• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Medizin 1964-1984-1994 im Urteil von Experten (III)" (03.08.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Medizin 1964-1984-1994 im Urteil von Experten (III)" (03.08.1984)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Fortsetzung von Heft 30/1984 und Schluß

Zum Ende seines 20. Sendejahrgangs stellte das am 3. Januar 1964 erstmals ausgestrahlte ZDF-Gesundheitsmagazin „Praxis" 150 nam- haften Medizinern drei Fragen. Mit jeweils drei Antworten sollten eingeschätzt werden: die wichtigsten medizinischen Fortschritte der letzten 20 Jahre; die wichtigsten, die Medizin belastenden Pro- bleme der letzten 20 Jahre; die wichtigsten medizinischen Erwar- tungen der nächsten 10 Jahre. Mit 133 Antworten war die Rücklauf- quote außerordentlich hoch. Die diagnostischen Fortschritte der letzten 20 Jahre wurden allgemein höher eingeschätzt als die thera- peutischen, wie im ersten Teil der Auswertung dargestellt worden ist. Die Antworten auf die zweite Frage zeigten, daß die Medizin heute als stark problembelastet empfunden wird. Bei den Zukunfts- erwartungen mischen sich Hoffnung und Skepsis. Ein abschließen- der Überblick macht die Vielfalt der Urteile deutlich: was der eine als Fortschritt sieht, ist für manchen anderen ein neues Problem.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Medizin 1964-1984-1994 im Urteil

von Experten

Hans Mohl

Prognosen 1984-1994

„Am schwierigsten ist die Ant- wort auf die Frage, was die wich- tigsten medizinischen Fort- schritte der nächsten 10 Jahre sein dürften. Gerade in der Pro- gnostik gab es viele Irrtümer.

Vor 20 Jahren bezweifelte ich, daß es möglich sein werde, Pok- ken und Polio auszurotten (Po- lio: zumindest wirksam vorzu- beugen), rechnete aber mit der Ausrottung von Malaria. Wer er- wartete dagegen die zunehmen- de Bedrohung durch Mykosen, zu schweigen von dem völlig un- erwarteten Syndrom der erwor- benen Immundefizienz (AIDS)?"

„Wie schwierig die Prognostik ist, zeigt sich gegenwärtig selbst im banalen Bereich der amt- lichen Statistik, wo Voraussagen z. B. über Bevölkerungsentwick- lung (die wir im Gesundheitswe-

sen dringend benötigen) immer fehlerhafter wurden, je weiter wir uns von der Basis entfernen, nämlich den Daten der Volks- zählung von 1970. Voraussicht- lich haben wir im Jahre 2000 mehr Großeltern (Personen über 60) als Kinder (0-15), aber die Prognosen der Statistiken seien unsicher, heißt es in Wies- baden beim Statistischen Bun- desamt, nicht nur wegen der verständlicherweise noch unbe- kannten Zahl der Geborenen der kommenden Jahre."

Natürlich: solche Vorbehalte (E.

Maier, Köln) sind berechtigt. An- dererseits erscheinen die Pro- gnosen doch sehr bemerkens- wert, weil der Vorhersagezeit- raum von 10 Jahren für futurolo- gische Aussagen relativ knapp ist und neueste Forschungser- gebnisse, jüngste Fortschritte, frische Erkenntnisse besser ein- kalkulieren lassen; die Hoch-

rechnungen sind einfacher.

