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Die stationäre Entgiftungsbehandlung politoxikomaner Patienten stellt für die Behandler und die Probanden nach wie vor eine Herausforderung dar. Die Abbruchquote ist sehr hoch. Die Patienten leiden trotz medikamentöser Unterstützung unter Opiatentzugssymptomen und beklagen sich oftmals über negative Auswirkungen des Entzuges auf ihre Stimmung. Wichtig für das erfolgreiche Absolvieren einer qualifizierten Entzugsbehandlung ist jedoch, dass die Patienten das therapeutische Begleitprogramm (z.B. gruppentherapeutische Sitzungen, Ergotherapie, therapeutische Einzelgespräche) für sich in Anspruch nehmen können. Um einen dauerhaften oder zumindestens länger währenden Abstinenzstatus zu erreichen, genügt es nicht, nur die Phase des körperlichen Opiatentzuges medizinisch unter Einsatz von Substitutionsmitteln zu begleiten. Wichtig ist es, den Patienten auf weiterführende suchttherapeutische Maßnahmen vorzubereiten (z.B.

Langzeitentwöhnungstherapie, ambulante Selbsthilfegruppen, Wiedereingliederungs-maßnahmen) Hierzu sind möglichst unbeeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit und Stimmungslage notwendig.

Im Idealfall bietet eine medikamentöse Entgiftungsbehandlung polytoxikomaner Patienten sowohl eine Abschwächung der körperlichen Entzugssymptome ohne kritische Nebenwirkungen des Substitutionsmittels selbst, als auch eine weitgehende Erhaltung der geistigen Leistungsfähigkeit ohne die Stimmungslage negativ zu beeinflussen.

Im Rahmen einer stationären Entgiftungsbehandlung sollten die illegal konsumierten Substanzen zunächst durch ein standardisiertes, ärztlich verordnetes Medikament ersetzt werden. Durch langsame Reduktion des Substituts soll der körperliche Entzug erträglicher gestaltet werden. Längerfristig soll ein Rückfall in die alten Konsummuster verhindert werden. Bisher wurde als Substitutionsmittel sowohl in der Dauersubstitution als auch im stationären Opiatentzug vor allem Methadon verwendet (Mattick et al. 1996, Senay 1985, Ward et al. 1999). Dieses bringt jedoch erhebliche Nachteile mit sich, wie unzureichende psychotrope Wirkung, Sedierung, fragliche Sicherheit des Substitutionskonzeptes (auch bei einer Take-home Dosierung), hohe Abbruchquote beim stationären methadongestützen Entzug (in einer retrospektiven Untersuchung lag die Abbruchquote einer Entgiftungsbehandlung mit Methadon ebenso hoch wie ohne Methadon (37% ohne vs.

41,6% mit Methadon), Notwendigkeit der täglichen Medikamentengabe, Nebenwirkungen wie Schwitzen und Gewichtszunahme, hohes Abhängigkeitspotential der Substanz und der Schwere des Methadonentzuges selbst (Johnson et al. 1989, Kreck et al. 1987, Gößling et al. 1998).

In der vorliegenden Studie sollte Buprenorphin als Entgiftungsmedikament während des stationären Opiatentzuges im Vergleich mit L-Polamidon untersucht werden. Im Rahmen einer fünfzehntägigen Entzugsbehandlung erhielten die Probanden in der Prüfgruppe Buprenorphin und in der Kontrollgruppe L-Polamidon. Aufgrund des polyvalenten Substanzkonsums vor der Behandlung war eine Krampfanfallprophylaxe notwendig. Beide Gruppen wurden deshalb additiv mit Carbamazepin mediziert, das sich in multiplen Studien bereits als vorteilhaftes Medikament bei der Behandlung von Entzugssymptomen (sowohl Opiat-, als auch Kokain-, Alkohol- und Benzodiazepinentzug) erwiesen hat (Thome et al. 1994, Erstad und Contugno 1995, Malcolm et al. 1989, Garcia- Borreguero et al. 1991, Halikas et al. 1997, Schik et al. 2005). In einer Pilot-Studie konnte bereits

DISKUSSION 74 nachgewiesen werden, dass Buprenorphin in Kombination mit Carbamazepin einer

Behandlung mit Oxazepam in Kombination mit Carbamazepin bezüglich der Abbruchquote und der Verminderung der Entzugssymptomatik überlegen ist (Schneider et al. 2000).

