DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Verwaltungsburgen
jekt beherbergt derzeit knapp 100 Mitarbeiter. Im Bergisch Gladba- cher Stadtteil Sensberg residiert auch der Landesverband der ln- nungskrankenkassen für Nord-
rhein-Westfalen. Das· Bdi-Gebäu-
de-Kombinat steht auf einem 4900 m2 großen Grundstück. Bebaute Fläche: 895 m2; 3764 m2 Nutzflä- che.
Vergleichsweise bieder nimmt sich dagegen das am 9. Juli 1975 eingeweihte Verwaltungsgebäu- de des Verbandes der Angestell- ten-Krankenkassen (VdAK) und des Verbandes der Arbeiter-Er- satzkassen (VdAE) in der Frank- furter Straße in Siegburg bei Bonn aus. Die Ersatzkassen-Verbände, die bis dahin, aus traditioneller Verbundenheit zur Deutschen An- gestellten-Gewerkschaft, in Harn- burg residierten, suchten die Bonn-Köln-Nähe, und bauten sich dort für 4,6 Millionen DM an. "15 Millionen Krankenkassenversi- cherte werden jetzt von Siegburg aus betreut", lauteten die kassen- freundlichen Schlagzeilen aus An- laß der Festivitäten vor zehn Jah- ren.
Als letzter im Bunde wollen auch die Betriebskrankenkassen nicht nachstehen. Auch der Bundesver- band der Betriebskrankenkassen (BdB) und der nordrhein-westfäli- sche Betriebskrankenkassen-Lan- desverband, die zur Zeit noch in der Kronprinzenstraße in Essen residieren, fühlen sich ebenfalls räumlich zu sehr beengt. ln den nächsten drei Jahren wird sich in der Ruhrmetropole eine der größ- ten Baugruben der letzten Jahre öffnen - zum Wohle der Versi- cherten.
Zugegeben: Auch die Kranken- kassen expandieren und leiden unter dem Druck von mehr Büro- kratie, haben wachsenden Ver- waltungsaufwand, der ihnen nicht zuletzt der Gesetzgeber immer wieder neu oktroyiert. Nur: Die Verwaltungskosten steigen stän- dig überproportional, von 1977 bis 1984 um rund 50 Prozent, wohin- gegen die Gesamtausgaben der
"kranken" Kassen nur um rund 40
Prozent "explodierten". Oder in absoluten Zahlen: Mehr als fünf Milliarden DM Jahr für Jahr. Ge- flissentlich heißt es in den vom Bundesarbeitsministerium zu ge- nehmigenden Rechenschaftsbe- richten, daß die Verwaltungsko- sten konstant zwischen fünf und sechs Prozent gelegen hätten. Bei einem Gesamtausgabenvolumen von mehr als 100 Milliarden DM ist dies wohl immer noch ein be- trächtlicher Kostenbrocken! EM
Ihr Urteil ist gefragt!
Die Arbeitsgemeinschaft LA-MED Leseranalyse me- dizinischer Zeitschriften e. V., zu der auch der Deut- sche Ärzte-Verlag zählt, befragt kontinuierlich Ärz- te zu ihrem Leseverhalten. Wir bitten Sie um freund- liche Aufnahme der Inter- viewerin/des Interviewers.
Sie/er kommt vom Unter- suchu ngsinstitut IVE in Hamburg:
~ Wir bitten Sie herzlich um Ihre Mitwirkung, falls Sie zu dem sorgfältig aus- gewählten Kreis der zu be- fragenden Ärzte zählen. Verlag, Redaktion und Her- ausgeber sind sehr daran interessiert zu wissen, wie das Informationsangebot des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES aufgenommen wird.
Zur stetigen Verbesserung unserer Zeitschrift ist uns an Ihrem U rtei I darüber ge- legen, wie unsere Arbeit bei Ihnen "ankommt". Vielen Dank
für Ihre Mitwirkung! Ihr
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
1150 (22) Heft 16 vom 17. April1985 82. Jahrgang Ausgabe A
KURZBERICHT
"Gesundheitsmarkt"
von staatlichen Fesseln befreien!