Doch stimmt gewiß die Einschät- zung: „Die Vorhersagen werden naturgemäß sehrvon Hoffnungen geprägt." (H. Ippen, Göttingen)

Wichtigste Hoffnung:

Sieg über den Krebs

Auf Platz 1 dieser Liste der Hoff- nungen steht mit deutlichem Abstand die Erwartung, daß Fortschritte in der Ursachenfor- schung, der Früherkennung und der Behandlung von Krebslei- den im nächsten Jahrzehnt zu einem „Durchbruch bei der Be- kämpfung des Karzinoms" füh- ren werden, zu einer „Lösung des Tumorproblems". Neue Er- kenntnisse der Ursachen und Mechanismen der malignen Ent- artung, eine Aufklärung der Ge- nese neoplastischer Krank- heiten, würde eine entscheiden-

(2)

Platz-1- Nennun-

gen Punkte

Gentechnologie 85 13 Krebs

Immunologie

163 124

34 26

Bildgebende Verfahren/

Computer 65 11

Prävention 56 9

Transplantationen Implantations- chirurgie Selbstverant- wortung Arztberufliche Aspekte

40 6

38 5

36 7

30 3

Ganzheitsmedizin 19 2

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizin: Prognosen 1984-1994

de Verbesserung nicht nur von Diagnostik und Therapie errei- chen, sondern auch die Vorbeu- gung insbesondere durch im- munologische Maßnahmen er- möglichen.

Werden einerseits Hoffnungen auf Fortschritte der konservati- ven Therapie gesetzt, so wird von anderen • eine Kausalbe- handlung erwartet, rechnen manche mit Fortschritten in der Chemo- und Strahlentherapie, mit Verbesserungen operativer Techniken bis hin zur Bekämp- fung von Metastasen durch ste- reotaktische Hirnoperationen.

Aussichtsreiche Wirkungen dür- fe auch der Ausbau der fach- übergreifenden Onkologie mit interdisziplinärer Zusammenar- beit und Nachsorge haben.

Deutliche Verbesserungen wer- den ferner durch eine wirksame- re arterielle Perfusion von Or- gankrebsen mit potenteren Che- motherapeutika für möglich ge- halten. Professor E. Krokowski, Kassel, notiert: „Quantenbiolo- gie muß die molekulare Ebene überwinden." Professor L. Kos- lowski, Tübingen, ist der Mei- nung: „Fortschritte in der Krebstherapie sind eher von ei- ner immunologischen als von der zytostatischen Behandlung zu erwarten." Auf diese onkolo- gische Immunologie zur Krebs- bekämpfung entfallen allein 29 Punkte und 7 Erstplazierungen.

Schlüsselrolle der Biochemie

In der Gesamtbewertung der Prognosen nimmt die Immuno- logie nach dem Krebs und vor der Gentechnologie den 2. Rang ein, Beweis, wie einheitlich die Einschätzung ist, daß von der Biochemie die entscheidenden Fortschritte der nächsten Zeit ausgehen dürften. „Die Begrün- dung ist einfach. Hier müssen Fortschritte ‚erzwungen' wer- den, weil dieser immunologi-

sche Bereich zur Schaltstelle für viele weitere Entwicklungen zu nennen ist." (F. W. Ahnefeld, Ulm) — „Die bedeutenden Fort- schritte der immunologischen Forschung konnten bisher noch kaum in die Praxis umgesetzt werden; dies ist jedoch in der Zukunft zu erwarten." (W. Küh- ler, Gießen)

Diese Erwartungen konzentrie- ren sich auf spezifische Behand- lungsmöglichkeiten bei Krebs, alle Erkrankungen des rheuma- tischen Formenkreises, die The- rapie von Immundefekten, Aller- gien, habituellen Aborten, die Behandlung von Autoaggres- sionskrankheiten, eine Verbes- serung der lmmunsuppression nach Organtransplantation, eine weitgehende Beherrschung der Abstoßu ngsreaktion.

Auch der weitere Ausbau von Schutzimpfungen wird immer wieder genannt (gegen Viruser- krankungen, bakterielle Erkran- kungen, gegen Malaria und Sy- philis). Selbst eine immunologi- sche Beeinflussung des Alterns- prozesses wird nicht ausge- schlossen.

