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Archiv "Approbationsordnung für Ärzte: Gordischer Knoten: Vorschläge zur Verbesserung der Medizinerausbildung" (02.09.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Die Mängel der Approbationsord- nung von 1970 sind bis zum Erbre- chen oft dargestellt worden — an der Sache hat das nichts, aber auch schon gar nichts geändert:

Das Prüfungssystem ist zerpflückt worden. Das in keinem vergleich- baren Land (Italien etwa ausge- nommen) so ungünstige Zahlen- verhältnis Patienten/Studenten ist akribisch analysiert worden. Die Notwendigkeit einer Praxisphase vor Erteilung der Approbation ist eindringlich begründet worden.

Aber bewegt hat sich nichts. Wäh- renddessen steigen die Zulas- sungszahlen weiter an, weil die Gerichte bei ihrer rein formalen Betrachtung von Kapazitäten im- mer wieder mit neuen Argumen- tationen ein paar Studenten mehr in die restlos überfüllten Kurse stopfen.

Damit aber verschlechtern sich die Ausbildungsbedingungen nur noch mehr: Die Relation Patien- ten/Studenten sinkt weiter ab, die Möglichkeiten einer Überwindung des formalisierten Examens durch Einführung einer mündlichen Prü-

fung verringern sich, hingegen vergrößern sich die organisatori- schen Schwierigkeiten der Durch- führung einer Praxisphase, und so weiter und so fort.

All dem sind die Fakultäten wehr- los ausgesetzt, denn das Gesetz des Handelns liegt schon längst nicht mehr bei ihnen, es liegt auch nicht mehr bei den Politikern, es liegt selbst nicht bei den Ministe- rien, sondern es liegt bei den Ge- richten.

Die Qualität der ärztlichen Ausbil- dung hängt heute im letzten ab von den Verwaltungsgerichten, obwohl — notabene! — in ihren Ver- handlungen nach allem mögli- chen gefragt wird, nur nicht nach irgendeiner Qualität: Weder die Qualität des Lehrpersonals wird berücksichtigt (Kopf ist da Kopf und jede andere Betrachtung wür- de den Gleichheitsgrundsatz ver- letzen und die Multiplikation kom- plizieren), noch die unterschiedli- che Lehrgeeignetheit der Patien- ten findet Beachtung (dann ließe sich vermutlich überhaupt nicht

mehr multiplizieren), und schon gar nicht werden triviale Lebens- erfahrungen respektiert, wie etwa:

Eine Kette ist so schwach wie ihr schwächstes Glied.

So vereinfacht man sich die Ent- scheidungsfindung, indem man die Spezialisierung und Differen- ziertheit der modernen Medizin gleich ganz außer acht läßt. — Bett rechnet man als Bett und geht nicht vom Lehrpotential einzelner Fächer, sondern von „Lehreinhei- ten" aus. Das sind die für Zwecke der Kapazitätsermittlung (sic!

nicht etwa für die Ausbildung zum Arzt) abgegrenzten fachlichen Einheiten.

All dies geschieht, weil nicht ande- re Rechtsgründe nachgewiesen werden, die den Vorrang hätten gegenüber dem grundgesetzlich garantierten Anspruch auf freie Berufswahl. So bleibt die Qualität der Ärzte bei den Verhandlungen ausgeklammert — bzw. das ist doch wohl nun Sache der Fakul- täten!

Ist es das wirklich? Bei zwei ganz entscheidenden Schritten des Stu- diums, nämlich bei der Zulassung und bei den Examina, werden sie nicht gefragt, werden sie überrollt, sind sie entmündigt — und die Ver- antwortung für die Qualität der Ausbildung soll doch bei ihnen lie- gen? Als würde man einem Eunu- chen zur Pflicht machen, nicht nur sehr viele, sondern auch noch sehr kräftige Kinder zu zeugen!

