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uch wenn das Fibromy- algie-Syndrom mit einer Prävalenz von schät- zungsweise drei Prozent etwa doppelt so häufig vorkommt wie beispielsweise die rheu- matoide Arthritis, besteht noch immer eine erhebliche diagnostische Unsicherheit.Kardinalsymptom ist der chronische polytope Muskel- schmerz. Aufgrund der häufi- gen Koinzidenz von Müdig- keit, Abgeschlagenheit und Schlafstörungen wird das Krankheitsbild nicht selten dem „Chronic Fatigue Syn- drome“ zugeordnet. Das weite Spektrum zusätzlicher funktioneller, vegetativer und psychischer Beschwer- den erschwert die richtige diagnostische Einordnung.
Zur Ätiopathogenese gibt es zahlreiche Hypothesen. In wissenschaftlichen Untersu- chungen wurden erhöhte
Konzentrationen von Sub- stanz P und anderen Neuro- peptiden im Liquor und im Muskelgewebe, verminderte Serotonin-Plasmaspiegel und Störungen des Kollagen- metabolismus nachgewiesen.
Die Frage, ob als primärer Auslöser des Fibromyalgie- Syndroms ein zentrales oder peripheres Phänomen zu- grunde liegt, ist noch immer offen. Manche Forscher nei- gen dazu, biomechanische Aspekte insbesondere im Be- reich der Wirbelsäule als ur- sächlich anzusehen, andere betrachten die Fibromyalgie als eine besondere Form der Depression.
Das Fibromyalgie-Syn- drom ist zunächst eine Aus- schlußdiagnose. Labor- und Röntgenuntersuchungen sind ohne Befund, das EEG zeigt eine normale Aktivität, allen- falls können Veränderungen im Schlaf-EEG vorhanden sein. Charakteristisch ist eine Überempfindlichkeit an den
„Tender points“ – definierten, über das gesamte muskulo- skeletale System verteilten, druckschmerzhaften Punkten.
Bei der Behandlung stehen Maßnahmen zur Schmerzbe- wältigung im Vordergrund.
Physikalische und physiothe- rapeutische Methoden wie beispielsweise Bindegewebs-
massagen und individuell an- gepaßtes körperliches Trai- ning sollten kombiniert wer- den mit psychologischen Ver- fahren und Entspannungs- techniken. Je nach Schwer- punkt der Begleitsymptoma- tik kann auch der Einsatz von Antidepressiva sinnvoll sein.
Zur medikamentösen Analgesie sind nicht-stero- idale Antiphlogistika un- geeignet und Kortikosteroide kontraindiziert. Bewährt ha- ben sich nach Angaben von Dr. Haiko Sprott (Zürich) da- gegen Myorelaxantien vom Lokalanästhetika-Typ wie beispielsweise das Tolperison (Mydocalm®). Der entschei- dende Vorteil gegenüber zen- traldämpfenden Substanzen läge im Fehlen von sedieren- den Effekten und dem damit verbundenen geringeren Ri- siko im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz. bl-ki
A-971 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 16, 17. April 1998 (59)
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Fibromyalgie-Syndrom
Heterogene Symptomatik
erschwert die Diagnostik
A-972 (0) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 16, 17. April 1998 1
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V A R I A PERSONALIEN