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Entgiftung polytoxikomaner Patienten: eine vergleichende randomisierte prospektive Studie ; L-Polamidon versus Buprenorphin

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Academic year: 2022

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(1)

Aus der Abteilung für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover

(Prof. Dr. Dr. H. M. Emrich)

Entgiftung polytoxikomaner Patienten – eine vergleichende randomisierte prospektive Studie

L-Polamidon versus Buprenorphin

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

Vorgelegt von Carolin Wedegärtner, geb. Metzner aus Neustadt am Rübenberge

Hannover 2006

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 21.02.2007 Gedruckt mit der Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. med. Udo Schneider

Referent: Prof. Dr. med Hans Pfefferer-Wolf Korreferent: Prof. Dr. med. Winfried Beil Tag der mündlichen Prüfung: 21.02.2007

Promotionsausschußmitglieder: Prof. Dr. med. Gerhard Schmid-Ott

Frau Prof.’in Dr. med. Karin Weißenborn

Prof. Dr. phil. Uwe Hartmann

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Aus der Abteilung für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover

(Prof. Dr. Dr. H. M. Emrich)

Entgiftung polytoxikomaner Patienten – eine vergleichende randomisierte prospektive Studie

L-Polamidon versus Buprenorphin

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

Vorgelegt von Carolin Wedegärtner, geb. Metzner aus Neustadt am Rübenberge

Hannover 2006

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INHALTSVERZEICHNIS 1

1 EINLEITUNG ... 2

1.1 GESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE VOM MOHNSAFT ZUM HEROIN... 2

1.2 NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER OPIATABHÄNGIGKEIT... 7

1.3 DEFINITION,EPIDEMIOLOGIE UND VOLKSWIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG VON DROGENABHÄNGIGKEIT... 9

1.4 OPIATENTZUG UND BEHANDLUNGSKONZEPTE... 15

1.4.1 Methadon (L-Polamidon) ... 18

1.4.2 Buprenorphin... 20

1.4.3 Carbamazepin... 21

2 FRAGESTELLUNG... 23

3 MATERIAL UND METHODIK ... 24

3.1 STUDIENDESIGN... 24

3.1.1 Testverfahren zur Ermittlung der Schwere des Opiatentzugs: SOWS, VAS-U, VAS-P... 27

3.1.2 Testverfahren: Neuropsychologische Tests ... 28

3.2 STATISTIK... 32

4 ERGEBNISSE ... 33

4.1.1 Deskriptive Statistik der Medikationsgruppen... 33

4.2 ABBRUCHQUOTE UND EINFLUSS SOZIODEMOGRAPHISCHER FAKTOREN AUF DIE ABBRUCHQUOTE ... 38

4.3 ENTZUGSPARAMETER... 40

4.3.1 Visuelle Analogskala: Untersuchereinschätzung „Entzugssymptomatik“ ... 40

4.3.2 Visuelle Analogskala: Untersuchereinschätzung „Krankheitsaspekt“ ... 41

4.3.3 Visuelle Analogskala: Patienteneinschätzung „Suchtdruck“... 42

4.3.4 Visuelle Analogskala: Patienteneinschätzung „Opiathunger“ ... 44

4.3.5 Short Opiate Withdrawal Scale (SOWS) ... 46

4.4 NEUROPSYCHOLOGISCHE TESTVERFAHREN... 47

4.4.1 Self- Rating Anxiety Scale (SAS)... 47

4.4.2 Symptom Check List Revised (SCL 90R) ... 48

4.4.3 Eigenschaftswortliste (EWL-60S)... 51

4.4.4 Beck Depressions Inventory (BDI) ... 71

5 DISKUSSION... 73

5.1 DISKUSSION DER VERSUCHSERGEBNISSE... 73

6 ZUSAMMENFASSUNG ... 81

7 VERZEICHNIS DER TABELLEN... 82

8 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN... 84

9 LITERATURVERZEICHNIS ... 85

10 TESTINSTRUMENTE... 92

11 DANKSAGUNG... 93

12 LEBENSLAUF... 94

13 ERKLÄRUNG NACH §2 ABS. 2 NRN. 5 UND 6 PROMO... 95

(5)

EINLEITUNG 2

1 EINLEITUNG

1.1 GESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE – VOM MOHNSAFT ZUM HEROIN Menschen nehmen psychoaktive Substanzen in verschiedenen Formen und Zubereitungen ein, um Wahrnehmung und Bewusstsein zu verändern. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit waren Heilwirkungen und halluzinogene Wirkungen von Pflanzen bekannt. In der Frühgeschichte wurden Naturdrogen in der Heilkunde, bei religiösen Ritualen sowie zur Erzeugung von Rausch und Euphorie benutzt. Mohnkulturen existierten vor ca. 5000 Jahren vor allen im asiatischen, aber auch im südosteuropäischen Raum, das Opium (von griechisch opos=Saft) wurde aus dem alkaloidhaltigen Milchsaft der unreifen Schlafmohnkapseln gewonnen. Die unreife Mohnkapsel wurde angeritzt und der austretende Milchsaft einige Stunden an der Kapsel belassen. Durch enzymatische Prozesse entstand daraus eine bräunliche, visköse Masse (das Opium), die sich leicht von der Kapsel abschaben ließ.

Aus antiken Überlieferungen geht hervor, dass Opiate als Medikament gegen Schmerzen sowie als Genuss- und Rauschmittel verwendet wurden. Erste Anzeichen eines organisierten Drogenhandels finden sich bereits in Babylon und dem alten Ägypten. Imhotep (um 2600 v Chr.), Leibarzt der Pharaonen aus der III. Dynastie, schuf eine bedeutende Bibliothek, die bis in die Zeit des römischen Reiches erhalten blieb. Imhotep schätzte verschiedene Drogen aus der Tier- und Pflanzenwelt, insbesondere aber die Wirkungen des Schlafmohns, den er unter anderem als psychoaktive Substanz und zum Heilschlaf nutzte. Aus dem Jahre 1536 v. Chr.

stammt das „Papyrus Ebers“, ein Standardwerk der ägyptischen Medizin, das bis heute erhalten geblieben ist. Hier wird Mohnsaft zum Beispiel empfohlen, um

„Männer im Kriege und in der Liebe zu stimulieren und um ihnen aufregende Träume zu verschaffen“ (Scholl, 2002). Mohnsaft wurde auch zur Beruhigung von Mutter und Kind verwendet.

Abbildung 1: Schlafmohnkapsel

Abbildung 2: Das Papyrus Ebers

(6)

EINLEITUNG 3 Auch im alten Griechenland stellte Mohnsaft ein bedeutendes Medikament dar. Bereits in der griechischen Mythologie finden sich Zeugnisse von der Wirkung von Opiaten. So fand Aphrodite nach Überlieferungen in einem Bett aus rotem Mohn Schmerzlinderung. Homer (8. Jahrhundert v. Chr.) beschreibt in der Odyssee die Wundversorgung griechischer Krieger:

„Siehe sie warf in den Wein, wovon sie tranken, ein Mittel Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedächtnis.

Kostet einer des Weins, mit dem dieser Würze gemischet;

Dann benetzet den Tag ihm keine Träne die Wangen, Wär’ ihm auch sein Vater und seine Mutter gestorben, Würde vor ihm sein Bruder, und sein geliebtester Sohn auch Mit dem Schwerte getötet, dass seine Augen es sähen.

Siehe so heilsam war die künstlich bereitete Würze, Welche Helenen einst die Gemahlin Thons Polydamna In Ägyptos geschenkt. Dort bringt die fruchtbare Erde Mancherlei Säfte hervor, zu guter und schädlicher Mischung Dort ist jeder ein Arzt, und übertrifft an Erfahrung

Alle Menschen; denn wahrlich sie sind vom Geschlechte Päeons..“

(Homer, 8. Jhd. v. Chr.).

In der Medizin fand Opium unter anderem als Analgetikum und Antidiarrhoeikum Verwendung. Bekannt waren aber auch die Gefahren des Opiums. So warnte Hippokrates (460-370 v. Chr.) vor gefährlichen Nebenwirkungen, vor allem vor dem Tod im Schlaf.

Im alten Rom wurden viele medizinische Erkenntnisse von den Griechen übernommen, auch das Wissen um die Wirkung von Opium. Der Leibarzt des römischen Kaisers Nero, Andromachus (1. Jahrhundert n. Chr.), entwickelte den Theriak (von griechisch therion=wildes Tier), der neben Opium und Schlangenfleisch verschiedene Kräuter, Honig und Wein enthielt, insgesamt konnte diese Arznei bis zu 400 verschiedene Zutaten enthalten. Theriak wurde unter anderem als Mittel gegen Vergiftungen empfohlen, diente aber der gehobenen römischen Gesellschaft auch als Anregungsmittel. Bis zum 18.

Jahrhundert n. Chr. galt Theriak als Allheilmittel.

Der persische und ägyptische Raum bildete die Schnittstelle für den Austausch von medinizischem Wissen aus China, Indien und den europäischen Hochkulturen der Griechen und Römer, dort sammelten Autoren das Wissen, das die Grundlage für die mittelalterliche Medizin bildete. Der Arzt Paracelsus (1493–1541), der die treibende Kraft für die Reform der mittelalterlichen Medizin darstellte, verwendete für sein berühmtes

„Laudanum“ vor allem Wein und Opium. Sein Schüler, Johannes Oporinus, berichtet über Paracelsus: „Er gebrauchte in allen Arten von Krankheiten präzitiertes Pulver, Theriak oder Mithridat oder Saft von Kirschen oder Zwetschgen in Pillenform zum Purgieren. Mit seinem Laudanum (so nannte er Pillen so groß wie Mäusedreck, die er immer in ungerader Zahl nur in äußerster Not der Krankheiten wie eine heilige Medizin anwandte) brüstete er sich so, daß er nicht zögerte zu behaupten, daß er durch dessen Gebrauch allein Tote zu Lebenden machen könnte; und dies hat er mehrmals, solange ich bei ihm war, tatsächlich bewiesen.“(Benzenhöfer, 1997).