Um zu Beginn der Behandlung möglichst equivalente Bedingungen zu schaffen, erhielten alle Patienten am Tag 0 25 mg Polamidon und 200-400 mg Carbamazepin. Diese L-Polamidondosierung wurde gewählt, um einerseits den mit Methadon vorbehandelten Patienten eine ausreichende Opiatdosierung zu verabreichen und andererseits eine schnelle Entgiftungsbehandlung mit Buprenorphin zu ermöglichen. Es hatte sich in vorausgehenden Studien bereits gezeigt, dass ein Wechsel von einer Methadonmenge von 20-30 mg täglich auf 4 mg Buprenorphin täglich möglich ist, ohne dabei Entzugssymptome auszulösen (Law et al. 1997), die günstigsten Ergebnisse beim Wechsel von Methadon auf Buprenorphin ergaben sich bei einer Methadondosis von weniger als 30 mg (Walsh et al. 1995, Levin et al. 1997). Höhere Methadondosierungen machten eine höhere Buprenorphindosis und eine langsamere Medikamentenumstellung notwendig (Strain et al. 1994).

Am Tag nach der stationären Aufnahme (Tag 1) wurde dann die eigentliche Studienmedikation begonnen. Die mit Buprenorphin behandelten Probanden erhielten inital 4 mg Buprenorphin täglich (Tag 1-3), wobei diese Dosierung einen Kompromiß zwischen den bisher durchgeführten Studien darstellte (Amass et al. 1994 (0,15-0,6 mg, 8 mg), Soew et al. 1986 (2-4 mg), Kosten et al. 1988 (2-6 mg), Fudala et al. 1990 (8 mg)).

Die Probanden der L-Polamidongruppe erhielten initial 20 mg L-Polamidon. Die Opiat-Medikation wurde dann in beiden Gruppen innerhalb von 10 Tagen ausgeschlichen, so dass ab Tag 11 der Behandlung keine Opiate mehr verabreicht wurden. Die Begleitmedikation mit Carbamazepin wurde ebenfalls ausgeschlichen und am 14. Tag der Behandlung beendet. Diamant et al. konnten an 50 opiatabhängigen Patienten eine ambulante Detoxifikation mittels ausschleichender Buprenorphinmedikation durchführen.

Dabei lag die Haltequote bei 70%, es wurden nur milde Entzugssymptome berichtet (Diamant et al. 1998).

Die Medikationsgruppen der innerhalb dieser Studie randomisierten Probanden waren hinsichtlich Alter, Geschlechtsverteilung, Dauer der Opiatabhängigkeit, Anzahl der früheren stationären Entgiftungsbehandlungen, und Drogenkonsum vor stationärer Aufnahme (Opiate, Kokain, Benzodiazepine, Alkohol, Halluzinogene, Amphetaminen und Nikotin) vergleichbar. Die Probanden der L-Polamidongruppe konsumierten allerdings vor der stationären Aufnahme signifikant häufiger Cannabis.

Ein wichtiger Outcome-Faktor im Rahmen einer Entgiftungsbehandlung ist die Abbruchquote während der Therapie. In einer vergleichenden Studie erhielten 45 heroinabhängige Patienten entweder Methadon oder Buprenorphin, wobei sich unter Buprenorphin der Trend zu einer besseren Haltequote zeigte (Bickel et al. 1988). Ebner et al. zeigten in einer Studie an 93 opiatabhängigen Heranwachsenden eine Haltequote von 38,1% bei den mit Buprenorphin und 23,5% bei mit Methadon behandelten Patienten, wobei die Differenz nicht statistisch signifikant wurde (Ebner et al. 2004). Eine andere Studie ergab keinen Unterschied in der Haltequote zwischen Methadon (60 mg/ Tag) und Buprenorphin (8 mg/Tag) (Johnson et al. 1992). Im Rahmen dieser Studie zeigte sich zwischen den Medikationsgruppen ebenfalls kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich der Dropout-Rate. Die ermittelten soziodemographischen Kenngrößen hatten ebenfalls keinen signifikanten Einfluß auf die Abbruchquote.

