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Archiv "Auf der Suche nach effektiver und transparenter Arzneimittelversorgung" (13.03.1980)

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§ 218 StGB

Die pharmakologisch-therapeuti- sche und preisliche Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt zu verbes- sern und dadurch die Anspruchs- erwartungen der gesetzlichen Kran- kenkassen in größerem Umfange als bisher zu realisieren, ist seit langem das offen erklärte Ziel der Kranken- kassenverbände, an der Spitze des Bundesverbandes Ortskrankenkas- sen (BdO). Neue Erkenntnisse zu ge- winnen und „eigene Positionen zu überprüfen und weiter zu entwik- keln", war denn auch Anliegen eines nicht nur auf dem Hintergrund der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion um die sogenannte „Ne- gativliste" mit Spannung erwarteten Experten-Symposiums in der Bad Godesberger BdO-Zentrale zum Ge- neralthema „Medizinisch und wirt- schaftlich rationale Arzneimittelver- sorgung" (am 6. Februar).

Daß sich die Initiatoren von der ganztägigen Veranstaltung auch ei- ne zweckdienliche politische Reso- nanz erhofften, gab der Veranstalter dem Adressatenkreis (Sozial- und Gesundheitspolitiker, Spitzenver- bände der Krankenkassen, der Kas- senärzteschaft, der Pharmaindu- strie, der Ministerien sowie der so- zial- sowie gesundheitspolitischen Redaktionen) bereits im Einladungs- schreiben mit auf den Weg. Ziel soll- te es nämlich sein, „die Diskussi- on um den therapeutischen Nutzen von Arzneimitteln zu verbreitern, zu vertiefen und im Interesse der Entscheidbarkeit gesundheitspoliti- scher Fragestellungen weiter zu ent- wickeln". Die ortskrankenkassenei- gene Bewertung der Arzneimittel- versorgung und des angeblich „völ- lig intransparenten Arzneimittel- marktes" hatten die BdO-Veranstal- ter ebenfalls bereits zum Auftakt schriftlich fixiert: „Die gesetzliche Krankenversicherung ist mit wissen- schaftlichen Untersuchungen kon- frontiert, die einen bemerkenswert

hohen Anteil unzweckmäßiger und therapeutisch bedenklicher Arznei- mittel an den gesamten Verord- nungskosten angeben. Im Rahmen der Leistungsgewährung sind die Krankenkassen an die Grundsätze von Zweckmäßigkeit und Wirtschaft- lichkeit gebunden. Die Möglichkei- ten eines Einflusses sind jedoch be- grenzt und stoßen zum Teil auf er- hebliche Kritik . .."

Mehr Licht in das pharmakapoliti- sche und pharmakologische Dunkel sollten sieben Experten bringen: Der praktizierende Arzt für Allgemein- medizin und Lehrbeauftragte an der Universität Heidelberg, Dr. med. Ge- org Härter, Reilingen bei Mannheim, die drei Pharmakologen Prof. Dr.

med. Peter S. Schönhöfer, Institut für Arzneimittel am Bundesgesund- heitsamt Berlin sowie Medizinische Hochschule Hannover; Prof. Dr.

med. Helmut Kewitz, Institut für Kli- nische Pharmakologie an der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. med. Ul- rich Schwabe, Universität Bonn, der Epidemiologe Dr. med. Eberhard Greiser, Diabetes-Forschungsinsti- tut an der Universität Düsseldorf, der Soziolologe Dr. Axel Murswieck, In- stitut für politische Wissenschaft an der Universität Heidelberg, und der ehemalige Geschäftsführer des ver- anstaltenden BdO, Hans Töns.