Tatsache ist: Im Rahmen des gülti- gen Ausbildungsschemas wird die Qualität der Ausbildung nicht be- achtet und nicht kontrolliert. Dies ist einmalig in der deutschen Uni- versitätslandschaft und dürfte wohl auch einmalig in der Welt sein: Nur 0,2 beziehungsweise 0,3 Prozent der Kandidaten versagen endgültig in den Abschnitten des ärztlichen Examens.

Nun müßte dies für sich genom- men kein Nachteil, sondern könn- te durchaus wünschenswerte Fol- ge einer besonders guten Ausbil- FORUM

Approbationsordnung für Ärzte:

Gordischer Knoten

Vorschläge zur Verbesserung der Medizinerausbildung

Michael Arnold und Lawrence von Karsa

Zehn Jahre werden nunmehr Mediziner nach der Approbations- ordnung von 1970 ausgebildet, die einst als Jahrhundertwerk erschien und deren vierte Novellierung inzwischen wegen konzep- tioneller, politischer, juristischer und organisatorischer Schwierig- keiten nicht gelingen will. Dabei wartet alles auf eine solche Novellierung, weil eigentlich niemand mit der derzeitigen Ausbil- dung zufrieden sein kann. Die Verfasser plädieren für eine Tren- nung der Rolle des Staates von der Rolle der Fakultäten, um das Ausbildungsniveau zu heben.

60 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Approbationsordnung für Ärzte

dung sein. Da das Examen aber nicht Können, Fertigkeiten, Kennt- nisse und Haltung prüft, sondern nur kognitives Wissen, findet kei- ne Diskriminierung der guten von den schlechten Kandidaten statt.

Es wird auch nicht überprüft, ob der Kandidat den Erwartungen entspricht, die aus den Aufgaben des approbierten Arztes folgen, sondern es wird der aus den nor- mativen Vorgaben der Approba- tionsordnung für Ärzte (AppOÄ) zu gewährleistende Minimalstandard an theoretischen Kenntnissen überprüft.

Anspruch

und Wirklichkeit stimmen nicht überein

Stern und Tettlinger weisen in ih- rem subtilen Gutachten über die normativen Gestaltungsmöglich- keiten zur Verbesserung der Qua- lität der medizinischen Ausbil- dung (Köln 1981) darauf hin, daß

„jeder, der sie durchlaufen und die geforderten Prüfungsnachwei- se erbracht hat, grundsätzlich im- stande sein muß, den an ihn bei der späteren Berufsausübung zu stellenden Anforderungen nach- zukommen".

Diese Anforderungen wiederum folgen implizit aus der Aufgaben- beschreibung des approbierten Arztes: „Im Rahmen seiner Heiltä- tigkeit soll er nicht irgendwelchen Weisungen Dritter unterliegen, sondern die zu treffenden Ent- scheidungen ausschließlich in Orientierung an den jeweiligen medizinischen Sacherfordernis- sen und gestützt auf sein ärztli- ches Berufsethos selbständig und eigenverantwortlich fällen."

Sind aber unsere an den „kapazi- tativen Lehreinheiten" ausgebil- deten frisch approbierten Ärzte wirklich in der Lage, diesem An- spruch zu genügen? Wohl keiner, der dies mit Überzeugung bejahen könnte! Warum müssen dann aber die Qualitätseinbußen noch „sub- stantiiert" werden, wenn die Aus-

bildungsrealität den Empfehlun- gen des Wissenschaftsrates 1976 widerspricht, nach denen es mit der AppOÄ darum gehe, „durch die Herstellung eines stärkeren, unmittelbaren Kontaktes zu den Patienten, die Anschaulichkeit des Unterrichts zu verbessern, be- stimmte Fertigkeiten bereits im Studium, nicht erst in einer späte- ren Phase ärztlicher Tätigkeit praktisch zu vermitteln und insge- samt bereits in den ersten Phasen der klinischen Ausbildung den entscheidenden Schritt von der passiv rezeptiven Aufnahme eines bestimmten Wissensstoffes zur Aktivierung dieses Wissens in der unmittelbaren Begegnung mit dem Patienten vorzubereiten. Um dieser Zielsetzung willen ist der von der Approbationsordnung ge- forderte Unterricht in kleinen Gruppen ein unverzichtbarer Be- standteil der medizinischen Aus- bildung".