DISKUSSION 75 In beiden Medikationsgruppen waren im Verlauf der Behandlung keine ernsthaften

Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente zu verzeichnen. Das gute Sicherheitsprofil von Buprenorphin hat sich bereits in zahlreichen klinischen Studien gezeigt (z.B. Lange et al. 1990, Best et al. 1997). In der Literatur wurden als häufigste Nebenwirkungen opiattypische unerwünschte Nebenwirkungen von Buprenorphin beschrieben (Übelkeit, Erbrechen, Atemdepression). Tödliche Intoxikationen mit Buprenorphin traten fast ausschließlich im Rahmen von Mischintoxikationen auf (Traqui et al. 1998). Ein großer Vorteil des Buprenorphins gegenüber anderen Opiaten ist der

„Ceiling-Effect“, die Dosis-Wirkungs-Kurve verläuft bei Buprenorphin glockenförmig.

Dies bedeutet, dass nach Erreichen einer maximalen Wirkintensität eine weitere Dosissteigerung zu einer Verringerung der agonistischen Wirkung führt (Jasinski et al.

1978). Dies ist ein Effekt, der das Missbrauchspotential der Substanz vermindert und somit zu einer höheren Anwendungssicherheit führt. Auch für die Behandlung opiatabhängiger Frauen in der Schwangerschaft scheint Buprenorphin nach bisheriger Datenlage ein geeignetes Substitutionsmittel zu sein. Die Neugeborenen weisen keine oder nur geringe Symptome eines Neonatal Abstinence Syndrome (NAS) auf. Eine österreichische Studie untersuchte 15 Neugeborene opiatabhängiger Mütter. In acht Fällen wurde kein NAS, in vier Fällen ein geringgradiges NAS und in drei Fällen ein mäßiggradiges, behandlungsbedürftiges NAS nachgewiesen (Fischer et al. 2000).

Mittels der einfach und schnell durchzuführenden Short Opiate Withdrawal Scale SOWS und den visuellen Analogskalen VAS-U und VAS-P wurde die subjektive Entzugsschwere und der klinische Eindruck der Probanden im Verlauf der Behandlung ermittetlt. Bezüglich der SOWS zeigten sich im Verlauf signifikante Unterschiede zwischen den beiden Medikationsgruppen. Während sich am Aufnahmetag und am Tag 2 der Behandlung noch keine signifikanten Differenzen ergaben, konnte an den Tagen 8 und 14 bei den mit Buprenorphin behandelten Patienten eine signifikant geringere Entzugssymptomatik als in der L-Polamidongruppe ermittelt werden. Analog hierzu sind die Rater-Eindrücke in der VAS-U bezüglich des Kriterium „Entzügigkeit“ und „Krankheitsaspekt“ der Probanden.

Auch hier zeigte sich an den Tagen 0 und 2 keine Differenz, hingegen ergeben sich an den Tagen 7 und 14 statistisch signifikante Unterschiede zugunsten des Buprenorphins. Die Selbstbeurteilungskalen VAS-P „Suchtdruck“ und „Opiathunger“ zeigten keine statistisch signifikanten Differenzen an den einzelnen Untersuchungsterminen, jedoch statistisch signifikante gruppeninterne Unterschiede. Diese traten ausschließlich in der Buprenorphingruppe auf, so nahm der Suchtdruck zwischen Tag Tag 2 und Tag 7 signifikant ab, der Opiathunger sank signifikant zwischen Tag 7 und Tag 14. Die Behandlung mit Bupernorphin führte also zu einer als subjektiv weniger stark ausgeprägten Entzugssymptomatik und zu einem besseren klinischen Eindruck der Probanden als die Behandlung mit L-Polamidon.

Besonderes Augenmerk lag im Rahmen dieser Studie nicht nur auf der körperlichen Entzugssymptomatik, sondern auch auf der emotionalen Befindlichkeit der Probanden.