Die Bewertung immunologi- scher und gentechnologischer Fortschritte überschneidet sich vielfach. Wird hier einmal die

„Produktion biologischer Sub- stanzen (Impfstoffe, Hormone, Interferon) durch genetic en- gineering in pro- und eukaryoti- schen Zellsystemen und rein synthetische Herstellung dieser Substanzen, wenn deren Amino- säuresequenzen bestimmt wor- den sind", hervorgehoben, (L.

Deinhardt, München), so wer- den andererseits die „Folgen der Entdeckung der Doppelhelix vor 40 Jahren" sehr allgemein zur Grundlage von zu erwarten- den Fortschritten gemacht.

Mehrere Bewertungen gelten der „molekularen Genanalyse im Hinblick auf individuell gene- tische Diagnostik und eventuell Therapie". — Urteile zur Gen- technologie lauten:

> „Feststellung des individuel- len genetischen Codes, der eine besondere individuelle Emp- findlichkeit vor Operationen, Medikamenten, Reisen in die Tropen usw. erkennen läßt." (H.

W. Muschallik, Köln)

> „Weitere Aufklärung von Zu- sammenhängen zwischen Gen- Muster und bestimmten Krank- heiten, entscheidend für geziel- te Prävention." (L. Bock, Essen) Und das ist die Liste der zehn häufigsten Prognosen:

Bei den bildgebenden Verfah- ren steht vor allem das neuarti- ge Verfahren der Kern-Spin-To- mographie, die In-vivo-NMR- Spektro-skopie im Vordergrund.

Hand in Hand damit gehe eine weitere Computerisation der Diagnostik. Computer dürften auch in der allgemeinen Diagno- stik mehr Bedeutung erhalten.

Sie würden eine Informations- verarbeitung in der medizini- schen Praxis und Forschung op- timieren. Erwartet wird auch ei- ne Computersimulation geplan- ter operativer und konservativer Maßnahmen mit ihren Neben- wirkungen und Gefahren.

(3)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizin: Prognosen 1984-1994

Große Erwartungen an die Prävention

Große Hoffnungen konzentrie- ren sich fast gleichrangig auf die Prävention, eine Verbesserung der Vorsorgemedizin mit dem Ziel der Krankheitsvermeidung.

Hier werden einer verstärkten Selbstverantwortung größere Chancen eingeräumt. Eine ver- besserte Gesundheitserziehung würde eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitsbe- wußtseins erreichen, es positiv fördern, eine Änderung belasten- der Verhaltensweisen durch Stär- kung der Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit bewir- ken. „Hoffentlich!", heißt ein er- gänzender Kurzkommentar.

In Verbindung gebracht werden damit ein weiterer Rückgang de- generativer Herz- und Gefäß- krankheiten, die Vermeidung von Krebsnoxen und eine Hin- wendung zu einer Ganzheitsme-

Weiterentwicklung der Ersatzteilmedizin

In der Chirurgie werden weitere Fortschritte insbesondere durch eine Verbesserung und Erweite- rung von Transplantationen er- wartet, einmal zurückzuführen auf die Beherrschung der immu- nologischen Probleme, aber auch etwa durch Inselzell-Trans- plantationen bei Diabetes melli- tus; Pankreastransplantationen werden mehrfach angeführt.

Arztberufliche Aspekte

Arztberufliche Aussichten kon- zentrieren sich auf folgende Be- reiche:

Beseitigung des Massenstudi- ums als Grundlage der Siche-

dizin, eine höhere Relevanz der Psychosomatik, eine Rückbesin- nung auf den Menschen als Ein- heit von Körper und Seele, eine psychosoziale Behandlung und Aktivierung. Der Kostendruck werde diese Entwicklung be- schleunigen. Die Grenzen für die apparative Medizin würden durch die miserable finanzielle Situation gesetzt. Mehr Ver- ständnis für den Kranken würde dann dazu führen, „die wirk- lichen Vorteile für den Kranken realer zu erkennen."