Das alles ist aber offenbar von den Gerichten nicht zur Kenntnis zu nehmen, solange unklar ist, ob die Mediziner „nach Maßgabe der Rechtsnorm Schwächen und Defi- zite aufweisen". Na ja, und da „in der Rechtsnorm kein Minimalpro- gramm unmißverständlich als sol- ches gekennzeichnet und in einer rechtsstaatlichen Bestimmtheits- anforderungen genügenden Wei- se erkennbar formuliert ist", kön- nen wir zwar gelehrt über die Nützlichkeit der Qualität des Arz- tes für die Volksgesundheit disku- tieren, aber das alles bleibt ohne Einfluß auf die Zulassungspraxis.

Immerhin tröstlich: ,Der Normge- ber der Höchstzahlverordnung ... sei nicht zum Schlechtesten, was der Approbationsordnung als Ausbildung noch genügt, ge- zwu ngen".

Aber ist dieses Schlechteste nicht schon längst erreicht, wenn wir nur noch von Minimalanforderun- gen, Minimalprogrammen und Mi- nimalstandards des Arztes spre- chen? Bleibt da nicht längst die

„Volksgesundheit als absolutes Gemeinschaftsgut — hinter dem

grundgesetzliche Gewährleistun- gen zurückzustehen 'hätten!" auf der Strecke? Muß wirklich der Stu- dienbetrieb zusammenbrechen, damit die Kapazitätsverordnung geändert wird? Und ist es nicht ein Armutszeugnis für unseren Staat, daß Gerichte feststellen, „es sei verfassungsrechtlich erlaubt, ei- nen gehobenen, wenn auch nicht einen optimalen Ausbildungslevel zum Maßstab zu machen?" Soll denn nun alles den Gerichten überlassen werden, und nehmen die Fakultäten eigentlich alles hin?

Die Juristen haben nach gewissen Normen zu urteilen, um das ord- nungsgemäße Funktionieren des Gemeinwesens bei größtmögli- chem Schutz der Einzelinteressen zu garantieren. Mit ähnlicher Ziel- setzung muß dem Staat daran ge- legen sein, das Vorliegen einer Mindestqualifikation für die ärztli- che Berufsausübung bestätigt zu erhalten, für welche die Fakultäten mit dem Studium die Vorausset- zungen liefern. Sie ihrerseits aber müssen ihrem Selbstverständnis entsprechend ein Optimum an Studienerfolg zu erreichen und zu gewährleisten suchen.

Fakultäten:

Kein Einfluß auf die Prüfung

Eine gedankliche Trennung von Kontrolle der Berufsqualifikation und Nachweis des Studienerfol- ges macht die Konsequenzen des derzeitigen Vorgehens für die Fa- kultäten deutlich: Sie haben trotz ihrer überragenden Rolle in der Ausbildung keinen Einfluß auf die Prüfung, was dazu führt, sich im Lehrangebot nach den staatlichen Minimalanforderungen für die Be- rufsqualifikation, nicht aber nach einem Optimum des Studienerfol- ges zu richten und die Verantwor- tung abzuschieben: Auf den Staat und auf die Studenten, wo sie selbst doch in Wirklichkeit die Ver- antwortung für die Ausbildungs- qualität des ärztlichen Nachwuch- ses tragen!

