Art der Mängel typische Beispiele Anteil am Mängel- aufkommen
Verstoß gegen — keine zwingende Einzelquittie- 50 Prozent die rung bei zusammenhängender
Prüfkriterien Leistungserfassung
— Kassenwechsel falsch unkorrekte Regelprüfung
— Quartalsabgrenzung falsch unkorrekte Erfassung von Lei- stungsbegründungen und er- gänzenden Angaben
— falsche oder fehlende Perso- nenidentifikation
Programmier- — Verschwinden von Leistungen 40 Prozent fehler bei Druckwechsel in die näch-
ste Spalte
— Verschwinden von Diagnosen
— Endlosschleife beim Ausdruck
logische Fehler Verschwinden von Leistungen 10 Prozent aufgrund nicht ausreichender
Dimensionierung von Dateien
— Verschwinden von Leistun- gen aufgrund unterschiedlicher Handhabung bei der Dokumen- tation von Begründungstexten
Tabelle: Mängelübersicht
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
THEMEN DER ZEIT
D
as Rechenzentrum der Kas- senärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) in Köln-Lövenich ist seit nunmehr zwei Jahren gut- achterlich tätig. In den vergange- nen 24 Monaten wurden auf Grundlage der mit dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. (VdAK) vereinbarten Rege- lung die Programme von mehr als 70 Arzt-Computer-Entwicklern eingehend analysiert. Neben die- sem Schwerpunkt des Prüfge- schäfts haben sich im Laufe der Zeit zwei weitere Effekte heraus- geschält, deren Nutzen dem Käu- fer und Betreiber eines Praxis- rechners unmittelbar zugute kommt:> Jede positiv beurteilte Soft- ware weist neben der Einhaltung der streng kontrollierten vertrag- lichen Kriterien ein von der Prüf- stelle gefordertes Qualitätsniveau auf, das den Anwender zumindest vor unnötigem Ärger, nicht selten vor finanziellem Schaden be- wahrt.
D Resultierend aus der intensi- ven Beschäftigung mit dem ein- zelnen Praxis-Computer hat sich in der Kölner Prüfstelle ein diffe- renziertes Wissen über das Ange- bots- und Leistungsspektrum ge- bildet, das jedem ärztlichen Inter- essenten bei der Auswahl des für ihn geeigneten Systems zur Ver- fügung gestellt werden kann.
1. Prüfkriterien / Prüfverfahren Der Start im Jahr 1982 war einer- seits gekennzeichnet von einem sprunghaften Anstieg der Anbie- terzahl, andererseits von gewis- sen Problemen bei der Umset- zung der recht allgemein gehalte- nen Richtlinien') in konkrete Prü- fungskriterien. Die Entwickler von Abrechnungsprogrammen ver- langten zu Recht einen Maßstab,
1) Ergänzungsvereinbarung zum Arzt-Ersatz- kassenvertrag über die Anerkennung
„EDV-gestützter Quartalsabrechnungen"
sowie die Vereinbarung über Vordrucke zum Arzt-Ersatzkassenvertrag vom 1. Ja- nuar 1982. —Seit 1.Juni 1984 entsprechen- de Ergänzungsvereinbarung zum Bundes- mantelvertrag.
an dem abzulesen war, unter wel- chen Bedingungen die Software akzeptiert werden konnte.
Von besonderer Bedeutung wa- ren Definition und prüftechnische Handhabung der von der Kosten-
trägerseile befürchteten, weil von vielen Anbietern propagierten Ab- rechnungsautomatismen. Alle re- levanten Kriterien wurden in einer Broschüre „Kassenärztliche Ab- rechnung mit Praxis-Computern"
zusammengefaßt, die unentgelt- AUS DEM RECHENZENTRUM DER KBV
Computer-Programme für Ärzte auf dem Prüfstand
Mehr als 70 Genehmigungsverfahren abgeschlossen Gilbert Mohr
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 47 vom 22. November 1984 (29) 3489
ENTWICKLUNG IM PRAXIS-COMPUTERBEREICH
Juli '82 Januar '83 Juli '83 Januar'84 Juli '84
80 -
40 - 120-
Darstellung 1:
Der Computer- Boom:
gemeldete und geprüfte Systeme
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Computer
lich von der KBV zu beziehen ist.
Damit konnte jedem Entwickler von Arztcomputer-Systemen ei- nerseits die notwendige Orientie- rung an die Hand gegeben wer- den. Andererseits sind die Vorga- ben nicht so restriktiv, daß Vielfalt oder programmtechnische Kreati- vität darunter leiden müßten.
