• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ernährung und Krebs: Nicht das „Was“, sondern auch das „Wieviel“ beeinflusst Onkogenese" (16.05.2014)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ernährung und Krebs: Nicht das „Was“, sondern auch das „Wieviel“ beeinflusst Onkogenese" (16.05.2014)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 892 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 111

|

Heft 20

|

16. Mai 2014

A

us epidemiologischen Studien ist bekannt, dass es Zusam- menhänge zwischen der Ernährung und dem Krebsrisiko gibt. Etwa neun Prozent aller Krebsfälle in Europa werden laut Prof. Dr. Ru- dolf Kaaks vom Deutschen Krebs- forschungszentrum (DKFZ) in Hei- delberg derzeit auf Ernährungsfak- toren zurückgeführt – Tendenz stei- gend. Weitere 5,5 Prozent sind durch eine Adipositas bedingt, unge- fähr vier Prozent durch übermäßi- gen Alkoholkonsum. Nimmt man die einzelnen Faktoren zusammen, so macht die Ernährung als Krebs - risikofaktor dem Rauchen, durch das den Schätzungen zufolge rund 20 Prozent der Krebsfälle verursacht sind, zunehmend „Konkurrenz“.

Erhöhte Aufnahme von Fett und tierischen Proteinen

Auch der „Welt-Krebsbericht 2014“

der Weltgesundheitsorganisation be- tonte jüngst, dass bei stark überge- wichtigen Menschen das Risiko für Krebserkrankungen verschiedener Organsysteme erhöht ist. Zusam- menhänge gibt es beim Mamma-, Endometrium-, Kolon-, Cholangio-, Ösophagus-, Pankreas- und Nieren- zellkarzinom.

Die Situation ist bei Männern und Frauen etwas unterschiedlich:

Es wird nach Angaben des DKFZ davon ausgegangen, dass in Europa etwa zwei bis drei Prozent aller Krebsfälle bei Männern und vier bis acht Prozent bei Frauen auf eine Adipositas zurückzuführen sind.

Verantwortlich für die steigende Häufigkeit des Übergewichts und das damit zunehmende Krebsrisiko dürften laut Kaaks die veränderten Ernährungsgewohnheiten in der in- dustrialisierten Welt sein. Zum Tra-

gen kommen vor allem eine erhöh- te Fettaufnahme bei gleichzeitigem Rückgang des Verzehrs faserreicher Kohlenhydrate und ein erhöhter Anteil tierischer Proteine an der Nahrung, insbesondere von rotem Fleisch.

Großangelegte Kampagnen wie etwa „5 a Day“, also die Empfeh- lung, fünfmal täglich Obst oder Ge- müse zu sich zu nehmen, liefen da- bei weitgehend ins Leere: „Prospek- tive Kohortenstudien zeigten ein nur leicht gesenktes Risiko für Tumoren der oberen Atemwege bei hohen Ge- müseverzehr, und vor allem das Lun- genkrebsrisiko bei Rauchern wur- de etwas gemindert. Insgesamt aber sind die Ergebnisse eher enttäu- schend“, so der Krebsepidemiologe.

Es ist zudem schwer, konkrete für den Einzelfall verbindliche Ernäh-

rungsempfehlungen zu formulieren.

So hat beispielsweise die EPIC-Stu- die gezeigt, dass ein hoher Verzehr an Milchprodukten das Risiko der Entwicklung eines kolorektalen Kar- zinoms mindert, gleichzeitig aber die Wahrscheinlichkeit eines Prosta- takarzinoms leicht erhöht. Das Bei- spiel zeigt, dass eine differenzier- te Betrachtungsweise der einzelnen Tumorarten wichtig ist. „Wir brau- chen hierzu neue große Kohorten- studien mit besseren Messmetho- den“, mahnte Kaaks bei einem Pres- seseminar in Heidelberg.

Wesentliche neue Erkenntnisse erwartet er daher von der „Nationa- len Kohorte“ – einer Langzeitbevöl- kerungsstudie, die von einem Netz- werk deutscher Forschungseinrich- tungen aus der Helmholtz-Gemein- schaft, den Universitäten, der Leib- ERNÄHRUNG UND KREBS

Nicht das „Was“, sondern auch das

„Wieviel“ beeinflusst Onkogenese

Ungesunde Ernährung, Übergewicht bis hin zur Fettsucht und das metabolische Syndrom gewinnen Bedeutung als Risikofaktor der Krebsentstehung – ein bislang noch unterschätzter Zusammenhang.