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 35 vom 2. September 1983 63

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Approbationsordnung für Ärzte

Von Fakultätsmitgliedern wird heute laut beklagt, daß Studenten die Universität verlassen und die Approbation erhalten, die nicht in der Lage sind, selbständig ärztlich tätig zu werden. Das trifft aber in erster Linie uns, die in den Fakul- täten nicht verhindern, daß so et- was geschieht: Man kann nicht er- warten, daß der Staat zur Quali- tätsverbesserung die Zulassungs- zahlen reduziert, solange die Fa- kultäten unter den jetzigen Ver- hältnissen nicht alle Möglichkei- ten ausgeschöpft haben, durch entsprechende Überprüfungen ei- ne verantwortliche Qualifikation der Absolventen zu garantieren.

Aber könnten sie denn nicht im gegebenen oder nur geringfügig geänderten rechtlichen Rahmen die Initiative zu einer solchen Qua- litätssicherung ergreifen?

Im Gutachten von Stern und Tett- linger wird es mit aller Zurückhal- tung für möglich erachtet (das heißt, es bestehen keine verfas- sungsrechtlichen Bedenken!), daß

„zur Anhebung des Ausbildungs- und Prüfungsniveaus ein mit über- zeugenden Argumenten getrage- ner Nachweis von Schwächen und Defiziten zu einer Novellierung der AppOÄ führen kann". Aber wie sollen Schwächen und Defizite denn nachgewiesen werden, wenn die Fakultäten gar nicht oder nur ganz punktuell und eingeschränkt prüfen?

Zugegeben: Die Qualität der Aus- bildung ist nicht einfach durch ei- ne Änderung des Prüfungssy- stems zu verbessern, aber nur über dieses ließe sich das Engage- ment des Lehrpersonals stärken, ließen sich die Anforderungen er- höhen, um Anschluß an ein inter- nationales Niveau zu halten, ließe sich eine Kontrolle der eigenen Bemühungen durchführen.

Hier die Wende nur von einer staatlichen Reform zu erwarten, alle Hoffnungen auf eine Novellie- rung der Ausbildungsordnung zu setzen, selbst aber in Lethargie zu verharren, stünde unstreitig in ei-

nem merkwürdigen Gegensatz zu dem laut beklagten Autonomiever- lust der Fakultäten. Diese Lethar- gie müssen und können die Fakul- täten überwinden, indem sie sich auf die ihnen verbliebenen Mittel besinnen.

An einer Stelle der Ausbildung nämlich ist die Autonomie der Fa- kultät unangetastet geblieben: Bei der Scheinvergabe. Hier versagen im Augenblick die meisten Mitglie- der der Fakultät, denn die Schein- vergabe erfolgt bis auf wenige Ausnahmen ohne eine wirkliche Erfolgskontrolle. Es lassen sich dafür gewiß viele Gründe nennen, gute und schlechte: Ein guter Grund liegt im Wissen um das nur begrenzte didaktische Ziel eines jeden Kurses. Am Ende eines Kur- ses kann verständlicherweise nicht das ganze Fachgebiet ge- prüft werden — dann wären die Schlußexamina obsolet. Ein schlechter Grund liegt vor, wenn aus Resignation und um des lie- ben Friedens willen (Cave Verwal- tungsgerichte!) oder aus purer Angst vor studentischen Repres- sionen Scheine ohne jede Kontrol- le erteilt werden.

Das widerspricht jedoch dem Buchstaben der gültigen Ausbil- dungsnorm und gewiß auch ihrem Sinn. Im Positionspapier des Bun- desgesundheitsministeriums vom 31. 7. 81 wird dezidiert gefordert,

„Leistungskontrollen im Rahmen der Scheinerteilung bei den Pflichtpraktika verstärkt mündlich praktisch auszurichten".

Diese in der Scheinerteilung lie- genden Kompetenzen ließen sich doch jetzt schon nutzen, um den Studienerfolg differenzierter als heute üblich zu gewährleisten.