Ausgehend von den Prüfkriterien wurde ein Verfahren entwickelt (Darstellung 2), das deren Einhal- tung gewährleisten und kontrol- lieren konnte. Grundsätzlich wird die Prüfung in drei Abschnitten vollzogen, die arbeitsteilig von der KBV und der jeweils zuständi- gen Kassenärztlichen Vereini- gung übernommen werden. Wäh- rend die Prüfstelle die Begutach- tung der technischen Dokumenta- tion sowie den Systemtest mit Mu- sterfällen durchführt, ist für die Nachkontrolle der ersten EDV-ge- stützten Quartalsabrechnung die jeweilige KV-Abrechnungsstelle zuständig.
In analoger und substitutiver Wei- se wird das jeweilige System un- ter einem rein sachlich-prüf- technischen Betrachtungswinkel durchleuchtet. Qualitative Aspek- te, beispielsweise Bediener- freundlichkeit, Zeitverhalten oder
Preis-Leistungs-Verhältnis, haben keinen Einfluß auf das abschlie- ßende Prüfurteil. Mit entspre- chenden Modifikationen wird das geschilderte Prüfverfahren künf- tig auch für den RVO-Bereich gel- ten.
2. Mängelstatistik
Nach einer kurzen Einarbeitungs- phase zeigte sich immer deut- licher, daß neben der originären Aufgabe der Prüfstelle — Kontrolle der mit den Kostenträgern ver- traglich vereinbarten Richtlinien — eine Vielzahl von Mängeln ans Licht gebracht werden konnte, deren Auftreten nicht unmittelbar mit dem Prüfungsziel in Zusam- menhang zu bringen war (Tabel- le). Meist handelte es sich dabei um einfache Programmierfehler, die aber unter Umständen beim Einsatz in der Praxis eine außeror- dentliche Wirkung zur Folge ha- ben können. In schwerwiegenden Fällen manifestieren sich solche Fehler in Leistungsverlusten, die sich, bezogen auf das Ziffernauf- kommen, in einer Größenordnung bis zu zehn Prozent bewegen können.
Typische Verstöße gegen die Prüfkriterien, beispielsweise eine
unkorrekte Quartalsabgrenzung oder Regelprüfungen, die von den Bestimmungen der Gebührenord- nung abweichen, sind im allge- meinen schon bei Durchsicht der Dokumentationsunterlagen zu entdecken. Hingegen werden Programmierfehler oder Fehler in der Programmlogik, die in der Re- gel auf oberflächlicher Problem- analyse beruhen, fast ausschließ- lich beim Systemtest mit Muster- fällen offenbar. Das Spektrum der erkannten Schwachstellen reicht von der systemseitigen Verwechs- lung der Kostenträger über das Verschwinden von Abrechnungs- diagnosen bis hin zum Nichtaus- druck von GO-Nummern.
3. Kategorien
Nach jeder abgeschlossenen Prü- fung und unter Einbeziehung der nicht prüfungsrelevanten Sy- steminformationen komplettierte sich in Köln das Bild eines viel- schichtigen und bewegten Mark- tes. Daß Arztcomputer eigentlich nicht vergleichbar sind, mag als Binsenweisheit erscheinen. Es gibt jedoch in prägnanter Weise die Situation auf einem Markt wie- der, der an Heterogenität in bezug auf Preise, Hardware, Software und die jeweiligen Vertriebsphilo- sophien der unterschiedlichsten Anbieter seinesgleichen sucht in der bundesdeutschen EDV-Land- schaft. Was sich bereits dem DV- Spezialisten in Uneinheitlichkeit darstellt, wirkt auf den Laien ab- schreckend und zum Teil chao- tisch. Vor diesem Hintergrund ist die nebenstehende Graphik (Dar- stellung 3) als Wegweiser für den interessierten Arzt zu verstehen.
Die Klassifizierung der Praxis- Computer ist quasi der Extrakt ei- ner zweijährigen intensiven Be- schäftigung mit der Materie. Die einzelnen Stufen werden durch bestimmte Merkmale charakteri- siert, und die jeweils höhere Kate- gorie beinhaltet alle Funktionen der darunterliegenden.
