DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Krankenstand
LA-MED-Befragung
Ihr Urteil ist erneut gefragt!
In den kommenden Wo- chen und Monaten be- fragt die Arbeitsgemein- schaft LA-MED, in der die überregionalen und die regionalen medizini- schen Zeitschriften zu-
sammengeschlossen sind, erneut die Ärzte zu ihrem Leseverhalten.
Falls Sie zu den reprä- sentativ ausgewählten Ärzten gehören, die vom Untersuchungsinstitut IVE um ein Interview ge- beten werden, bitten wir Sie herzlich um Ihre be- reitwillige Mitwirkung.
Verlag, Redaktion und Herausgeber des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTS sind sehr daran interes- siert zu erfahren, wie Sie unser Informationsange- bot einschätzen und nutzen. Zur weiteren Verbesserung unserer Zeitschrift sind wir auf Ihr Urteil darüber ange- wiesen, wie unsere Ar- beit bei Ihnen „an- kommt". Sie werden den Nutzen daraus zie- hen!
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.
Ihr
Deutscher Ärzte-Verlag
Konkurrenzdruck gegenüber Pa- tientenwünschen nach Arbeitsun- fähigkeit „erpreßbar" und „mani- pulierbar". Schon die globale zah- lenmäßige Entwicklung des Kran- kenstandes spricht gegen diese Behauptung: Von 1978 bis 1984 sank der Krankenstand von etwa sechs Prozent auf etwa 4,5 Pro- zent — bei jetzt wieder leicht stei- gender Tendenz. Regionale Ver- gleiche widerlegen überdies den vermuteten Zusammenhang zwi- schen Arztdichte und Kranken- stand. In Berlin kommen auf 10 000 Einwohner 10,5, in Ham- burg 13 und in München 19 Ärzte.
Dies ist doch ein signifikanter Be- weis für die Haltlosigkeit von Be- hauptungen, die niedergelasse- nen Ärzte liefen Gefahr, durch die hohe Arztdichte korrupt zu wer- den!
Auch die jüngst veröffentlichte empirische Analyse von Dr. Tho- mas Zalewski, Mitarbeiter am In- stitut für Gesundheitssystemfor- schung in Kiel (die von einem Ärz- temagazin als Beleg für den vom Patienten erpreßbaren Arzt teil- weise fehlinterpretiert worden war), widerlegt eindeutig die Be- hauptung, daß die Versicherten das ärztliche Überangebot mit nicht zu rechtfertigenden Wün- schen und Drohungen ausnutz- ten: Nur 15 Prozent der Befragten würden auf jeden Fall den Arzt wechseln, wenn dieser mehrmals Patientenwünsche nicht erfüllt. Im Umkehrschluß heißt dies doch:
Der Arzt geht sehr sorgfältig und verantwortungsbewußt mit den AU-Bescheinigungen um, fertigt nicht wider besseres Wissen
„Blankovollmachten" zugunsten des Bummelanten und zu Lasten des Unternehmers aus!
Nur gut, daß die Sprecher von DGB und DAG noch eins „drauf- setzten". Beim Kölner NAV-Podi- um bestätigten sie, daß heute we- gen der anhaltenden Rezession und der Sorge um den Arbeits- platz sich viele Arbeitnehmer nicht krank meldeten, obwohl sie objektiv krank sind. Manche Krankheit, dies können die Ärzte
tagtäglich bestätigen, werde da- durch verschleppt, und der Arzt- besuch erfolge erst in einem sehr späten Stadium. Verschleppte Krankheiten führen aber erfah- rungsgemäß zu Spätfolgen und erhöhen die Frühinvalidität, wie wir dies heute längst beobachten können. Der Schaden, der daraus resultiert, geht in die zigmillionen Mark. Der gesamtwirtschaftliche Verlust (social costs) manifestiert sich selbstverständlich auch in der landauf, landab beklagten Ko- stenexplosion in der Kranken- und Rentenversicherung.
Verdeckter Krankenstand
Gerade für die Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter ist der
„verdeckte Krankenstand" (also die Tatsache, daß sich viele Ar- beitnehmer fahrlässigerweise nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht krank schreiben lassen) das größte Problem, berichtete der Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB-Bundesvorstand, Al- fred Schmidt, Düsseldorf. Rund 40 bis 50 Prozent der arbeitsunfähig gemeldeten Arbeitnehmer seien länger als sechs Wochen krank.
Nur zehn Prozent des bei den Kassen registrierten Krankenstan- des sind Kurzarbeitsunfähigkeits- fälle. Bei dem Schielen auf den Durchschnittskrankenstand wer- de geflissentlich übersehen, daß die Gesundheitsbelastung am Ar- beitsplatz von Betrieb zu Betrieb und von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ist.
Walter Quartier, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen An- gestellten-Gewerkschaft, Ham- burg, bezeichnete die Wiederein- führung von Karenztagen in den ersten Tagen der Arbeitsunfähig- keit als einen „Griff in die sozial- politische Mottenkiste". Diese Ex- perimente hätten, wie ausländi- sche Regelungen beweisen, nichts erbracht (wiewohl es im
„perfekten Wohlfahrtsstaat"
Schweden seit eh und je Karenz- tage gibt!). Dr. Harald Clade 244 (34) Heft 5 vom 30. Januar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A