Was spricht dagegen, die Erfolgs- prüfung, zum Beispiel aller vorkli- nischen (und entsprechend aller klinischen) Kurse zusammen vor- zunehmen in Form einer Kollegial- prüfung, für die sich die medizini- schen Fakultäten Prüfungsord- nungen wie alle anderen Fakultä- ten auch geben müßten? Was

spricht eigentlich dagegen, daß die Fakultäten sich so das zurück- holen (indem sie nur Bestimmun- gen der gültigen Ausbildungsord- nung in ihrem Interesse auslegen), was ihnen genommen wurde: Die Überprüfung der eigenen Studen- ten. Wohl keine andere Fakultät als die medizinische, die sich so perfekt hat entmachten lassen! — Denn gibt es andere Fakultäten ohne Prüfungsordnung?

Es bestehen — darauf weisen Stern und Tettlinger ausdrücklich hin — keine verfassungsrechtlichen Be- denken gegen eine damit verbun- dene „Verschärfung subjektiver

Berufszugangsvoraussetzungen, sofern sie sich innerhalb der gülti- gen Norm halten". Auch nach höchstrichterlichem Spruch sei

„selbst ein gewisser ‚Überschuß' an Ausbildungs- und Prüfungsan- forderungen hinzunehmen".

Darüber hinaus gäbe es — würde man diesen Vorschlag realisieren

— (erstmals!) eine Zulassung zum Medizinstudium und nicht wie bei den jetzigen Verhältnissen eine de facto Zulassung zum ärztlichen Beruf ohne entscheidende Quali- tätskontrolle.

Eine Unterscheidung von Zulas- sung zum Studium und Zulassung zum ärztlichen Beruf ist auch nach Stern und Tettlinger anzustreben,

„obgleich Verzahnungen und Überschneidungen unvermeidbar seien". Zwar stellt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. 7. 72 „die Ausbildung die Vorstufe einer Berufsaufnahme dar (beides seien integrierende Bestandteile eines zusammenge- hörenden Lebensvorganges)", aber doch nicht im Sinne einer automatisch gegebenen Folge des einen aus dem anderen! Was wür- de daraus denn für die Lehramts- kandidaten folgen oder erst für die Juristen selbst, die so streng zwi- schen guten und schlechten Kan- didaten diskriminieren, daß nur rund 40 Prozent der Absolventen in den Staatsdienst gelangen kön- nen — nachdem etwa 15 Prozent gar nicht erst bis zum zweiten 64 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Approbationsordnung für Ärzte

Staatsexamen kommen konnten.

Aber die medizinischen Fakultäten haben sich der Verpflichtung ent- zogen, selbstverantwortlich die Qualifikation des ärztlichen Nach- wuchses zu garantieren, und die Verantwortung hierfür auf die Zu- lassung abgeschoben.

Was es außer der Erfolgskontrolle durch die Fakultäten dann noch an staatlichen Examina gibt und in welcher Form und mit welchen Konsequenzen — das alles bleibt Sache des Staates, aber erst nach- dem die Fakultäten die erfolgrei- che Absolvierung eines Medizin- studiums bestätigt haben*).

Dabei darf es allerdings den Fakul- täten nicht darauf ankommen, ei- ne „Niveaupflege" zu treiben, son- dern ihren Aufgaben und ihrem Selbstverständnis entsprechend den akademischen Standard für die Medizin zu gewährleisten.

Trennung von Studienerfolg und Berufsqualifikation nötig

Eine Trennung von Erfolgsprü- fung des Studiums und Kontrolle der hierbei erreichten Berufsquali- fikation (mit der weitergehenden Folge der Approbationserteilung) würde nicht nur den Fakultäten das Gesetz des Handelns zurück- geben. Sie würde dem Staat auch Möglichkeiten einräumen, geeig- net erscheinende zusätzliche Kri- terien für die Approbationsertei- lung festzulegen, die im Rahmen eines Universitätsstudiums keine oder nur eine untergeordnete Rol- le spielen.