Erstmals erlangte Opium wohl im 18. Jahrhundert in China als zentraler Punkt einer öffentlichen Drogenkontroverse Bedeutung. Das Rauchen der Droge wurde zum gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Problem. Bereits zuvor hatte es in verschiedenen Ländern größere Diskussionen zur Problematik von Drogen gegeben, hierbei waren allerdings Alkoholika Gegenstand der Kontroverse. Im Jahre 1729 wurde

(7)

EINLEITUNG 4 Opium in China schließlich verboten, nachdem die Schwächung des Landes durch den Opiumkonsum offensichtlich wurde. Der Opiummissbrauch zog sich durch alle Bevölkerungsschichten, von den Armen bis zum Vizekönig in Kanton. Opium wurde zum wichtigsten Welthandelsgut. Das Opiumverbot zeigte zunächst wenig Wirkung. Der Kaiser Lin Tse-Hü zwang indische Händler schließlich dazu, ihm 1000 Tonnen Opium auszuhändigen, anschließend verbrannte er die Ware. Dies brachte England in Bedrängnis, da es seinen wichtigsten Absatzmarkt für das in der englischen Kolonie Indien hergestellte Opium verlor. So kam es zu einer Kriegserklärung von England an China, 10.000 englische Soldaten marschierten in China ein und schlugen das chinesische Heer im sogenannten „Opiumkrieg“, der von 1839 bis 1842 andauerte. Der chinesiche Kaiser war gezwungen, das Verbot wieder aufzuheben (Hörster 2002).

1804 gelang es dem deutschen Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner erstmals, das Opiumalkaloid Morphin zu isolieren. Er nannte den Wirkstoff „Morphium“ (nach dem griechischen Gott des Schlafes, Morpheus). Ab 1826 wurde Morphium als Medikament gehandelt. Damit wurde eine gezielte medizinische Anwendung möglich. In der Folge wurde Opium fast vollständig aus der

europäischen Medizin verdrängt und durch Morphin

ersetzt. Das Abhängigkeitspotential von Morphin zeigte während des amerikanischen Sezessionskrieges (1861-1865) in größerem Umfang. Viele Verwundete, die zur Schmerzbekämpfung mit Morphin behandelt worden waren, kehrten opiatabhängig nach Hause zurück. Die Anwendung von Morphin erfolgte zunächst vor allem oral, viele Morphinisten nutzten allerdings eine Wunde, die sie künstlich offenhielten, um Morphinlösung hineinzuträufeln. Auf diese Weise trat die Wirkung schneller und stärker ein. Mit der Einführung der Injektionsspritze im Jahr 1853 wandelte der Morphingebrauch seinen Charakter, da es nun einerseits möglich war, bei Schmerzen schnell Linderung zu erfahren und andererseits, einen plötzlichen einsetzenden, starken Rausch zu erzeugen. In den Kriegen des ausgehenden 19.Jh. und in der Nachbehandlung der Verwundeten wurde Morphin in einem solchen Umfang eingesetzt, daß die daraus resultierende Abhängigkeit den Beinamen "Soldatenkrankheit" erhielt.

Abbildung 3: HMS Nemesis zerstört eine chinesische Dschunke, um 1840

Abbildung 4: Strukturformel Morphin

(8)

EINLEITUNG 5 Aufgrund des Abhängigkeitspotenzials von Morphin suchte man dann gezielt nach einem Derivat, das die positiven Eigenschaften des Morphins mit einer geringeren Suchtgefahr verbinden sollte. Im Jahre 1874 gelang CRA Wright erstmals die Synthetisierung von Diacetylmorphin (Heroin) aus Morphin und Essigsäureanhydrid. Es folgten erste tierexperimentelle Versuche.

Abbildung 5: Strukturformel Heroin

1898 synthetisierte der Werkschemiker Dr. Felix Hoffmann der Farbenfabriken Friedrich Bayer&Co Diacetylmorphin nach dem Verfahren von CRA Wright. Am 16.05.1898 wurde der Begriff „Heroin“ beim Kaiserlichen Patentamt als Wortmarke registriert. Das Produkt wurde zunächst als Antitussivum und Codeinersatz auf den Markt gebracht. Später wurde das Indikationsspektrum erweitert (unter anderem auf Herz- und Kreislauferkrankungen, neurotische Verhaltensweisen, psychiatrische Leiden, zur Geburtsanalgesie und zur Prämedikation). Versuche, Morphinabhängige durch Heroingabe von der Opiatabhängigkeit zu heilen, stellten sich schnell als fruchtlos heraus, da das im Vergleich zum Morphin noch stärkere Abhängigkeitspotential ersichtlich wurde. Die Menge des produzierten und abgesetzen Heroins nahm in den folgenden Jahren stetig zu, im Jahre 1902 lag es auf der Liste der umsatzstärksten Medikamente auf Platz 8.

Abbildung 6: Historische Anzeige der Firma Bayer

Abbildung 7: Historische Heroinverpackung

(9)

EINLEITUNG 6

Abbildung 8: Historisches Werbeplakat für Heroin der Farbenindustrie Aktiengesellschaft

Die Entdeckung der Strukturformel für Morphin in den zwanziger Jahren führte zur Suche nach weiteren Derivaten ohne Abhängigkeitspotential und mit größerer Wirkstärke. Bereits 1924 wurde die Heroinherstellung in den USA verboten. Nach dem Genfer Abkommen zur Begrenzung der Herstellung von Narkotika von 1931 nahm die industrielle Herstellung von Heroin stark ab. 1944 wurde letzmals Heroin durch die Farbenfabriken verkauft. 1952 wurde die Bundesopiumstelle eingerichtet, die 1954 die vier verbliebenen Lizenzen zur Heroinherstellung widerrief. 1971 erlosch nach Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung auch die Verschreibungs- und Verkehrsfähigkeit von Heroin.

In der jüngeren Vergangenheit ist, zumindestens in Ansätzen, ein neuer Trend zu verzeichnen. 1985 hat zunächst Kanada den Heroingebrauch für Schwerstkranke und Sterbende legalisiert. Seit 1997 wird Heroin in der Schweiz als Substitutionsmittel für Schwerstabhängige genutzt. In Deutschland begann im Jahre 2001 ein Heroinabgabeprojekt für schwerst Opiatabhängige.

(10)

EINLEITUNG 7 1.2 NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER OPIATABHÄNGIGKEIT

Die Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen ist durch ein Vielzahl von neurobiologischen, psychologischen und sozialen Faktoren definiert. In den letzten Jahren ist vor allem auf neurobiologischen Gebiet ein enormer Wissenszuwachs bezüglich der Ursachen von Suchterkrankungen zu verzeichen.

Opiatabhängigkeit ist nicht nur durch den Konsum zur Vermeidung von Entzugserscheinungen erklärbar. Immer mehr in das Zentrum der aktuellen Forschung rückt das endogene Belohnersystem. Drogenabhängige erreichen durch den Drogenkonsum einen angenehmen Emotionszustand, einen „pleasurable state“, der als positive Verstärkung für weiteren Konsum wirkt. Hierbei werden durch die Drogeneinnahme neuronale Belohnersysteme stimuliert. 1954 entdeckten Olds und Milner durch einen Versuchsfehler, dass Ratten, denen intrakranielle Stimulationselektroden statt in die Formatio reticularis in das intraventrikuläre Septum implantiert worden waren, eine Verhaltensänderung zeigten. Wenn die Ratten eine bestimmte Stelle im Käfig aufsuchten, wurde ein elektrischer Impuls ausgelöst. Die Ratten mit der fehlerhaften Elektrodenlage suchten diese Käfigstellen immer wieder auf (Olds, Milner, 1954). In anderen Versuchen zogen die Tiere den elektrischen Reiz der Nahrungsaufnahme vor. In einer weiteren Versuchsanordnung hatten die Ratten die Möglichkeit, sich selbst durch Tastendruck über eine intracerebrale Elektrode zu stimulieren. Einige Tiere drückten die Taste bis zur völligen Erschöpfung. Die gereizten Hirnareale wurden mit angenehmen Effekten von Belohnungsreizen (Lust, Futter, etc.) in Verbindung gebracht. Die Lage der neuronalen Schaltkreise, die das Wohlbefinden steuern, wurden im Folgenden kartographiert.

Abbildung 9: Dopaminsysteme des Menschen (Nicholls et al. 1995)

Bei Menschen ziehen die Neuronenverbände, die zum Belohnersystem gehören, vom Tegmentum (Area entralis tegmentalis als Ursprungsort dopaminerger mesolimbischer A10 Neurone) nach kranial in den Nucleus accumbens, den präfrontalen Kortex und andere Hirnareale. Anatomisch bilden diese Faserverbindungen das mesokortikolimbische System, das eine Art Filterfunktion zwischen anderen limbischen Strukturen und dem extrapyramidalmotorischen System darstellt. Diese Neurone sind dopaminerg, erfahren aber Inhibition und Aktivierung durch eine Vielzahl anderer Neurotransmittersysteme.