Der Einstieg in die EDV erfolgte bisher in vielen Arztpraxen über Spezialanwendungen oder soge-
3490 (30) Heft 47 vom 22. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A
Systemprüfung der KBV
Verfahrensprüfung
Systemtest mit Musterfällen
Methoden der Anforderungskontrolle
Kontrolle der ersten Abrechnung durch die Kassenärztliche Vereinigung Ergänzungsvereinbarung über EDV-gestützte Quartalsabrechnungen
Prüfkriterien
hirmarbeits
3
20.000
-5 1 MB -U-1 BS
0.000
Umfang der Software
4.Stufe
3.Stufe
2.Stufe
1.Stufe
Praxisint ormationssysterne mit integnei ler Abrechnung
Abrechnungssysteme mit Zusatztunkhonen
20 MB -N-2 es Praxisadministrationssysteme ro
SPEZIALPROGRAMME Konventionelle
Organisation Preise in DM
EDV-Organisation
100 MB 10BS •150 000
50.000
30.000
Privat- liquidation Statistische
Anwendungen
Text- verarbeitung
Darstellung 3: Klassifizierung der Praxis-Computer
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Computer
nannte Insellösungen. Damit sind EDV-Systeme gemeint, die sich auf einen bestimmten Problöm- kreis beschränken. Hierzu zählen statistische Anwendungen, Text- verarbeitung oder die reine Privat- abrechnung. In der Regel bedarf es dabei keiner Genehmigung. Ty- pisches Kennzeichen der Syste- me der zweiten Stufe ist die Tatsa- che, daß es Einplatzsysteme sind und daß der Kern der Software aus dem Abrechnungsteil besteht.
Hinzu kommen gelegentlich eini- ge Zusatzfunktionen wie Mahnwe- sen, Formularwesen und Statistik.
Die Preise bewegen sich auf die- ser Ebene zwischen 15 000 und 35 000 DM.
Praxis-Ad min istrations-Systeme zeichnen sich durch ein erweiter- tes funktionales Spektrum aus und sind prinzipiell mehrplatzfä- hig. Zur reinen Abrechnungssoft- ware kommen z. B. Wartezim- merorganisation, Terminplanung, Regelprüfungen oder die Lohn- buchhaltung. Unter 35 000 DM ist eine derartige Anlage kaum zu be- kommen. Nach oben hin sind die Grenzen allerdings offen, da hier Umfang und Ausstattung der Hardware den primären Kosten- faktor darstellen. Dies ist aber wiederum nicht das Kriterium für den Übergang in die oberste Kate- gorie der EDV in der Arztpraxis.
Praxisinformationssysteme zeich- nen sich vorrangig dadurch aus, daß zu der administrativen Kom- ponente eine medizinische hinzu- kommt. Neben der Bearbeitung der gesamten medizinischen Do- kumentation durch das elektroni- sche Medium und dem damit ver- bundenen Wegfall der Karteikarte werden zusätzliche Informationen wie beispielweise Verlaufskon- trollen oder Prüfungen auf Wech- selwirkungen und Kontraindika- tionen offeriert. Hinzu kommen eventuell noch Ansätze zur medi- zinischen Entscheidungshilfe wie Therapievorschläge oder Diagno- seunterstützung, wobei herstel- lerseitig bestenfalls der pro- grammtechnische Rahmen zur Verfügung gestellt wird. Das Fül- len der „toten" Struktur mit „le-
Darstellung 2:
Prüf- systematik
benden" Daten bleibt dem einzel- nen Anwender überlassen. Wichti- ger Preisbestandteil bei solchen Anlagen war bisher der enorme
Speicherbedarf und, damit ver- bunden, die Installation entspre- chender Plattenkapazitäten. Im Zuge der technischen Innovation,
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 47 vom 22. November 1984 (31) 3491
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
TAGUNGSBERICHTE Computer
speziell auf dem Sektor der Spei- chermedien, sind heute für die höchste Stufe im Arzt-Computer- Bereich Einstiegskonfigurationen ab 60 000 DM erhältlich.
4. Perspektiven
Der Trend geht offensichtlich in Richtung Universalsystem. Das bedeutet unter Umständen, daß von der reinen Privatliquidation über das Einplatz-Abrechnungs- system bis hin zum totalen Praxis- management ein einziges, leicht modifizierbares System die diffe- renzierten Wünsche der ärzt- lichen Klientel zufriedenstellen soll. Dies setzt wiederum eine konsequent geplante und auf fun- diertem Praxis-Know-how basie- rende Programmierung voraus, bei der Segmentierung bzw. mo- dularer Aufbau oberste Maxime ist. Wegen des rapiden techni- schen Wandels wird gleichzeitig ein hohes Maß an Hardware- Unabhängigkeit angestrebt.
Im Hinblick auf die sich verstär- kenden Modifikationen an bereits geprüfter Software sowie die Tat- sache, daß bis zum Jahresende zu etwa 80 Prozent der gemeldeten Entwicklungen ein Prüfergebnis vorliegen wird, werden sich die künftigen Aufgabenschwerpunkte der Gutachterstelle von der Erst- prüfung fort stärker auf den Ände- rungsdienst und die Kontrolle des festgestellten Prüfstatus verla- gern.