Gegrilltes und Ge- bratenes erhöhen das Risiko, an Kar - zinomen des Ko- lons, des Rektums und der Mamma zu erkranken.

M E D I Z I N R E P O R T

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 111

|

Heft 20

|

16. Mai 2014 A 893 niz-Gemeinschaft und der Ressort-

forschung getragen wird und an der etwa 200 000 Menschen im Alter von 20 bis 69 Jahren bundesweit teilnehmen. Sie werden medizinisch untersucht und nach ihren Lebens- gewohnheiten einschließlich ihren Ernährungsgewohnheiten befragt.

Nach fünf Jahren sollen eine erneute Untersuchung und Befragung erfol- gen, geplant ist ferner eine 10- bis 20-jährige Nachbeobachtungszeit.

Unabhängig von solchen Kohor- tenstudien sind nach Kaaks auch bes- sere Messparameter notwendig, um Risikofaktoren zu erfassen. So ist aus seiner Sicht zum Beispiel der Body- mass-Index nur bedingt geeignet, um ein vom Körpergewicht ausgehendes erhöhtes Krebsrisiko zu erfassen. Der Heidelberger Epidemiologe warnte zugleich vor voreiligen Schlüssen. Es ist aus seiner Sicht klar belegt, dass massives Übergewicht die Krebsge- fahr steigert. Ob im Umkehrschluss adipöse Menschen ihr Krebsrisiko senken, wenn sie abspecken, ist zwar sehr wohl möglich, aber wissen- schaftlich nicht nachgewiesen. Des- halb soll seiner Ansicht nach in erster Linie auf das Vermeiden von Über- gewicht Nachdruck gelegt werden.

Gegenstand intensiver Forschun- gen ist zudem die Frage, wie eine

ungesunde Ernährung und die da- durch bedingten Folgeerkrankungen wie Adipositas und metabolisches Syndrom auf molekularer Ebene die Tumorgenese triggern. Die Fra- ge ist jedoch von hoher Relevanz, denn, so Prof. Dr. rer. nat. Stephan Herzig vom DKFZ: „Rund zehn Prozent der Weltbevölkerung sind derzeit stark adipös.“

Bei verschiedenen Tumoren kön- nen dabei unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. So kann bei- spielsweise die mit dem Überge- wicht meist einhergehende Fettleber die Entwicklung eines Leberzellkar- zinoms forcieren.

Davon abgesehen gibt es nach Herzig offenbar ein charakteristi- sches Muster der Genexpression für metabolisch assoziierte Tumoren, so dass auch genetische Komponenten dafür verantwortlich sein dürften, ob ein metabolisches Syndrom im Einzelfall in einen Tumor mündet.

Zu bedenken ist nach Herzig ferner, dass Tumoren nicht isoliert entste- hen und wachsen, sondern sich ihr Wachstum im direkten Kontakt mit anderen Körperzellen und Organ- systemen vollzieht. „Der Tumor ist damit praktisch wie ein zusätzli- ches Organ zu betrachten, das di- rekt über Stoffwechselprozesse ge- steuert wird“, betonte der Wissen- schaftler.

Fettgewebe: Energiespeicher und Hormonproduzent

Die Tumorentstehung und das Tu- morwachstum können durch ver- schiedenste metabolische Faktoren gefördert werden, wie in Heidelberg dargelegt wurde. So fungiert das Fettgewebe bekanntlich nicht nur als Energiespeicher, sondern ist se- kretorisch aktiv. Es bildet verschie- dene Hormone und steuert damit unter anderem Hunger, Appetit und auch den Stoffwechsel. Außerdem wandelt das Fettgewebe Vorstufen der Sexualhormone in Östrogene um, was einen Östrogenüberschuss bei adipösen Frauen bedingen kann.

Kann dieser nicht ausgeglichen wer- den, so können Wachstums signale auf das Brustgewebe und das Endo- metrium die Folge sein.