Eine Vielzahl abhängigkeitserzeugender Substanzen stimulieren dieses System (Engel, 1987). Chen et al. wiesen nach, dass Mikroinjektionen von Tetrahydrocannabinol die Dopaminspiegel in der Area ventralis tegmentalis steigern (Chen et al. 1993).

(11)

EINLEITUNG 8 Chronische Drogeneinnahme führt zu Veränderungen der Bildung von Transkriptionsfaktoren (indirekt der mRNA) und anderen Proteinen, die mit dem Dopaminstoffwechsel verbunden sind (Lu et al. 2003).

Abbildung 10: Intrazelluläre Kaskaden in einer Zelle des positiven Verstärkersystems bei akuter und chronischer Drogeneinnahme (Birbaumer et al. 1997).

Durch die Bindung von Dopamin an D2-Dopamin Rezeptoren oder an Opioid-Rezeptoren werden G-Proteine aktiviert, die eine Reduzierung der Adenylatzyklase-Aktivität und eine Reduzierung von cAMP bewirken. Die cAMP-abhängige Proteinkinase wird gehemmt, was zu einer verringerten Proteinphosphorylierung führt. Bei häufiger Substanzaufnahme kommt es zur Neuroadaptation.

Abbildung 11: Schema der Neuroadaptation (Birbaumer et al. 1997).

(12)

EINLEITUNG 9 Nach wiederholter Drogeneinnahme haben sich das Neuron im ventralen Tegmentum und dessen Axon verkleinert, weniger Dopamin wird ausgeschüttet. Adenylatzyklase und cAMP sind erhöht, deshalb führt die cAMP-abhängige Proteinkinase zu einer starken Transkription und Ionenkanalaktivierung. Das Dopaminsystem wird überaktiv und es kommt zum Craving. Dies führt zu einer erneuten Drogeneinnahme, um das unangenehme Craving zu beenden.

1.3 DEFINITION, EPIDEMIOLOGIE UND VOLKSWIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG VON DROGENABHÄNGIGKEIT

Der Begriff der „Abhängigkeit“ ist nach der ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision) durch das Vorhandensein von mindestens drei von sechs diagnostischen Kriterien definiert (siehe Tabelle 1).

Diagnostische Kriterien von Abhängigkeitserkrankungen

Drei oder mehr der folgenden Kriterien sollten zusammen mindestens einen Monat lang bestanden haben, falls sie nur für eine kürzere Zeit gemeinsam aufgetreten sind, sollten sie innerhalb von zwölf Monaten wiederholt bestanden haben.

1. Ein starkes Verlangen oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren.

2. Verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch, d.h. über Beginn, Beendigung oder die Menge des Konsums, deutlich daran, dass oft mehr von der Substanz oder über einen längeren Zeitraum konsumiert wird als geplant, oder an dem anhaltenden Wunsch oder an erfolglosen Versuchen, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren.

3. Ein körperliches Entzugssyndrom (siehe Tabelle 2), wenn die Substanz reduziert oder abgesetzt wird, mit den für die Substanz typischen Entzugssymptomen oder auch nachweisbar durch den Gebrauch derselben oder einer sehr ähnlichen Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden.

4. Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanz. Für eine Intoxikation oder um den gewünschten Effekt zu erreichen, müssen größere Mengen der Substanz konsumiert werden, oder es treten bei fortgesetztem Konsum derselben Menge deutlich geringere Efekte auf.

5. Einengung auf den Substanzgebrauch, deutlich an der Aufgabe oder Vernachlässigung anderer wichtiger Vergnügen oder Interessensbereiche wegen des Substanzgebrauchs; oder es wird viel Zeit darauf verwandt, die Substanz zu bekommen, zu konsumieren oder sich davon zu erholen.

6. Anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen, deutlich an dem fortgesetzten Gebrauch, obwohl der Betreffende sich über die Art und das Ausmaß des Schadens bewusst ist oder bewusst sein könnte.

Tabelle 1: Definition von Abhängigkeitserkrankungen nach ICD-10

(13)

EINLEITUNG 10 Die Opiatabhängigkeit stellt heute neben der Nikotin-, Alkohol-, Medikamenten- sowie der Kokainabhängigkeit einen Hauptbestandteil der weltweiten Drogenproblematik dar. Durch die Notwendigkeit, die Sucht durch Kleinkriminalität und Drogenhandel zu finanzieren, werden die Abhängigen schnell in die Illegalität gedrängt. Ferner droht eine Vielzahl an Erkrankungen, wie Hepatitis oder HIV, Abszessbildung durch die Verwendung kontaminierter Injektionsbestecke und unzureichende hygienische Bedingungen, Endokarditiden und der Verfall des Gebisses. Die meisten Drogenabhängigen können sich durch die Sucht nicht mehr in ihrem bisherigen Umfeld halten. Daraus folgt eine Verarmung an zwischenmenschlichen Beziehungen (viele Drogenabhängige haben nur Kontakte innerhalb der „Drogenszene“) und ein sozialer Abstieg. Die häufig fehlende schulische und berufliche Qualifikation und die mangelnde soziale Einbindung von Drogenabhängigen machen ihre Reintegration in die Gesellschaft besonders schwierig.

Das Konsumverhalten der Drogenabhängigen hat sich seit Mitte der Achtziger Jahre gewandelt. Damals standen rein Heroinabhängige im Vordergrund. Seitdem hat sich das Konsummuster zugunsten eines Mischkonsums mit Heroin als Leitsubstanz gewandelt.

Heutzutage macht die Gruppe der Opiatabhängigen mit polyvalentem Drogenkonsum den Hauptanteil unter den Opiatabhängigen aus, reine „Heroinfixer“ sind eine Seltenheit geworden (Kruse et al. 1996, Poehlke 1998). Durch das polytoxikomane Gebrauchsmuster verschiedener Substanzen mit unterschiedlicher Wirkung auf das zentrale Nervensystem ergeben sich neue Probleme in der Behandlung Opiatabhängiger. Zudem haben sich die Jugendlichen in Ostdeutschland in den letzten Jahren in ihrem Konsummuster an die westdeutschen Jugendlichen angeglichen. (BzgA 1998).

Als Konsumenten harter Drogen werden von der Polizei im Wesentlichen solche Personen definiert, die unter medizinischen Gesichtspunkten als Personen mit problematischem Drogenkonsum angesehen werden (Konsum von Heroin, Kokain, Ampetaminen und/oder Ecstasy und deren chemische Derivate). Verlässliche Informationen über die aktuellen Konsumentenzahlen sind schwierig zu erhalten. Die wichtigste Berechnungsgrundlage hierfür war die im Jahre 2000 bundesweit mit finanzieller Hilfe des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (GMGS) durchgeführte Repräsentativerhebung zum Konsum und Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland (Kraus und Augustin 2001). Dementsprechend war die Anzahl der Konsumenten illegaler Drogen ohne Cannabis auf zwischen 250.000 und 300.000 geschätzt worden, von denen – je nach Schätzgrundlage- zwischen 127.000 und 198.000 im Jahre 2000 opiatabhängig waren. Die Anfang 2006 erhältlichen, neuesten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2004.

Demnach konsumieren in Deutschland zwischen 70.000 und 172.000 Menschen Heroin (1,6- 3,0 pro 1000 Einwohner im Alter von 15-64 Jahren), zwei Drittel davon intravenös (Simon et al. 2005).

Als sensible Indikatoren für die Rauschgiftlage und –entwicklung gelten die Delikts- und Tatverdächtigenzahlen, die Sicherstellungsfälle und –mengen, sowie die Anzahl erstauffälliger Konsumenten harter Drogen. In den meisten dieser Bereiche ist in den letzten Jahren ein deutlicher Aufwärtstrend zu verzeichnen, wobei einschränkend zu berücksichtigen ist, dass diese Zahlen vom Erfolg der Ermittlungsbehörden abhängen und sich über die Jahre beispielsweise durch das Aufkommen von Ecstasy als neue Droge die Falldefinitionen ändern können.

2004 wurden allein in Deutschland 283.708 Delikte der Rauschgiftkriminalität registriert, darunter 200.378 allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, 70.761 Delikte im Zusammenhang mit Handel und Schmuggel sowie illegaler Einfuhr von

(14)

EINLEITUNG 11 Betäubungsmitteln und 7983 sonstige Verstöße gegen das BtMG. Es wurden 2206 Fälle der direkten Beschaffungskriminalität registriert (darunter versteht man Delikte, die direkt auf die Erlangung von Betäubungsmitteln oder Ersatzstoffen ausgerichtet sind, wie z.B.

Diebstahl aus Apotheken, Krankenhäusern oder Rezeptfälschungen). Dies bedeutet eine Steigerung von 11 % bei allen Delikten der Rauschgiftkriminalität gegenüber 2003, womit sich der Trend der Vorjahre fortsetzt und ein neuer Höchststand der registrierten Rauschgiftdelikte erreicht wird. Im Straftatenbereich „Handel mit und Schmuggel von Rauschgiften und illegaler Einfuhr von Betäubungsmitteln ergab sich nach einer kurzfristigen Verringerung 2002 (erstmals seit 1993) erneut ein Anstieg der Fallzahlen um 3%. Die Anzahl der sonstigen Verstöße gegendas BtMG blieben nach Korrektur auf eine veränderte Falldefinition von 2003 auf 2004 in etwa konstant. Die Fälle der direkten Beschaffungskriminalität gingen um 14,1% zurück, was vor allem auf einen Rückgang bekanntgewordener Rezeptfälschungen um 21,2% zurückzuführen war.