Die Verhaltensmedizin werde dabei bestimmend sein. „Dies wird von allen Seiten bekämpft werden, aber diese Tendenz wird auch in zehn Jahren sie- gen, weil sie allein den Nach- weis therapeutischer Effektivität fordert und bringt. Es ist nicht möglich, daß andere Therapie- formen dies tun, ohne sich selbst aufzugeben und in die Verhaltensmedizin einzumün- den." (J. C. Brengelmann, Mün- chen)

Bei der Implantationschirurgie wird das künstliche Herz zumin- dest als temporärer Organersatz erwartet, rechnet man aber auch mit einer Weiterentwicklung der Ersatzteilmedizin durch Prothe- sen, Schrittmacher und von Cochlea-lmplantaten zur Wie- derherstellung eines begrenz- ten Hörvermögens bei geeigne- ten Patienten.

Vorhergesagt wird eine „ganz- heitsmedizinisch kontrollierte Organspezialchirurgie".

rung einer qualitativ guten Kran- kenversorgung; Neuordnung der ärztlichen Ausbildung durch die Einführung des Propädeuti- schen Jahres; neue Curricula in theoretischen und klinischen Disziplinen; Einführung einer Pflicht-Praxis; Einrichtung von Medizinschulen; die Lösung der medizinischen Fakultäten nach

amerikanischem Vorbild; Stär- kung der Allgemeinmedizin;

bessere Zusammenarbeit zwi- schen den verschiedenen Dis- ziplinen; eine neue medizini- sche Ethik unter Gewichtung möglicher medizinischer Lei- stungen unter Aspekten der Re- levanz für den Betroffenen und die Solidargemeinschaft; eine Reform und damit Renaissance des öffentlichen Gesundheits- dienstes zur Übernahme derje- nigen Aufgaben, die von Klinik und Praxis nicht geleistet wer- den können.

Medizin der Zukunft:

neue Systeme?

Kleinere Prognosen-Schwer- punkte ergeben sich noch zu folgenden alphabetisch geord- neten Punkten: Arzneitherapie, Gerontoprophylaxe, Gesund- heitsforschung, Intensivmedi- zin, Lasermedizin.

Bei der Arzneitherapie steht die medikamentöse Regression der Arteriosklerose obenan, aber auch neue medikamentöse Be- handlungsprinzipien und neue therapeutische Systeme werden herausgestellt. An speziellen Vorhersagen fallen auf: „Opti- mierung und Dosierung der Neuroleptika mit Hilfe der Kon- trolle der feinmotorischen extra- pyramidalen Symptomatik." —

„Individuelle pharmakogeneti- sche Muster großer Bevölke- rungsteile, das heißt der Kennt- nis der jeweiligen besonderen persönlichen Entgiftungsmög- lichkeit und Gefährdung."

Vorbeugungsmöglichkeiten beim Alterungsprozeß werden genauso mehrfach erwartet wie eine systematische Erforschung der Übergangsphase vom Ge- sundsein zum Kranksein. Relativ dürfte die Gesundheitsfor- schung gegenüber der Krank- heitsforschung zunehmen. Auch die Gesundheitserziehung wird mit berücksichtigt, und es wird

(4)

Medizin: Prognosen 1984-1994

eine Analyse dessen erwartet, welche Voraussetzungen gege- ben sein müssen, damit sie mehr bewirkt.

Bei der Intensivmedizin seien wir mit den Möglichkeiten der Beatmung in Intensivtherapie- einrichtungen wahrscheinlich an eine Grenze gestoßen. Neue und völlig andere Verfahren, wie zum Beispiel die vorübergehen- de extrakorporale Zirkulation, könnten eventuell Fortschritte bringen. Vor allem werden sie bei der Intensivmedizin im Um- gang mit Sterbenden und ihren Angehörigen erwartet.

Eine Einzelantwort erhofft lapi- dar „die Rückkehr zu mehr Menschlichkeit und damit zur Besinnung auf die eigentlichen Werte des Menschen".

