Objektiv bestehende Verletzungen nach Art, Lokalisation, Ausdehnung und un-gefährem Alter dokumentieren.

 Ergänzung der Beschreibung der Befunde durch eine fotografische Dokumen-tation.

 Die Verletzungen sollen unterschieden werden nach stumpfer Gewalt, mit Riss-/Quetschwunden, Blutunterlaufungen und Schürfungen.

 Konturen bzw. Wundbegrenzungen nach thermischen Verletzungen

 Narben: Art und Verlaufsrichtung

 Entwicklungsstand des Kindes (Körpergewicht, motorische Fähigkeiten, usw.)

 Entnahme von Abstrichen, vor allem bei Sexualdelikt

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Laut Dr. Anja Böni wird im Kinderspital Zürich jedoch nur bei sexuellem Missbrauch Spurensicherungen und Abstriche durchgeführt. Eine professionelle und klar formu-lierte Dokumentation inkl. Fotodokumentation ist sehr wichtig bei einem misshandelten Vorfall. Vor allem, wenn der Fall bis zum Gericht gehen würde.

Im Kinderspital Zürich wird bei jedem Kind ein pädiatrischer Status zur Dokumentation erhoben. Inklusive Körpergrösse und -gewicht.

Bei der Untersuchung sollen insbesondere zusätzlich folgende Körperregionen ge-nauer angeschaut werden:

 Innenseite der Lippe

 Frenulum Zunge/Lippen

 Schleimhaut des Gaumens/Wangen

 Retroaurikuläre Region

 behaarte Kopfhaut

Diese Misshandlungszeichen können schnell übersehen werden. Diese Befunde sol-len somit dokumentiert und zusätzlich fotografiert werden.

Alle Dokumente müssen mit dem Namen des Opfers, ggf. der Begleitpersonen, der untersuchenden Person sowie mit Datum und Uhrzeit der Befunderhebung notiert wer-den.

Die Dokumentation beinhaltet eine schriftliche Zusammenfassung der mittgeteilten Vorgeschichte / Anamnese und des Tatgeschehens. Die Fotografien müssen numme-riert werden und mit nähren Angaben beschriftet sein. Die weiteren Massnahmen, wel-che im Spital unternommen werden müssen ebenfalls in der Dokumentation festgehal-ten werden. Am Schluss muss eine Beratung stattfinden, welche Vorgehensweise un-ternommen werden können. Dies muss ebenfalls dokumentiert werden.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Die schriftliche Dokumentation muss folgendes beinhalten:

 Personalien des Opfers

 Angaben zum Tatgeschehen

 Symptome und Befunde

 Krankengeschichte des Opfers

 eine exakte und detaillierte Beschreibung der Verletzungen (ohne Interpreta-tion)

 Fotodokumentation mit Patientenetikett und Massstab

 Procedere

(Sandra Weber, 2020).

3.3.2 Fotografische Dokumentation

Bei der fotografischen Dokumentation muss eine Übersichtsaufnahme zur räumlichen Orientierung gemacht werden, danach eine Detailaufnahme mit angelegtem Zentime-termass. Eine Farbaufnahme ist bei Hämatomen wichtig, damit das Alter des Häma-toms beurteilt werden kann.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).

Die Fotodokumentation wird durch das Pflegepersonal durchgeführt. Laut der Ober-ärztin Dr. Rosa Martinez, vom Institut für Rechtsmedizin in Zürich, muss die Bildauf-nahme bei einer guten Raumbeleuchtung und in einem neutralen Hintergrund fotogra-fiert werden. Für die Fotografie sollte eine gut auflösende Kamera benutzt werden und die zu fotografierende Stelle gut beleuchtet sein.

Das misshandelte Kind muss auf dem Foto zweifelsfrei identifizierbar sein. Die Ge-samtübersicht, Detail- und Nahaufnahmen soll vor und nach dem Entkleiden erstellt werden. Dabei soll ein Massstab, Winkelmassstab, Pfeilkleber und ein Patientenetikett benutzt werden. Eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Verletzungen der betroffe-nen Körperregiobetroffe-nen ist ebenfalls wichtig. Die exakte Lokalisation am Körper, sowie die Art und Grösse der Verletzung muss dokumentiert werden. Die ganze Läsion muss dargestellt sein, das heisst alle Ränder. Falls dies mit einem Foto nicht möglich ist, muss ein ergänzendes Foto angefertigt werden.

