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Archiv "Gesundheitswesen der USA: Reformen bleiben Flickwerk" (19.03.1999)

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ausreichend beantwortet werden. Ge- rade hier könnten Mentorenprogram- me eine individuelle Beratung bieten oder zumindest ermöglichen.

Ein Blick in die USA oder Groß- britannien zeigt, daß „faculty mentor- ing programs“ schon seit Jahrzehnten ein unverzichtbarer Teil des Ausbil- dungskonzeptes in der Medizin (4) sind. Diese Programme werden von dafür ausgebildeten Dozenten betreut, haben eine finanzielle Ausstattung und erstrecken sich in vielen Fällen auch über die Studienbelange hinaus in den sozio-kulturellen Bereich hinein.

In Deutschland ist das Gelingen vor Ort in den Fakultäten sehr stark vom persönlichen Engagement der Dozenten und der teilnehmenden Stu- dierenden abhängig. Aber gerade die- ses Engagement ist sehr unterschied- lich ausgeprägt und wird daher oft den limitierenden Faktor darstellen. Ne- ben einer praxisorientierten Ausbil- dung sollte es in Zukunft ein Ziel sein, diese Projekte dauerhaft für alle Stu- dierenden anzubieten und in der Me- dizinerausbildung in Deutschland fest zu verankern.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-678–680 [Heft 11]

Literatur

1. Coles C: Support for medical students in the United Kingdom. Med Educ 1993; 27:

186–187.

2. Gulich M, Zeitler H-P: Die zahlenmäßige Re- lation von Studierenden zu Dozenten an me- dizinischen Fakultäten in Baden-Württem- berg. Ärztebl BaWü 1998; 53: 13–15 [Heft 1].

3. Honold M, Stehle I, Woessner R: Studientu- torium – Ein Erfahrungsbericht über das Pi- lotprojekt an der Medizinischen Fakultät.

In: Steudel WI: 50 Jahre Lehre – Medizini- sche Fakultät und Klinikum der Universität des Saarlandes. St. Ingbert: Röhrig Univer- sitätsverlag, 1997; 51–53.

4. Mann MP: Faculty mentors for medical students: a critical review. Medical Teacher 1992; 14: 311–319.

5. Pabst R: Was wurde aus den Reformideen?

Dt Ärztebl 1990; 87: 2691–2696 [Heft 37].

6. Woessner R, Honold M, Stehle I, Stehr S, Steudel WI: Faculty mentoring program – ways of reducing anonymity. Med Educ 1998; in press.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Wolf-Ingo Steudel Vorsitzender der

Studienreformkommission

Universitätskliniken des Saarlandes Neurochirurgische Universitätsklinik 66421 Homburg/Saar

A-680 (32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 11, 19. März 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/BLICK INS AUSLAND

ierzehn Prozent der Bevölke- rung in den Vereinigten Staa- ten sind nicht krankenversi- chert; eine größere, allerdings weni- ger leicht kalkulierbare Gruppe ist unterversichert. Das US-amerikani- sche Gesundheitswesen ist mit 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts das teuerste der Welt. Dabei führen die USA unter den Industriestaaten nur in einem gesundheitsbezogenen Indikator, der Lebenserwartung der älteren Bevölkerung. Die Reform- bemühungen der letzten Jahre haben sich auf drei Themen konzentriert:

Kostenbegrenzung, den allgemeinen Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie die Qualität (und damit die Ko- sten) des Gesundheitswesens. Seit dem Scheitern der Reformvorschläge von Präsident Bill Clinton verändern vor allem die Kräfte des freien Mark- tes die Gesundheitsversorgung. Man- aged Care hat sich im öffentlichen wie im privaten Versicherungswesen zur wichtigsten Strategie der Kosten- begrenzung entwickelt.

Im Unterschied zu anderen In- dustrienationen betrachten die US- Amerikaner Gesundheitsversorgung als Ware und nicht als soziale Errun- genschaft. Obwohl es immer wieder großes Interesse an einer Reform des Gesundheitswesens gab, fehlt ein na- tionaler Konsens über die Notwendig- keit einer allgemeinen Krankenversi- cherung. Reformen beschränken sich deshalb auf kleine Schritte, und die Finanzierung des Gesundheitswesens bleibt ein undichtes Flickwerk von öf- fentlichen und privaten Programmen.

