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Ethikkommissionen Regelung ä la Pfeiffer
A
nneliese Augustin, CDU- Bundestagsabgeordnete, war zufrieden mit ihrer Arbeit an der 5. Novelle des Arz- neimittelgesetzes (AMG): „Als ausgesprochen positiv werte ich die nunmehr gesetzliche Veranke- rung der Ethikkommission, und zwar einer unabhängigen und in- terdisziplinären besetzten Ethik- kommission, bei der klinischen Prüfung", sagte sie in der Bundes- tagsdebatte vor der Verabschie- dung des Gesetzes. Der Bundes- tag folgte tatsächlich dem entspre- chenden Vorschlag seines Ge- sundheitsausschusses, dem auch Anneliese Augustin angehört. In Zukunft soll vor Beginn einer kli- nischen Prüfung „das schriftliche Votum einer unabhängigen, inter- disziplinär besetzten Ethikkom- mission" eingeholt werden. Diese müßte sich zuvor bei der zuständi- gen Bundesoberbehörde registrie- ren lassen. Auch sogenannte pri- vate Ethikkommissionen könnten demnächst also Ärzte beraten.Bislang sind Ärztinnen und Ärzte schon aufgrund ihrer Be- rufsordnung verpflichtet, sich vor Beginn eines medizinischen For- schungsprojekts von einer Ethik- kommission der Landesärztekam- mer oder der Medizinischen Fa- kultät beraten zu lassen. Auch kli- nische Prüfungen zählen zur me- dizinischen Forschung. Darauf hat die Bundesärztekammer aus- drücklich hingewiesen. Sie wehrt sich gegen die Aushöhlung des be-
stehenden Systems. Doch im Ge- setzgebungsverfahren haben sich bislang die Befürworter einer Zu- lassung auch privater Kommissio- nen durchgesetzt.
Was Frau Augustin nicht vor- trug, wohl aber in einem schriftli- chen Bericht anmerkte: In puncto Ethikkommissionen ließ sich ihr Ausschuß vom Sachverständigen Prof. Dr. Gerd Pfeiffer leiten. Der Bundesgerichtshofpräsident a. D.
ist nicht nur sachverständig, son- dern auch parteiisch. Er ist näm- lich Vorsitzender der bekannte- sten privaten Ethikkommission, der Freiburger.
Die Bundesärztekammer hat bislang den Kürzeren gezogen.
Bereits Anfang Mai hatte ihr Prä- sident, Dr. med. Karsten Vilmar, an den Bundestag geschrieben.
Die Bundesärztekammer lehne den Vorschlag des Gesundheits- ausschusses ab. Ein System unter Einschluß privater Ethikkommis- sionen — unbeschadet einer denkbaren Solidität im Einzelfall
— könne die vorgesehenen Schutzaufgaben nicht effektiv er- füllen, nämlich „den ,Probanden', aber auch die Ärzteschaft und die Öffentlichkeit vor den Folgen et- hisch und rechtlich bedenklicher Forschungen zu bewahren".
Auch eine Registrierung aller Kommissionen bei einer Bundes- oberbehörde sei keine Lösung:
„Wie die Diskussion um die Über- wachungsaufgaben der Arzneimit- telbehörden gezeigt hat, dürfte
die Grenzbelastung der Bundes- oberbehörde eingetreten sein", schrieb Vilmar.
Die Bundesärztekammer be- fürchtet zudem, daß sich bei einer
„Privatisierung" in diesem Be- reich Ethikkommissionen aus der ganzen Europäischen Union regi- strieren lassen würden. Folge kön- ne dann ein Suchspiel von For- schern nach „wohlgesonnenen Ethikkommissionen" sein.
Auch der Bundesrat war mit einzelnen Passagen der verab- schiedeten Arzneimittelgesetz- Novelle nicht zufrieden. So schlug der Gesundheitsausschuß der Länderkammer zwar eine ver- bindliche Vorschrift vor, wonach sich ein Forscher vor Beginn einer klinischen Prüfung beraten lassen muß. Das Forschungsvorhaben solle jedoch nach wie vor „von ei- ner nach Landesrecht gebildeten unabhängigen Ethikkommission befürwortend bewertet" werden.
Auch mit dieser Formulie- rung war die Bundesärztekammer allerdings nicht ganz einverstan- den: Das Berufsrecht sehe vor, daß sich ein Arzt beraten lassen muß, ob gegen sein Vorhaben Be- denken ethischer oder rechtlicher Art bestehen. Eine befürwortende Stellungnahme habe die Ethik- kommission nicht abzugeben. Ob aufgrund des Tauziehens zwi- schen Bundestag und Bundesrat noch Zeit bleibt, die Landesver- treter zu überzeugen, wird sich zeigen. Sabine Dauth
Erich Honecker
Atteste
H
oneckers letzte Krankheit und ihre Begleitumstände haben reichlich oft Fra- gen nach dem Wert ärztlicher At- teste und nach dem Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht na- hegelegt. Natürlich: Erich Honek- ker hat auch mit Hilfe seiner Krankheit versucht, aus seinem Prozeß in Berlin herauszukom-men. Das ist ihm ja auch geglückt.
So mancher Arzt hat ihm dabei mit Auskünften über seine Krank- heit und seine Prognose geholfen
— unter eifriger Beteiligung der Tagespresse. Da lobe ich mir sei- nen letzten Arzt in Chile, der alle Auskünfte verweigerte.
Die deutsche Justiz ist um ei- nen Prozeß gegen Honecker her-
umgekommen, der in mancher Beziehung peinlich geworden wä- re. Weitgehend waren es Ärzte, die Honecker „herausgehauen"
und deutschen Politikern eine Blamage erspart haben. Das war menschlich wohl verständlich und politisch eine Verkettung „glückli- cher Umstände"; berufsethisch bleibt einiges fragwürdig. gb Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 24, 17. Juni 1994 (1) A-1669