• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arbeitszeitgesetz: Letzte Chance zum Dialog" (25.01.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arbeitszeitgesetz: Letzte Chance zum Dialog" (25.01.2002)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

M

edizinische Dokumentation: ja, Fallpauschalen codieren und Ab- rechnungsbelege ausfüllen: nein.“

Der Marburger Bund droht mit einem

„Computerstreik“ der Krankenhaus- ärzte, wenn Politik und Arbeitgeber wei- terhin die Forderungen der Ärztege- werkschaft ignorieren, den ärztlichen Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit anzu- erkennen und Mittel für mehr Personal bereitzustellen. „Wir sind mit unserer Geduld am Ende“, sagte der Vorsitzen- de des Marburger Bundes, Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery, am 17. Janu- ar in Berlin. Sichtbares Zeichen des Un- muts: Der Button am Revers des Arzt- kittels mit der Aufschrift „Runter von der 80 Std. Woche – den Patienten zu- liebe“. Glaubt man dem Verband, findet der Anstecker bereits reißenden Absatz bei dessen Mitgliedern.

Der Streit um die Arbeitszeiten schwelt seit über einem Jahr. Im Ok- tober 2000 hatte der Europäische Ge- richtshof (EuGH) auf die Klage einer spanischen Ärztegewerkschaft hin ent- schieden, dass der ärztliche Bereit- schaftsdienst als Arbeitszeit zu werten sei. Auch einige deutsche Arbeitsgerich- te haben sich seither diesem Urteil ange- schlossen. Genützt hat es den Ärzten nichts. Die Politik sieht offenbar keinen Bedarf, den entsprechenden Passus im deutschen Arbeitszeitgesetz zu ändern.

Die Tarifverhandlungen sind festgefah- ren. Eine Lösung im Sinne der Ärzte ist teuer. Nach Angaben des Marburger Bundes müssten 15 000 Ärzte zusätzlich eingestellt werden, was Mehrkosten von rund einer Milliarde Anach sich ziehen würde. Angesichts leerer Kassen eine stolze Summe. „Eine Milliarde A– das entspricht einer Beitragssatzsteigerung von 0,1 Prozentpunkt für die gesetzli- chen Krankenkassen. Deswegen bricht das Sozialversicherungssystem nicht zu-

sammen“, konterte Montgomery. Heftig kritisierte er Bundesgesundheitsministe- rin Ulla Schmidt, die allein eine Mil- liarde Afür Hard- und Software eines weitgehend nutzlosen elektronischen Patientenausweises aus dem Fenster schmeiße. Für das gleiche Geld könne sie die beste Hardware in deutschen Krankenhäusern bekommen, die es ge- be: ausgeruhte, fitte Ärzte.

Der Marburger Bund pocht auf die Erfüllung von drei Forderungen, wenn ein „Aufstand im Krankenhaus“ verhin- dert werden soll: Das Arbeitszeitgesetz muss EU-konform geändert werden, so- dass der Bereitschaftsdienst nicht mehr

als Ruhe-, sondern als Arbeitszeit gilt.

Um vernünftige Arbeitszeiten finanzier- bar zu machen, muss im Fallpauschalen- gesetz – über das der Bundesrat am 1. Fe- bruar berät – die Berechnung der Bud- gets und später der Fallpauschalen um eine Milliarde A aufgestockt werden.

Schließlich müssen die Tarifparteien ihre Verträge an das neue Recht anpassen.

Mit Computerstreik hatte der Mar- burger Bund bereits bei seiner Haupt- versammlung im November gedroht.

Zwar hatte die Politik Zugeständnisse gemacht und im Fallpauschalengesetz das Budget um 100 Millionen Afür 2003 und – unter der Bedingung, dass die Krankenhäuser das Geld an anderer Stelle einsparen – um weitere 100 Mil- liarden Afür 2004 aufgestockt. Aber:

„Das reicht hinten und vorne nicht“, so

Montgomery. „Unsere heutige Aktion ist die letzte Warnung an die Politik.