Evaluiert werden sollte, ob die Medikation mit Buprenorphin gegenüber der Behandlung mit Methadon Vorteile in Bezug auf die Affektsituation der Probanden (Depressivität) mit sich bringt. Die affektmodulierende Wirkung der Opiate wurde früh entdeckt. Bereits im 19. Jahrhundert wurden Opiattinkturen zur Behandlung verschiedener psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt (McDiarmid 1876). Emil Kraepelin setzte die Opium-Kur zunächst in an- und dann in absteigender Dosierung zur Behandlung von depressiven Patienten ein (Kraepelin 1901). Der Einsatz von Opiaten in der Psychiatrie wurde jedoch nach weiterem Erkenntnisgewinn bezüglich der Intoxikations- und Suchtgefahren zunächst wieder verlassen. Nach genauerer Erforschung der körpereigenen Endorphine und der

DISKUSSION 76 Differenzierung von verschiedenen Opiatrezeptoren erwachte erneut das Interesse am

Einsatz von Opiaten in der Psychiatrie. Die Entgiftung von opiatabhängigen Patienten stellt heute ein wichtiges Einsatzgebiet für eine Opiatmedikation dar. Aufgrund des geringeren Abhängigkeitspotentiales im Vergleich zu Heroin und Methadon und der besonderen Rezeptoraffektivität und –kinetik scheint Buprenorphin ein vielversprechendes Opiat für diesen Verwendungszweck zu sein. 1980 konnte im Rahmen einer Studie eine stimmungsaufhellende Wirkung von Buprenorphin bei postoperativen Patienten beobachtet werden (Harcus et al. 1980). 1981 wurde die Wirkung des Buprenorphins bei therapieresistenten depressiven Patienten festgestellt (Emrich et al. 1981), hier zeigte sich eine rasch einsetzende stimmungsaufhellende Wirkung. Um zu evaluieren, welche Substanzen im Rahmen einer Prämedikation zur Reduktion von präoperativem Stress führen könnten zeigte sich Buprenorphin (0,15-0,3 mg intramuskulär) bezüglich der Reduktion von Depressivität Flunitrazepam und Droperidol sowie Placebo überlegen (Tolksdorf et al. 1984). Kosten et al. konnten bei opiatabhängigen Patienten während einer vierwöchigen Behandlung mit Buprenorphin eine signifikante Verbesserung der Stimmungsskalen im Beck-Depressions-Inventar und in der Short-Depressions-Scale nachweisen (Kosten et al. 1990). Hierbei wurden die Probanden zu Beginn der Behandlung nach dem ermittelten BDI-Score in eine depressive und in eine nicht depressive Gruppe eingeteilt. In der mit Buprenorphin medizierten Gruppe traten im Verlauf der Behandlung keine neuen Depressionen auf, während bei den mit Methadon behandelten eine Depression in 20% der Fälle neu in Erscheinung trat. Eine Kombination von Buprenorphin und Carbamazepin zeigte sich in der Entgiftung Opiatabhängiger bezüglich der Stimmungslage einer Kombination von Oxazepam und Carbamazepin überlegen, bemerkenswert hierbei ist die Tatsache, dass Oxazepam selbst anxiolytische und tranquilierende Eigenschaften hat und somit die depressiven Symptome wie Angst, Erregung und Schlaflosigkeit ebenfalls positiv beeinflusst (Paetzold et al. 2000).

Heroinkonsum führt über den Agonismus am µ-Opiatrezeptor durch Aktivierung von dopaminergen Neuronen der Area tegmentalis ventralis mit darauffolgender Dopaminfreisetzung im Nuceleus accumbens zu einer ausgeprägten Euphorie, ein Effekt, der von den Konsumenten gewünscht ist und als besonders wichtig angesehen wird (Engel 1987, Lu et al. 2003). Chronische Opiateinnahme führt jedoch zur Neuroadaptation und somit zu einer Veränderung des endogenen Belohnersystems, so dass zur Erreichung des gewünschten Effektes immer höhere Opiatdosierungen notwendig werden. Patienten, die eine stationäre Opiatentgiftung mit Methadon absolvieren, beklagen hingegen häufig eine dysphorische Stimmungslage. Es ist bisher noch nicht geklärt, warum eine Methadonmedikation im Entzug und in der Substitutionstherapie zu depressiven Symptomen führt. Möglich ist, dass durch den Entzug die gewohnte agonistische Opiatwirkung am µ-Rezeptor geringer ausfällt und deshalb die geringere Euphorie als Depressivität erlebt wird. Eine Studie an depressiven Patienten zeigte keine Besserung der depressiven Symptome unter einer Methadongabe von 5 mg täglich im Vergleich zu Placebo, wobei es sich hier um opiatnaive Patienten handelte (Extein et al. 1981).

