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Archiv "Alma Pater 1984" (07.11.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE GLOSSE

D

ie fünfte Kammer erscheint pünktlich um 10 Uhr: Drei Be- rufsrichter mit makellos wei- ßer Krawatte, dazu zwei Schöffen verschiedenen Geschlechts. Die Parteien erheben sich von den Plätzen — sieben glatthaarige Re- präsentanten der Alma mater ge- gen einen Rechtsanwalt mit Voll- bart und Kraushaar. Verhandelt wird auf Zulassung zum Medizin- studium im WS 80/81 an der Uni- versität in T. — 80/81 — nanu, was soll denn ... das ist doch ... Nein, alles klar!

Die Liste der Zulassungsbegeh- renden ist lang, das Kraushaar weist auf Vollmacht und General- untervollmacht hin und im Zweifel auf den Kollegen, der gleich kom- men werde — da ist er ja schon:

Meckikopf und Halbbrille sowie ernsthafte Mimik mit gelegent- lichen Zwischenaufheiterungen.

Er beteiligt sich mit nu- schelnder Spreche sofort an der Vollmachtenfrage, ob denn alle Beteiligten rechtzeitig geladen worden seien? Nein, einer war nicht zu erreichen — er sei schon anderthalb Monate in Urlaub (auch eine Art Rechtsnotstand).

Debatte im inneren Circle: Liegt Postzustellungsurkunde vor? Was sagt der BGH dazu? Nur die Län- ge des Tarifurlaubs zähle ... Aha!

Allerdings fehle die eidesstatt- liche Erklärung. Wird nachge- reicht. Aber wenn die Eltern sag- ten, der Bewerber studiere inzwi- schen? Das sei doch wohl beweis- kräftig. Die Rechtsanwälte in ihren Talaren beugen sich gierig über ihre Pulte, die Richter in ihren Ta- laren wenden sich ihnen gierig über ihren Tischen zu, alle lächeln sie und wenden sich bei diesem schönen Problem wohlig hin und her — ganz wie Daumier das ge- zeichnet hat: Mon cher Colle- gue ... Um die Sache geht es ih- nen überhaupt nicht — alles klar?

Die anderen sind kurzfristig völlig von der Verhandlung ausge- schlossen und verstehen immer nur „Bahnhof". Dann wird es al- lerdings recht konkret, denn Mek- ki und das Kraushaar nehmen den

Alma Pater 1984

Studienplan der Alma mater aus- einander und zeigen was 'ne Har- ke ist: Der Curricularfaktor 1,7334 für die Vorklinik sei einfach unver- schämt hoch an der Universität in T., Anatomie mit 0,3346 um 0,0271 noch höher als in Heidelberg und das liege schon 0,0017 über Adis Abeba und Timbuktu — auch ein Skandal, denn in Harvard gebe es schließlich nur noch Kurse an Pla- stikpuppen — so eine Art Barbie — überdies Knetgummi, und die Evaluation habe hervorragende

Zeichnung: Otto Schwelge Ergebnisse gebracht — pro Opera- tion nie mehr als eine Leiche!

Aber um die Sache geht es ja oh- nehin nicht — alles klar?

Das Kraushaar fährt fort: Es gibt hervorragende Atlanten, und wenn man es genau bedenke, müßte Medizin eigentlich als Fernstu- diengang angeboten werden kön- nen: Statt im Präparierkurs wird im heimatlichen Schlachthof hos- pitiert (Curricularfaktor 0,1124, Betreuungsverhältnis 1:1, d. h.

pro Sau ein Student), statt Physio-

logiekurs eine Saison Fußball- Bundesliga-Zuschauer (Eintritts- karten über Bafög, Betreuungs- verhältnis 1:10 000, unerhört ka- pazitätsfreundlich), statt Bioche- mie einen chinesischen Kochkurs (Curricularfaktor 0,0028).

Physik, Chemie und Biologie fal- len ganz weg, da sowieso nur Ni- veaupflege, denn bei den Medi- zinmännern der Pygmäen in Queensland sind sie schließlich auch nicht im Curriculum—um die Sache geht es doch ohnehin nicht

— alles klar?

So, nun wolle man mal ans Valu- tieren gehen — aber seit wann re- den denn die so offen über ihre Honorare? Ach so, nein, „Valutie- ren" ist durch Sprachschöpfung des VGH Baden-Württembergs nur ein vornehmer Begriff für die Kontrolle der Lehre geworden — natürlich nur rein formal — denn um die Sache geht es ja nun wirk- lich nicht — alles klar!

Zum Valutieren wird der erste Pro- fessor nach vorn gebeten: Ge- beugt wie ein Sünder, die Arme kraftlos baumelnd, blaß schon vor der ersten Frage tritt er ans Scha- fott der Lehrfreiheit und seiner Würde.

Wo stehen Sie während des Kur- ses, auf welchem Bein und wie lange? Nein, nicht heute, das in- teressiert uns nicht, im WS 80/81 — das Heute verhandeln wir erst so in etwa fünf Jahren, also bitte, sprechen Sie . .

Halt! Das Kraushaar haut roh und herzlos dazwischen: Wenn er das gewußt hätte, würde er Studenten mitgebracht ... Zeugen gegen- übergestellt ... Man habe da trau- rige Erfahrungen gemacht ...

Jüngst in Hamburg ... nein, in Saarbrücken ...

Mecki sekundiert ihm mit blitzar- tig huschendem Lächeln und ern- stem Augenaufschlag zwischen- durch: ... eidesstattliche Aussa- ge ... nur mit Rücksicht auf den Prozeßfortgang heute nicht ...