Medicare etwa, das über Lohnsteuern finanziert wird und ein Teil des Sozial- versicherungssystems ist, versorgt Menschen über 65 Jahre und Behin-

derte. Medicaid ist ein Programm, auf das bedürftige Familien mit Kindern Anspruch haben. Privaten Versiche- rungsschutz bieten häufig die Arbeit- geber als Sozialleistung; etwa 50 Pro- zent der amerikanischen Gesund- heitsausgaben werden daraus bezahlt.

Nichtkrankenversicherte können ein unterschiedlich dichtes Netzwerk von lokalen Gesundheitszentren, -ämtern oder Schwangerschaftsberatungsstel- len in Anspruch nehmen, die eine ko- stengünstigere ambulante Versorgung anbieten.

Sowohl fehlender Versicherungs- schutz als auch Unterversicherung können im Krankheitsfall zu ernsten finanziellen Schwierigkeiten führen.

Bei Menschen ohne Krankenversi- cherungsschutz verdoppelt sich die Mortalitätsrate. Selbst bei Krankhei- ten wie Diabetes oder Bluthochdruck, deren Behandlung auf die Prävention von Komplikationen abzielt, tendie- ren Menschen ohne Versicherungs- schutz dazu, diese aus Kostengründen aufzuschieben.

Zunächst Wahlkampfthema

Im Präsidentschaftswahlkampf 1992 war das Gesundheitswesen eines der wichtigsten Themen. Ein Grund für das öffentliche Interesse mag die Tatsache gewesen sein, daß der Mit- telstand von den höheren Kosten für die Gesundheitsversorgung empfind- lich getroffen wurde. 1993, als Präsi- dent Bill Clintons Gesundheitsre- form-Kommission zusammengestellt wurde, sprachen sich 71 Prozent der Bevölkerung für Clintons Reformvor- schlag aus. Ein Jahr später waren es nur noch 33 Prozent.

Gesundheitswesen der USA

Reformen bleiben Flickwerk

In den USA fehlt ein nationaler Konsens über die Not- wendigkeit einer allgemeinen Krankenversicherung.

Reformen beschränken sich deshalb auf kleine Schritte.

V

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Die wichtigsten Gründe für die- sen drastischen Rückgang und das darauffolgende Scheitern einer natio- nalen Gesundheitsreform sind das Fehlen eines nationalen Konsenses über eine allgemeine Krankenversi- cherung und die Auffassung von Ge- sundheit als Ware. Hier spiegeln sich die amerikanische Kultur des Indi- vidualismus und andere Wertvorstel- lungen. Die Amerikaner stehen je- dem Programm, das von der Regie- rung getragen wird, skeptisch gegen- über. Die öffentliche Diskussion über den Reformvorschlag der Clinton- Kommission war häufig geprägt von einem anti-sozialistischen Diskurs aus der Ära des kalten Krieges.

Nachteile befürchtet

Daß die Mittelschicht das Re- formprojekt nicht unterstützte, mag auch mit der Furcht vor einem Ein- griff in das Vertrauensverhältnis zwi- schen Arzt und Patient zusammen- hängen. Diese Ängste wurden ver- stärkt durch wiederholt und deutlich geäußerte Befürchtungen, daß die Qualität der medizinischen Versor- gung durch einen allgemeinen Versi- cherungsschutz beeinträchtigt werden könnte. Obwohl Clintons Reformplan als kostensenkend angepriesen wur- de, blieben die meisten Amerikaner skeptisch und befürchteten eine Steuererhöhung.