Im Gesundheitswesen werde weithin die "tausendfach durch Erfahrungen bestätigte Tatsache"
verdrängt, daß eine wettbewerb-
liehe Marktorganisation bei richtig gesetzten staatlichen Rahmenbe- dingungen alle Beteiligten zum sparsamen Umgang mit knappen Gütern zwingt, für Preisdruck sorgt und vor Mißbrauch wirt- schaftlicher Macht schützt. Das Hauptproblem auf dem nur rudi- mentär marktwirtschaftlich struk- turierten Pharmamarkt bestehe darin, daß sich derzeit alle Betei- ligten infolge falsch angesetzter
Anreize individuelle Vorteile aus-
rechnen können, wenn sie ver- schwenderisch mit Arzneimitteln umgehen.
Diese Thesen vertrat der Marbur- ger Nationalökonom Professor Dr.
rer. pol. Walter Hamm anläßlich eines von den Gesundheitsökono- men Professor Frank E. Münnich
(München) und Professor Peter
Oberender (Bayreuth) in der baye- rischen Metropole veranstalteten Symposions "Der Pharmamarkt vor dem Umbruch".
1. Sosehr wettbewerbliehe Markt- bedingungen auf dem Arzneimit- telmarkt, auf dem Markt für Heil- und Hilfsmittel u. a. preisdämpfend wirken können, sosehr verspre- chen sich die ordoliberalen Natio- nalökonomen Steuerungswirkun- gen auch von einem dem Wettbe- werb geöffneten "Krankenkassen- markt". Konkret plädieren die Wis- senschaftlerfür einen staatlich vor- geschriebenen Mindestversiche- rungsschutz, der es jedem Pflicht- versicherten überläßt, die jeweili- ge Krankenkasse und den Versi- cherungsumfang frei zu wählen.
Dementsprechend sollte "Neuan- bietern" der Zugang zur gesetzli- chen Krankenversicherung geöff- net werden. Entsprechend müßten die Krankenkassen in der Vertrags-
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„Gesundheitsmarkt”
gestaltung mit den Leistungser- bringern frei sein. An dem staatlich vorgeschriebenen Mindestversi- cherungsschutz und an der Auf- nahmepflicht der Krankenkassen (Kontrahierungszwang) sollte al- lerdings festgehalten werden. Un- ter solchen Rahmenbedingungen sollte es den Krankenkassen über- lassen werden, sparsames Verhal- ten der Leistungserbringer (Ärzte, Apotheker u. a.) zu prämiieren.
Für differenzierte Apothekenpreise
2. Die staatlich regulierten Preis- spannen für den Arzneimittelgroß- handel und die Apotheken trügen ebenfalls nicht zur Belebung des Preiswettbewerbs zwischen den Herstellern von Arzneimitteln bei.
Zudem hätte das Nulltarifsystem des geltenden Sachleistungsver- fahrens die Nachfrage nach phar- mazeutischen Produkten ziemlich preisunempfindlich gemacht. So- lange preispolitische Wettbe- werbsvorstöße in breiten Markt- segmenten keine oder nur gerin- ge Erfolge erwarten ließen, sei es nur zu verständlich, wenn die Arz- neimittelhersteller und in deren Gefolge die einzelnen Handels- stufen auf andere absatzpoliti- sche Instrumente übergingen.
Die Folge: ein als „überzogen"
empfundener Wettbewerb mit den absatzpolitischen Instrumen- ten Werbung, Information, Pro- duktenänderungen, Naturalrabat- ten sowie Forschung und Ent- wicklung.
Professor Hamm empfiehlt, die einheitlichen Apothekenabgaben- preise aufzugeben. Selbst wenn die staatlich festgelegten prozen- tualen Apothekenspannen beibe- halten werden würden, seien die Apotheker bei konsequenter Ein- kaufs- und Sortimentspolitik in der Lage, die erzielten Preisvor- teile an die Versicherten und Krankenkassen weiterzugeben.
