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Archiv "Ausgestaltung von Chefarzt-Verträgen: Ärztliches Handeln unter ökonomischem Druck" (17.03.2006)

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D

ie von der Deutschen Kranken- hausgesellschaft (DKG) herausge- gebenen Beratungs- und Formulie- rungshilfen zur Ausgestaltung von Chef- arzt-Verträgen stoßen auf zunehmenden Widerstand und in wesentlichen Rege- lungsinhalten auf vehemente Ablehnung der Ärzteschaft – dies zunehmend seit der im Jahr 2002 herausgegebenen 6. geänderten Auflage. Sowohl in berufs- politischer als auch in berufsrechtlicher Hinsicht geben folgende Vertragsrege- lungen Anlass zu erheblicher Kritik:

>Abschaffung des Liquidations- rechtes für wahlärztliche Behandlung oder dessen Einräumung nur noch als untergeordnete Alternative zur im Vordergrund stehenden Beteiligung der Chefärztinnen und Chefärzte an den Liquidationserlösen des Kranken- hausträgers (Beteiligungsvergütung),

>Installierung eines die ärztliche Ent- scheidungsfreiheit und -unabhängigkeit gefährdenden Bonussystems mit varia- blen Gehaltsboni in Abhängigkeit von der Einhaltung eines Abteilungsbudgets,

>Überbetonung der wirtschaftlichen Verantwortung des Chefarztes für seine Abteilung ohne ausreichenden Einbezug in die ihn betreffenden Entscheidungs- prozesse durch den Krankenhausträger,

>Abkehr von medizinischen Prio- ritäten hin zu vorrangig ökonomischen Vorgaben bei zu starker Gewichtung der Weisungsgebundenheit,

>vollständige Integration bisher klassi- scher Nebentätigkeitsbereiche (zum Bei- spiel Entfall des ambulanten Privatliqui- dationsrechtes,persönliche Ermächtigung gemäß § 116 SGB V, D-Arzt-Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherungsträ- ger) in den Dienstaufgabenkatalog.

Das DKG-Vertragsmuster wird in nicht akzeptabler Weise geprägt durch eine ökonomische Dominanz, welche

die medizinischen Notwendigkeiten ärztlichen Handelns in den Hinter- grund treten lässt. Diese ökonomische Priorisierung und der damit einherge- hende Paradigmenwechsel für die Tätig- keit des Chefarztes im Krankenhaus fin- den ihren Niederschlag in zahlreichen Einzelbestimmungen. Die unbestritten notwendige Anerkennung auch ökono- mischer Erfordernisse darf nicht dazu führen, dass die ärztliche Arbeit zu einer vorrangig wirtschaftlich geprägten Tätigkeit wird.

Autoritäre Vorgaben mindern die Motivation

Mit der dadurch bewirkten Überregu- lierung der Pflichten leitender Kranken- hausärzte und der Aushöhlung jeglichen freiberuflichen Elementes chefärztli- cher Tätigkeit verlassen die Kranken- hausträger seit Jahrzehnten bewährte sowie für die Entwicklung der Medizin und eine qualitativ hoch stehende sta- tionäre ärztliche Versorgung unabding- bare Grundlagen. Insbesondere mit der Eliminierung des Liquidationsrechtes als Vergütungsinstrument des Chefarz- tes im stationären Bereich wird ein prä- gendes Element der Gestaltung von Chefarzt-Verträgen aufgegeben.

Das von den leitenden Kranken- hausärzten immer wieder eingeforderte unternehmerische Handeln wird durch Gängelei infolge Überregulierung und damit bewirkter Demotivation der Chef- ärzte nicht gerade gefördert. Insbesonde- re im Hinblick auf die Einführung des DRG-Fallpauschalensystems und das dafür verstärkt erforderliche hohe Enga- gement der Chefärzte sind perfektionisti- sche Reglementierungen der ärztlichen Tätigkeit und autoritäre Vorgaben von

Zielvereinbarungen durch ärztlich nicht beeinflussbare Bemessungskriterien nicht geeignet, Leistungsbereitschaft und Leistungsmotivation zu fördern. Folgen- de wichtige Regelungen des DKG-Ver- tragsmusters bedürfen daher bei der kon- kreten Ausgestaltung eines Vertragsab- schlusses einer Modifizierung:

1. Ärztliche Unabhängigkeit als ober- stes Primat und Garant für eine qualita- tiv hoch stehende Patientenversorgung muss erhalten bleiben

Die im DKG-Vertragsmuster erfolgte Umkehr des Gefüges zwischen ärztli- cher Unabhängigkeit und Weisungsge- bundenheit gegenüber dem Kranken- hausträger ist ein Indikator für die Neuausrichtung der Einordnung des Chefarztes in den Organisationsrah- men des Krankenhauses. Die Ärzte- schaft fordert, die ärztliche Unabhän- gigkeit wieder in den Vordergrund zu rücken. Den zur verantwortlichen Be- teiligung des Arztes bei der Aufstellung des Budgets formulierten Pflichten zu dessen Einhaltung stehen zu geringe Mitwirkungsrechte des Arztes bei der Budgeterstellung gegegenüber. Diese müssen in Anbetracht der dem Chef- arzt abverlangten Budgetverantwor- tung stärker in dem Sinne ausgestaltet werden, dass die Budgetaufstellung ge- meinsam zwischen Arzt und Kranken- hausverwaltung erfolgt.