0 100000 200000 300000

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Jahr

Anzahl der Delikte

Delikte gesamt allgemeine Verstöße gegen das BtmG

Handel und Schmuggel Einfuhr "nicht geringer Mengen"

sonstige Verstöße gegen das BtMG

Abbildung 12: Delikte der Rauschgiftkriminalität

Somit unterscheidet sich der Trend in der Entwicklung der Rauschgiftkriminalität deutlich von dem der Gesamtkriminalität. Während die Gesamtkriminalität im Zeitraum von 1993 bis 2004 nahezu konstant blieb bzw. leicht sank (1993 6.750.613 Fälle, 2004 6.633.156 Fälle) nahm die Zahl der Rauschgiftdelikte im selben Zeitraum um mehr als 100% zu (1993 122.240 Fälle, 2004 283.708 Fälle). Der Anteil der Rauschgiftdelikte an der Gesamtkriminalität stieg somit von 1,8 % im Jahr 1993 auf 4,3% im Jahr 2004 an. 1987 betrug die Zahl der Rauschgiftdelikte noch 74.894 Fälle (siehe Abbildung 10). Es ist davon auszugehen, dass bei allen beschriebenen Straftaten die Dunkelziffer erheblich höher liegt.

(Bundesministerium des Innern 2005).

(15)

EINLEITUNG 12

0 2 4 6 8

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Jahr

Gesamtkriminalität (Anzahl der Delikte) in Mio.

0 100 200 300

Rauschgiftdelikte (Anzahl der Delikte) in Tsd.

Gesamtkriminalität Rauschgiftdelikte

Abbildung 13: Entwicklung der Rauschgiftdelikte im Verhältnis zur Gesamtkriminalität

Die sichergestellte Menge von Heroin lag 2004 bei 775 kg (Zunahme von 24% gegenüber 2003), wobei die Menge des sichergestellten Heroins seit 1988 stark schwankt (von 537,2 kg im Jahr 1988 bis zu 1595,0 kg im Jahr 1991), die Zahl der Sicherstellungsfälle betrug 6608 (Anstieg von 8% gegenüber 2003). Ebenso waren bei den Sicherstellungsfällen und - Mengen von Kokain deutliche Steigerungen zu verzeichnen. (4.088 Kokain- Sicherstellungsfälle 2004 vs. 3.822 Fälle 2003); sichergestellte Menge 2004 969 kg vs.

1.009 kg in 2003). Ein weiterer Anstieg ist bei den sichergestellten Amphetaminmengen zu verzeichnen. Waren es 1988 noch 91,4 kg, stieg die sichergestellte Menge bis 2004 fast stetig an (556 kg sichergestelltes Amphetamin 2004). Die sichergestellten Mengen von Cannabisharz und Marihuana unterliegen seit 1988 stetigen Schwankungen, stagnierten aber seit 2002 und lagen im Jahre 2004 bei 10.857,3 kg. Die sichergestellten Konsumeinheiten von Ecstasy waren seit 1988 zunächst steigend. Wurden 1988 noch 234 KE (Konsumeinheiten) sichergestellt, so waren es 2002 3.207.099 Konsumeinheiten.

Allerdings zeigte sich im Jahr 2002 erstmals seit 1988 wieder ein Rückgang der Amphetamin- Sicherstellungen (2001 noch 4.576.504 Konsumeinheiten), der sich in den folgenden Jahren fortsetzte (2.052.158 Konsumeinheiten). Vergleicht man die sichergestellten Mengen im Zeitraum von 1988 bis 2004, so sind die Heroin-, Kokain- und Cannabissicherstellungen ständig starken Schwankungen unterworfen, während die sichergestellte Ecstasy- und Amphetaminmenge erst förmlich explodiert (siehe Abbildungen 11 und 12) und seit 2002 wieder rückläufig ist.

(16)

EINLEITUNG 13

0 500 1000 1500 2000 2500 3000

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Jahr

sichergestellte Menge in kg (Heroin, Kokain und Amphetamine)

0 5000 10000 15000 20000 25000 30000

sichergestellte Menge in kg (Cannabisharz und Cannabiskraut)

Heroin Kokain Amphetamin/ Methamphetamin Cannabis

Abbildung 14: Betäubungsmittelsicherstellungen in Deutschland (Heroin, Kokain, Amphetamine, Cannabis)

0 1 2 3 4 5

1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004

Jahr

sichergestellte Ecstasymenge in Mio. KE

sichergestellte Ecstasymenge in Mio. Konsumeinheiten Abbildung 15: Betäubungsmittelsicherstellungen in Deutschland (Ecstasy)

In der gesamteuropäischen Statistik hingegen nimmt die sichergestellte Menge an Heroin, Kokain und Cannabisprodukten entweder zu oder bleibt auf hohem Niveau stabil (Heroin 12.171 kg 2004 vs. 3.693 kg 1987; Kokain 60.198 kg 2004 vs. 3.688 kg 1987, Cannabisprodukte 1.387.575 kg 2004 vs. 178.948 kg 1987). (Quelle:

Rauschgiftjahresbericht 2004, 2005).

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EINLEITUNG 14

0 20 40 60 80 100

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Jahr sichergestellte Menge in Tsd. kg (Heroin, Kokain)

0 400 800 1200

sichergestellte Menge in Tsd. kg (Cannabis)

Heroin Kokain Cannabis

Abbildung 16: Betäubungsmittelsicherstellungen in Europa (Heroin, Kokain, Cannabis)

Als erstauffällige Konsumenten harter Drogen bezeichnet man solche Personen, die erstmals der Polizei oder dem Zoll in Verbindung mit dem Mißbrauch harter Drogen bekannt werden. Es kann sich hierbei sowohl um langjährig Opiatabhängige, als auch um Erst- und Gelegenheitskonsumenten handeln. 2004 waren es 21.100 Fälle, im Jahr 2002 waren es 20.230 Fälle, im Jahr 2001 22.551 Fälle, im Jahr 2000 22.584 Fälle, somit ist vom Jahr 2000 an erstmals seit 1988 ein leichter Rückgang bzw. eine Stabilisierung zu verzeichnen. Durch mehrere Änderungen des Erfassungsprocederes sind diese Zahlen jedoch nur bedingt miteinander vergleichbar. Die Daten aus dem Jahre 2003 sind aufgrund methodischer Schwierigkeiten im Rahmen einer Computerumstellung nicht zu vergleichen und wurden deshalb nicht berücksichtigt. Die Heroinabhängigen stellten im Jahr 2002 mit 27,5 % erstmals seit 1987 nicht mehr den größten Anteil der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen dar (2002 28,8 % Anteil von Amphetaminkonsumenten), bildeten 2004 mit 25,2% aber noch immer die zweitgrößte Tätergruppe. 1988 lag der Anteil der Heroinkonsumenten bei 64,7 %. Das Durchschnittsalter der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen lag 2004 bei 26 Jahren. (Quelle: Rauschgiftjahresbericht 2002).

Die Zahl der Drogentoten betrug im Jahr 2004 1.385, ein Rückgang um 6% gegenüber dem Vorjahr. Die Anzahl der Drogentoten schwankt seit 1988 erheblich (geringste Anzahl Drogentoter 1988 (670 Fälle), höchste Anzahl 1991 (2125 Fälle)) und lässt sich nicht mit den sichergestellten Mengen oder der Anzahl der Straftaten mit ausreichender Stärke korrelieren. Den größten Anteil an der Gesamtgruppe haben nach wie vor Todesfälle im Zusammenhang mit Heroinkonsum. Auffällig ist aber auch die Teilgruppe der Rauschgifttodesfälle in Verbindung mit Methadon, hierbei stieg der Anteil an den Rauschgifttodesfällen insgesamt seit 1997 zunächst stark an und ist seit dem Jahr 2002 in etwa konstant relativ hoch (1997 ca. 7% der Rauschgifttodesfälle, 2004 ca. 22% der Todesfälle, siehe Abbildung 17) obwohl der Gesetzgeber mit verstärkten Bemühungen um die Betäubungsmittelsicherheit in der Substitution reagiert hat.

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EINLEITUNG 15

0 500 1000 1500 2000 2500

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Jahr

Anzahl der Rauschgifttoten

Todesfälle gesamt

Todesfälle in Verbindung mit Methadon (vorliegende Daten seit 1997)

Abbildung 17: Rauschgifttote in Deutschland (1988-2002)

Zusammenfassend lässt sich nach den vorliegenden Indikatoren schließen, dass die Drogenproblematik in Deutschland trotz vieler Präventiv- und Behandlungsmaßnahmen nicht rückläufig, sondern eher im Zunehmen begriffen ist. Neue Behandlungskonzepte scheinen notwendig, um hier eine Besserung der Situation für die Betroffenen und eine Entlastung der Gesellschaft zu erreichen. Ein besonders kritisch erscheinender Aspekt ist der hohe Anteil von Todesfällen in Zusammenhang mit Methadon an der Gesamtzahl der Rauschgifttodesfälle. Die bisher zur Behandlung Opiatabhängiger verwendeten Entgiftungs- und Substitutionsmethoden werden im Folgenden dargestellt.

1.4 OPIATENTZUG UND BEHANDLUNGSKONZEPTE

Die Behandlung von Opiatabhängigen verläuft im Wesentlichen nach drei Konzepten:

1. stationäre Entgiftung (ggfs. mit anschließender Langzeitentwöhnungstherapie) 2. ambulante Substitution mit langsamer Reduzierung der Dosis des Substituts, Ziel

ist Erreichen von Abstinenz

3. längerfristige ambulante Substitution mit stabiler Dosis des Substituts.

