P
olitisch durchlebt die pri- vate Krankenversicherung (PKV) schwere Zeiten, an ihren Geschäftszahlen ist von Krise (noch) nichts abzule- sen. So berichtete die DKV Deutsche Krankenversiche- rung AG in Köln, die über die ERGO-Versicherungsgruppe zum Münchener Rück-Kon- zern gehört, auf der Jahres- pressekonferenz von einem„außergewöhnlich erfolgrei- chen Geschäftsjahr 2005“, ja sogar einem der besten Jah- re ihrer fast achtzigjährigen Geschichte. Und doch sieht Vorstandsvorsitzender Günter Dibbern Auswirkungen der ge- sundheitspolitischen Diskussi- on, in der unter der Über- schrift Bürgerversicherung die Geschäftsgrundlage der PKV infrage gestellt wird. Kon- kret: Die Zahl der vollversi- cherten Kunden bei der DKV ging 2005 leicht von 804 100 auf 801 500 zurück, während sie in der PKV insgesamt zu- nahm. Gut verdienende Ange- stellte warteten erst einmal ab, bevor sie sich für eine Privat- versicherung entschieden, lau- tet die Erklärung der DKV.
Allein das Geschäft mit den Zusatzversicherungen, in dem die DKV die Zahl ihrer Kun- den um fast vier Prozent auf 2,169 Millionen steigern konn- te, reiche als Standbein der PKV nicht aus. Gegenteilige Äußerungen eines Vorstands einer anderen Gesellschaft hält Dibbern für fahrlässig: „Die Vollversicherung ist existenzi- ell für die Branche“.
In der Politik diskutierte Ansinnen, die PKV in den Ri- sikostrukturausgleich einzube- ziehen, wies Dibbern katego- risch zurück. Ein Zugriff auf die Alterungsrückstellungen der Privatversicherten sei aus
verfassungsrechtlichen Grün- den unzulässig und überdies versicherungstechnisch nicht machbar. Es gebe dazu auch keinen Anlass, denn jede medi- zinische Leistung, die kapital- gedeckt finanziert werde,stütze das System. „Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr private Krankenversicherung“, sagte Dibbern.Während in der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) die älteren Ver- sicherten weniger als die Hälfte der von ihnen in Anspruch ge-
nommenen Leistungen bezahl- ten, sei das Kapitaldeckungs- prinzip der PKV generationen- gerecht und in der Lage, das demographische Problem zu bewältigen.
Ausweis dieser behaupte- ten Überlegenheit des kapital- gedeckten Systems sind für Dibbern die Alterungsrückstel- lungen, die bei der DKV 2005 um 8,6 Prozent auf 16,6 Milliar- den Euro aufgestockt wurden.
Das Durchschnittsalter der DKV-Versicherten liegt mit 43,7 Jahren über dem Bran- chendurchschnitt von 38,3 Jah- ren. Die rund 200 hundertjähri- gen DKV-Versicherten müssen keine Beiträge mehr zahlen.
Wegen ihres wachsenden Auslandsengagements ist die DKV der größte private Krankenversicherer in Euro- pa. In Deutschland liegt das Unternehmen mit 12,9 Pro- zent Marktanteil hinter der Debeka auf Rang zwei. Der Gewinn der DKV schnellte 2005 von 46,6 auf 79,3 Millio- nen Euro. Möglich wurde das, weil das Unternehmen bei gefestigten Aktienkursen und steigenden Dividenden eine deutlich bessere Verzinsung der Kapitanlagen erzielte, vor allem aber, weil die Beitrags- einnahmen mit 6,3 Prozent auf 3,54 Milliarden Euro schneller zunahmen als die Leistungsausgaben. Die Re- lation beider Beträge, die Schadenquote, eine für Ver- sicherungen zentrale Kenn- zahl, verminderte sich auf 75,4 Prozent. Gleichwohl machte Dibbern deutlich, dass er die Ausgabensteigerungen
für ambulante ärztliche Be- handlung von 6,3 Prozent und von 7,1 Prozent für zahnärzt- liche Behandlung als zu hoch ansieht. Deshalb will die DKV ihr „Leistungs- und Ge- sundheitsmanagement“ forcie- ren. Unter dieser Überschrift benutzt die Versicherung auch den aus der GKV mittler- weile geläufigen Begriff Dis- ease-Management-Programm (DMP). Für Versicherte mit Herzinsuffizienz, Diabetes, Bluthochdruck und Asthma sind besondere Gesundheits- programme entwickelt wor- den. Im DMP Herzinsuffizienz stiegen zwar die Arzneimit- telausgaben für die Teilneh-
mer um 20 Prozent, allerdings verminderten sich die Kran- kenhauskosten um 30 Pro- zent, sodass unter dem Strich 23 Prozent Kosten eingespart werden könnten, heißt es im Geschäftsbericht.
Die Tochtergesellschaft ArztPartner almeda betreut 6 600 chronisch Kranke, will sich damit aber nicht zufrie- den geben. Kürzlich erhielten 48 000 Versicherte einen Brief mit der Aufforderung „Testen Sie Ihr persönliches Risiko“.
3 000 von ihnen beantworte- ten die Fragen zu Blutdruck, Cholesterinwerten, Arznei- mitteleinnahme, Erkrankun- gen in der Famile und zum persönlichen Ernährungs- und Freizeitverhalten. Den Teil- nehmern sollen gegebenen- falls eine Ernährungsberatung und Screening angeboten wer- den, berichtete der Vorstand.
Die Daten würden nicht an die DKV weitergegeben.
Zu dem DKV-Motto „Ver- sicherung, Service und Versor- gung aus einer Hand“ gehört auch das Pilotprojekt goMe- dus-Gesundheitszentrum in Köln, in dem fast 2 700 Privat- patienten betreut werden. Ei- ne hochwertige hausärztliche Erstversorgung in enger Zu- sammenarbeit mit Kliniken sei das Ziel, hob DKV-Vor- standsmitglied Dr. Jochen Messemer hervor. Die Ärzte seien nicht bei der DKV ange- stellt. In diesem Jahr sollen zwei weitere Zentren in Berlin und Düsseldorf eröffnet wer- den. Zehn bis 15 solcher Zen- tren kann die DKV sich bun- desweit vorstellen. Heinz Stüwe V A R I A
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A1024 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 15⏐⏐14. April 2006
DKV
Echte Sorgen bereitet nur die Politik
Der Vorstand setzt auf Disease Management und plant neue privatärztliche Gesundheitszentren.
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Quelle:PKV