Unter den weiteren nur verein- zelt genannten Fortschritten fal- len jene Vorhersagen auf, die an erster Stelle genannt waren:

Kontrolle der menschlichen Fortpflanzung; Gehirnwiederbe- lebung; Entwicklung „künst- lichen Blutes" (Fluosole etc.);

Ausbau der sozialpädiatrischen Entwicklungs-Rehabilitation, um die Ausbreitung von Behin- derungen zu reduzieren; Die Er- kenntnis, daß auch der moder- nen Medizin nicht alles möglich ist."

Bilanzen zur Zeit

Das Urteil 133 medizinischer Ex- perten im Rückblick auf Erfolge und Probleme der letzten 20 Jahre und im Ausblick auf zu er- wartende Fortschritte der näch- sten 10 Jahre faßt sicher nur subjektive Bewertungen zusam- men, ohne eine objektive wis- senschaftliche Bestandsaufnah- me geben zu können. Es erfaßt andererseits aber sehr viel kom- petenten wissenschaftlichen Sachverstand; immerhin befin- den sich unter den Befragten

über 75 Direktoren und Chefärz- te von Kliniken, viele Präsiden- ten von Fachgesellschaften und Kongressen, Leiter von Institu- ten und Institutionen. Trotzdem ist das Urteil darüber, was zwi- schen 1964 und 1984 die wich- tigsten Fortschritte waren, ge- wiß ergänzungsbedürftig und dürfte sich darüber hinaus im Abstand der Jahre ändern.

Gewiß ist beim Rückblick zu fra- gen, ob nicht manche Fortschrit- te unterschätzt oder überschätzt wurden, ob nicht Wichtiges ver- gessen, übersehen, falsch ein- geschätzt wurde. Ist etwa die Dialyse wirklich so relativ gering

Viele Fragen bleiben offen

Auch bei den Bilanzen der Pro- bleme und Prognosen bleiben gewiß Fragen offen. Bei den Problemen werden die so oft und vehement beklagten Eng- pässe in der Herzchirurgie we- nig erwähnt. Sind sie doch nicht so belastend? Ist es wirklich richtig, in der extrakorporalen Befruchtung mehr Gefahren und Probleme als Nutzen zu sehen?

Bei den Prognosen taucht die Laserchirurgie kaum auf. Ande- rerseits hat Professor J. Bellin- da, New Orleans, prophezeit:

„Der Laser ist der Schlüssel zum 21. Jahrhundert." Bestehen hier Informationslücken oder ist die- se Vorhersage zu extrem?

Auffällig ist, daß manche Urteile in allen drei Fragekomplexen auftauchen, also völlig gegen- sätzlich bewertet werden, etwa die Gentechnologie. Sie wird einerseits als einer der wichtig- sten Fortschritte unserer Zeit anerkannt (18 Punkte; 3 Erstpla- zierungen), gleichzeitig aber auch als sehr problematische Entwicklung angesehen (40 Punkte; 6 Erstplazierungen). An- dererseits verbinden sich damit

zu bewerten? Ist die hier nur vereinzelt genannte Photoko- agulation nicht viel höher einzu- schätzen? Immerhin hat sie in den letzten zwanzig Jahren ei- nen entscheidenden Durch- bruch in der Therapie von Au- generkrankungen erreicht. Sie hat einige vorher unbehandel- bare Augenkrankheiten erst be- handelbar gemacht. Mehrere zehntausend Photokoagulato- ren stehen heute in aller Welt, retten in jeder Stunde Patienten mit einer diabetischen Retino- pathie vor der Erblindung, dank der Erfindung des Deutschen Professor Dr. Gerd Meyer- Schwickerath, Essen.

für andere größte Hoffnungen (85 Punkte; 13 Erstplazierun- gen).

Inwieweit können wir uns hier und heute dazu überhaupt schon ein verläßliches Urteil bil- den, wenn stimmt, wie Professor P. H. Hofschneider, Bernried, feststellte: „Die Gentechnik un- serer Tage ist der Buchdrucker- kunst zur Zeit von Johannes Gutenberg vergleichbar. Sie ist eine große Erfindung, hat aber ihre Zukunft im wesentlichen noch vor sich."