Depressivität wird von den Patienten im Opiatentzug oft als sehr quälend empfunden.

Besonderes Augenmerk lag im Rahmen dieser Studie deshalb auf der Stimmung der Probanden. Depressivität als klinische Erscheinungsform lässt sich unter anderem mit dem

„Beck Depressions-Inventar“ beurteilen. Dieses Testinstrument eignet sich durch seine leichte Anwendbarkeit und gute Wiederholbarkeit insbesondere für Verlaufsbeurteilungen der Ausprägung depressiver Verstimmungen. Im Rahmen dieser Studie wurde das BDI in wöchentlichen Abständen an den Tagen 1, 7 und 14 eingesetzt. Der direkte Vergleich der Medikationsgruppen an den Untersuchungstagen ergibt keine signifikant differenten

DISKUSSION 77 Scores bezüglich der Stimmung. Anders verhält es sich, wenn man den Verlauf des

BDI-Scores gruppenintern betrachtet. Hier ergibt sich in der Buprenorphingruppe eine signifikante Abnahme des BDI-Scores zwischen Tag 1 und Tag 7 sowie zwischen Tag 7 und Tag 14 entsprechend einer Reduktion der Depressivität. Die ermittelten BDI-Scores in der L-Polamidongruppe waren zwischen den einzelnen Untersuchungsterminen hingegen nicht statistisch signifikant different. Vergleichbare Ergebnisse zeigen sich bei den Resultaten von Unteritems der EWL-60S. Die Eigenschaftswortliste EWL-60S beinhaltet mehrere Items, die bei wiederholter Anwendung im Zeitverlauf die Beurteilung der Stimmungsveränderungen der Probanden ermöglichen. Hierbei handelt es sich um die Items I „gehobene Stimmung“ und N „Deprimiertheit“. Betrachtet man das Item

„gehobene Stimmung” der Eigenschaftswortliste EWL-60S, so zeigt sich am vierzehnten Studientag ein signifikanter Unterschied zwischen den Medikationsgruppen. Die Probanden in der Buprenorphingruppe waren am 14. Tag signifikant besserer Stimmung als die der L-Polamidongruppe. Im gruppeninternen Verlauf beurteilten die Probanden der Buprenorphingruppe ihre Stimmungslage im Mittelwert zwischen Tag 7 und Tag 14 als signifikant verbessert, in der L-Polamidongruppe zeigte sich keine solche Änderung.

Analog dazu verhält sich das Testergebnis für die Eigenschaftswortliste EWL-60S Item

„Deprimiertheit“. Hier lässt sich ebenfalls am vierzehnten Tag eine signifikante Differenz zwischen den Medikationsgruppen ermitteln, ebenso waren die Probanden der Buprenorphingruppe im Verlauf der Studie signifikant weniger deprimiert, bezüglich der L-Polamidonpatienten zeigte sich keine solche Veränderung. Insofern ergibt sich in allen drei diesbezüglich gemessenen Parametern in unterschiedlicher Effektstärke der Trend zu einer Abnahme der Depressivität beziehungsweise einer Zunahme von gehobener Stimmung bei Behandlung des Opiatentzugssyndroms mit Bupernorphin.

Einige Besonderheiten des Buprenorphin könnten zu diesen Ergebnissen geführt haben. So hat Buprenorphin eine langsamere Rezeptorkinetik als Methadon (Martin et al. 1976, McCarthy und Howlett 1984). Dieses wirkt sich positiv auf die Entzugssymptome aus, die auch affektive Störungen wie Angst und Depressivität beinhalten. Ein leichterer Entzug müsste somit zu einer Reduktion der affektiven Symptome führen. Ferner ist Buprenorphin auch ein κ-Opiat- Rezeptor-Antagonist (Leander 1987). Es ist bekannt, dass Dynorphin, ein κ-Rezeptor-Agonist, depressive Symptome auslöst (Chavkin et al. 1982, Corbett et al.

