DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
H
offentlich läßt sich kein Arzt die Festtagslaune verderben von dem — ge- linde gesagt — Quatsch, den er in den Tagen und Wochen vor der jüngsten Vertreterver- sammlung der KBV und auch kurz danach in einigen medi- zinischen Gazetten und Ma- gazinen, die sich im Boule- vard-Stil Konkurrenz machen, vielleicht gelesen hat. Vieles war so primitiv-spekulativ wie der in seiner Banalität nicht zu übertreffende Satz über die von der Vertreterver- sammlung am 6. Dezember erwartete „Schicksalsent- scheidung": „Die Prognosen reichen von einer weitgehen- den Zustimmung der Dele- gierten bis zur Ablehnung."Und als letztere nicht kam — das überhebliche „fachjour- nalistische" Urteil über eine große Mehrheit sachverstän- diger Ärzte: „Eine Chance verpaßt."
Konnte sich der eine oder an- dere „Enthüllungspublizist"
vielleicht noch damit ent- schuldigen, daß er an fehler- hafte Tabellen geriet, die für den Papierkorb bestimmt wa-
Chance für die Ärzte gewahrt!
ren (woraus sie eventuell auch gefischt wurden), so sind Behauptungen wie jene, die KBV-Vertreter hätten etwa kein Interesse daran gehabt,
„wo die Grenzen der Umver- teilung liegen", eher wider besseres Wissen formuliert worden.
Dr. Fiedlers Berichtigung:
■ „Seit Monaten sind die Grenzen der kostenneutralen Honorarumverteilung vorge- zeichnet. Die Bewertung der klinisch-chemischen Labor- untersuchungen mit zukünf- tig 40 Punkten ergibt das Hauptreservoir für die Ver- besserung der Gebührensätze ärztlicher Grundleistungen.
Daneben erfolgt eine Auf- splittung der jetzigen Bera- tungsgebühr. Wer also viele klinische Laborleistungen er- bracht und viele Rezepte un-
terschrieben hat, wird natür- lich mit Honorareinbußen rechnen müssen, es sei denn, er stellt seine ärztliche Tätig- keit um. Für viele, ja die mei- sten Kassenärzte wird der neue EBM zweifellos be- trächtliche Vorteile bringen.
Punktuellen Abwertungen bei mehr technisch ausgerich- teten Leistungen steht eine Vielzahl von Leistungsver- besserungen gegenüber.
66 000 Kassenärzte werden also keinesfalls am 1. Juli 1987 ins kalte Wasser sprin- gen. Die Reform ist wohl- durchdacht. Sie bedeutet Fortschritt und angesichts der herannahenden Strukturre- form zugleich Sicherheit für das kassenärztliche Honorar- volumen. Dies haben die De- legierten der Vertreterver- sammlung der KBV erkannt.
Auch die ganz überwiegende Mehrheit der Kassenärzte wird nach der praktischen Er- probung zu diesem Ergebnis kommen."
Dem ist auch aus der Sicht ei- nes um Seriosität bemühten Journalismus nichts hinzuzu- fügen. DÄ
G
erade zu den bevorste- henden Festtagen ent- wickelte der hessische Sozialminister beim Messen der Strahlenbelastung von Lebensmitteln große Phanta- sie. Haselnüsse gingen gleich lastwagenweise dorthin zu- rück, wo sie hergekommen waren, in die Türkei (auch ei- ne Art „Entsorgung"). Bei„Pralinen und Süßigkeiten"
wurden sogar Schokoladen- weihnachtsmänner gemes- sen. Schweizer Käse wurde plötzlich auffällig — natürlich, daran muß man halt denken.
Hartkäse reift lange, die Milch wurde womöglich kurz nach Tschernobyl gemolken.
Hessischer Kräutertee war unbedenklich, schwarzer Tee aus der Türkei dagegen nicht (immer diese Türken!); ir- gendwie verschwinden aber viele Bequerels durch das
Ihnberichte im Wahlkampf
Aufgießen. Sogar hessische Weihnachtsbäume kamen an die Reihe: Als Höchstwert wurden 396 Bequerel „je Kilo- gramm Tannennadeln" ermit- telt.
Manchen wird einiges sehr übertrieben vorkommen. An- dererseits kann sich Minister Clauss vor dem Vorwurf, Wahlkampf mit primitiven Ängsten zu treiben, mit dem Argument retten, die Bevöl- kerung habe ein Recht auf solche Informationen, und er als Minister habe die Pflicht, den Bürger zu informieren.
Dazu kommt allerdings ein Partei-Politikum: Minister Clauss unterstellt dem Bun- desumweltminister Wall- mann, durch das Strahlen- schutzvorsorgegesetz den Ländern verbieten zu wollen, künftig ihre Meßdaten selbst zu bewerten oder eigene Empfehlungen daran zu knüpfen. Die Bundesregie- rung wolle die Menschen weiter in Ungewißheit lassen.
Solch politischer Hickhack ist selbst bei so ernsten Themen sicherlich legitim. Die Argu- mente würden aber bei Intel- lektuellen noch besser an- kommen, wenn das hessische Sozialministerium eine Schreibkraft finden würde, die wenigstens Schlüsselwör- ter wie „Ungewissheit" und
„Meßungen" richtig buchsta- bieren kann! gb
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 51/52 vom 19. Dezember 1986 (1) 3577