Unbestritten erreicht die KBV- Prüfstelle mit dem beschriebenen Verfahren einen hohen Qualitäts- standard der Abrechnungssoft- ware und bietet auch im techni- schen Fortschritt die Gewähr für eine sichere EDV-Anwendung in der Arztpraxis.
Anschrift des Verfassers:
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Gilbert Mohr Prüfstelle der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung Ottostraße 1
5000 Köln 40 (Lövenich)
CSU-Parteitag:
Blüm
blieb einsilbig
S
chade. Bundesarbeitsmini- ster Dr. Norbert Blüm hatte ein anderes Konzept, als er nach seinem Vorredner, dem Frankfurter Professor Dr. Wolfram Engels, Inhaber eines Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre auf dem CSU-Parteitag am 20. Okto- ber 1984 in München über das Thema des Arbeitskreises IV „So- ziale Marktwirtschaft — Ordnung mit Zukunft" sprach.Engels hielt sich an das Motto
„Kursbestimmung" und steuerte grundsätzliche Gedanken dazu bei. Blüm wollte sich überhaupt nicht mit prinzipiellen Fragen be- schäftigen. So griff der Minister nicht auf, was der Professor ihm eigentlich vorgegeben hatte. Der Markt erledige Aufgaben ohne Diskussion, die durch Staatsein- griffe nur problematisiert, freilich nicht oder kaum gelöst würden.
Politische Lösungsversuche bela- steten viele Konflikte eher, als sie zu bewältigen. Beispiele von Pro- fessor Engels: Gesundheitswe- sen, Wohnungswesen, Straßen- verkehr und Arbeitsmarkt.
Auf dem Arbeitsmarkt herrsche am wenigsten Markt. Die Tarifver- träge untersagten Annahme wie Abgabe von Arbeitsleistung unter dem fixierten Preis. Weil so der Markt als Ausgleichsfaktor nicht funktionieren könne, sei der Ar- beitsmarkt in Unordnung.
Blüm blätterte dagegen daran völ- lig vorbei engagiert einen „Er- folgskatalog" dieser Bundesre- gierung auf. Ein Nachholbedarf bestehe nach seiner Meinung in- soweit, als bisher die Forderung
„Tue Gutes und rede darüber"
nicht erfüllt worden sei. Er räumte
Probleme der Rentenversiche- rung ein und wiederholte seine Zusage, wonach die Renten pünktlich bezahlt würden. Doch nicht daran, sondern an der Höhe der künftigen Renten sind ernst- hafte Zweifel geäußert worden.
Der Bundesarbeitsminister pries
„sein" Anrechnungsmodell für die Reform der Hinterbliebenen-
rente ohne Widerspruch in der an- schließenden Diskussion, weil der Organisator dieses Arbeitskreises wohl drei bayerische Staatsmini- ster, die Präsidenten des Bundes- verbandes der Deutschen Indu- strie und der Handwerkskammer für Oberbayern, nicht aber einen Repräsentanten der freien Berufe aufs Podium gebeten hatte.
Zur gesetzlichen Krankenversi- cherung fand Blüm nur eine kurze Bemerkung über die Kranken- hausfinanzierung und die knappe Feststellung, eine Systemreform sei notwendig. Das Gesundheits- sicherungssystem kippe, wenn die Krankenhausfinanzierung nicht „in den Griff" gerate. Die pauschale Zahlung an das Kran- kenhaus bilde die große Versu- chung. Das Erstattungssystem un- terstelle Sparsamkeit für Fremde
— und der „Fremdsparer" müsse erst noch erfunden werden. Die sozialpolitische Hypertrophie, durch die Reform-Euphorie der vorigen Bundesregierung und den Glauben an ein unerschöpf- liches Wachstum hervorgerufen, griff schließlich vor den Partei- tags-Delegierten der Präsident des Bundesverbandes der Deut- schen Industrie, Professor Dr. Rolf Rodenstock, an. Wünsche und Bestrebungen, möglichst alle in- dividuellen Risiken abzudecken — nur nicht für den Unternehmer — seien eben nicht finanzierbar. Ein Sachverständiger aus den Reihen der freien Berufe wäre in der Dis- kussion auf diesen Punkt zurück- gekommen, aber diese Kategorie von Berufstätigen wird in der CSU offenbar nur als zahlende Mitglie- der, nicht dagegen als Mitwirken- de geführt.
Horst Beloch, München 3492 (34) Heft 47 vom 22. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A