Die spektakuläre Niederlage der Reform verhinderte jedoch nicht die Weiterentwicklung des Gesundheits- wesens, vor allem die Entwicklung von Managed Care. Die American Medi- cal Association definiert dieses Kon- zept als zugangsbeschränktes Gesund- heitssystem, das von privaten und öf- fentlichen Trägern kontrolliert wird, die Überweisungen genehmigen und die Leistungserbringer durch finanzi- elle Anreize oder Sanktionen beein- flussen. Da der Stift des Arztes als teu- erstes medizinisches Instrument gilt, versucht Managed Care die Inan- spruchnahme medizinischer Leistun- gen zu reduzieren, indem sie das Ver- halten der Ärzte steuert. Darunter fällt etwa die Deckelung medizini- scher Leistungen. Statt Einzellei- stungsvergütung erhalten die Ärzte ei- ne jährliche Summe pro Patient, wo-

durch der Anreiz für unnötige Be- handlungen wegfällt. Patienten wird entweder ein Primärarzt zugeteilt, oder sie wählen einen solchen aus ei- ner Liste. Dieser Arzt koordiniert al- le übrigen Gesundheitsleistungen. Er wird damit zum „Pförtner“ am Ein- gang zu den teuren

spezialisierten me- dizinischen Lei- stungen. Über- weisungen, Untersuchun- gen, die Kon- sultation von Fachärzten und Krankenhausein- weisungen müssen von der Versi- cherung genehmigt werden. Medika- mente werden an- hand einer Positiv- liste verschrieben.

Nicht gelistete Me- dikamente können nur nach Genehmi- gung verordnet wer- den. Ärzte, die den Zielen des Versi- cherers zuwider- handeln, kön- nen von der Tätigkeit für die Versiche- rung aus- geschlos- sen wer- den. In der Ver-

gangenheit hatten sich Versiche- rungen sogenannter Knebelklauseln bedient, nach denen es Ärzten verbo- ten war, ihre Patienten über medizini- sche Alternativen aufzuklären; dies ist inzwischen gesetzlich verboten wor- den. Die erfolgreichsten Strategien, um das Verhalten von Ärzten zu be- einflussen, sind jedoch finanzielle An- reize und Bonussysteme.

Nichts Neues

Managed Care ist im amerikani- schen Gesundheitswesen nichts Neu- es. Bereits früh gegründete, gemein- nützige Health Maintenance Organ- izations (HMO) wie Kaiser-Perma-

nente oder die Group Health Cooper- ative, die auch ihre eigenen Ärzte be- schäftigen, haben die Deckelung von ärztlichen Leistungen und Zugangsbe- schränkungen eingeführt. In den ver- gangenen zehn Jahren haben gewinn- orientierte Gesellschaften diese Me- thoden allerdings aggressiv ausgewei- tet. 80 Prozent des Marktes, darunter auch Versicherungsschutz der ameri- kanischen Regierung, werden mittler- weile durch Managed Care abgedeckt.

1987 waren es erst 27 Prozent.

Managed Care hat auch posi- tive Folgen gehabt. Die Versi- cherungen machen Ärzte nicht nur für die Kosten verant- wortlich, sondern auch für präventive Maßnahmen wie Impfungen oder Krebsfrüherkennungs- untersuchungen. Die meisten Managed-Care- Versicherer verlangen eine ergebnisorientierte Medizin, die kostenintensive und mögli- cherweise gesundheitsgefähr- dende medizinische Verfahren

einschränken können.

Trotz dieser positiven Aspekte belastet das Mo- dell enorm das Vertrau- ensverhältnis zwischen Arzt und Patient, das garantieren soll, daß der Arzt die Interes- sen des Patienten vor seine eigenen stellt. Mit der Ein- führung von Bonus- systemen und Ma- nagementmethoden ist der Versiche- rer Teil dieser Beziehung geworden.

Managed Care fordert den Patienten auf, sich als bewußter „Konsument“

von Gesundheitsleistungen zu verhal- ten. Dabei mutiert das Arzt-Patient- Verhältnis zum Geschäftskontrakt.

Diese Entwicklung belastet Patienten und Ärzte gleichermaßen. Ethische Richtlinien für das Verhalten in Kon- fliktfällen gibt es nicht. Das bewußte Inkaufnehmen von Risiken, das mit vielen der Managed-Care-Verträge einhergeht, ist eine neue Erfahrung für die Ärzte, und die Patienten ver- lieren das Recht der freien Arztwahl.