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 45 vom 7. November 1984 (29) 3317

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE GLOSSE

am Ende kaum zu umgehen . besser jetzt die Wahrheit ... etc.

etc... eben valutieren ... Um die Sache geht es dabei übrigens nicht — alles klar?

Der Professor tritt gebrochen ab, man verzichtet indes auf seine to- tale Zerstörung, weil dies kapazi- tätsmindernd wäre.

Beim Mittagessen (dicke Panade auf Fleischfolie mit Kartoffeln so- wie Kartoffelsalat als Beilage — man denkt unwillkürlich an die Powenzbande!) werden die Schöffen nebenbei befragt: Was meinen Sie denn dazu, wenn man Ihnen als Hausfrau noch zwei wei- tere Putzfrauen in das Eigenheim und Ihnen als Landwirt noch ein Dutzend Praktikantinnen mehr in die Schweinezucht drückte? — Das doch wohl nicht! — Na, denen geht's ja auch um die Sache — al- les klar!

Nach dem Essen wird noch schnell ein Trauerspiel aufge- führt: Drei von der Uni als Terzett vorm Mikrophon; wie Engel in der Christmette erklären sie gänzlich abgeschlafft ihren Lehrexport und entwickeln dazu anhand des Cur- ricularfaktors 3,7517 den Studien- plan Biochemie.

Wenn doch jetzt Baltus Powenz da wäre! Wie würde der mit dem Kartoffelschäler dazwischenhau- en und seine Bande aufhetzen, diesen Spuk zu beseitigen, der ja wohl einmalig ist in der Welt.

Oh mein geliebtes Vaterland! Wie oft hast Du schon im Laufe der Geschichte mit Deiner Prinzipien- treue Schiffbruch erlitten?

Nachdem über lange Zeiten die Universitäten als Stätten der Ge- lehrsamkeit und Weisheit auto- nom ihre Sache betrieben, haben wir Germanen nun der Alma mater die Verwaltungsgerichte als Alma pater übergeordnet: Auf daß die Sache endlich einmal formal per- fekt betrieben werde! Denn auf den Inhalt kommt es ja nicht an — alles klar? MA

Erholungsurlaub?

Die Zahl der sogenannten „priva- ten Zusatzversicherten" steigt nach Angaben der privaten Kran- kenversicherung.

Dies ist jener Teil der Bundesbür- ger, die ihre erste Sicherung bei Erkrankungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sehen, dar- über hinaus aber eine private Zu- satzversicherung abschließen. Sie möchten höhere (Komfort-)An- sprüche an Unterbringung und Behandlung im Krankenhaus stel- len in der Reihenfolge: Zweibett- zimmer, Telefon am Bett, Behand- lung durch den Chefarzt, Nacht- wache.

Für die gesetzliche Krankenver- sicherung sinkt nun der dem Krankenhaus zu erstattende Tagesbetrag um den Anteil, den sich das Krankenhaus aus der Pri- vatliquidation der Chefärzte holen kann.

Dessen sicher verbringt der privat zusatzversicherte Patient seine Tage im Krankenhaus, immer noch felsenfest davon überzeugt, daß es ihm keine Rechnung stellt, sondern die Kostenerstattung di- rekt von der gesetzlichen Kran- kenversicherung erhält.

Später erhält der Patient, nun be- reits zu Hause, die ärztliche Liqui- dation, die einiges Unbehagen in ihm weckt und die er sofort an seine Versicherungsgesellschaft schickt.

Die Zusatzversicherung erstattet den Betrag der Arztrechnung, ge- legentlich mit kleinen Abzügen, direkt auf das Konto des Patienten und jetzt — vergessen sind Leid und Ungemach — steht dieses Geld für den Erholungsurlaub zur Verfügung.

Es kann nicht ausbleiben: Nach einiger Zeit gibt es Ärger mit dem Doktor oder dessen privatärzt- licher Verrechnungsstelle. Aber der Auszahlung des Betrages an

den Arzt kann der Genesene durch den Offenbarungseid ent- gehen...

Dem Arzt bleibt nur das Vergnü- gen einer Auseinandersetzung mit seiner Krankenhausverwal- tung um den seinerzeit gerade diesem Patienten ermäßigten Ta- gessatz, dessen Zahlung die Ver- waltung jetzt selbstverständlich von ihm fordert.

Dies kann er in der befriedigen- den Überzeugung tun, daß sein ehemaliger Patient einen schö- nen Erholungsurlaub gehabt ha- ben möchte ... PS

Agitationshilfe

Die Landesregierung von Nord- rhein-Westfalen hat einen Gesetz- entwurf eingebracht, wonach Ar- beitnehmern zum Zwecke auch der „politischen Weiterbildung"

gesetzlicher Bildungsurlaub auf Kosten der Betriebe gewährt wer- den soll.

Ein entsprechendes Gesetz wür- de gerade die Freien Berufe und kleineren sowie mittlere Gewer- bebetriebe mit unzumutbarer Härte treffen.

Die Impulse zur Allgemeinbildung und zur politischen Bildung soll- ten so stark sein, daß die ja auf- grund der Tarifentwicklung immer noch weiter wachsende Freizeit hierfür genutzt wird.

Der Gesetzentwurf ist das typi- sche Beispiel für gesetzlich ver- ordnete Wohltaten sozialistischer Regierungen auf Kosten der Wirt- schaft und der Freien Berufe. Wer Gelegenheit hat, die politische Bildungsarbeit beispielsweise der den etablierten Parteien naheste- henden Stiftungen zu beobach- ten, muß ohnehin bezweifeln, ob es sich hier wirklich um politische Bildungsarbeit oder nicht doch weithin um ideologische Agita- tionsschulung handelt. F. E.

3318 (30) Heft 45 vom 7. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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