Das Fettgewebe sezerniert, so Herzig, außerdem Entzündungsme-

diatoren sowie Adipokine, wobei Menschen mit extremem Überge- wicht mehr Leptin und weniger Adi- ponektin bilden. Das veränderte Ver- hältnis der Fetthormone zueinander kann nach Angaben des DKFZ wachstumsfördernde Signale akti- vieren und hemmende Kontrollme- chanismen blockieren. Das bestäti- gen Tierexperimente, die einen Zu- sammenhang zwischen Leptin und dem Wachstum von Darmkrebs-, Brustkrebs-, Prostatakrebs- und auch Eierstockkrebszellen nach- weisen konnten. Hohe Adiponek- tinspiegel scheinen dagegen die Bil- dung von Tumoren zu supprimieren.

Krebspräventive Effekte verschiedener Naturstoffe

Eine zentrale Rolle kommt ferner dem Insulin zu, und es ist nach Aus- sagen Herzigs gut bekannt, dass ho- he Insulinspiegel auch ohne Vorlie- gen einer Adipositas die Entstehung von Brustkrebs begünstigen. Eine antidiabetische Behandlung kann andererseits das erhöhte Tumorrisi- ko nachweislich mindern.

Tatsächlich aber dürfte der Zusam- menhang zwischen Ernährung und Krebs noch deutlich komplexer sein, wie Dr. Clarissa Gerhäuser vom DKFZ in Heidelberg darlegte. Denn epigenetische Veränderungen können schon sehr früh in der Krebsentwick- lung wirksam werden. Sie können die Genexpression modifizieren, ohne dass sich die Basensequenz ändert.

Das erklärt die in vitro und in vivo nachzuweisenden krebspräventiven Effekte verschiedener Naturstoffe.

„Bekannt sind solche Effekte beispielsweise von der schwarzen Himbeere, von Isothiocyanaten aus Brokkoli und anderen Kohlgemü- sen, von Curcumin aus Curry und auch von grünem Tee“, erklärte Gerhäuser in Heidelberg. Die durch Nahrungsinhaltsstoffe ausgehende Krebsprävention kann in antioxida- tiven Effekten bestehen, in der An- regung von Entgiftungsprozessen und auch in antihormonellen Wir- kungen sowie der Beeinflussung allgemein epigenetischer Mecha- nismen – ein Forschungsfeld, bei dem laut Gerhäuser derzeit noch viele Fragen offen sind.

Christine Vetter

Foto: picture alliance

M E D I Z I N R E P O R T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Um das Rechnen mit Prozent zu lernen, darfst du nun zwei Wochen lang jeden Tag einige Aufgaben rechnen. Die Schwierigkeit nimmt dabei zu. Wenn du in der Schule die schwierigen

Auf Nachfrage sagte Pfennig, dass auch das Jahr 2014 positiv für die Apobank begonnen habe: Die Provisionsergebnisse seien im ers- ten Quartal signifikant

Eine Analyse der 638 Antrag- steller für Medizin ergab, daß von ihnen 131 (20,5 Prozent) ihre Ver- fahren ohne Rechtsanwalt betrie- ben.. Auf sechs Rechtsanwälte ent- fallen 342

Auch von daher drängt sich die Frage auf, ob überhaupt eine über das allgemeine Preissteigerungsni- veau hinausgehende Erhöhung der Röntgenfilmpreise gerechtfer- tigt

In Bezug auf die moderne Transfusi- onsmedizin sei dies eine gravierende Fehleinschätzung, die ein Grund für die geringe Bereitschaft der Deut- schen zur Blutspende sein könnte..

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass nach manueller Reini- gung eine dreiprozentige Glutaralde- hydlösung zur Desinfektion verwandt werden sollte, um das Risiko

ger Zahlen die Trefferrate von Mam- mographie-Untersuchungen zur Früh- erkennung von Brustkrebs abzuschät- zen: Der Nutzen der Röntgenuntersu- chungen wird von Ärzten

Gleichwohl kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass man in Deutschland eher von einer Finanzierungskrise als von einer Kostenexplosi- on im Gesundheitswesen spre- chen