Im Spital Schwyz werden die Fotos im Patientendossier CGM / Synedra gespeichert.

Somit haben die Ärzte und die Pflege jederzeit Zugang zu den Fotos. Die Fotos können zusätzlich bei Bedarf ausgedruckt werden. Wichtig ist es, dass der Ablageort der Fotos dokumentiert wird. Die Fotos müssen mit Datum, Uhrzeit, Wunde und Körperstellen beim Ablageort beschriftet werden.

Falls die Eltern oder die Sorgeberechtigten nicht mit der Fotodokumentation einver-standen sind, sollte wenn möglich laut Dr. Anja Böni die fotografische Dokumentation auf der Abteilung stattfinden, damit es keine Eskalation auf dem Notfall gibt. Falls die Eltern keine Zustimmung erteilen, hilft eine genaue Beschreibung der Verletzungen des Kindes auch schon. Das heisst, wir müssen immer das Einverständnis der Eltern einholen.

3.3.3 Anamnese

Es ist wichtig, dass die gesamte Anamnese schriftlich und detailliert festgehalten wird, das heisst es wird dokumentiert wer, was, in Anwesenheit von wem gesagt hat. Insbe-sondere soll auch notiert und dokumentiert werden, wenn ein Kind spontane Aussagen macht.

Sinnvoll wäre, wenn die Anamneseerhebung alleine mit dem Kind gemacht wird. Dies ist wichtig, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich ohne anwesende Bezugsper-son zu äussern. Zudem äusserte Dr. Anja Böni während dem Interview, dass Kinder unter vier Jahren sehr fantasiefähig. Deshalb werden grundsätzlich alle Kinder unter vier Jahren nicht befragt, da die Äusserungen eher schwammig sind.

(Anja Böni, 2021).

Die Aussage des Kindes hat eine zentrale Bedeutung. Sie sollen wortgetreu in der Dokumentation aufgeschrieben werden. Es sollen keine Interpretationen von der Pflege oder dem Arzt gemacht werden.

(Lips Ulrich., Markus Wopmann, Andreas Jud, Roxanne Falta, 2020).

Karin Bürstl, Leiterin der Kinderschutzgruppe und Sozialarbeiterin im Kantonsspital Aarau sagte im Interview, dass auf suggestiven Fragen verzichtet werden soll. Denn so hat das Kind die Möglichkeit, die Wahrnehmung in eigenen Worten zu machen. Es ist wichtig, dass dem Kind zugehört wird.

3.3.4 Spurensicherung

Da die Spurensicherung hauptsächlich bei Sexualdelikten gemacht wird, werde ich dies nur kurz in meiner Arbeit erwähnen.

Bei der Spurensicherung gibt es drei wichtige Grundsätze:

 Spuren dürfen nicht zerstört werden

Es darf weder etwas verändert noch entsorgt werden. Das heisst, alles muss sichergestellt werden.

 Es dürfen keine eigenen oder neuen Spuren gelegt werden

Damit dies nicht geschieht, müssen alle Beteiligten Schutzbekleidung tragen.

 Die Spuren sollen von fremden Einflüssen geschützt werden

Zum Beispiel sollen die Spuren am Körper des Patienten mit sterilen Kompres-sen abgedeckt werden (Blut, Haare, Speichel, Sperma).

(Sandra Weber, 2020).

Bei der Beweissicherung ist zu beachten, dass die Kleider, etc. trocken in einer Pa-piertüte gelagert werden, asservierte Flüssigkeiten verschlossen und kühl aufbewahrt werden und dass das Pflege- und Ärztepersonal bei Abstrichen einen feuchten Tupfer verwendet.

(Bernd Hermann, Reinhard B. Dettmayer, Sibylle Banaschak, Ute Thyen, 2016).