Sowohl der Kongreß als auch die Parlamente der Bundesstaaten haben diese Probleme erkannt und zahlrei- A-681 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 11, 19. März 1999 (33)

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Zeichnung: Tinus Otto

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che „Reformen“ verabschiedet. Da- nach dürfen Versicherungen keine selektiven Verträge mit einzelnen Gesundheitseinrichtungen und Ärz- ten abschließen. Einige Staaten ver- langen, daß Versicherungen den Zu- gang zu bestimmten Facharztgruppen wie Gynäkologen oder zur Alterna- tivmedizin wie Akupunktur oder Na- turheilkunde garantieren. Als Ant- wort auf die „Drive-through-Medi- cine“ verpflichten einige Staaten Ver- sicherungen, eine gewisse Zahl von Krankenhaustagen zu garantieren, et- wa bei Geburten oder Mastektomien.

Da viele Amerikaner den Arbeit- geber nicht wechseln können, ohne ihren Versicherungsschutz zu verlie- ren, versuchen die Gesetzgeber, den

„Transport“ von Versicherungslei- stungen zu verbessern. Der Erfolg ist jedoch ungewiß. Zudem wurde in den vergangenen Jahren versucht, für be- dürftige Kinder den Zugang zur Ge- sundheitsversorgung zu verbessern;

damit wird der Kreis der Versicher- ten erweitert. Versuche, das System grundlegend zu reformieren, scheitern jedoch immer wieder. Der Senat hat kürzlich eine „Patient Bill of Rights“

als zu teuer verworfen. Das Gesetz sah vor, den Patienten ein Recht auf Infor- mation über Behandlungsmethoden, auf Privatsphäre und Würde, auf Not- fallversorgung, auf einen Ombuds- mann sowie das Recht, eine Behand- lung zu verweigern, zu garantieren.

Das Fehlen eines allgemeinen Versicherungsschutzes wird für das Gesundheitswesen der Vereinigten Staaten weiterhin eine Herausforde- rung darstellen. Nach Jahren mit nur minimalen Kostensteigerungen als Er- gebnis von Managed Care werden für das amerikanische Gesundheitswesen nun wieder große Kostensteigerungen vorausgesagt, möglicherweise auf bis zu 16,6 Prozent des Bruttoinlands- produkts. Darüber hinaus bröckelt das finanzielle Rückgrat des Gesundheits- wesens, der von privaten Arbeitgebern bezahlte Versicherungsschutz: Viele

Arbeitnehmer versichern sich aus Ko- stengründen nicht bei der vom Arbeit- geber angebotenen Versicherung. Die Lösungen, die angesichts des unpo- pulären Managed-Care-Systems ge- funden werden, werden das Gesicht der amerikanischen Medizin im kom- menden Jahrhundert prägen.

Literatur

1. Blendon RJ, Brodie M, Benson J: What hap- pened to Americans’ support for the Clinton health plan. Health Affairs 1995; 14 (2):

7–23.

2. Donelan K, Blendon RJ et al.: Whatever happened to the health insurance crisis in the United States? Voices from a national survey. JAMA 1996; 276: 1346–1350.

3. Franks P, Clancy CM, Gold MR: Health insurance and mortality: Evidence from a national cohort. JAMA 1993; 270: 737–741.

4. Inglehart JK: The American health care system. NEJM 1992; 326: 962–967.

5. Smith S, Freeland M et al.: The next ten years of health spending: what does the fu- ture hold? Health Affairs 1998; 17 (5):

128–140.

6. Starfield B: Primary care and health: a cross-national comparison. JAMA 1991;

266: 2268–2271.

Anschrift des Verfassers William G. Sayres, Jr., MD East 4408 Spangle Creek Rd Valleyford, WA 99036, USA E-Mail: wgsayres@ghnw.ghc.org

A-682 (34) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 11, 19. März 1999

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND/GLOSSE

William G. Sayres, Jr., ist Facharzt für Fami- lienmedizin. Er ist Mitarbeiter von Group Health Permanente und unterrichtet am Insti- tut für Familienmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Washington. Über- setzt wurde der Beitrag von Dr. med. Brunhild Fölsch, Dortmund. Bei diesem Beitrag handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Vortrags, der im November 1998 an der Uni- versität Dortmund gehalten wurde.

ir registrieren derzeit den Beginn eines Generatio- nenwechsels bei der ärztli- chen Leitung von medizinischen Ab- teilungen. Der Werdegang mancher noch amtierender Chefärzte alter Prägung, die den Aufsichtsbehörden ständig bei Leitungsbesprechungen gegenübersitzen, zeichnet sich durch einige Charakteristika aus.

