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Archiv "Transplantationsgesetz: Kontroverse Auffassungen in allen Fraktionen" (24.05.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen THEMEN DER ZEIT

Transplantationsgesetz:

Kontroverse Auffassungen in allen Fraktionen

Die Dringlichkeit eines sogenann- ten Transplantationsgesetzes, in dem die Voraussetzungen und die Zulässigkeit einer Organentnahme nach dem Tode geregelt werden sollen, ist bei allen politischen Par- teien unumstritten. Allerdings wird das Für und Wider einer Wider- spruchs- oder Zustimmungslö- sung in allen drei Bundestagsfrak- tionen weiterhin sehr kontrovers diskutiert, wie die 1. Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag am 26. April 1979 zeigte.

Die Bundesregierung schlägt im Gesetzentwurf die sogenannte Wi- derspruchsregelung vor, bei der die Entnahme eines Organs des Verstorbenen immer dann zuläs- sig sein soll, wenn im Personal- ausweis kein ausdrücklicher Wi- derspruch vermerkt ist. Der Bun- desrat hat dagegen die „Wider- spruchslösung" verworfen und die sogenannte Zustimmungs- bezie- hungsweise Einwilligungslösung empfohlen. Diese setzt eine aus- drückliche Erklärung der Spende- bereitschaft des Betroffenen für die Zulässigkeit einer Explantation voraus.

Während Bundesjustizminister Dr.

Hans-Jochen Vogel den Regie- rungsentwurf begründete und die Widerspruchslösung verteidigte, forderten sowohl Sprecher der FDP als auch der CDU/CSU-Bun- destagsfraktion die Einwilligungs- lösung. Die Bundesregierung ver- tritt nach den Worten Vogels die Auffassung, daß „demjenigen, dem die körperliche Integrität sei- nes Leichnams unverzichtbar er- scheint", die Abgabe einer Erklä- rung zuzumuten sei. Die Beratun- gen in den Bundestagsausschüs- sen und ein noch geplantes Anhö- rungsverfahren von Experten gä- ben Gelegenheit, die angespro- chene Problematik zu prüfen. Die von der Regierung vorgeschlage- ne Lösung sollte im Falle vvaa- sender SpeildebefeltsGhart de.

Bevölkerung überprüft werden. Es gehe darum, daß Tausenden von Menschen durch die Verpflanzung von Organen und Geweben das Leben gerettet oder Erleichterung in ihren Leiden verschafft werden könne. Vogel plädierte im übrigen für eine größere Zahl von Ärztete- ams und Anstalten, in denen Nie- renverpflanzungen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft vorgenommen wer- den können. Dazu sei auch not- wendig, daß mehr Ärzte als bisher die „erklärte" Spendebereitschaft auch tatsächlich durch Entnahme nutzen. Er wies jedoch darauf hin, daß meistens der entnehmende und einpflanzenda Arzt nicht iden- tisch und auch räumlich weit von- einander getrennt seien.

Für die CDU/CSU vertraten dage- gen der Abgeordnete Prof. Dr.

Hans Hugo Klein und der baden- württembergische Justizminister Dr. Heinz Eyrich die sogenannte Zustimmungslösung. Ihrer Mei- nung nach könne nur durch eine eindeutige Zustimmung zu einer Organentnahme ausreichende Klarheit für alle Beteiligten ge- schaffen werden. Sie diene der Spendebereitschaft, zerstreue auch eventuelle Bedenken der An- gehörigen, wenn eine Explanta- tion vorgenommen werden solle.

Das Widerspruchsmodell der Bun- desregierung berücksichtige nach Prof. Kleins Auffassung nicht hin- reichend das fortwirkende Persön- lichkeitsrecht des Verstorbenen und das Totensorgerecht der An- gehörigen. Die Widerspruchslö- sung nehme auch nicht die gebo- tene Rücksicht auf die Trauer der Hinterbliebenen. Zudem wider- spreche es dem allgemeinen Grundsatz, wenn Schweigen als Zustimmung gewertet werde.

