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Archiv "NAZIZEIT: Psychomasochismus" (28.08.1985)

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NAZIZEIT

Zu dem Leserbrief von Dr.

med. Hans Narr: „Vergangen- heit aufarbeiten", in Heft 28/29 1985, Seite 2080:

Halbgötter in Schwarz

Herr Kollege Narr hat Recht, wenn er das man- gelhafte politische Enga- gement der deutschen Ärz- te mißbilligt. Man sollte die Vorgänge im Dritten Reich jedoch differenzierter be- trachten. Verbrecher gibt es in allen Berufsgruppen, also auch unter Ärzten.

Entscheidend ist jedoch, ob die Gesellschaft, in der sie wirken, sie gewähren läßt.

Der eigentliche Schuldige an dem Entstehen des Na- ziregimes war die Justiz.

Die Untaten, die z. B. von Ärzten begangen wurden, waren der Justiz bekannt, sie sind von ihr nicht ge- ahndet worden. Es ist die- sen ärztlichen Verbre- chern nicht zu widerlegen, daß sie sich mit ihren Ta- ten im Einklang mit der Ju- stiz befunden hätten. Denn nahezu alle Verbrechen, die von Nazis begangen wurden, sind durch ent- sprechende Gesetze und Verordnungen abgedeckt.

Eine Aufarbeitung die- ser von Halbgöttern in Schwarz begangenen Ver- brechen wäre dringend notwendig.

Dr. med. Oswald Scheibe Arzt für Orthopädie Friedrich-Engels-Allee 282 5600 Wuppertal

Neue

Menschlichkeit?

Wer einen ganzen Berufs- stand wegen seines Ver- haltens in der Vergangen- heit anklagt, einzelne Ärzte als Verbrecher und perver- tierte Monster bezeichnet, wie es Herr Narr tut, ist of- fenbar der Meinung, daß

am 8. Mai 1945, nach dem Ende des zweiten Welt- krieges, bei uns ein neues goldenes Zeitalter seinen Anfang genommen habe, in dem es von Menschlich- keit und Gerechtigkeit, von Moral und Ethik nur so trieft.

Was sagt nun Herr Narr da- zu, daß in unserem „de- mokratischen und sozia- len Rechtsstaat" jährlich 200 000 bis 300 000 Abtrei- bungen erfolgen, daß gan- ze Kliniken ihre Geschäfte mit dieser Massentötung machen, daß auch noch die abgetriebenen Föten gewinnbringend vermark- tet werden! Und das alles auf Krankenschein, wofür haben wir schließlich ei- nen Sozialstaat. Was ist die soziale Indikation anderes als die Vernichtung le- bensunwerten Lebens?

Wie moralisch verkommen muß ein Arzt sein, der sich mit seinem Abtreibungs- opfer für die Zeitung abbil- den läßt ... (Spiegel 1985, Nr. 28, Seite 78), und ein Volk, das solche Ge- schmacklosigkeiten ohne einen Aufschrei der Entrü- stung hinnimmt. Ist das die vielgepriesene neue Menschlichkeit?

Erinnert sei auch an die Genmanipulationen, an die Schießversuche und die Giftgasversuche an leben- den Tieren zur Darstellung von Schußverletzungen und zur Entwicklung von Massenvernichtungsmit- teln (siehe Spiegel aaO., Seite 48).

Wer angesichts dieser all- gegenwärtigen medizini- schen Scheußlichkeiten immer nur von der Aufar- beitung der sogenannten Vergangenheit spricht, setzt sich dem Vorwurf aus, ein Heuchler zu sein oder andere Absichten zu verfolgen, als er vorgibt.

Hedwig Meisel Postfach 102 8133 Feldafing

Psycho-

masochismus

Unter dem Begriff „Ver- gangenheit aufarbeiten"

will der Kollege Hans Narr nicht nur „350 Ärzte der NS-Zeit als Verbrecher, pervertierte Monster" an- erkannt wissen, auch die

„ohne Fehl und Tadel" sol- len als Kollektivschuldige an „der Errichtung des Schreckensystems" über mehrere Generationen hin in Sack und Asche wan- deln.

Anscheinend ist es für

„Nachgeborene" trotz ei- ner Unmenge hervorra- gender Veröffentlichun- gen bekannter Historiker des In- und Auslandes schwer, diese damalige Zeit zu verstehen. Bei eini- germaßen gutem Willen müßte inzwischen doch je- der begriffen haben, was Diktatur in der gehabten, brutalen Form bedeutet hat und daß eine offene Opposition gegen das NS- System unmöglich war, es sei denn, man war lebens- müde.

Damit ist der im betreffen- den Artikel gemachte Vor- wurf, daß bei den damali- gen Ärzten politisches En- gagement oder gar Wider- stand als weitgehend nicht standesgemäß, sogar als unärztlich galt, unrichtig und nur von polemischer Bedeutung.

Die innere Emigration (Wehrmacht, Anpassen, vor allem Schweigen in der Öffentlichkeit) war ein durchaus rationaler und ehrbarer Weg des Überle- bens...

