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In memoriam Eberhard Zwirner (1899-1984)

Bei einem Versuch, die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Forschers und Gelehrten Eberhard Zwirner zu fassen, drängen sich mir Parallelen zu Jean Piaget auf. Auch wenn Zwirners Werk für sich spricht, können die Parallelen zu dem bekannteren Genfer Forscher doch geeignet sein, die säkulare Bedeutung des Begründers der Phonometrie hervortreten zu lassen. Hatte Piaget, geboren 1896, als junger Wissenschaftler eine biologische Grundlegung der Erkenntnis- theorie beabsichtigt, verband Zwirner, 1899 geboren, in seiner Breslauer Stu- dienzeit Psychiatrie und neukantianische Philosophie. Den Ausgangspunkt für beide Forscher bildete das universale, doch empirische Herausforderung nicht scheuende Interesse an Wahrnehmung und Erkenntnis, Unterscheidung und Urteil - an der geistigen Aktivität des Menschen. Wenn sich Zwirner wie Piaget später auf ein spezielles Forschungsgebiet begab, so hat er darin ein geeignetes Feld zur empirischen Untersuchung des universellen Problems gesehen. Betonte Piaget methodisch die Bedeutung der experimentellen und nachvollziehenden Beobachtung, so legte Zwirner den methodischen Akzent auf quantitative und variationsstatistische Untersuchungen, womit ein bedeutender Beitrag zum Fortschritt der Geisteswissenschaft der Gegenwart geleistet war und Zwirner nicht anders als Piaget als Wegbereiter einer neuen Geisteswissenschaft in die Geschichte eingehen wird.

Die gemeinsam mit Kurt Zwirner entwickelte Phonometrie, die zunächst die Aufzeichnung und Analyse der lautsprachlichen Äußerungen Geisteskranker zum unmittelbaren Zweck hatte, gelangte durch ihre scharfe Kritik am naiven positivistischen Standpunkt der sogenannten Experimentalphonetik gegenüber den Sprachlauten in den 30er Jahren zu einer grundsätzlichen Übereinstimmung mit der Betrachtungsweise der neuen strukturalistischen Linguistik, die den Grund eben der Sprachlichkeit sprachlicher Phänomene zu bestimmen suchte, und zog die Aufmerksamkeit von Sprachwissenschaftlern wie George K. Zipf in den Vereinigten Staaten, Louis Hjelmslev in Dänemark, J. V. Laziczius in Un- garn auf sich. Mit dem Phonologen Nikolaj S. Trubetzkoy und dem Sprachtheo- retiker Karl Bühler kam es zu scharfen Kontroversen. Auf dem fernen südameri- kanischen Kontinent sympathisierte Eugenio Coseriu in den 50er Jahren mit der Zwirnerschen Position und erwies die Phonometrie auf Grund seiner eigenen Sprachtheorie als das, was Phonetik sein sollte. Auch Forscher wie Eli Fischer- Jorgensen in Kopenhagen, Antti Sovijärvi in Helsinki, Sveinn Bergsveinsson in Reykjavik, J. A. Pfeifer in Stanford zeugen von der in die Gegenwart hineinrei- chenden internationalen Resonanz der Phonometrie.

Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte Eberhard Zwirner eine großangeleg- te Aktion von Mundartaufnahmen auf Tonbändern, u. a. um die Mundarten, die

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 5,1 (1986) 3-4

£, Vandenhoeck & Ruprecht, 1986 ISSN 0721-9067

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4 In mcmoriam Eberhard Zwirner

in den verlorengegangenen Gebieten des ehemaligen Deutschen Reiches gespro- chen worden waren, an die Nachwelt zu überliefern. Nicht zuletzt aber hing diese Initiative damit zusammen, daß Zwirner die regionale Differenzierung der deutschen Sprache und Kultur ernstnahm und das historische Leben des Deut- schen weniger im geschriebenen Einheitsidiom als in den regionalen Varietäten der gesprochenen Sprache als Reflexen der Sprachgeschichte sah. Hierin bekun- den sich das historische Interesse und der historische Gesichtspunkt, die hinter der Konzeption quantitativer, statistischer Phänomene in der Phonometrie ste- hen. Von Eberhard Zwirners philosophischer Dissertation „Zum Begriff der Geschichte" bis zu den wissenschaftstheoretischen und programmatischen Überlegungen in seinem Spätwerk bildet die Geschichtlichkeit der geistigen Tä- tigkeit des Menschen ein starkes einigendes Band.

War die Zwirnersche Phonometrie innerhalb Deutschlands von Sprachwis- senschaftlern, die einen traditionellen Standpunkt beibehielten, lange in ihrem Wert nicht erkannt worden, darf heute konstatiert werden, daß Zwirners Gedan- ken über den Kreis der Schüler und ehemaligen Mitarbeiter hinaus wirksam, ja aktuell werden. Eine empirische Dialektologie in der Tradition Eberhard Zwir- ners treiben Hermann Bausinger und Arno Ruoff im Südwesten des deutschen Sprachraums voran. Die Zwirnerschen Archive haben im Institut für deutsche Sprache Mannheim eine dauerhafte Heimstatt gefunden.

Im Oktober 1979 überreichte ich Eberhard Zwirner zu seinem 80. Geburtstag eine Festschrift, die ich mit meinem ehemaligen Kollegen K.-H. Rensch, Austra- lian National University, herausgegeben hatte. Es war die letzte Begegnung mit meinem verehrten Lehrer.

Kennosuke Ezawa {

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