Während das Ziel der ersten Konzepte das Erreichen von Abstinenz und die vollständige Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist, wird im Rahmen des dritten Konzeptes (wenn Abstinenz nicht möglich oder nicht sinnvoll scheint) vor allem das Ziel der „harm reduction“ verfolgt (Vermeidung von Folgeerscheinungen der Opiatabhängigkeit oder

(19)

EINLEITUNG 16 deren Verminderung). In Deutschland wird derzeit im Rahmen aller drei Konzepte vor allem Methadon als Substitut genutzt, dass jedoch selbst einige gravierende Nachteile aufweist (siehe hierzu auch Kapitel 1.3.2). Nach der akuten Entgiftungsphase können Opiatantagonisten bei der Rückfallvermeidung helfen.

Unbehandelt verläuft der reine Opiatentzug in folgenden Phasen: Vier bis sechs Stunden nach dem letzten Konsum tritt Unwohlsein und ein starkes Verlangen nach dem Suchtmittel ein („Craving“). Es kommt im Verlauf zu Rhinorrhoe, Tränenfluß, Niesen, Schwitzen und Gähnen. Der Abhängige erreicht das Stadium des sogenannten „Cold Turkey“, das Mydriasis, Gänsehaut, graue Gesichtsfarbe, Unruhe, Angst, periorale Muskelzuckungen, Hyperalgesie, Kreuzschmerzen, gastrointestinale Symptome mit Appetitlosigkeit und Durchfall (bei Auskultation „tobender Darm“) beinhaltet. Ferner kann es zu Tachykardie, Tachypnoe, Hypertonie, starker Unruhe und Schlaflosigkeit kommen.

Selten leiden die Patienten unter anhaltendem Erbrechen und Durchfall sowie Muskelkrämpfen, Schock und Hyperglykämie. Die gravierendsten körperlichen Symptome sind im Allgemeinen nach ca. 72 Stunden überstanden. Die vegetativen Entzugssymptome sind mit einem sympatikotonen Überwiegen nach dem Wegfall der Drogenwirkung zu erklären. Nicht weniger belastend sind jedoch die Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Dysphorie, innere Unruhe und Angst, die zusammenfassend in das depressive Symptomenspektrum eingeordnet werden können, verursacht durch eine Dysregulation des µ- und κ- Opiat- Rezeptoren-gesteuerten Belohnungssystems (Herz 1996). Insgesamt hält der Entzug von reinen Opiat- Agonisten nicht länger als ein bis zwei Wochen an (Poser und Poser 1996). Die Kriterien für ein Entzugssyndrom und das Opioidentzugssyndrom nach ICD-10 sind in Tabelle 2 dargestellt.

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EINLEITUNG 17 Entzugssyndrom

Diagnostische Kriterien:

1. Nachweis des Absetzens oder Reduzierens einer Substanz, nach wiederholtem Konsum dieser Substanz, der meist langanhaltend und/oder in hoher Menge erfolgte.

2. Symptome und Anzeichen, die den bekannten Merkmalen eines Entzugssyndroms der betreffenden Substanz(en) entsprechen.

3. Nicht durch eine vom Substanzgebrauch unabhängige körperliche Krankheit zu erklären und nicht bessser auf eine andere psychische oder Verhaltensstörung zurückzuführen.

Opioidentzugssyndrom Diagnostische Kriterien:

A. Die allgemeinen Kriterien für ein Entzugssyndrom (siehe oben) sind erfüllt.

B. Vorliegen von mindestens drei der folgenden Symptome:

1. Verlangen (Craving) nach einem Opiat 2. Rhinorrhoe oder Niesen

3. Tränenfluß

4. Muskelschmerzen oder –krämpfe 5. abdominelle Spasmen

6. Übelkeit oder Erbrechen 7. Diarrhoe

8. Pupillenerweiterung

9. Piloerektion oder wiederholte Schauer 10. Tachykardie oder Hypertonie

11. Gähnen

12. unruhiger Schlaf

Tabelle 2: Definition von Entzugssyndrom und Opioidentzugssyndrom nach ICD-10

Durch das polytoxikomane Gebrauchsmuster der meisten Opiatabhängigen kann die Symptomatik des reinen Opiatentzuges aber durch den Entzug der anderen Substanzen überlagert werden (z.B. Krampfanfälle bei Benzodiazepinabhängigkeit, delirante Symptomatik bei Alkoholabhängigkeit) und deutlich prolongiert verlaufen. Die Abbruchquote von sogenannten „kalten“ Entzügen ohne medikamentöse Unterstützung ist sehr hoch. Die für die Abhängigen hochgradig unangenehmen und nicht tolerablen Entzugserscheinungen führen meist schnell zum Rückfall in das alte Konsummuster. Aus diesem Grunde ist für eine erfolgreiche Behandlung von Opiatabhängigen eine medikamentös unterstütze Therapie sinnvoll und notwendig.

(21)

EINLEITUNG 18

1.4.1 METHADON (L-POLAMIDON)

Abbildung 18: Strukturformel Methadon

In Deutschland ist Methadon zur Entgiftung und Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen derzeit das Mittel der Wahl (Senay1985, Mattick und Hall 1996). Durch den Einsatz adjuvanter Medikamente wie Clonidin konnte der Opiatentzug zunehmend einfacher und für den Patienten angenehmer durchgeführt werden. Methadon ist allerdings in mancher Hinsicht nicht unproblematisch. Durch die Notwendigkeit, das Medikament täglich zu verabreichen, entsteht ein enormer personeller und materieller Aufwand. Die Sicherheit eines Substitutionskonzeptes ist insbesondere bei der Take-home Dosis in Frage gestellt. Ferner empfinden viele Opiatabhängige die psychotropen Wirkungen des Methadons als unzureichend. Zudem hat Methadon selbst ein hohes Abhängigkeitspotential, die Gefahr des illegalen Gebrauchs ist groß und es führt beim Absetzen zu starken Entzugssymptomen, auch im Rahmen einer stationären Entgiftung (Johnson et al. 1989). Die Suchtneigung ist hingegen nicht größer als bei Heroin (Kreck, 1987). In der Detoxifikationsbehandlung Opiatabhängiger ist der Nutzen von Methadon zweifelhaft. In multiplen Studien haben sich, je nach verwendetem Therapieregime, sehr unterschiedliche Abbruchquoten unter einer Entgiftungs- oder Substitutionstherapie mit Methadon ergeben (10-80%), was einen Vergleich der Ergebnisse untereinander erschwert (Johnson et al 1992, Newman und Whitehill 1979). Nach einer umfangreichen retrospektiven Studie von Gößling et al. (Gößling et al. 1998) lag die Abbruchquote von Patienten, die eine Detoxifikationsbehandlung mit Methadon erhielten, bei 41,6%. Sie differierte im Vergleich nicht signifikant zur Abbruchquote der Patienten, die ohne Methadon behandelt wurden (37,0%).

Methadon (4,4-Diphenyl-6-Dimethyl-Amino-3-Heptanon) wurde erstmals 1945 von der Firma Hoechst synthetisiert. Es ist ein strukturchemisch vom Morphin ableitbarer µ- Opiatrezeptor-Agonist. Das vollsynthetische Racemat enthält ein linksdrehendes und ein rechtsdrehendes Isomer, wobei Levomethadon (L-Methadon) das wirksame Enantiomer ist. D-Methadon hat praktisch keine opioiderge Wirkung. In der vorliegenden Studie wurde Levomethadon (L-Polamidon ®) verwendet.

Methadon kann parenteral, intramuskulär oder oral verabreicht werden. Nach oraler Gabe wird es gut resorbiert, der First-pass-Effekt ist gering. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 70- 95%. Methadon ist stark lipophil, verteilt sich rasch im Organismus und hat eine lang anhaltende Gewebebindung. Gespeichert wird es vor allem in der Leber, aber auch im Muskel- und Fettgewebe, Milz, Nieren und Lungen. Seine niedrige Clearance bedingt eine

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EINLEITUNG 19 langsame Eliminationsphase (Eliminationshalbwertszeit 13-55 Stunden). Bei mehrfacher Gabe in kurzen Abständen kann es bis zur Toxizität kumulieren. Die Plasmaeiweißbindung liegt bei 80-90% (Inturrisi et al. 1987). Methadon wird in den Lebermikrosomen durch P- 450-abhängige oxidative N-Demethylisierungsprozesse biotransformiert. Bei täglicher Gabe wird die Biotransformation durch Aktivitätssteigerung transformierter Enzyme (im Sinne metabolischer Toleranz) erhöht, erkennbar an einer deutlichen Steigerung der M-1- Ausscheidung im Urin. Die Ausscheidung erfolgt biliär oder renal. Je saurer der Urin-ph ist, desto stärker wird die unveränderte Substanz über die Niere ausgeschieden. Bei oligurischen oder anurischen Patienten kann die Exkretion fast ausschließlich über den biliären Weg erfolgen (Jage 1989).

Methadon passiert die Plazentaschranke und kann bei Verabreichung kurz vor der Entbindung zu Atemdepression beim Neugeborenen führen. In geringem Umfang geht es in die Muttermilch über.

Methadon hat die typischen Nebenwirkungen klassischer Opioide. Bei substituierten Opiatabhängigen stehen pathologisches Schwitzen, Gewichtszunahme, Obstipation und Zyklus- sowie Potenzstörungen im Vordergrund. Beim Entzug können die Entzugssymptome lange anhalten und heftiger sein als beim Heroinentzug (Johnson et al.

