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Gutes Handeln schwer gemacht

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Academic year: 2022

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Bayerisches Ärzteblatt 4/2007 179

„Gut zu handeln ist schwer, Gutes zu fordern ist leicht.“ Auch wenn dieses Zitat von Lü Bu We, einem chinesischen Kaufmann, Politiker und Philosophen, aus dem dritten Jahrhundert vor Christus stammt – es hat nichts von seinem Wahr- heitsgehalt verloren. Wobei – Gutes zu fordern ist manchmal auch gar nicht so leicht, sondern verlangt viel Geduld und Aus- dauer: Seit Frühjahr letzten Jah- res haben meine Vorstandskol- legen und ich mit unzähligen Politikern intensive Gespräche geführt. Ausführlich haben wir die Qualitätsprogramme der Kassen- ärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) vorgestellt, die seit Jahren erfolgreich laufen und mittlerweile sogar internationale Anerken- nung, wie in Kürze wieder auf der Digestive Disease Week in Washington, finden.

Getrieben hat uns bei unseren Gesprächen die böse Vorahnung, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) solche regio- nalen Lösungen zugunsten einer zentralistischen Staatsmedizin auslöschen will. Dieser Verdacht bestätigte sich in den Gesetzes- entwürfen zur Gesundheitsreform: Mit den neu gestalteten Re- gelungen zur Vergütung in den Paragraphen 85 a ff. des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) haben die Kassenärztlichen Ver- einigungen und die Krankenkassen praktisch keine Möglichkeit mehr, auf regionaler Ebene vergütungsbezogene Programme zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Stattdessen soll künftig der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zentrale Qualitätsvor- gaben für das gesamte Bundesgebiet festlegen. Wie lange sich Entscheidungen in diesem schwerfälligen und bürokratischen Gremium hinziehen, haben wir bereits in der Vergangenheit zur Genüge erlebt. Hätten wir nicht in eigener Initiative und gegen erhebliche Widerstände unsere Projekte zur Qualitätssicherung in der Koloskopie oder zum Mammographie-Screening gestartet und damit Handlungsdruck erzeugt, würde man auf Bundesebe- ne bei diesen Themen wohl immer noch in den „Gremienmühlen“

palavern.

Gerade deshalb wollen wir aber unser Ziel der Patientenorien- tierung in Bayern weiter eigenständig verfolgen und uns einen regionalen Gestaltungsspielraum zur Durchführung von Quali- tätsprogrammen sichern. Der Vorstand der KVB hat sich daher im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens für die Ein- führung einer zusätzlichen Regelung eingesetzt, nämlich des Paragraphen 136 Absatz 4 SGB V. Er sah vor, dass die Kassen- ärztlichen Vereinigungen zur Förderung der Qualität der vertrags- ärztlichen Versorgung mit einzelnen Krankenkassen gesamtver-

tragliche Vereinbarungen schließen können. In diesen Verträgen sollten besondere Leistungs-, Struktur- und Qualitätsmerkmale festgelegt werden. Ärzte, die die Anforderungen erfüllen, sollten Zuschläge zur Vergütung erhalten. Wie bei den Verträgen zur Mammographie oder Koloskopie sollte es aber auch geringere Vergütungen für diejenigen Ärzte geben, die nicht an dem Ver- trag teilnehmen – auf unser Gesundheitssystem wären also prak- tisch keine Mehrkosten zugekommen.

Eine weitere Besonderheit: die Verpflichtung zur strukturierten elektronischen Dokumentation der erbrachten Leistungen. Der Datenfundus, der so gesammelt werden könnte, hätte mehrere Vorteile: Ärzte könnten – wie bereits im Koloskopie-Portal um- gesetzt – ihre Befundungsergebnisse und Therapieentschei- dungen mit denen ihrer Kollegen anonymisiert vergleichen und so wertvolle Anregungen für ihre Arbeit erhalten. Wissenschaft- lich evaluiert, wurden solche Daten aber auch eine umfassende Versorgungsforschung erlauben, die nicht nur den bayerischen Patienten zugute kommt. Bereits die erste wissenschaftliche Aus- wertung der in der Koloskopie oder Mammographie erhobenen Daten bestätigen diese Aussage.

Im Bundesrat war man – einstimmig – von dem Konzept über- zeugt und hat Mitte Dezember die Aufnahme des Paragraphen 136 Abs. 4 in das SGB V gefordert. Reaktion des BMG: „Der Beschluss wird geprüft.“ – was noch Hoffnung für die Regelung gab, da praktisch fast alle Bundesratsänderungswünsche vom BMG abgelehnt wurden. Aber: Im nunmehr vorliegenden Gesetz- entwurf kommt der Paragraph nicht mehr vor. Hatte das BMG Angst, die Ärzte mit der Pflicht zur elektronischen Dokumenta- tion zu überfordern, obwohl unsere Anwender erkannt haben, dass – so dokumentiert – viel Zeit gewonnen werden kann? Hat das BMG den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zugetraut, die entsprechende Software zur Verfügung stellen zu können?

War die Befürchtung, dass die Zusatzvergütungen nicht kosten- neutral umgesetzt werden können? Die KVB hat mit ihren Qua- litätsprogrammen schon lange bewiesen, dass diese Bedenken unbegründet sind. Tatsächlich ging es um etwas ganz anderes:

Franz Knieps, Abteilungsleiter im BMG, hat vor kurzem auf einem Kongress in Potsdam zugegeben, der Gesetzgeber wolle mit der Reform politische Macht zurückgewinnen. Und das kann er na- türlich besser in einem zentralistischen System, in dem regionale Ansätze im Keim erstickt werden – und daran sind offensichtlich auch einige der Selbstverwaltungsgremien auf Bundesebene in- teressiert!

Wir nehmen diese qualitäts- und fortschrittsfeindliche Ablehnung

„sportlich“ und sehen sie als Herausforderung, nach neuen Mög- lichkeiten für regionale Qualitätsoffensiven zu suchen. Um zum Anfang zurückzukehren: Schade nur, dass gutes Handeln in un- serer erstarrten Republik und besonders im Gesundheitssystem so schwer geworden ist.

Dr. Axel Munte

Vorsitzender des Vorstands der KVB

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