Fünfzig Jahre danach im- mer noch „Vergangenheit aufarbeiten" zu wollen, halte ich für zu spät, und — da man keinen erfolgrei- chen curativen Weg aufzei- gen kann — für eine abge- droschene Phrase, bei manchem eventuell für ei- ne Form des Psychomaso- chismus. Ein nüchterner

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

BRIEFE AN DIE REDAKTION

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 35 vom 28. August 1985 (5) 2449

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

BRIEFE AN DIE REDAKTION

Unentbehrlich für Klinik

und Praxis

Ernst Hochuli

Geburtshilfe, Gynäkologie und Grenzgebiete 2., vollständig überarbeitete Auflage. 1985, 400 Seiten, 70 Abbildungen, 82 Tabellen, gebunden Fr. 112.— / DM 128.—

Pressestimme zur 1. Auflage:

. . es ist bemerkenswert, wie es dem Autor

gelungen ist, die genannten praktischen Einzelheiten mit den neuesten Erkenntnissen auf allen genannten Gebieten zu verbinden und daraus Schlussfolgerungen für den Prak- tiker zu ziehen und gleichzeitig seine eigenen

Erfahrungen miteinfliessen zu lassen."

(Zentralblatt für Gynäkologie)

IH Verlag Hans Huber Bern Stuttgart Toronto

991

Blick in die Gegenwart und jüngste Vergangenheit mit Folter, Mord und Terror machen die Nutzlosigkeit solcher Aufarbeitungen deutlich. Die effektiven Moralvorstellungen sind nämlich machtbesetzt, die Gewissenskonflikte brau- chen nicht einmal ver- drängt zu werden, sie wer- den rationalisiert.

Und so ist zum Beispiel so- gar die jüngste Rehabilita- tion des Stalinismus mit 31 Millionen Toten möglich.

Die anderer Diktaturen kann durchaus folgen.

Schon deshalb ist Realis- mus und genaue Kenntnis der Ursachen gefragt und nicht pauschalierende Schuldzuweisungen. Cui bono? Damit es keine Un- klarheiten gibt: Ich war ein angepaßter NS-Gegner.

Dr. med. Gerhard Keil Maybachstraße 1 2280 Westerland/Sylt

HUNGERSTREIK

Zu dem Leserbrief von Dr.

med. Annemarie Wiegand:

„Berliner Erfahrungen" (Heft 16/1985, Seite 1134), der sich auf einen Artikel von Norbert Jachertz in Heft 6/1985, Seite 305 ff. („Halbherzige Absage an die Zwangsernährung") be- zog:

Unzutreffend

Unter der Überschrift „Ber- liner Erfahrungen" nimmt Frau Dr. Wiegand ... Stel- lung zu den Vorgängen im Berliner Strafvollzug, die 1982 zum Selbstmord des Kollegen Dr. Volker Lesch- horn geführt haben. In diesem Zusammenhang schreibt sie: „Pfarrer Hein- rich Albertz zum Beispiel

... schwang erst nach Leschhorns Tod große Re- den." Diese Behauptung ist unzutreffend. Heinrich Albertz hat während seiner Besuche bei den im Hun- gerstreik befindlichen Häftlingen im Hochsicher- heitstrakt in den Monaten März/April 1981 wiederholt

Zu einer Meldung in Heft 20/1985 eine Zuschrift aus der Rheinischen Landesklinik in Langenfeld, unterzeichnet von 15 Kolleginnen und Kolle- gen (in der Klinik ist auch Dr.

Rüther tätig, der den Antrag, die Haedenkampstraße umzu- benennen, initiiert hat):

Erschöpfend

... haben von dem Antrag des Kollegen Rüther an die Bezirksvertretung Köln- Lindenthal, die Haeden- kampstraße umzubenen- nen, gelesen. Gerade im Hinblick auf den 40. Jah- restag der Zerschlagung des Nationalsozialismus unterstützen wir diese In- itiative ausdrücklich. Wir begrüßen es, daß sich das Ärzteblatt als Forum ver- steht, die Verstrickung ei- nes hohen Ärztefunktio- närs in das NS-Regime zu erhellen, und hoffen, daß über den Fortgang der In- itiative weiterhin erschöp- fend berichtet wird. 111

Kontakt auch mit Dr.

Leschhorn gehabt. Er geht darauf in seinem biogra- phischen Werk „Blumen für Stukenbrock" u. a. wie folgt ein: „Ich werde scheinbar jetzt der Seel- sorger des Gefängnisarz- tes, der die hungernden Häftlinge betreut. Er rief heute morgen wieder an.

Wir haben lange miteinan- der gesprochen. Er hat ei- ne Verantwortung, die kaum noch zu ertragen ist, und wird sehr alleingelas- sen" (Seite 222).

Nach dem Tod von Lesch- horn hat Albertz keine gro- ßen Reden geschwungen, sondern in einem Leser- brief im Tagesspiegel vom 24. Januar 82 geschrieben:

„Ich bin tief bedrückt, daß ich, außer einem Brief an Dr. Vogel gleich nach Be- kanntwerden der Verset- zungsabsichten — auf den offensichtlich auch nur zu spät und zu leise reagiert wurde —, nicht lauter und deutlicher interveniert habe."

Jetzt in der 2. Auflage

2450 (6) Heft 35 vom 28. August 1985 82. Jahrgang

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