Politische Zielrichtung

Daß das ganze Unterfangen des Ortskrankenkassen-Verbandes zwar in den politischen Raum ausstrahlen würde, war den Insidern von vorn- herein klar. Indes kam die argumen- tenreiche Experten-Tagung passa- genweise nicht über eine Bestands- aufnahme hinaus. Das Symposium verdeutlichte aber auch, welche An- sprüche an die staatliche Arzneimit- telpolitik, an die pharmazeutische Industrie, an die verordnenden Kas- Satz 3 RVO zur kassenärztlichen

Versorgung. Um eine bedarfsge- rechte Sicherstellung zu gewährlei- sten, sind die Kassenärztlichen Ver- einigungen durch das Gesetz ver- pflichtet worden, mit ärztlich geleite- ten Einrichtungen, insbesondere Krankenhäuser, auf deren Verlan- gen Verträge über die ambulante Er- bringung dieser Leistungen zu schließen.' Da jedoch das Weige- rungsrecht der Ärzte und des Pflege- personals durch den Anspruch der Schwangeren auf Leistungen der Krankenkasse nicht eingeschränkt werden kann, kann die Sicherstel- lung der ärztlichen Versorgung im Zusammenhang mit Schwanger- schaftsabbrüchen beeinträchtigt sein. Die vom Gesetzgeber geschaf- fene Möglichkeit des Vertragsab- schlusses mit ärztlichen Einrichtun- gen dient dem Zweck, diese Beein- trächtigung so gering wie möglich zu halten, ohne sie jedoch generell und überall ausschließen zu kön- nen."

Stellungnahme der Bundesregierung

Die Bundesregierung geht in ihrer Stellungnahme zu dem Kommis- sionsbericht davon aus, daß Fragen der Familienplanung in letzter Zeit im Bewußtsein der Gesellschaft wichtiger geworden sind. Dabei be- zeichnet sie es als Aufgabe aller ge- sellschaftlichen Kräfte, Barrieren, die auf diesem Gebiet noch vorhan- den sind, abzubauen. Wie Bundes- minister für Jugend, Familie und Ge- sundheit, Antje Huber, in Bonn er- klärte, will die Bundesregierung durch Modellförderung und die Ent- wicklung neuer Aufklärungsstrate- gien für zielgruppenorientierte Bera- tung ihren Beitrag dazu leisten.

In Übereinstimmung mit der Kom- mission ist sie der Auffassung, daß der Schutz des werdenden Lebens besser durch familien- und sozialpo- litische Maßnahmen gewährleistet wird als durch Strafandrohung.

Insgesamt sei zu hoffen, daß der Be- richt dazu beitrage, die Diskussion über die Reform des § 218 StGB zu versachlichen. Peter Mandt

TAGUNGSBERICHT

Auf der Suche nach effektiver und transparenter

Arzneimittelversorgung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 11 vom 13. März 1980 687

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Arzneimittelversorgung

senärzte und die Selbstverwaltungs- gremien gestellt werden, . welche Probleme zu bewältigen sind und welche Konflikte sich auch in Zu- kunft abzeichnen werden. Die Bera- tungs- und Diskussionsergebnisse der Bad Godesberger Tagung lauten thesenartig:

~ Die Arzneimittel leisten einen an- erkannten Beitrag zur modernen Ge- sundheitsversorgung. Ärztliche Be- handlung ist ohne fachmännische Verordnung von Arzneimitteln un- denkbar. Arzneimittel tragen nicht nur zur Heilung und Linderung zahl- reicher Krankheiten wesentlich bei, sie gewährleisten auch, daß dies ko- stensparend und damit wirtschaft- lich geschieht. Der medizinisch- pharmakologische Fortschritt und die praktische Nutzanwendung war in den letzten fünf Dezennien enorm; er gelingt heute nur noch graduell. Allerdings stellt sich bei exponentiell wachsenden Ausgaben im Gesundheitswesen ständig neu die Aufgabe, Möglichkeiten und We- ge zu finden, um Effektivität und Ef- fizienz der Arzneimittelversorgung zu verbessern.

Allein die große Vielfalt der mehr als 22 000 Arzneispezialitäten (alle Dar- reichungsformen: 60 000), die die bundesdeutschen Apotheken anbie- ten, erschwerten nach Meinung vie- ler Experten die angestrebte Trans- parenz auf dem Arzneimittelmarkt und damit die wünschenswerte ra- tionale ärztliche Entscheidung.