1982). Die antidepressiven Efekte des Buprenorphins beruhen möglicherweise auf seinem κ-Rezeptor-Antagonismus, eine Eigenschaft, die Methadon nicht besitzt.

Mittels des EWL-60S-Testinstrumentes lassen sich noch weitere Befindlichkeitsveränderungen im Verlauf der Behandlung mit Buprenorphin erfassen. Es zeichnet sich ab, dass sich die mit Buprenorphin behandelten Probanden am Ende der Behandlung signifikant weniger benommen (Item E), weniger müde (Item D), weniger verträumt (Item O) und weniger desaktiviert (Item C) fühlten und konzentrierter waren (Item B). In der Vergleichsgruppe der mit L-Polamidon behandelten Probanden ließen sich im Verlauf der Behandlung keine solchen Änderungen feststellen. Fraglich ist, worauf dieser Effekt zurückzuführen ist. Giacomuzzi et al. konnten 2005 im Rahmen einer Substitutionsstudie an 53 Opiatabhängigen ebemfalls eine statistisch signifikant geringere Müdigkeit bei mit Buprenorphin behandelten Patienten im Vergleich zu mit Methadon behandelten nachweisen (Giacomuzzi et al. 2005). Die geringere Sedation durch Buprenorphin könnte einen Aspekt zur Erklärung bieten, jedoch bleibt die Frage offen, warum der Effekt noch am Ende der Behandlung nachweisbar ist. Beide Medikationsgruppen erhielten letztmalig am Tag 10 der Behandlung entweder die Prüf- oder die Kontrollsubstanz. Möglich ist, dass die Wirkung des Buprenorphins aufgrund der langen Rezeptorbindung und Halbwertszeit zum Ende der Datenerhebung noch anhält.

DISKUSSION 78 Andererseits könnte man mutmaßen, dass die Medikation mit Buprenorphin es den

Probanden durch die schnellere Besserung der Entzugssymptomatik und den antidepressiven Effekt früher ermöglicht, wieder zu einem adäquaten Aktivitätssniveau zurückzukehren.

Weitere im Verlauf der Behandlung aufgetretene Befindlichkeitsveränderungen, die in beiden Medikationsgruppen voneinder differierten, sollen im folgenden näher betrachtet werden. Die Self Rating Anxiety-Scale ergab sowohl im Vergleich der Medikationsgruppen miteinander zu den einzelnen Untersuchungsterminen als auch im gruppeninternen Verlauf über die Zeit keine signifikanten Unterschiede. Jedoch ließen sich mit der EWL-60S in der Buprenorphingruppe Änderungen sowohl bezüglich der Ängstlichkeit (Item M) als auch bezüglich der Empfindlichkeit (Item K) nachweisen, beide Parameter zeigten zwischen Tag 2 und Tag 14 in der Buprenorphingruppe eine signifikante Reduktion. Die Selbstsicherheit (EWL-60S Item H) stieg hingegen zwischen Tag 2 und Tag 14 in der Buprenorphingruppe signifikant an. Auch hier zeigten sich in der L-Polamidongruppe keine Veränderungen. Es lassen sich also signifikante Verminderungen von im weiteren Sinne angstbezogenen Symptome während der Behandlung ausschließlich in der Buprenorphingruppe nachweisen.

Buprenorphin weist durch seinen µ- Opiat- Rezeptor-Agonismus (Hemmung von Locus coeruleus-Neuronen) direkte anxiolytische Eigenschaften auf. Dies trifft jedoch auch auf Methadon zu. Dies erklärt also die Überlegenheit des Buprenorphin bezogen auf Angstsymptome noch nicht. Da aber z.B. angstbezogene Beschwerden im Verlauf einer Entzugsbehandlung oft auftreten, ist es zu erwarten, dass eine Verminderung von Entzugssymptomen auch zu einer Minderung von Angst und damit verbundenen Symptomen führt. Die mit der SOWS und den VAS-Skalen ermittelte geringere Entzugsschwere unter der Buprenorphinmedikation spiegelt sich auch hier wieder und so wird im Vergleich zur L-Polamidon-medizierten Gruppe eine Angstreduktion im Behandlungsverlauf bei Medikation mit Buprenorphin erreicht. Ferner sind Angstsymptome auch im Rahmen einer depressiven Symptomatik vermehrt zu beobachten, so dass auch diesbezüglich aufgrund des antidepressiven und geringgradig euphorisierenden Effektes des Buprenorphins eine Verminderung von Angstsymptomen zu erkennen ist. Diese Veränderung bildet sich zwar nicht in der SAS-Auswertung ab, jedoch ergeben die EWL-60S-Items deutliche Hinweise darauf. Hier bietet sich ein Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen.