2. Beibehaltung des Liquidationsrechtes für wahlärztliche Leistungen im Rah- men eines Arzt-Zusatzvertrages zwi- schen Arzt und Patient ist erforderlich Die in dem Vertragsmuster enthaltene Regelung, wonach der Arzt nach Maß- gabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) im Rahmen seiner Dienstaufga- ben die vom Krankenhausträger verein- barten und von ihm gesondert bere- chenbaren wahlärztlichen Leistungen nur noch erbringt, stößt auf entschiede- nen Widerstand der Ärzteschaft. Statt- dessen muss auf der Grundlage eines Wahlarzt-Vertrages zwischen Kranken- hausträger und Patient weiterhin der ge- sonderte Arzt-Zusatzvertrag zwischen Arzt und Patient Ausdruck des individu- ellen Behandlungsverhältnisses zwi- schen dem Patienten und dem zur per- sönlichen Leistungserbringung ver- pflichteten Arzt bleiben.

P O L I T I K

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A666 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 11⏐⏐17. März 2006

Ausgestaltung von Chefarzt-Verträgen

Ärztliches Handeln unter ökonomischem Druck

Konträre Positionen zwischen Krankenhausträgern

und Ärzteschaft

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Hinsichtlich der Vergütung der leiten- den Ärzte sieht das DKG-Vertragsmu- ster die Möglichkeit, dem Chefarzt das Liquidationsrecht bei stationärer Wahl- leistung einzuräumen, nicht mehr vor.

Noch in früheren Auflagen war diese Vergütungsform zumindest als mögliche Alternative neben der so genannten Be- teiligungsvergütung (Beteiligung des Chefarztes an den Liquidationserlösen des Krankenhausträgers) angeführt.

Nunmehr ist die Dienstvergütung des Chefarztes regelhaft in einen festen und einen variablen Bestandteil aufgespalten worden, wobei auch das Modell einer klassischen Beteiligungsvergütung nur noch als untergeordnete Alternative auf- taucht. Die von den Krankenhausträgern als „überholt“ bezeichnete mögliche Einräumung des Liquidationsrechtes wird gar nur nachrichtlich im Rahmen ei- ner Fußnote erwähnt.

Mit dieser Eliminierung des Liquidati- onsrechtes als Vergütungsinstrument des Chefarztes im stationären Bereich ver- lässt die DKG ein bisher prägendes Ele- ment der Gestaltung von Chefarzt-Ver- trägen – obwohl nach der Rechtspre- chung des Bundesverfassungsgerichtes wegen der über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen in den Krankenhäusern das Liquidationsrecht der Chefärzte zum tra- genden „Grundsatz des Rechts der lei- tenden Krankenhausärzte“ gehörte.

Auch das über Jahrzehnte gewachsene System der privaten Krankenversiche- rung beruht im Bereich der stationären Versorgung wesentlich auf der persönli- chen Leistungserbringung gegenüber dem Wahlleistungspatienten und dem daraus abgeleiteten Liquidationsrecht des Chefarztes. Entsprechend der hohen Verantwortung des Chefarztes und sei- ner die Position des Krankenhauses im Wettbewerb maßgeblich prägenden Funktion als Leistungsträger ist das Li- quidationsrecht als herausgehobenes Vergütungsinstrument weiterhin erfor- derlich, um die persönliche Leistungsbe- reitschaft des Chefarztes zu fördern.

Höchst bedenklich und abzulehnen ist aus Sicht der Ärzteschaft insbesondere die Bindung der dem Chefarzt einge- räumten möglichen Boni an die Einhal- tung von vorrangig ökonomisch ausge- richteten Zielgrößen. Hierdurch wird ei- ne nicht hinnehmbare Anbindung und Ausrichtung der Chefarzt-Vergütung an

ökonomisch ausgerichtete Zielkriterien bewirkt.Dies birgt das Risiko in sich,dass der Chefarzt durch finanzielle Anreize veranlasst werden kann, bei der Lei- stungsplanung seiner Abteilung Ge- sichtspunkte zu erwägen,welche zulasten der Patientenversorgung gehen können.