Dadurch seien nachhaltig kosten- dämpfende Effekte zu erzielen.
Ebenso sollte den Ärzten erlaubt
werden, das auf simile-Verbot in geeigrieten Fällen aufzuheben oder lediglich einen Arzneimittel- wirkstoff zu verschreiben. Die Er- fahrungen im Ausland hätten er- wiesen, daß auch bei Fortfall des Auseinzelungsverbotes wesent- lich Kosteneinsparungen zu erzie- len seien.
3. Wie auch immer geartete Arz- neimittel-Positiv- oder Negativli- sten, Arzneimittelhöchstbeträge,
Marktwirtschaftler Walter Hamm: Den
„Krankenkassenmarkt" für den Wettbe- werb öffnen! Foto: Clade
rigide Kontrollen, Regreßforde- rungen und moralische Appelle seien zumeist nur von kurzfristi- ger Effizienz. Auch kollektivver- tragliche Vereinbarungen auf der Ebene der Verbände (etwa zwi- schen Bundesverband der Phar- mazeutischen Industrie und Spit- zenverbänden der Krankenkas- sen) seien fragwürdig. Dasselbe gelte für Bestrebungen, die Ver- haltensweisen von Arzneimittel- herstellern in einem Art Ehrenko- dex zu normieren (Beispiele: Wer- bebeschränkungen, Einschrän- kung der Abgabe von Ärztemu- stern, Auflagen für Pharmarefe- renten u. a.).
4. Um die bei verschärftem Preis- und Qualitätswettbewerb zu be-
fürchtenden Einbußen bei den existenznotwendigen Innova- tionsmöglichkeiten zu kompen- sieren, sollten, so ein weiterer Vorschlag von Professor Hamm, die derzeit geltenden Patent- schutzfristen für Patentinhaber in der Pharmaindustrie verlängert werden. Von der derzeitigen, nur auf dem Papier stehenden 20 Jah- re währenden Patentlaufzeit ver- bleibt den pharmazeutischen Un- ternehmen eine effektive Nutzzeit von maximal acht Jahren. Grund:
Die Zulassungsbehörden stellen zunehmend höhere Anforderun- gen an die Zulassung neuer Arz- neimittel, und die Patentschutz- frist beginnt bereits lange vor Ein- führung des Produktes in den Markt.
Bei Verlängerung der Schutzfri- sten wäre die Forderung gegen- standslos, den Marktzugang für Nachahmer — etwa durch Erhe- bung von „Eintrittsgeldern" — zu erschweren.
5. Ein verstärkter Preiswettbe- werb auf dem Pharmamarkt kön- ne auch zu einer Neuorientierung der Forschungs- und Entwick- lungsanstrengungen veranlassen.
Wahrscheinlich sei, daß die Phar- mahersteller zu geänderten Ab- satzstrategien übergingen und es vermieden, „belanglose Produkt- variationen" auf den Markt zu bringen, weil diese bei einem ver- schärften Wettbewerb und bei vertretbar verlängerten Patent- schutzfristen nicht mehr preislich honoriert würden. Die Arznei- mitteldirektbeteiligung sollte von der Festbetragsregelung (heute:
höchstens 2 DM je Verordnungs- blatt) auf eine prozentuale Selbst- beteiligung umgestellt werden.
Solche Selbstbeteiligungen soll- ten bis zu einem jährlichen, sozial gestaffelten Höchstbetrag, in Pro- zent des Einkommens berechnet werden. Allerdings sollen nicht nur die Arzneimittelausgaben, sondern alle Leistungsbereiche erfaßt werden, weil es sonst zu un- erwünschten und unwirtschaft- lichen Nachfrageverlagerungen kommen dürfte. Harald Clade Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 16 vom 17. April 1985 (23) 1151