Wem es schwerfalle, sich vor einer Behörde zu artikulieren, dem wer- de es erst recht schwerfallen, in seinen Ausweis den Widerspruch

ia*sen.

Auch die Koalitionsabgeordneten Dr. med. Hans Bardens (SPD) und Kurt Spitzmüller (FDP) hielten aus rechtssystematischen und grund- sätzlichen Erwägungen die Wider- spruchslösung nicht für zwingend, weil sich bei einer Umfrage rund 60 Prozent der jüngeren Bevölke- rung unter 30 Jähren ohne Ein- schränkung zur Organspende be- reit erklärt hätten. Neben dem Per- sönlichkeitsschutz hob Spitzmül- ler im Namen der FDP-Fraktion vor allem auf die Freiwilligkeit jeder Organspende ab. Auch sei die ge- samte FDP-Fraktion auch heute noch der Meinung, daß Organ- transplantationen nur mit aus- drücklicher Zustimmung des Spenders zulässig sein sollten.

Auch ein modifiziertes Wider- spruchsmodell müsse von der FDP abgelehnt werden. Der FDP-So- zialexperte gab zu bedenken, daß zur Hilfe nur gesunde Organe von Menschen, die zwischen dem 15.

und 45. Lebensjahr verstorben sind, in Frage kämen.

Deshalb wäre es verfehlt, in eine allgemeine Widerspruchslösung auch jene in die allgemeine Pflicht einzubeziehen, die älter als 45 Jahre sind. Nur bei einer Einwilli- gung oder klaren Erklärung im Sinne des jüngsten Vorschlags der Bundesärztekammer (DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT Heft 4/1979, Seite 187 ff.) könne man die Grup- pe möglicher Organspender direkt ansprechen.

Zur „Ausweislösung" des Regie- rungsentwurfs merkte Spitzmüller an: Sie habe den Vorteil, daß jeder Bürger den Personalausweis bei sich zu führen habe und daher in der Regel der Spenderwille im Ernstfall einwandfrei entnommen werden könne. Ein Nachteil sei aber, daß dem Bürger bei der Aus- stellung oder der Verlängerung des Personalausweises mögli- cherweise nur eine unzumutbare kurze Überlegungsfrist für eine weitreichende Entscheidung ge- lassen werde. Außerdem sei eine nachträgliche Revision einer mit technischem Aufwand angebrach- ten Erklärung schwierig.

1452 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Transplantationsgesetz

Der FDP-Sprecher meinte, würde man ein amtliches Erklärungskärt- chen in den Personalausweis ein- legen oder herausnehmen, so sei dies einfacher. Ausdrücklich stell- te sich Spitzmüller hinter den Vor- schlag der Bundesärztekammer der konsensfähig sei.

Der SPD-Abgeordnete Bardens (Ludwigshafen) argumentierte im Sinne des Einwilligungsmodells, insbesondere unter rechtlichen Überlegungen. Nach geltendem Recht könne ärztliches Handeln nicht allein dadurch gerechtfertigt werden, wenn ein Widerspruch fehlt. Der Gesetzentwurf der Bun- desregierung sei im übrigen ein

„reines Explantationsgesetz".

Die Explantation müsse jedoch — so Bardens — mit der Übertragung auf einen Organempfänger als Einheit, als Eingriff zu Heilzwek- ken gesehen werden. Im Interesse eines überschaubaren einheitli- chen Arztrechts sollte der Einwilli- gungsregelung der Vorzug gege- ben werden. Die herrschende Rechtsunsicherheit müsse jeden- falls bald ausgeräumt werden; die Beratungen sollten noch 1980 ab- geschlossen werden.