Wenn sich bis März nichts getan hat, werden wir das Codiersystem für die Fallpauschalenberechnung und für die Abrechnung der Krankenhäuser ge- genüber den Kassen lahm legen.“ Die ohnehin überlasteten Ärzte würden sich dann auf ihr „Kerngeschäft“ kon- zentrieren: die Versorgung der Patien- ten. Der Startschuss zur Mobilisierung der Krankenhausärzte ist gefallen.

In ungewöhnlich scharfer Form hat Bundesgesundheitsministerin Schmidt auf die Streikandrohung reagiert.

„Herr Montgomery ist der Möllemann unter den Ärzten – Aktionismus statt Taten“, schreibt Schmidt über ihren Parteifreund in einer Mitteilung an die Presse. Das deutsche Arbeitszeitgesetz erlaube keine übermüdeten Ärzte, und verantwortlich für vernünftige Arbeits- bedingungen seien die Krankenhäuser.

Schließlich gebe es Kliniken, die durch eine vernünftige Arbeitsorganisation und Personalmanagement mit den vor- handenen finanziellen Mitteln auskä- men. Zudem würden mit dem Fallpau- schalengesetz die Voraussetzungen zur Einhaltung der Ruhezeiten, zur Über- führung von Bereitschaftsdiensten in Schichtdienste und zum Abbau von Überstunden entscheidend verbessert.

Dagegen hat die Deutsche Kranken- hausgesellschaft (DKG) die Bundesre- gierung aufgefordert, die Kranken- häuser bei der Diskussion über das EuGH-Urteil nicht länger im Regen ste- hen zu lassen. Der angekündigte „Not- groschen“ von 100 Millionen Asei ein schwacher Versuch, die Diskussion zu beenden. Gleichzeitig kritisierte die DKG die Streikdrohung des Marburger Bundes. Nur eine übergreifende Lösung aller Beteiligten könne zu konstrukti- ven Ergebnissen führen. Heike Korzilius P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 4½½½½25. Januar 2002 AA157

Arbeitszeitgesetz

Letzte Chance zum Dialog

Der Marburger Bund ruft zum Computerstreik auf, wenn sich im Streit um die Arbeitszeiten der Krankenhaus-

ärztinnen und -ärzte bis März keine Lösung abzeichnet.

Mit diesem An- stecker sollen die Krankenhausärzte das Problem der Überlastung öf- fentlich sichtbar machen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Arbeitskreis will be- sonders auch über den po- litischen Mißbrauch von Medizin und Psychologie aufklären sowie Kollegin- nen und Kollegen unter- stützen, die unter politi-

Si- cher ist aber auch, dass bei der DÄ-Lektüre nicht wenige über nicht vertraute Einheiten verwundert oder gar erbost sind, und dann beginnt das Su- chen nach (gerade verlegten

Auch wenn diese Auslegung dem Sinn dieser Regelung entspricht, die tägliche Arbeitszeit auf höchstens zehn Stunden festzuschreiben, darf nicht außer acht gelassen werden, daß für

Für die Einzelförderung der Krankenhäuser, die im Jahr 1998 rund 4,5 Milliarden DM betrug, müßten die Krankenkassen ab dem Jahr 2008 ei- nen Betrag von 2,8 Milliarden DM zu-..

Aller- dings müsse man aufpassen, daß durch eine institutionelle Öffnung der Krankenhäuser nicht erneut Zusatz- kapazitäten geschaffen werden, so Jordan.. Das Krankenhaus müsse,

Auch ist nicht zu erwarten, daß die Kompetenzen und Planungsbefug- nisse der Länder und deren Aufsicht über die Krankenhausbedarfspla- nung auf ein Minimum reduziert wer- den und

Nach Berechnungen der Kranken- hausgesellschaft bedeutet dies, gemessen an den prognostizier- ten Aufwendungen für die sta- tionäre Behandlungspflege in Höhe von 42,5 Milliarden

Ziel der KTQ-In- itiatoren – das sind die Bundesärztekam- mer (BÄK), die Deutsche Kranken- hausgesellschaft (DKG), der Deutsche Pflegerat und die Spitzenverbände