Nicht immer sei der Kassenarzt in der Lage, zwischen einer so großen Zahl von Alternativen rational und unter Zeitdruck entsprechend schnell zu entscheiden.

Großapotheke Bundesrepublik BdO-Geschäftsführer Dr. Franz-Jo- sef Oldiges nannte den Grund für die Großapotheke Bundesrepublik Hierzulande würden zu 70 Prozent Kombinationspräparate, aber nur zu 30 Prozent Einzelstoffe verordnet werden.

ln den USA, den Niederlanden, in Großbritannien, Schweden und an-

deren vergleichbaren Ländern sei die Relation genau umgekehrt. Im Rahmen der Behandlung der Herz- muskelinsuffizienz würde noch zu 55 Prozent auf Kombinationspräpa- rate zurückgegriffen. Der hohe An- teil vieler Kombinationspräparate werde überwiegend auf die Wer- bung der Hersteller zurückgeführt, deren Aussagen der Arzt meist nicht überprüfen könne (zumal die Be- weisführung biomedizinisch-statisti- scher Untersuchungen oftmals recht fragwürdig sei).

~ Nach übereinstimmenden Fest- stellungen von Pharmakologen kä- men Fachärzte an Universitätsklini- ken mit weniger als 1000 verschiede- nen Arzneimitteln aus. Hierin seien bereits Mittel mitgezählt, die in der ambulanten ärztlichen Praxis gar nicht verordnet würden. Die Haupt- nachfrage konzentriere sich auf rund 200 Arzneimittel; 94 Prozent des Apothekenumsatzes (1978: 16,3 Milliarden DM) entfallen auf rund 1800 Spezialitäten. Die 500 umsatz- stärksten Medikamente, die öffentli- che Apotheken anbieten, vereinigen rund 68 Prozent des Umsatzes auf

sich. Auf die folgenden 500 Speziali-

täten entfallen weitere 15 Prozent, auf die restlichen 1000 nur noch 11 Prozent des Umsatzes. Zwar läßt die Umsatzstatistik noch keine direkte Schlüsse zu, ob der deutsche Arz- neimittelmarkt übersetzt ist, doch liege eine solche tendenzielle Ver- mutung nahe- so jedenfalls die vom BdO geladenen Experten.

Damit korrespondiert die Vermu- tung, der behandelnde Arzt könne den Arzneimittelschatz heute kaum mehr überblicken. Allgemeinarzt Dr.

Härter betonte, die bundesdeutsche Bevölkerung habe sich zu einer

"over medicatet society" entwickelt.

Obgleich der Hausarzt die persönli- che Beratung und das Gespräch nach wie vor pflege, käme er ebenso wie seine Kollegen heute ohne ei- ne Arzneimittelverschreibung kaum noch aus.

~ Den intensiveren Arzneimittelein- satz in der Arztpraxis führt Härter auf verschiedene Faktoren zurück:

688 Heft 11 vom 13. März 1980

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Neuartige krankheitsauslösende Faktoren (etwa Stoffwechselstörun- gen) würden in der Allgemeinpraxis erkannt und routinemäßig behan- delt. Der wissenschaftliche Fort- schritt habe die Arzneimitteltherapie in den letzten 20 Jahren spürbar ver- bessert, aber auch einem vielfältigen Angebot neuer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten den Weg gebahnt. Zudem nähre das im- mer enger geknüpfte System der so- zialen Sicherung die Erwartungshal- tung der Patienten.

Therapiewahl und Orientierungshil- fen für die Arzneimittelanwendung müßten in der ambulanten Kassen- praxis und im Krankenhaus notwen- digerweise unterschiedlich sein. Dr.

Härter: "Bei 20 bis 30 Prozent psy- chisch Kranker in jeder Allgemein- praxis ist eine Normierung der The- rapie unrealistisch, weil die Befin- densstörungen persönlichkeitsbe- zogen sind; sie werden unterschied- lich vom Kranken bewertet, unter- schiedlich empfunden und unein- heillieh verarbeitet. ... Von Arzt zu Arzt werden gerade auf diesem Sek- tor uneinheitliche Arzneistoffe zur Anwendung kommen ... "

Keine Schmalspurtherapie

~ Die sonst kolportierte Behaup- tung, eine Durchschnitts-Allgemein- praxis komme mit rund 200 Medika- menten aus, widerlegte Dr. Härter durch eigene wissenschaftliche Un- tersuchungen: ln seiner modernen Allgemeinpraxis mit einem relativ breiten therapeutischen Spektrum würden regelmäßig 500 bis 1000 Spezialitäten verordnet.