Der Chefarzt (CA) klassischer Prägung

Er hat in den 50er beziehungs- weise 60er Jahren studiert und seiner- zeit noch die „Medizinalassistenten- zeit“ absolviert. Sein medizinisches

Wertebild wurde damals entschei- dend geprägt: Schwestern in Non- nentracht warten auf Anweisungen der Ärzte, gemeinsame Überstunden bis zur Selbstaufgabe gehören zum Alltag. Die Arbeitswelt besteht aus der Klinik. Man ist umgeben von dankbaren Patienten.

Die Ehefrauen haben eigene be- rufliche Vorstellungen hintangestellt und sind dankbar, wenn der Gatte einmal wöchentlich tatsächlich so früh nach Hause kommt, daß die gemeinsamen Kinder den Kontakt zum Vater nicht verlieren. „Vater“

hat ein schweres Los als Arzt, der ei- gentlich immer im Dienst ist. Die Fa- milie trägt diese Lebensaufgabe klag- los mit.

Der CA alter Prägung erinnert sich gerne an fachliche Vorbilder und

„Ziehväter“, speziell in operativen Fächern. Die Verschrobenheiten der damaligen Entscheidungsträger aus der Nachkriegszeit werden zwar belächelt, aber noch immer bewun- dernd vorgehalten und überaus gerne anekdotenhaft zitiert mit dem unaus- gesprochenen Hinweis auf eine un- terstellte, darin enthaltene zeitlose Gütigkeit.

Der Chefarzt klassischer Prägung verbittet sich jedwede Einmischung in seine fachliche Souveränität. Schließ- lich stammt er aus der „Schule von Ordinarius Prof. Dr. . . . aus der Uni- versitätsklinik in . . .“. Der CA hat sämtliche Besonderheiten seines Fachgebietes kennengelernt und in seiner Universitätskarriere selbstre- dend entscheidend mit beeinflußt.

Zahllose Menschen verdanken ihm sein Leben. Seit Jahren nimmt er streng, aber gerecht bei der Lan- desärztekammer Facharztprüfungen ab, ohne jedoch selbst eine solche ab-

Chefärzte und Oberärzte

Selbstverständnis

W

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solviert zu haben. „Seinerzeit“ gab es so etwas noch nicht.

Der Chefarzt hat nichts gegen

„Qualitätssicherung“. Er praktiziert sie schon viele Jahrzehnte (lange bevor sie in aller Munde war), am liebsten mit seiner „Oberschwester“, die längst ihren Biorhythmus an den ihres Chefarztes angeglichen hat.

Man verkehrt überwiegend mit über Jahre gewachsenen Gesten und symbolträchtigen Andeu- tungen. Kurz: nonverbal und auch vegetativ.

Der Chefarzt alter Prä- gung hat auch nichts gegen

„Mitbestimmung“, schließlich hat auch er seinerzeit bei der Terminierung von Weih- nachtsfesten und Betriebs- ausflügen aktiv mitbestimmt.

Der Personalrat macht ihm schwer zu schaffen, noch un- angenehmer, geradezu su- spekt ist ihm die Frauen- beauftragte. Leider hat der CA eine liebgewonnene Ge- wohnheit früherer Jahre auf- geben müssen, sich unwider- sprochen „coram publico“ zur allgemeinen Erheiterung der Anwesenden intensiv zur recht eigentlich naturgegebe- nen Unfähigkeit von Frauen im ärztlichen Beruf (wegen fehlender Belastbarkeit die- ses Geschlechts) zu äußern.

Der Chefarzt besteht auf einem guten Betriebsklima.

Die stets wiederkehrende Hei- terkeit seiner Belegschaft ist für ihn ein Maßstab vor allem dann, wenn die Pointen seiner Anekdoten gewürdigt werden. Er möchte, daß seine Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen, die plötzlich anberaumte Visite um 19.30 Uhr auf der Privatsta- tion gehört auch dazu.