1989). Die Wirkung von Methadon kann durch Naloxongabe innerhalb weniger Minuten antagonisiert werden.

Methadon ist ein hochwirksames Schmerzmittel, das bei schweren Schmerzzuständen eine langanhaltende Linderung mit sich bringt, auch wenn andere Opiate unwirksam sind. Seit 1987 werden in zunehmendem Maße Opiatabhängige in Deutschland mit Methadon substituiert.

Methadon:

Bioverfügbarkeit 70-95% bei oraler Gabe

Plasmaeiweißbindung 80-90%

Erreichen maximaler Plasmaspiegel nach 1-2 h

Elimination Biliär/ renal (je nach Urin- ph Wert)

Eliminationshalbwertszeit 13-55 h

Es wird derzeit kritisch diskutiert, ob Methadon als Mittel der ersten Wahl zur Entgiftung und Substitution Opiatabhängiger geeignet ist. Die Suche nach Alternativen führte zur Untersuchung des Thebainderivates Buprenorphin.

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EINLEITUNG 20

1.4.2 BUPRENORPHIN

Abbildung 19: Strukturformel Buprenorphin

Buprenorphin (17-Cyclopropylmethyl-4,5α-epoxy-7α-[(s)-1hydroxy-1,2,2-trimethylpro- pyl]-6-methoxy-6,14-endo-ethanomorphinan-3-ol) ist ein halbsynthetisches Derivat des Opiumalkaloides Thebain. Seine Struktur wurde erstmals 1972 von Lewis und Cowan beschrieben (Lewis 1974, Cowan 1974). Derzeit wird es als Analgetikum bei starken bis sehr starken Schmerzen und zur Substitution bei Opiatabhängigkeit eingesetzt.

Buprenorphin ist partieller Agonist am µ- Opioid-Rezeptor und besitzt eine bis zu 40-fach höhere analgetische Potenz als Morphium (Martin et al. 1976). Bei geringen Dosierungen steht eher die agonistische Wirkung im Vordergrund, bei hohen Dosierungen eher die antagonistische (Heel et al. 1979), woraus die erwünschte Begrenzung der µ- Agonisten- Aktivität folgt. Am κ-Opioid-Rezeptor wirkt es antagonistisch (Leander 1987). Die stimmungsaufhellende und geringgradig euphorisierende Wirkung, die sich in einigen Studien bei mit Buprenorphin behandelten therapieresistent an einer Depression erkrankten Patienten zeigte (Mello et al. 1980, Emrich et al. 1982), könnte mit der inhibitorischen Wirkung am κ- Opioid-Rezeptor zusammenhängen. Ungünstige Nebenwirkungen treten teilweise erst in Dosisbereichen auf, die 100- fach über der analgetischen Dosis liegen (Amass et al. 1994). Bezüglich der Häufigkeitsverteilung der Symptome des Nebenwirkungsspektrums ähnelt Buprenorphin anderen Morphiumderivaten. Besonders bei Erstgabe können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Unter hohen Dosen kann es zu Atemdepression kommen, die verzögert auftreten kann. Gegenüber reinen Agonisten am µ- Opioid-Rezeptor wie z.B. Heroin oder Methadon ist die intrinsische Aktivität eher gering („Ceiling Effect“). Da Opiatabhängige eine starke Toleranz gegenüber der Substanz zeigen, ist das Spektrum unerwünschter Arzneimittelwirkungen bei diesen Patienten geringer. Wird Buprenorphin nach chronischem Gebrauch abgesetzt, sind die Entzugssymptome relativ gering, was auf die langsame Rezeptorkinetik und der Substanz zurückgeführt wird (Mc Carthy und Howlett 1984, Martin et al. 1976). Im Vergleich zu Morphium tritt die Agonistenwirkung langsamer ein, hält dafür aber länger an (bis zu 72- 96 Stunden). Die Buprenorphinwirkung kann nicht vollständig durch Naloxongabe aufgehoben werden.

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EINLEITUNG 21 Buprenorphin kann parenteral oder oral verabreicht werden. Da die Substanz einem hohen First-pass-Effekt unterliegt, ist die sublinguale Applikation indiziert. Dabei liegt die Bioverfügbarkeit bei ca. 31-52%. Maximale Plasmaspiegel werden nach 90-120 Minuten erreicht. Buprenorphin durchdringt die Blut-Hirn-Schranke und ist in allen Gehirnabschnitten nachweisbar. In der Leber wird die Substanz zu N-Dealkylbuprenorphin metabolisiert, das lediglich schwach wirksam ist. Sowohl Buprenorphinglucuronid als auch N-Dealkylbuprenorphin werden größtenteils biliär und nur zu einem kleinen Teil renal ausgeschieden (Heel et al. 1979). Buprenorphin passiert die Plazentaschranke und geht in die Muttermilch über. Im Tierversuch ergaben sich Hinweise auf Fetotoxizität.

Buprenorphin:

Bioverfügbarkeit 31-52% bei sublingualer Applikation

Plasmaeiweißbindung Ca. 96%

Erreichen maximaler Plasmaspiegel nach 90-120 min Therapeutischer Plasmaspiegel 0,7-12 ng/ml

Elimination Ca. 70% biliär, ca. 20-30% renal Eliminationshalbwertszeit Ca. 5 Stunden

Buprenorphin wurde ursprünglich als reines Analgetikum entwickelt. Bald zeigte sich die Möglichkeit, es in der Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen zu verwenden (Reisinger 1985). Ein neues Einsatzgebiet ist die Entzugsbehandlung Opiatabhängiger (Kosten und Kleber 1988).

1.4.3 CARBAMAZEPIN

Abbildung 20: Strukturformel Carbamazepin

Da bei Opiatabhängigen meist ein polytoxikomanes Konsummuster (z. B. mit Benzodiazepinen) vorliegt, ist aufgrund der Gefahr eines Krampfanfalles im Entzug eine additive Behandlung mit einem antikonvulsiv wirksamen Medikament sinnvoll. Hierzu wurde Carbamazepin ausgewählt, da es, neben der antikonvulsiven Wirkung, noch andere Eigenschaften aufweist, die den Einsatz in der Entzugsbehandlung von Abhängigen nahe legen.

Carbamazepin (5H-Dibenzazepin-5-Carboxamid) ist ein Dibenzazepin-Derivat, das strukturelle und pharmakologische Ähnlichkeit mit dem trizyklischen Antidepressivum Imipramin aufweist.

Carbamazepin ist ein Antagonist am Adenosinrezeptor und hemmt den mit der Transmitterfreisetzung assoziierten cAMP- abhängigen Calziumeinstrom. Nach oraler Gabe wird Carbamazepin bis zu über 70 % resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 4 – 12 Stunden erreicht. Bei einmaliger Gabe beträgt die Halbwertszeit 30 – 50 Stunden, durch Enzyminduktion sinkt sie bei wiederholter Gabe auf ca. 2 Stunden.

Carbamazepin ist lipophil und passiert rasch durch menschliche Zellmembranen,

(25)

EINLEITUNG 22 einschließlich der Blut- Hirn- Schranke. In der Leber wird Carbamazepin durch Oxidation, Hydroxylierung und direkte Glucuronidierung metabolisiert. Der Hauptmetabolit Carbamazepin- 10,11- Epoxid weist ebenfalls eine antikonvulsive Wirkung auf.

Im Allgemeinen wird Carbamazepin als gut verträglich eingestuft (Collaborative Group for Epidemiology of Epilepsy 1986). In 18-56 % der Fälle treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf, sie bestehen in Schwindel, Ataxie, Nystagmus, Sehstörungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, sowie verlangsamter, undeutlicher Sprache. Die Nebenwirkungen zeigen sich besonders bei Therapiebeginn. Bei ca. 5% der mit Carbamazepin behandelten Patienten muss die Behandlung deshalb ausgesetzt werden (Evans und Gualtieri 1985).Weiterhin kann es zu Herzrhythmusstörungen, Angina Pectoris und AV- Blockierungen kommen. Es sind seltene Fälle von Agranulozytosen, Thrombozytopenien (Pearce 1968, Ponte 1983), aplastischen Anämien (Ramsay 1986) sowie Hepatitiden und Leberzellnekrosen mit Verlust des gesamten Lebergewebes beschrieben worden (Teschke 1986).

Carbamazepin passiert die Plazentaschranke und ist im Tierversuch teratogen, es geht auch in die Muttermilch über.

Die ursprünglichen Indikationen für eine Carbamazepintherapie waren Temporal- lappenepilepsien und Trigeminusneuralgien. Der Mechanismus der antiepileptischen Wirkung ist bisher weitgehend unbekannt. Im Laufe der Zeit wurde das Einsatzgebiet, besonders auf psychiatrischem Gebiet, erheblich ausgeweitet. Mittlerweile wird es durch seine psychotropen Effekte neben Lithium und Valproinsäure zur Phasenprophylaxe bei der Behandlung von mono- und bipolaren Störungen, bei Persönlichkeitsstörungen und anderen psychiatrischen Erkrankungsbildern eingesetzt. Die antikonvulsiven und stimmungsmodulierenden Wirkungen führten zum Einsatz des Medikamentes in der Entzugsbehandlung. In zunehmendem Maße wird Carbamazepin in der Alkoholentzugsbehandlung eingesetzt (Thome et al. 1994, Erstad und und Contugno 1995) und ist nach neueren Untersuchungen dafür ebenso geeignet wie Benzodiazepine (Malcom et al. 1989). Auch bei Benzodiazepinabhängigkeit kann Carbamazepin das Ausschleichen und Absetzen der Benzodiazepine erleichtern (Garcia-Borreguero et al. 1991). Einige Studien zeigen eine positive Wirkung der Carbamazepin- Therapie bei Kokainmissbrauch (Halikas et al. 1997). Der Zusammenhang mit der Pathophysiologie des Entzuges ist bisher noch unbekannt (Thome et al. 1994). Vermutlich hat Carbamazepin über den antikonvulsiven Effekt hinaus eine positive Wirkung auf die Impulskontrolle, welche auch den Erfolg im Einsatz bei Spielsucht (Haller und Hinterhuber 1994) und selbstverletzendem Verhalten (Winchel und Stanley 1991) erklären könnte.