..". Ohne Zweifel, so Härters Forde-

rung, sollte die Aus- und Fortbildung

der Ärzte in klinischer Pharmakolo- gie verbessert werden, um das Ge- samtrepertoire im Griff zu behalten.

Denn immerhin veranlasse der All- gemeinarzt mehr als 75 Prozent aller Verordnungen und Verordnungsko- sten. Im außerklinischen Bereich bil- deten die Fachgruppe der Allge- meinärzte und Internisten 65 Pro- zent aller Kassenärzte, sie behan- deln aber 75 Prozent aller Patienten,

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und sie bewirkten 65 Prozent aller Krankenhauseinweisungen; sie lö- sen 87 Prozent der Arbeitsunfähig- keitsbescheinigungen aus, und sie verursachen 90 Prozent der Arznei- mittelkosten. "Der Allgemeinarzt so- mit ein Therapeut ersten Ranges, je- denfalls mehr, als alle anderen Ge- bietsärzte zusammengenommen."

(Härter)

Freilich bestritten die Experten nicht, daß die Vielfalt der Arzneimit- tellisten und hochschuleigene Ver- zeichnisse keineswegs Praxiserfor- dernissen entsprächen und kaum die Transparenz erhöhten. Arztindi- viduelle Verzeichnisse zu erstellen, wie empfohlen wurde, sei zwar an- spruchsvoll und aufschlußreich, aber kaum realisierbar.

~ Professor Schwabe bezeichnete allein die von der Transparenzkom- mission beim Bundesgesundheits- amt erarbeiteten Transparenzlisten für bisher zwei Indikationsteilgebie- te (für Herzmuskelinsuffizienz und Herzarrhythmien) als verbraucher- gerecht und für den Therapeuten in- formativ, weil das Arzneimittelange- bot- nach Indikationen geordnet - einen Qualitäts- und Preisvergleich ermögliche. Allerdings sei es ein

"schlechter Witz" (so eine Diskus-

sionsbemerkung), daß diese Listen lediglich als Beilage des "Bundes- anzeigers" veröffentlicht werden.

Verschiedentlich wurde an die Selbstverwaltungen appelliert, den gegebenen Spielraum auszuschöp- fen, um hier die Transparenz zu ver- bessern.

Werbemethoden kritisiert

~ Massive Kritik an den Werbeaus- sagen der pharmazeutischen Indu- strie übte Professor Schönhöfer vom Bundesgesundheitsamt, Insti- tut für Arzneimittel, Berlin. Der hohe Konkurrenzdruck auf dem Arznei- mittelmarkt, das geltende Patent- recht und eine "zu großzügige Ge- setzgebung" führten zu manchen kritikwürdigen Auswüchsen. Auch ließen die dringend notwendigen kontrollierten klinischen Therapie-

Pharma-Bundesverband warnt vor

Politisierung der Arzneimitteldiskussion

Vor einer weiteren Politisierung der Arzneimittelversorgung hat der Bundesverband der Phar- mazeutischen Industrie e. V.

(BPI), Frankfurt, gewarnt. Aktu- ellen Anlaß zu dieser Erklärung gab ein Symposium des Bun- desverbandes der Ortskranken- kassen (BdO) am 6. Februar in Bad Godesberg zum General- thema "Medizinisch und wirt- schaftlich rationale Arzneimit- telversorgung".

Der Pharma-Bundesverband wies darauf hin, daß es nicht Aufgabe der gesetzlichen Kran- kenkassen sei, neben den vom Gesetzgeber beauftragten Be- hörden und beruflich legiti- mierten Angehörigen der Heil- berufe und der Wissenschaft die Qualität des Arzneimittelan- gebots und der pharmazeuti- schen Forschung zu bewerten. Gleichzeitig bot der BPI an, im

studien zur Überprüfung der Wirk-

samkeit neuer Präparate noch sehr zu·wünschen übrig.