Frau Dr. med. dent. Hanna Neu- meister (CDU-MdB), Kreiensen, die früher wiederholt für die Wi- derspruchslösung eintrat, erinner- te an die Dringlichkeit des Gesetz- gebungsvorhabens. Ohne für die eine oder andere Lösung direkt zu votieren, verlangte auch Frau Neu- meister eine rasche gesetzliche Lösung, die sowohl praktikabel als auch von der Ärzteschaft und brei- ten Bevölkerungsschichten mitge- tragen und angenommen werden könne. Man könne nicht weiterhin auf die Hilfe europäischer Nach- barn bauen. In eine ähnliche, wenn auch nicht gleiche Kerbe hieb Justizminister Vogel: „Für die Widerspruchslösung haben sich die geltenden gesetzlichen Rege- lungen in Dänemark, Norwegen, Schweden, Italien und Frankreich ausgesprochen, wenn auch in unterschiedlichen Detailregelun- gen." PM/HC

NACHRICHTEN

Sozialhaushalt '79 auf neuer

Rekordhöhe

Seit 1970 ist der Sozialhaushalt des Bundes kontinuierlich um mehr als das Eineinhalbfache auf 72 Milliarden DM gestiegen.

Gleichzeitig ist der relative Anteil am Bundeshaushalt gewachsen.

Auch 1979 ist der Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung mit 46,5 Mil- liarden DM der größte Einzeletat.

Drei Ausgabenblöcke „Zuschüsse zur Sozialversicherung, ein- schließlich der Finanzhilfen nach dem Krankenhausfinanzierungs- gesetz", „Ausgaben für die Kriegs- opfer" und „Ausgaben im Bereich der Arbeitsförderung" prägen die- sen Etat. Neben den Kosten für das Mutterschaftsurlaubsgeld ab 1. Juli 1979 (1979: 446 Millionen DM) sind auch Kosten eingeplant worden, die durch die Herabset- zung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte auf das 60. Le- bensjahr entstehen (130 Millionen DM). DÄ

Prüfpflicht für Geräte ab 1980?

Der Bundestagsausschuß für Ar- beit und Sozialordnung hat sich am 25. April auf eine interfraktio- nelle Vorlage hinsichtlich der Prü- fungspflicht medizinisch-techni- scher Geräte geeinigt.

Den Planungen zufolge soll eine entsprechende Verpflichtung für Hersteller oder Importeure bereits ab 1. Januar 1980 wirksam werden.

Die Vorschriften über eine stren- gere Prüfungspflicht der Geräte sollen einem Ausschußbeschluß zufolge in einem speziellen Ab- schnitt des „Gesetzes über techni- sche Arbeitsmittel" (sogenanntes Maschinenschutzgesetz) zusam-

mengefaßt werden. Es soll be- stimmt werden, unter welchen Be- dingungen medizinisch-techni- sche Geräte hergestellt, einge- führt, vertrieben und aufgestellt werden dürfen.

Die Verordnungsermächtigung er- hält der Bundesarbeitsminister, der zuvor den Ausschuß für tech- nische Arbeitsmittel und die betei- ligten Kreise zu hören hat, Einver- nehmen mit dem Bundeswirt- schafts- und Bundesgesundheits- minister erzielen muß sowie schließlich auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen ist.

Als wesentliche Anforderungen für die Funktionssicherheit der Geräte werden genannt, daß

C> die Geräte den gesetzlichen Auflagen entsprechen,

I> der Hersteller bescheinigt hat, daß sich die Geräte in ordnungs- gemäßem Zustand befinden, I> die Geräte vom Hersteller, ei- nem amtlichen oder einem aner- kannten Sachverständigen einer Endabnahme unterzogen worden sind,

die Geräte einer Bauartprüfung unterzogen worden sind,

I> die Geräte nach einer Bauart- prüfung allgemein zugelassen sind,

I> die Geräte mit einem Prüfsiegel („GS") versehen sind oder

I> eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache mitgeliefert wird und Bedienungselemente der Geräte in deutscher Sprache oder mit genormten Bildzeichen be- schriftet sind.

Zu den prüfungspflichtigen medi- zinisch-technischen Geräten ge- hören laut Gesetzesvorlage sämtli- che Apparaturen, die bei einer ärztlichen Untersuchung oder Be- handlung eingesetzt werden (zum Beispiel: Infusionspumpen, Meß- geräte, Laborgeräte usw.). HC

1454 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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