Carbamazepin:

Bioverfügbarkeit >70% bei oraler Gabe

Plasmaeiweißbindung 70-80%

Erreichen maximaler Plasmaspiegel nach 4-12 h Therapeutischer Plasmaspiegel 4-10 µg/ml

Elimination Ca. 72% renal, Rest biliär

Eliminationshalbwertszeit 30-50 h

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FRAGESTELLUNG 23

2 FRAGESTELLUNG

Drogenabhängigkeit, insbesondere die Drogenabhängigkeit vom Opiattyp, stellt ein bedeutendes medizinisches und volkswirtschaftliches Problem dar. Bislang erfolgen Entzugs- und Substitutionsbehandlungen vor allem mit dem reinen µ-Rezeptor-Agonisten L-Polamidon. L-Polamidon weist jedoch, wie oben aufgeführt, einige gravierende Nachteile auf, alternative Behandlungsmethoden erscheinen notwendig.

In vorhergehenden Untersuchungen hat sich gezeigt, dass das Thebainderivat Buprenorphin für die medikamentös gestützte Entzugsbehandlung Opiatabhängiger geeignet ist.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit war die Prüfung des Buprenorphins im stationären Opiatentzug bei heroinabhängigen und methadonsubstituierten, bisher ambulant behandelten polytoxikomanen Patienten. Hierbei wurde Buprenorphin gegen die Kontrollsubstanz L-Polamidon getestet. Aufgrund des polytoxikomanen Konsummusters der Probanden war eine additive antikonvulsive Medikation notwendig, hierzu wurde sowohl in der Prüf-, als auch in der Kontrollgruppe Carbamazepin verwendet.

Hierbei sollten speziell folgende Fragen beantwortet werden:

• Bietet die Verwendung von Buprenorphin in der stationären Entzugsbehandlung Opiatabhängiger mit polytoxikomanen Konsummuster Vorteile gegenüber L- Polamidon?

• Hat Buprenorphin einen positiven Effekt auf die Stimmung der Patienten (ermittelt mit dem Beck Depressions Inventar, BDI)?

• Wie entwickeln sich die Entzugssymptomatik und das Craving im Verlauf der Behandlung (ermittelt mit der Short Opiate Withdrawal Scale, SOWS und der Visuellen Analogskala zur Beurteilun des Suchtdrucks und des Opiathungers, VAS-P)?

• Unterscheiden sich die klinischen Entzugszeichen voneinander (ermittelt mit der Visuellen Analogskala zur Beurteilung der Ausprägung der Entzugssymptome und des Krankheitsgrades,VAS-U)?

• Wie hoch ist die Abbruchquote während der Therapie?

• Wie verändert sich die Befindlichkeit der Patienten während der Behandlung (ermittelt mit dem Fragebogen zur Erfassun gder subjektiv empfundenen Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome, SCL90R und der Eigenschaftswortliste als mehrdimensionales Instrument zur Selbstbeurteilung des aktuellen Befindens, EWL60S)?

• Beeinflußt die jeweilige Medikation die Angstsymptomatik der Patienten (ermittelt mit der Self-Rating Anxiety Scale, SAS)?

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MATERIAL UND METHODIK 24

3 MATERIAL UND METHODIK

3.1 STUDIENDESIGN

Während eines zuvor festgelegten Zeitraumes wurden von 49 in diesem Zeitraum aufgenommenen Drogenabhängigen 26 Männer (n-=22) und Frauen (n=4) in die vorliegende Studie eingeschlossen. Die übrigen möglichen Probanden konnten entweder aufgrund von vorliegenden Ausschlusskriterien oder fehlender Einwilligungsbereitschaft nicht in die Studie eingeschlossen werden.

So wurden 26 politoxikomane oder methadonsubstituierte Patienten mit Beigebrauch, die den Wunsch nach einer Drogenentgiftung hatten auf der Suchstation 53A der Abteilung für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover im Rahmen eines fünfzehntägigen Entgiftungsprogrammes behandelt. Alle Patienten erfüllten die operationalisierten Kriterien für Drogenabhängigkeit des ICD-10 und DSM-IV.

Anhand eines Randomisierungsplanes wurden die Studienteilnehmener entweder einer Prüfgruppe mit Buprenorphin und Carbamazepin oder einer Kontrollgruppe mit L- Polamidon und Carbamazepin zugeordnet. Die Studie war doppelt verblindet.

Einschlußkriterien: - Opiatabhängige männliche und weibliche Patienten Ausschlußkriterien: - Anamnestisch bekannte Überempfindlichkeit gegen

Buprenorphin, L-Polamidon oder Carbamazepin

- Schwangerschaft (bei weiblichen Patienten Schwangerschaftstest bei Aufnahme)

- Akute oder chronische Psychose aus dem schizophrenen, manisch-depressiven oder organischen Formenkreis

- Ernsthafte internistische Erkrankungen (Leber-, Herz- oder Kreislauferkrankungen)

- Neurologische Erkrankungen (Schädel-Hirn-Traumata, Myasthenia gravis, etc.)

- Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV galten nur dann als Ausschlußkriterium, wenn neben positiver Immunserologie Zeichen einer akuten Aktivität mit internistisch relevanter Symptomatik vorlag

- Teilnahme an einer suchtbezogenen Studie innerhalb der letzten 6 Monate

Das Studienprotokoll wurde genehmigt durch die Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bundesopiumstelle). Alle Studienteilnehmer erklärten nach ausführlicher Aufklärung über die Art der Studie schriftlich ihr Einverständnis mit den Studienbedingungen. Vor Aufnahme in die Studie wurden alle Patienten ausführlich internistisch und neurologisch untersucht. Am Aufnahmetag wurde von jedem Patienten eine Urinprobe gesammelt und eine Blutprobe entnommen. Es erfolgte ein Drogenscreening zur Ermittlung des Drogenkonsums vor Aufnahme, bestimmt wurden ferner Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Urinstatus- und Sediment, Hepatitis- und HIV- Status. Insgesamt wurde eine Kontrolle der Laborparameter wurde an den Tagen 1, 7 und 14 durchgeführt.

(28)

MATERIAL UND METHODIK 25 Im Laufe des Aufenthaltes erfolgte eine Sonographie des Oberbauches, ein EKG und ein EEG.

In Tabelle 3 ist das Studienmedikationsschema aufgeführt. Am Aufnahmetag (Tag 0) erhielten alle Patienten 25 mg L-Polamidon, sowie 200 mg Carbamazepin. Je nach Klinik konnten noch einmal 200 mg Carbamazepin nachgegeben werden.

Danach erfolgte die Medikation entweder nach dem Schema der Prüf- oder der Kontrollgruppe. Die Patienten wurden täglich in ausschleichender Dosierung über 11 Tage mit der Prüf- bzw. Kontrollmedikation und 15 Tage mit Carbamazepin behandelt.

Zusätzlich zur Medikation erhielten die Probanden jeweils ein dem anderen Studienarm entsprechendes Dummy-Präparat, also entweder ein wirkstoffloses Sublingualtabletten- Placebo oder eine Saftzubereitung.

Carbamazepin war für beide Gruppen als antikonvulsive Begleitmedikation notwendig, da durch den polytoxikomanen Substanzgebrauch ein sicherer zerebraler Krampfschutz während der Entgiftung gewährleistet sein mußte. Bei schweren Schlafstörungen, Unruhe- und Angstzuständen bestand in Einzelfällen die Möglichkeit, zusätzlich mit einem niederpotenten Neuroleptikum zu behandeln.

Prüfgruppe (Buprenorphin)

Tag 1-3 4 mg Buprenorphin

Tag 4 3,6 mg Buprenorphin

Tag 5 2,8 mg Buprenorphin

Tag 6 2,0 mg Buprenorphin

Tag 7 1,2 mg Buprenorphin

Tag 8 0,8 mg Buprenorphin

Tag 9-10 0,4 mg Buprenorphin

Tag 11 Buprenorphin %

Kontrollgruppe (L-Polamidon)

Tag 1 20 mg L-Polamidon

Tag 2-3 15 mg L-Polamidon

Tag 4 12,5 mg L-Polamidon

Tag 5 10 mg L-Polamidon

Tag 6 7,5 mg L-Polamidon

Tag 7 5 mg L-Polamidon

Tag 8 3,75 mg L-Polamidon

Tag 9 2,5 mg L-Polamidon

Tag 10 1,25 mg L-Polamidon

Tag 11 L-Polamidon %

Carbamazepin (Begleitmedikation in Prüf- und Kontrollgruppe)

Tag 1-6 2x300 mg Carbamazepin/die

Bedarfsmedikation:300 mg Carbamazepin

Tag 7-10 2x200 mg Carbamazepin/die

Bedarfsmedikation: 200 mg Carbamazepin

Tag 11-13 2x100 mg Carbamazepin/die

Bedarfsmedikation: 100 mg Carbamazepin

Tag 14 1x100 mg Carbamazepin

Tag 15 Carbamazepin %

Tabelle 3: Medikationsschemata Prüf- und Kontrollgruppe, Begleitmedikation

(29)

MATERIAL UND METHODIK 26 Die Medikation wurde von der dritten Person ausgehändigt, der Prüfer hatte keine Kenntnis der jeweiligen Medikation. Auch die Patienten wussten nicht, welchem Therapiearm sie zugeteilt waren. Buprenorphin wurde als Sublingualtablette verabreicht, die Polamidondosis wurde kurz vor der Verabreichung mit 100 ml Orangensaft zubereitet und ebenfalls unter Sichtkontrolle eingenommen.