Widersprüche ergeben sich noch vielfach im Pro und Kontra

— beim Krebs, bei der Speziali- sierung des ärztlichen Berufes, bei der Intensivmedizin, in vie- len Fragen.

Skepsis gegenüber dem „Fortschritt"

So könnte die Experten-Umfra- ge auch hier Diskussionen anre- gen und beleben, genau so wie zur Frage, ob wir uns tatsäch-

lich, wie so oft behauptet, am Wendepunkt von der kurativen zur präventiven Medizin befin- den. „An Fortschritte und besse- re Organisation der Präventiv-

(5)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizin: Prognosen 1984-1994

Medizin wage ich nicht zu glau- ben", resignierte Professor K.

Nitsch, Hannover. Andere glau- ben an den „Wandel von der Heiltechnik zur Heilkunde unter Einbeziehung alternativer Heil- praktiken" (F. Schreiter, Schwelm), erhoffen „mehr Prä- vention als Reparatur", ja, „den

„Aufbau eines supranationalen Weltgesundheitsdienstes."

Professor P. Stoll, Mannheim, schreibt: „Ich erwarte weniger Fortschritte in der technischen Medizin. Ich erwarte Fortschritte in der Humanisierung der Medi- zin, der Erkenntnis, daß Krank- heit Schicksal sein kann, daß ge- sund bleiben ein ständiges Be- mühen um gesundheitliches Verhalten beim einzelnen Men- schen erfordert." — Wie ist das zu fördern, zu erreichen?

Professor C. Schirren, Hamburg, schreibt: „Es erscheint mir we-

Krankheitsverhinderung statt Früherkennung

Ähnlich argumentiert Dr. P. Ko- nopka, Augsburg: „Noch nie gab es so viele disharmonische Menschen wie heute. Das liegt an unserem materiell eingestell- ten Leistungszeitalter, das Lei- stung über alles stellt und so die seelische und geistige Entwick- lung vernachlässigt. Wenn man die Situation so betrachtet, ist es nicht damit getan, Gebote und Verbote zu verkünden, da sie doch auf die Dauer nicht einge- halten werden, wenn die innere Struktur des Menschen nicht da- mit übereinstimmt. Meiner Mei- nung nach muß man die Lebens- weise als den primären Faktor betrachten und nicht die soge- nannten Risikofaktoren. Diese sind allenfalls Risikoindikatoren, die anzeigen, daß die gesamte Lebensweise falsch ist ...

Wenn man nicht bei der Lebens- weise einsetzt, wird man auf die

sentlicher, daß wir zu einer Be- sinnung kommen, als daß ein neuer technisch-technisierter Fortschritt ‚entdeckt' wird, der dann wieder nur ein ‚Fort- Schritt' in des Wortes wahrster Bedeutung sein könnte.

Damit will ich sagen, ein Schritt vom Menschen weg! Wir müs- sen uns als Ärzte aber vermehrt darum bemühen, den Menschen zu sehen, und uns nicht etwa nur mit Hilfe von Instrumenten und Maschinen auf den Kranken stürzen. Das klingt sicher sehr banal und trivial ... wir kom- men aber nicht darum herum, daß Ansprechpartner des Arztes der kranke Mensch ist. Die Ent- wicklung der letzten Jahrzehnte hat in zunehmendem Maße ge- zeigt, daß die Tätigkeit des Arz- tes vermehrt von Instrumenten gesteuert wird und dabei die Be- ziehung Mensch : Mensch zu kurz kommt."

Dauer keinen Erfolg haben. Das haben die insgesamt sehr ko- stenaufwendigen Gesundheits- bemühungen der Vergangen- heit gezeigt, die zwar Erfolg hat- ten, der aber in keinem Verhält- nis zum Aufwand stehen. Nicht die Früherkennung der Krank- heiten, sondern ihre Verhinde- rung ist die Lösung des Pro- blems."