Eine derartige Koppelung ärztlich-medi- zinischer Gesichtspunkte und ökonomi- scher Erwägungen widerspricht dem ärztlichen Berufsethos und muss daher strikt abgelehnt werden. Ebenso nicht hinnehmbar ist das im DKG-Vertrags- muster verankerte alleinige Entschei- dungsrecht des Krankenhausträgers für den Fall, dass eine Einigung zwischen Krankenhausleitung und Arzt über die abzuschließende Zielvereinbarung nicht innerhalb einer gesetzten Frist zustande kommt. Statt eines einseitigen und allei- nigen Entscheidungsrechtes des Kran- kenhausträgers muss eine erforderliche Konfliktauflösung für den Fall einer Nichteinigung durch eine Schiedsstelle erfolgen. Zudem müssen die in der Ziel- vereinbarung angeführten Zielgrößen auf zeitlich befristete und quantifizierba- re Kriterien ausgerichtet werden.

Mit der Eliminierung des Liquidati- onsrechtes entfällt zudem die Basis der nach dem ärztlichen Berufsrecht beste- henden Verpflichtung des Chefarztes, die an der Erbringung seiner Leistung beteiligten Ärzte an den Liquidations- einnahmen zu beteiligen. Das bislang be- währte Instrument der Mitarbeiterbetei- ligung, mit welchem für qualifizierte ärztliche Mitarbeiter – insbesondere für Oberärzte – ein für den Verbleib im Krankenhaus wesentlicher Anreiz ge- setzt werden kann, ist im Chefarzt-Ver- tragsmuster nicht mehr angeführt.Ange- sichts der in jüngster Zeit zunehmenden Schwierigkeiten, qualifizierte Assistenz- und Oberärzte langfristig an ein Kran- kenhaus zu binden, muss eine an das Li- quidationsrecht gekoppelte Mitarbeiter- beteiligung gewährleistet bleiben.

3. Beibehaltung von Nebentätigkeiten in bisherigem Umfang notwendig

Die im DKG-Vertragsmuster erfolg- te Integrierung sämtlicher bisher im Rahmen einer Nebentätigkeitserlaubnis dem Chefarzt eingeräumten Nebentätig- keiten in seinen Dienstaufgabenkatalog wird von der Ärzteschaft strikt abge- lehnt. Durch die Überführung bisheriger

„klassischer“ Nebentätigkeiten in den Dienstaufgabenbereich wird die bislang freiberuflich geprägte Tätigkeit des Chefarztes in ihren wesentlichen Ausprä- gungen beseitigt. Der Nebentätigkeitsbe- reich des leitenden Krankenhausarztes muss im bisherigen Zuschnitt beibehal- ten werden. Die Einbeziehung der ambu- lanten Behandlung und Beratung von Patienten der Gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) und sonstiger Kosten- träger aufgrund einer persönlichen Er- mächtigung in den Dienstaufgabenkata- log stößt zudem auf rechtliche Beden- ken. Verkannt wird hier, dass der Zulas- sungsausschuss im Rahmen seiner Be- dürfnisprüfung gemäß § 116 SGB V eine Ermächtigung zur Teilnahme eines Chef- arztes an der vertragsärztlichen Versor- gung nur dann erteilen kann, wenn der Arzt selbstständig und freiberuflich tätig wird. Übt jedoch der Chefarzt diese Tätigkeit im Rahmen seiner Dienstauf- gaben für den Krankenhausträger aus, widerspricht dies den Grundsätzen der persönlichen Ermächtigung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesso- zialgerichtes würde das System der vertragsärztlichen Versorgung, wonach das Krankenhaus als Institution nur nachrangig gegenüber einer persönli- chen Ermächtigung an der vertragsärztli- chen Versorgung teilnehmen kann, an- sonsten unterlaufen. Die Einbeziehung der ambulanten Behandlung von GKV- Patienten in den Dienstaufgabenbereich des Chefarztes steht dessen persönlicher Ermächtigung zur Teilnahme an der ver- tragsärztlichen Versorgung entgegen.

Ferner ist die Erbringung ambulanter Behandlung von Selbstzahlern durch den Chefarzt im Rahmen seiner Dienst- aufgabe nicht mit § 1 GOÄ vereinbar.

Hiernach ist die Behandlung von Privat- patienten/Selbstzahlern in der Privatam- bulanz des Chefarztes eine privatärztli- che Leistung, die anders als wahlärztli- che Leistungen keinen Bezug zur Bun- despflegesatzverordnung hat und daher als rein berufliche Leistung des Arztes nicht dem Krankenhausträger zugeord- net werden kann. Das Krankenhaus hat kein originäres Liquidationsrecht für ambulante privatärztliche Leistungen.

Dr. rer. oec. Hans-Jürgen Maas Bundesärztekammer

Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin P O L I T I K

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A668 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 11⏐⏐17. März 2006

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