Der Oberarzt (OA)

Vereinzelt gibt es in Kliniken noch Oberärzte, die aus der gleichen Generation stammen wie die CA. Da- bei handelt es sich im wesentlichen um Ärzte, die als „graue Wölfe“ kompe- tent und routiniert ihren Dienst ver- sehen. Der jahrzehntelange vergeb- liche Kampf um eine Chefarztstelle

wurde eingestellt und hat zu einer va- riantenreichen Form von fachlichem sowie menschlichem Sarkasmus ge- führt. Angesichts der Dienstjahre und einer in wenigen Jahren erreichbaren Pensionierung werden innovative An- sätze von jüngeren Mitarbeitern als persönlicher Affront empfunden.

Die Oberärzte der jüngeren Ge- neration haben einen gänzlich ande-

ren beruflichen Werdegang. Das tra- ditionelle „ärztliche“ Weltbild ist von anderen Strömungen durchsetzt und eher mit überfüllten Hörsälen, zu ho- hen Studentenzahlen, Multiple choice sowie einer verheerend praxisfernen klinischen Ausbildung unter dem Zei- chen der Anonymität assoziiert, mit einem eher glanzlosen Abschluß im

„Praktischen Jahr“, neuerdings ge- folgt vom Status des „Arztes im Prak- tikum“.

Auf der anderen Seite finden sich durchaus valide Kenntnisse in der elektronischen Datenverarbeitung, Grundbegriffe zum Qualitätsmanage- ment sind vertraut, ebenso Elemente der Rückbesinnung auf recht eigentli- che Patientenbelange angesichts ei-

ner durchstrukturierten, überwiegend technisch orientierten Spezialisierung der Medizin.

Der Berufsalltag des Oberarztes ist durch folgende Schwerpunkte ge- prägt:

lDer OA „schmeißt den La- den“, das heißt: er garantiert den ko- ordinierten Ablauf in dem ihm zuge- teilten Bereich. Er organisiert zum Beispiel den OP-Plan, teilt sich bei schwierigen Eingriffen als Operateur selbst ein. Der Chefarzt operiert im Nachbarsaal seine Privatpatienten.

Der OA hat dafür zu sorgen, daß Kol- legen im Rahmen ihrer Facharztaus- bildung entsprechend berücksichtigt werden. Er hält Kontakt „zur Basis“, Beschwerden werden entgegenge- nommen, das Pflegepersonal wendet sich an ihn.

●Neue Ideen und Konzepte stammen oftmals aus den Reihen der Oberärzte, die im Rahmen der Rou- tine koordinierende Verantwortung tragen und somit Defizite oder gar Mißstände persönlich erleben und be- urteilen können. Innovative Ansätze müssen „dem Chef“ behutsam und di- plomatisch vorgetragen werden und sollten möglichst den Aspekt einer (wenn auch konstruktiven) Kritik aussparen. Am erfolgreichsten ist der- jenige, der die neue Idee oder ein Konzept so darstellt, daß der Chefarzt meint, dies alles sei ihm selbst einge- fallen. Läßt sich der CA überzeugen, greift er die Innovation auf und ver- tritt die Angelegenheit energisch und vor allem plakativ nach außen, zum Beispiel gegenüber senatorischen Dienststellen, Sponsoren oder Ko- stenträgern. Dabei kommen ihm die Erfahrungen aus dem Hochschulbe- reich zugute.

●Die andere Variante besteht in einem heldenhaft-innovativen Allein- gang des Chefarztes. Eine fixe Idee (noch aus Hochschulzeiten) beflügelt ihn, endlich aktiv zu werden. Entspre- chende Konzepte werden erarbeitet und vorgestellt. Einzelheiten zur Um- setzung der neuen Maßnahme nach einer unter Umständen medienwirk- samen Demonstration sind lästig.

Realisierungsansätze vor dem Hinter- grund nachlassender Euphorie wer- den dem Oberarzt überlassen, der

„die Dinge schon richten wird“.

Dr. med. Martin Götz, Bremen A-684 (36) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 11, 19. März 1999

T H E M E N D E R Z E I T GLOSSE

G Gootttt

C CAA

O OAA

N Niicchhttss

Zeichnung: Ralf Brunner

Referenzen

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