Ein richtiges Ziel und doch ein Irrglaube, daß sich die Medizin in dieser Richtung entwickeln wird? Professor H. J. Dengler, Bonn, hatte dazu schon erklärt:

„Die These, daß die Medizin der Zukunft eine Medizin der Ge- sunderhaltung sein wird, akzep- tiere ich in dieser Form nicht.

Ich glaube, daß nach wie vor die Begegnung mit dem kranken oder auch mit dem sich für krank haltenden Menschen das Kernstück der ärztlichen Tätig- keit sein muß. Dies allein schon deswegen, weil heute die Ver-

führung zu ungesundem Leben von so vielen Seiten ausgeht (Werbung, Massenmedien, Poli- tik, zum Beispiel Tabaksteuer, Getränkesteuer), daß nur deren Beteiligung in gleicher Massie- rung und mit gleicher Attraktivi- tät, aber nunmehr mit umge- kehrten Vorzeichen das Pro- blem des gesundheitskonfor- men Verhaltens lösen kann. Die medizinische Wissenschaft kann und muß Eckdaten liefern, ihre Umsetzung in gesundheits- politische Aktionen muß jedoch von einem sehr viel größeren Kreis als dem der Ärzte getragen werden."

Herausforderung und Denkanstoß

Meinungen, Standpunkte, Weg- weisungen, Überlegungen, Ur- teile aus sehr unterschiedlicher Sicht zu gleichen Fragen. Im Rückblick wie im Ausblick wol- len sie Diskussionen fordern und fördern.

Die 133 Urteile von Experten sind zum Bedenken und Über- denken eine Aufforderung und Herausforderung, selber Stel- lung zu beziehen, selbst die Standortfragen zu beantworten, zu prüfen, wo ist es zu ergänzen, zu korrigieren, zu kommentie- ren? Wo liegen und worin beste- hen Unterschiede der eigenen Wertung zu dem hier vorgeleg- ten Urteil?

Fragen, die zum Denkanstoß werden, die den eigenen Stand- punkt klären sollen über das ei- gene Fachgebiet hinaus, um ei- ne allgemeine Klärung des me- dizinischen Standortes zu errei- chen — heute für morgen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. h. c. Hans Mohl Fontanestraße 49

6500 Mainz 31

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Zur Zeit funktionieren nach ei- nem Jahr noch 60 bis 70 Pro- zent der transplantierten Orga- ne, nach zwei Jahren immerhin noch 50 Prozent.. Die längste Überlebenszeit eines

Par 116 voix contre 2, le Grand Conseil bernois décide de préaviser favorablement au peuple un crédit de 15 millions de francs pour la construction du Centre interrégional

EB Artur-Pappenheim-Preis für Hä- matologie — Die Deutsche Gesell- schaft für Hämatologie und Onko- logie, Köln, schreibt 1984 diesen Preis (Dotation: 10 000 DM) für die

Auch Müdigkeit darf nicht ge- zeigt werden, diese Menschen sind dynamisch im Rahmen des- sen, was sie leisten sollen, und anschließend sind sie begeistert für das große

Gleichgültig, ob es überhaupt ärztliche Sterbehilfe war oder simple Komplizenschaft bei der durch einen „Nicht-Arzt" vor- genommenen Tötung auf Ver- langen: Die Tat und

Aber: „Setzt sich diese Entwick- lung fort, so wird der Arzt immer mehr zu einem Gesundheitsinge- nieur, der in erster Linie mit Labo- ratorien und Computern arbeitet, während auf

„Die größten Fortschritte wurden im Bereich der Diagnostik ge- macht und nicht im Bereich der Therapie." Diese resümierende Anmerkung eines Internisten wur- de durch

Physik, Chemie und Biologie fal- len ganz weg, da sowieso nur Ni- veaupflege, denn bei den Medi- zinmännern der Pygmäen in Queensland sind sie schließlich auch nicht im