ist kein Tummelplatz für notorische Gutmenschen. Sie ist mehr als die Sum- me aus gutem Willen, Geld und Logi- stik. Sie muss ein Zeichen gegen die Barbarei des Krieges und eine men- schenverachtende Politik setzen“, be- schrieb Lieser den umfassenden Ansatz, den die Caritas mit anderen Hilfsorgani- sationen teilt. Den Konflikt mit der selbst verordneten Neutralität der Hel- fer brachte Gassmann auf den Punkt:
„Nichtregierungsorganisationen müs- sen politisch tätig werden. Doch Politik ist wie Wasser: man muss darin schwim- men können, aber man darf nicht davon trinken.“
Einen Einblick in die Praxis und die Überzeugungskraft medizinischer Daten lieferte Mit Philips von Ärzte ohne Gren- zen. Die Ärztin arbeitete in einem Ernährungszentrum der Hilfsorganisati- on in Angola. Das südafrikanische Land blickt auf einen mehr als 20-jährigen Bürgerkrieg zurück. Gezielt und syste- matisch hatte sich die Gewalt gegen die zivile Bevölkerung gerichtet. Hilfsorga- nisationen war jahrelang der Zugang zu den Hilfebedürftigen verwehrt. „Diese Geschichten der Gewalt konnten wir jetzt mit medizinischen Daten belegen“, so Philips. Zwischen April und Juli habe Ärzte ohne Grenzen in seinem Er- nährungszentrum rund 30 000 mangel- ernährte Menschen betreut. Haupttodes- ursache bei den Erwachsenen seien Krieg und Gewalt, bei den unter 15- Jährigen sei es Mangelernährung.
Das Beispiel Angola verdeutlicht ein weiteres Problem der humanitären Hil- fe: die Abhängigkeit von den Medien.
Die humanitäre Katastrophe in Angola hat es nie auf die Titelseiten geschafft – das bedeutet weniger Spendengelder, weniger öffentlichen Druck. „Wir wür- den uns wünschen, weniger medienab- hängig, sondern bedarfsorientiert arbei- ten zu können“, sagte Dr. med. Peter Schmitz vom Malteser Auslandsdienst.
Einen weiteren Wunsch richtete Ulrike von Pilar an die Chefärzte der deut- schen Krankenhäuser: „Sie sollten sich fragen, ob humanitäres Engagement nicht eine moralische Verpflichtung ist.“
Denn den Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, die helfen wollten, müsse es im Rahmen einer flexibleren Arbeits- gestaltung ermöglicht werden, auch hel- fen zu können. Heike Korzilius
P O L I T I K
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A3444 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 51–5223. Dezember 2002
Spendenaufruf
Der Verantwortung stellen
Bundesärztekammerpräsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe fordert die Ärzte auf, sich am Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter zu beteiligen.
M
illionen von Zwangsarbeitern wurden während der Zeit der na- tionalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich und in den von Deutschland besetzten Gebieten unter oftmals inhumanen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Auch in Einrichtun- gen des Gesundheitswesens kam es zum Einsatz von Zwangsarbeitern. Größere Krankenhäuser beschäftigten Zwangs- arbeiter als billige Arbeitskräfte, in La- zaretten, Pflege- und Erholungsheimen wurden sie aufgrund von Mangel an deutschen Pflegekräften gebraucht und höchstwahrscheinlich auch als Untersu- chungsobjekte in Klinik und Forschung missbraucht (DÄ, Heft 44/2001).Keine Frage der Schuld
Bundesärztekammerpräsident Prof. Dr.
Jörg-Dietrich Hoppe fordert daher die Ärzte auf, sich am Entschädigungsfonds der Zwangsarbeiterstiftung „Erinne- rung, Verantwortung und Zukunft“ mit einer Spende zu beteiligen. „Mehr als 50 Jahre danach geht es nicht um individuelle Schuld, sondern um ein Zeichen kollektiver Verantwortung Deutschlands für die Zwangsarbeiter im Dritten Reich. Davon sollten wir Ärzte uns nicht ausschließen“, so der BÄK- Präsident. Die Bundesärztekammer hat zusammen mit den Landesärztekam- mern, wie auf dem diesjährigen 105.
Ärztetag beschlossen, ein gemeinsames Spendenkonto eingerichtet, dessen künftige Eingänge an den Entschädi- gungsfonds der Stiftung weitergeleitet werden. Diese stellt Spendenbescheini- gungen aus und lässt sie den Spendern zukommen.
Die Zwangsarbeiterstiftung geht auf eine am 17. Juli 2000 von der deutschen und der US-amerikanischen Regierung
unterzeichnete Abkommenserklärung zurück. Der Inhalt der Erklärung sah vor, eine Stiftung zu gründen, in die der Bund und die deutsche Wirtschaft je- weils fünf Milliarden Mark einzahlen sollten. Beide Seiten sind mittlerweile ihren Verpflichtungen nachgekommen.
Primäres Ziel der am 2. August 2000 er- richteten Stiftung ist es, einen Großteil der mehr als 1,5 Millionen Anspruchs- berechtigten finanziell zu entschädigen.
Dabei werden Leistungen auch für Per- sonenschäden, zum Beispiel aufgrund medizinischer Experimente, gewährt. Je nach Zugehörigkeit zu einer Opfer- gruppe erhalten die Geschädigten ein- malig bis zu 7 500 Euro. Darüber hinaus wurde der Fonds „Erinnerung und Zu- kunft“ gebildet, der aus den ihm zuge- wiesenen Stiftungsmitteln unter ande- rem Projekte zur Völkerverständigung und der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme fördern soll.
Spender können durch Angabe im Ver- wendungszweck des Überweisungsträ- ger entscheiden, ob ihr Geld als private oder unternehmerische Zustiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter auf- gewandt wird oder in den Zukunfts- fonds „Erinnerung und Zukunft“ flie- ßen soll. Die Bundesstiftung hat am 15.
Juli 2001 mit der Auszahlung von Lei- stungen an die ehemaligen Zwangsar- beiter begonnen. Nach Angaben der Stiftung wurden bis Mitte Oktober die- ses Jahres Leistungen für mehr als eine Million Opfer erbracht. Sie erhielten insgesamt 1,810 Milliarden Euro. Die meisten Auszahlungen gingen bislang nach Polen; Deutschland liegt mit 4 000 Antragstellern im Mittelfeld der 70 lei- stungsberechtigten Staaten.
Das Spendenkonto der Ärztekam- mer: Deutsche Ärzte- und Apotheker- bank e.G., Köln, Konto: 1 501 107 739;
Bankleitzahl: 370 606 15. Martina Merten