Buprenorphin (Temgesic®-Sublingualtabletten à 0,2 und 0,4 mg) wurde von der ESSEX Pharma GmbH zur Verfügung gestellt. Die Apotheke der Medizinischen Hochschule Hannover stellte sowohl L-Polamidon (L-Polamidon® Hoechst) in flüssiger Form als auch Carbamazepin als Begleitmedikation (Tegretal®-Suspension der Firma Geigy und Timonil® retard-Tabletten der Firma Desitin) und die Placebo-Zubereitungen.

Tabelle 4 zeigt die Tage, an denen die jeweiligen medizinischen Kontrolluntersuchungen, die Erfassung der Entzugssymptome, sowie das Ausfüllen der jeweiligen Tests erfolgte.

TAG KONTROLLUNTERSUCHUNGEN, ERFASSUNG DER ENTZUGS- SYMPTOMATIK UND TESTS

Tag 0 Körperliche Untersuchung, Drogenscreening, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Urinstatus- und Sediment, Hepatitis- und HIV-Serologie, RR, HF, SOWS, VAS-U, VAS-P, EWL-60S

Tag 1 RR, HF, BDI, SAS, SCL-90R Tag 2 SOWS, VAS-U, VAS-P, RR, HF Tag 3 RR, HF

Tag 4 ASI, RR, HF, Tag 5 RR, HF Tag 6 RR, HF

Tag 7 VAS-U, VAS-P, EWL-60S, BDI, SAS, SCL-90R, RR, HF, Drogenscreening, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Urinstatus- und Sediment

Tag 8 SOWS, RR, HF Tag 9 RR, HF

Tag 10 RR, HF Tag 11 RR, HF Tag 12 RR, HF Tag 13 RR, HF

Tag 14 SOWS, VAS-U, VAS-P, EWL-60S, BDI, SAS, SCL-90R, RR, HF, Drogenscreening, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Urinstatus- und Sediment

Tabelle 4: Schema der einzelnen Testungen und Untersuchungen

Folgende Tests wurden eingesetzt:

Fremdbeurteilungsskalen: - ASI: Addiction Severity Index. Standardisiertes Interview zur Erfassung des Schweregrades der Abhängigkeit

- VAS-U: Visuelle Analogskala zur Beurteilung der Ausprägung der Entzugssymptome und des Krankheitsgrades

(30)

MATERIAL UND METHODIK 27 Selbstbeurteilungsskalen : - SOWS: Short Opiate Withdrawal Scale. Skala zur

spezifischen Erfassung der Entzugssymptome bei Opiatabhängigen

- BDI: Beck Depressions Inventar. Skala zur

quantifizierten Beurteilung depressiver Symptome

- SCL- 90R: Fragebogen zur Erfassung der subjektiv empfundenen Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome

- EWL: Eigenschaftswörterliste als mehrdimensionales Instrument zur Selbstbeurteilung des aktuellen Befindens

- VAS-P: Visuelle Analogskala zur Beurteilung des Suchtdrucks und des Opiathungers

- SAS- Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung von Angst als klinischer Erscheinungsform

Die Patienten füllten die Fragebögen nach Anleitung des Untersuchers jeden Morgen zum gleichen Zeitpunkt vor Einnahme der Medikamente aus. Die Bearbeitung der Fremdbeurteilungsskalen durch den Untersucher erfolgte ebenfalls zu diesem Zeitpunkt.

3.1.1 TESTVERFAHREN ZUR ERMITTLUNG DER SCHWERE DES OPIATENTZUGS: SOWS, VAS-U, VAS-P

Alle im Abschnitt 3.2.2 und 3.2.3 dargestellten Testvefahren sind in der klinischen Forschung gut etabliert und in zahlreichen Studien getestet worden (vgl. Albani et al. 2005, Beck et al. 1961, Gossop 1990, Handelsmann et al. 1987, Olantunji et al. 2005, Potgieter et al. 1999, Price et al. 1975, Umbricht et al. 2003, Schmitz et al. 2000).

3.1.1.1 Short Opiate Withdrawal Scale (SOWS)

Die SOWS ist ein kurzes und leicht verständliches Selbstbeurteilungsinstrument zur Quantifizierung der Entzugssymptome im Opiatentzug. Es wurde 1990 von M. Gossop entwickelt. (Gossop 1990). Die Skala, die 10 Items beinhaltet, ist eine Weiterentwicklung der 32 Items umfassenden Opiate Withdrawal Scale (OWS/ Bradley et al. 1987).

Erfasst werden insgesamt 10 Items: Krankheitsgefühl, Magenkrämpfe, Muskelkrämpfe, Kältegefühl, Herzrasen, Muskelverspannung, Schmerzen, Gähnen, tränende Augen und Schlaflosigkeit. Auf einer vierstufigen Skala von 0 (nicht) über 1 (mild), 2 (mäßig) und 3 (schwer) sollen sie vom Patienten hinsichtlich Vorhandensein und Stärke in den letzten 24 Stunden beurteilt werden. Die Bearbeitungszeit liegt bei ca. 2 Minuten.

Zur Auswertung werden die einzelnen Werte addiert. Der Testscore liegt zwischen 0 und 30. Im Rahmen dieser Studie wurde die SOWS an den Tagen 0, 2, 8 und 14 zum jeweils gleichen Zeitpunkt vor der Medikamenteneinnahme von den Studienteilnehmern ausgefüllt. So ergibt sich ein Verlaufsprofil für die Stärke den Opiatentzuges im Laufe der Behandlung.

In einer Studie mit 68 opiatabhängigen Patienten, die an einer methadongestützten Entgiftungstherapie teilnahmen ergab sich eine Korrelation von r= 0,97 zwischen der SOWS und der OWS (Gossop, 1990).

(31)

MATERIAL UND METHODIK 28

3.1.1.2 Visuelle Analogskala Patient (VAS-P)

Die VAS-P ist eine einfache und schnelle Selbstbeurteilungsskala zur Einschätzung von Suchtdruck und Opiathunger bei opiatabhängigen Patienten. Der Patient soll auf zwei 100 mm langen Skalen durch senkrechte Striche markieren, wie stark sein Suchtdruck bzw.

Opiathunger zum Zeitpunkt der Erhebung sind. Dabei entsprechen 0 mm der Eigenschaft

„überhaupt kein Suchtdruck“ (bzw. „überhaupt kein Opiathunger“), 100 mm der Eigenschaft „maximaler Suchtdruck“ (bzw. „maximaler Opiathunger“). Die Bearbeitungszeit für den Patienten beträgt weniger als eine Minute.

Zur Auswertung wird ausgemessen, bei wievielen Millimetern der Patient die Markierung gesetzt hat. Im Rahmen dieser Studie füllten die Patienten die VAS-P an den Tagen 0, 2, 7 und 14 jeweils vor der Medikamenteneinnahme aus. So konnte ein Profil für die subjektive Stärke von Suchtdruck und Opiathunger im Laufe der Entgiftung erstellt werden.

3.1.1.3 Visuelle Analogskala Untersucher (VAS-U)

Analog zum VAS-P ist der VAS-U ein Fremdbeurteilungsinstrument zur Beurteilung von Entzugssymptomatik und Krankheitsaspekt des Patienten durch den Untersucher. Auch dieses Testinstrument besteht aus zwei 100mm langen Skalen. Auf der ersten soll der Untersucher unter der Fragestellung „Wie entzügig ist der Patient heute?“ die Entzugssymptomatik quantifizieren. Die zweite Skala dient zur Beurteilung des Krankheitsaspektes, hier lautet die Fragestellung: „Wie krank erscheint der Patient heute?“.

0 mm entsprechen der Eigenschaft „überhaupt nicht entzügig“ (bzw. „überhaupt nicht krank“), 100 mm entsprechen der Eigenschaft „maximale Entzügigkeit“ (bzw.

„lebensbedrohlich krank“).

Zur Auswertung wird ausgemessen, bei wievielen Millimetern die jeweilige Markierung gesetzt wurde. Durch die zeitgleich erfolgende Beurteilung an den Tagen 0, 2, 7 und 14 sowie durch den direkten Vergleich zur VAS-P ergibt sich ein Profil der Entzugssymptomatik und des Krankheitsaspektes bei den Patienten. Zudem kann subjektiv empfundene Entzügigkeit und objektiv durch den Untersucher beurteilte Entzugssymptomatik miteinander verglichen werden.

3.1.2 TESTVERFAHREN: NEUROPSYCHOLOGISCHE TESTS

3.1.2.1 Beck Depressions- Inventar (BDI)

Das Beck Depressions-Inventar ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Vorhandenseins und der Ausprägung depressiver Symptome. Es wurde 1961 von Beck et

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