Zudem habe das Berliner Amt wenig gesetzliche Handhaben, um unwirk- samen Kombinationsarzneimitteln die Zulassung zu verweigern. Hinzu- komme das "Vollzugsdefizit" im Berliner Gesundheitsamt. Stellen- mangel und völlig überlastete Mitar- beiter ermöglichten trotz hohen per- sönlichen und sachlichen Engage- ments - keine adäquate Prüfung und Bewertung zulassungsrelevan- ter Unterlagen. Leider werde das Verschreibungsverhalten der Ärzte auch vom Einsatz der Werbemittel der pharmazeutischen Industrie be- einflußt. Meistens könnten nur weni- ge Spezialisten die Arzneimittelin- formationen überprüfen, nicht aber die Masse der verschreibenden Ärzte.

Arzneimittelversorgung

Dialog mit den Heilberufen und dem Gesetzgeber an einer sinn- vollen Fortentwicklung des Arz- neimittelwesens mitzuarbeiten.

Anstöße dazu könnten nur von jenen Fachkreisen kommen, die täglichen Umgang mit Arz- neimitteln und den einschlägi- gen gesetzlichen Vorschriften hätten und auch ausreichende Erfahrungen nachwiesen.

Der Pharma-Bundesverband wies eine Presseerklärung des BdO (die die Beratungsergeb- nisse des Symposiums zusam- menfaßtel zurück, derzufolge bei den Ärzten ein "erhebliches Informationsdefizit über Wirk- samkeit und Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln" bestünde. Die von den Krankenkassen be- haupteten "Schwachstellen"

träfen nicht zu. Bei Verwirkli- chung der Ortskrankenkassen- Wünsche, so befürchtet der Verband, würden die forschen- den Unternehmen und die ver- schreibenden Ärzte "in eine tie- fe Abhängigkeit des Staates", vor allem der Krankenkassen,

geraten. HC

Kontrolle und Wettbewerb

~ Mit dem Hinweis auf die USA wurde erörtert, inwieweit "unabhän- gige wissenschaftliche Einrichtun- gen für Arzneimittelforschung" die Situation verbessern könnten. Aller- dings seien die gravierenden verfas- sungsrechtlichen und ordnungspoli- tischen Probleme und Konflikte ei- ner zunehmenden öffentlichen Kon- trolle der Pharmaproduktion und ei- nes den Wettbewerbsregeln unter- liegenden Arzneimittelmarktes noch nicht ausdiskutiert.

Den Wettbewerb auf dem Arzneimit- telmarkt über die Parameter "Quali- tät", "Wirksamkeit" und "Preis" in Schwung zu bringen, empfahl Hans Töns.

~ Die Krankenkassen müßten die Kriterien eines zweckmäßigen und

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 11 vom 13. März 1980 689

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Arzneimittelversorgung

wirtschaftlichen Angebotes beach- ten beziehungsweise auf eine solche Verordnungsweise seitens der Kas- senärzte drängen. Alle Beteiligten müßten nach praktikablen Lösun- gen suchen, um das Arzneimittelan- gebot sinnvoll zu straffen. Ein

„sachgerechter Interessenaus- gleich" (= „Marktgegenmacht" laut Töns) ist nach BdO-Gusto nur dann möglich, wenn die „eindeutige Überlegenheit der Anbieterseite"

durch wirksamkeits- und preisorien- tierte Auswahlentscheidungen und mehr Befugnisse der Krankenkas- sen abgebaut werden könnte.

Dr. rer. pol. Harald Clade

ECHO

Zu: „Patientengerechte Arznei- mittelinformation" von Dr. med.

Karl H. Kimbel in Heft 6/1980, Seite 331 ff.

