Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008 A2335 heute aber an die Medizinethik abge-
geben. Doch kann man wirklich von einer legitimierenden Kraft der Me- dizinethik innerhalb des medizini- schen Diskurses sprechen? Über- schätzt man damit nicht das, was Me- dizinethik leisten kann? Will man Medizin verstehen, so ist ein histori- scher Zugang dringend geboten. Ent- sprechend willkommen ist Levens Geschichte der Medizin von der An- tike bis zur Gegenwart. Florian Steger
THÜRINGEN
Zweierlei Euthanasie
Jena wurde im letzten Jahrzehnt zweimal durch Euthanasie-Vor- würfe gegen prominente Ärzte auf- gestört. Der eine Fall betraf den ehemaligen Leiter der Universitäts- kinderklinik, Jussuf Ibrahim, der andere die frühere Chefin der HNO- Klinik der Universität, Rosemarie Albrecht. Beide sollen während der Nazizeit am Krankenmord in einer Heilanstalt im benachbarten Stadt- roda beteiligt gewesen sein, der eine durch Überweisen schwerstkranker Kinder, darunter zwei ausdrücklich mit dem Vermerk Euthanasie, die andere infolge ihrer Beschäftigung als Volontärärztin auf einer ein- schlägigen Station der Anstalt.
Das von Eggert Beleites heraus- gegebene Buch beschäftigt sich aus- schließlich mit dem „Fall Ibrahim“.
Als Mitte der 90er-Jahre die Vor- würfe gegen Prof. Jussuf Ibrahim öffentlich bekannt wurden, waren die Überraschung, die Empörung und die Ratlosigkeit groß. Denn Ibrahim war ein ungemein beliebter Arzt und hoch geschätzter Klinik- leiter, sowohl während der Nazizeit als auch in der frühen DDR. 1953 starb er im Amt. Seine Klinik und eine Straße wurden nach ihm be- nannt. Die späten Vorwürfe erschie- nen unglaublich. Norbert Jachertz
Eggert Beleites (Hrsg.): Menschliche Verantwor- tung gestern und heute. Beiträge und Reflexionen zum nationalsozialistischen Euthanasie-Geschehen in Thüringen und zur aktuellen Sterbedebatte. Band 4, Schriftenreihe der Landesärztekammer Thüringen, Jena 2008, 317 Seiten, kostenfrei zu beziehen unter Telefon: 0 36 41/61 41 01