Bei einem Opiatentzug im Rahmen einer stationären Behandlung ist es für die behandelten Probanden notwendig, gewisse Verhaltensmaßregeln einzuhalten, um das Konzept der betreffenden Entgiftungseinrichtung mittragen zu können. Dies erfordert in hohem Maße Anpassung und kurzfristige Verhaltensänderungen der Probanden, was für Opiatabhängige oftmals schwierig ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entzugssymptomatik häufig beeinträchtigend ist und die Affektsteuerung erschwert. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass entzugswillige Probanden die Behandlung abbrechen, da sie mit den Rahmenbedingungen der entsprechenden Stationen nicht zurechtkommen. Mittels der EWL-60S ließ sich nebenbefundlich auch die Ärgerlichkeit der Probanden erfassen (Item C). Dies scheint ein Parameter zu sein, der mutmaßlich die globale Zufriedenheit mit der Behandlung nahe legen könnte. Auch der antidepresive Effekt des Buprenorphins könnte dazu beitragen. Hier ließ sich erheben, dass die mit Buprenorphin behandelten Probanden im Verlauf des Opiatentzuges signifikant weniger ärgerlich waren als zu Beginn der Therapie (Vergleich zwischen dem Score an Tag 2 und dem Score an Tag 14). Bei den mit L-Polamidon behandelten Probanden ließ sich kein solcher Effekt nachweisen. Dies kann

DISKUSSION 79 jedoch nur als unspezifischer Hinweis gewertet werden, da im Rahmen dieser Studie keine

genauere Beurteilung der Nutzerzufriedenheit unternommen wurde. Möglicherweise könnten weitere Untersuchungen hier additive Erkenntnisse erbringen.

In beiden Gruppen zeigte sich keine Veränderungen bezüglich der EWL-60S-Parameter Aktiviertheit (Item A), Extravertiertheit (Item F) und Erregtheit (Item J), sowohl zwischen den beiden Gruppen zu den Untersuchungsterminen, als auch innerhalb der Gruppen über die Zeit. Ferner sollte mittels der SCL-90R erfasst werden werden, ob sich die Medikationsgruppen hinsichtlich ihrer psychischen Beschwerden allgemein und ihres krankheitsbedingten Leidensdruckes unterscheiden. Die Datenerhebung zu drei Zeitpunktion (Tag 1,7 und 14) zeigte keine Gruppenunterschiede in den Dimensionen der grundsätzlichen psychischen Belastung der Probanden, der Anzahl der Items, bei denen die Probanden eine Belastung zeigten und der Intensität der Antworten. Diesbezüglich ist Buprenorphin L-Polamidon nicht überlegen.

Limitationen der Studie:

Zum Abschluß soll noch auf einige Faktoren hingewiesen werden, die die Aussagekraft der im Rahmen der Datenerhebung gewonnenen Daten beeinflusst haben könnten.

a.) Eine Anzahl Probanden ist in beiden Gruppen im Laufe der Behandlung aus der Studie ausgeschieden. Über die ausgeschiedenen Probanden und deren Gründe für die vorzeitige Beendigung der Studienteilnahme ist individuell nur wenig bekannt.

Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein hierdurch erzeugter systematischer Fehler die Rechenergebnisse beeinflusst haben könnte. Andererseits ist die Anzahl der ausgeschiedenen Probanden in beiden Gruppen ungefähr gleich

Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein hierdurch erzeugter systematischer Fehler die Rechenergebnisse beeinflusst haben könnte. Andererseits ist die Anzahl der ausgeschiedenen Probanden in beiden Gruppen ungefähr gleich