Schlechte Informationen über Arzneien

„Die Arzneimittelkommis- sion der deutschen Ärzte- schaft hat sich für eine bes- sere Information des Patien- ten bei der Auswahl von Me- dikamenten ausgesprochen und zugleich noch beste- hende Mängel kritisiert. Im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT betonte Kommissionsmit- glied Karl H. Kimbel, es kom- me vor allem darauf an, daß besonders die Arzneien, die ohne ein Rezept des Arztes zu beziehen seien, mit aus- führlichen Beschreibungen versehen würden. Kimbel rügte in diesem Zusammen- hang zugleich, daß der Pa- tient bei freiverkäuflichen Medikamenten erst etwas über Nachteile, Nebenwir- kungen oder Einnahmebe- schränkungen erfahre, wenn er die Packung gekauft und geöffnet habe . . ." (nach ddp in verschiedenen Tages- zeitungen)

FORUM

Viele mögliche Aspekte der Wahrnehmung

Die Problematik beginnt schon bei unserer gewöhnlichen Sinnesbeob- achtung. Der Alltagsmensch ver- meint, in der Wahrnehmung eine ob- jektive Gegenstandswelt fertig vor- zufinden. Eine genauere Analyse zeigt aber, daß unsere alltägliche Art der Wahrnehmung bereits in zu- nächst undurchschaubarer Weise mit begrifflichen Bestimmungen und kategorialen Formungen durch- setzt ist, die in eine bestimmte Rich- tung zielen und die Wahrnehmungs- inhalte in bezug auf ihre objektive Geltung bewerten. Aus der Sinnes- physiologie wissen wir, daß die Wahrnehmung einer invarianten, vom Beobachter scheinbar unab- hängigen objektiven Außenwelt in Wirklichkeit das Ergebnis höchst komplizierter intentionaler Leistun- gen ist, die unter anderem bewir- ken, daß alle dem objektivistischen Modell widersprechenden Wahr- nehmungsinhalte unterdrückt wer- den.

Der natürliche Objektivismus ist nur einer unter vielen möglichen Aspek- ten der Wahrnehmung.

Meines Erachtens ist der natürliche Objektivismus auch die Wurzel des naturwissenschaftlichen Objektivis- mus. Man kann sagen, daß dieser eine Verabsolutierung und Idealisie- rung des natürlichen Objektivismus darstellt. Ebenso haben der Empiris- mus und der Positivismus hier ihre Grundlage. Der Empirist vermeint, die objektive Gegenstandswelt fertig vorzufinden, weil er seine eigene Tä- tigkeit nicht bemerkt. Bloßes Öffnen der Augen oder Ablesen von Skalen genügen dem Empiristen, um zu ei- ner problemlosen, gegen subjektive Voreingenommenheiten scheinbar gesicherten Erfahrung zu kommen.

Insofern hat Popper recht, wenn er diese Auffassung als „Kübeltheorie"

der Wahrnehmung kritisiert: Die Wahrnehmung ist kein Eimer, aus dem man die fertigen Inhalte heraus- nimmt.

Hat schon unsere gewöhnliche Sin- neswahrnehmung keinen rein phä- nomenalen Charakter, sondern ist von bestimmten Vorstellungen und Modellen geprägt, so gilt dies erst recht für die experimentelle Beob- achtung. Beide Formen erfahrungs- wissenschaftlicher Tätigkeit – Beob- achtung und Experiment – enthalten

Die Gewinnung

von Erkenntnissen in der Medizin

Probleme der experimentellen Medizin

Herbert Hensel

Nach landläufiger Meinung besteht Wissenschaft darin, festzustellen, was ist. Das Problem der Pluralität in der Medizin wäre dann eine Frage verschiedener Interpretationen an sich feststehender Tatsa- chen. Wenn aber die sogenannten Tatsachen selbst schon Ergebnis bestimmter Vorinterpretationen und methodischer Ansätze sind. wird es zweifelhaft, ob man zwischen experimentellen Tatsachen und ihrer Interpretation oder zwischen Empirie und Theorie überhaupt trennen kann. Die Grundfrage, mit der ich mich daher zunächst befassen möchte, lautet: Was ist eine experimentelle Tatsache?

690 Heft 11 vom 13. März 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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