Krankenversicherung
Preisbildung sowohl im ambulan- ten kassenärztlichen als auch im stationären Bereich sollten künf- tig individualisiert oder zumindest aufgelockert werden. Im gegen- wärtigen System seien fast sämt- liche Möglichkeiten einer wettbe- werbliehen Struktur dadurch aus- geschlossen, daß sämtliche Kas- senärzte und Krankenhäuser, falls sie bestimmte Mindestauflagen erfüllen, per Antrag ipso facto Vertragspartner der Krankenkas- sen werden müssen. Diese inhalt- lichen wie formalen Marktbe- schränkungen will Münnich weit- gehend beseitigt wissen. Dazu zwei Lösungswege:
..,. Auf unterster Ebene schließen die Krankenkassen freie Verein- barungen mit den jeweiligen Ver- tragspartnern. Gleichzeitig müßte der Zwang aufgehoben werden, mit jedem "Marktanbieter" in ver- tragsrechtliche Beziehungen tre- ten zu müssen (sogenanntes se- lektives Kontrahieren, wie bereits in den USA erfolgreich im System der Health Maintenance Organiza- tions erprobt). So viele Vorteile die völlige Vertragsfreiheit auch bieten würde, so sollte der Nach- teil keinesfalls übersehen werden, die mit dieser Lösung verbunde- nen erheblichen "Transaktionsko-
sten". Zudem könnten Anreize ge-
schaffen werden, sich in einem wettbewerbswidrigen Kartell und damit in marktverdrängerischer Absicht zusammenzuschließen.
..,. Demgegenüber präferiert Mün- nich die sogenannte Indemnitäts- lösung der freien Markpreisbil- dung in der sozialen Krankenver- sicherung. Danach soll es jeder Krankenkasse freigestellt bleiben, ihre "Nachfrage"-Preise selbst zu bestimmen, indem sie sich ver- traglich dazu verpflichtet, ein vor- gegebenes standardisiertes und qualitätsabgesichertes Leistungs- angebot nach einer einheitlichen Leistungsdefinition zu regulieren.
Der Vorzug bestünde vor allem darin, daß innerhalb einer be- stimmten Spannweite die Ange- botspreise (Honorare, Pflegesät- ze, Tarife und Preise) differieren
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
könnten, ohne daß dabei die tra- genden Prinzipien der freien Arzt- wahl oder daß für die GKV durch- gängig geltende Sachleistungs- prinzip tangiert würden.
Fragt ein Patient ein über den M indeststandard hinausgehendes Gut nach, so ist er nach den Re- geln des Indemnitätsprinzips ver- pflichtet, die Komfort- und Extra- leistungen gegen einen kostenge- recht kalkulierten Preis zu bezah- len. Ein weiterer Vorteil nach Münnich: Die Entscheidungen der Patienten, soweit sie über den so- zial notwendigen Standard hin- ausgehen, würden nach Knapp- heitspreisen orientiert, so daß ei- ne behördliche und/oder durch die Verbände gelenkte Bedarfs- planung weitgehend überflüssig wäre.
4. Ein wesentliches Marktgestal- tungselement und ein Anreiz zu mehr Wettbewerb sieht Münnich auch darin, daß die "Produktion medizinischer Leistungen" (wie- derum ganz im Jargon des Ökono- men) künftig in der jeweiligen ge- samtwi rtschaftlich sparsamsten und patientenoptimalen Betriebs- form erfolgt. Dies bedinge, daß gesetzliche und berufsständische Beschränkungen (wie etwa das Verbot einer fachgebietsübergrei- fenden Gruppenpraxis oder der engeren Verzahnung von ambu- lanten und stationären Versor- gungseinheiten) aufgegeben und auch Zwischenformen zwischen Krankenhaus und Praxis (insbe- sondere Praxiskliniken und Be- legkrankenhäuser) zulässig und durch besondere Honorare und Preisanreize gefördert werden, falls sie sowohl gesamt- als auch betriebswirtschaftlich sparsam ar- beiten.
Erhebliche Produktivitätsreserven mutmaßt Münnich auch in völlig neuartigen Organisations- und Versicherungsformen, die von pri- vaten Versicherern vorgehalten werden könnten, wie etwa die in den USA entwickelten Health Maintenance Organizations (HMO). Dr. Harald Clade 2624 (32) Heft 37 vom 12. September 1984 81. JahrQang Ausgabe A
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