Zum Beispiel ließen sich so die Anliegen der Allgemeinmedizin endlich besser als momentan be- friedigen. Auch die organisatori- schen Schwierigkeiten einer Pra- xisphase wären zu überwinden, in- dem sie nicht Teil des Studiums, sondern Voraussetzung zur Able-

) Diese Regelung bedürfte einer bundes- rechtlichen Absicherung, die aber leicht zu bewerkstelligen wäre.

gong des Staatsexamens, also zur Erteilung der Approbation wären.

Nachdem die Diskussionen der Vergangenheit über eine Verbes- serung der Ärzteausbildung nichts Entscheidendes bewirkten, indem sie mit fachlichen Argumenten ge- führt wurden, wo doch juristische gefordert waren, ließe sich die ver- fahrene Situation praktisch mit ei- nem Schwertstreich lösen, und zwar durch die Trennung der Rolle der Fakultäten (verantwortlich für das Studium) von der Rolle des Staates (verantwortlich für die Kontrolle der Berufsqualifikation).

Freilich kommt der Schwertstreich nicht von ungefähr, der den Gordi- schen Knoten teilt, sowenig wie ein Operationsmikroskop einen Eingriff ausführen könnte. Erfor- derlich ist noch ein Alexander, ist ein geschickter Chirurg — im vor- liegenden Falle — eine einsichtige Fakultät, die nicht nur Lippenbe- kenntnisse zur Autonomie und ih- rer Verantwortlichkeit abgibt, son- dern zu handeln vermag: Notfalls jede einzelne für sich.

Dies hier kann nur ein erster Ver- such sein, den Gedanken einer Trennung von akademischen und staatlichen Kompetenzen bei der Ärzteausbildung zu entwickeln. In den USA wird genauso verfahren:

Vor Erteilung der Approbation wird der Kandidat nach den fol- genden Kriterien beurteilt:

1. Entspricht der Charakter des Kandidaten den hohen morali- schen und ethischen Anforderun- gen der ärztlichen Tätigkeit?

2. Hat er sein Medizinstudium an einer anerkannten medizinischen Fakultät erfolgreich abge- schlossen?

3. Hat er das Staatsexamen oder eine dem Staatsexamen gleichge- stellte Prüfung abgelegt?

Die Inhalte des Medizinstudiums sind nur im groben gesetzlich um- rissen, während für die eigentliche Gestaltung des Curriculums und

der Prüfungen die Fakultäten selbst verantwortlich sind. Dabei werden die einzelnen Curricula von einem unabhängigen Gre- mium (American Association of Medical Colleges) überprüft, um in jedem Falle einen bestimmten Standard zu garantieren.

So kommt es zu einer großen Viel- falt im Lehrangebot und zu einer hohen Qualität der Lehre. Der Er- folg des Studiums wird allein von den Fakultäten bestimmt, und zwar aus der Beurteilung der Stu- denten durch einzelne Dozenten (auf der Basis enger und intensi- ver Zusammenarbeit) und Gesamt- prüfungen am Ende von Hauptab- schnitten des Studiums.

Durch dieses Vorgehen können die Fakultäten ein höheres Niveau anstreben als bei der Beschrän- kung auf „Minimalanforderun- gen" in einem Staatsexamen: Sie sind es, die die Maßstäbe für die Qualität der Medizinerausbildung setzen und nicht der Staat! Er überprüft bestenfalls, ob Mindest- voraussetzungen für die Aus- übung des ärztlichen Berufes ge- geben sind.

Es kommt als nächstes darauf an, die juristischen Voraussetzungen für die Durchführung einer Tren- nung der Rolle des Staates und der Rolle der Fakultäten in der Bundesrepublik zu überprüfen — und dann eine Fakultät zu finden, die bereit ist, das Gesetz des Han- delns zurückzugewinnen. Wäre die aber zu finden?

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med.

Michael Arnold und cand. med.

Lawrence von Karsa Anatomisches Institut der Universität Tübingen Osterbergstraße 3 7400 Tübingen

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 35 vom 2. September 1983 67

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