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Archiv "Festzuschuss: So soll es funktionierten" (11.10.2002)

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ituale werden auch in der Gesund- heitspolitik gepflegt. Eines davon ist die Präsentation des Arzneiverord- nungs-Reports (AVR). Dessen Heraus- geber, Prof. Dr. Ulrich Schwabe, rechnet Jahr für Jahr streng vor, wie viele Milliar- den Euro man in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) sparen könnte, wenn die Ärzte grundsätzlich das Preis- werteste verordnen würden. Sie sollen das vollkommen emotionslos, ohne Rücksicht auf Wünsche und Eigenheiten von Patienten tun. Anschließend ist es die undankbare Aufgabe der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Hochrechnungen die Verordnungs- realität entgegenzuhalten.

In diesem Jahr hat sie den Spieß um- gedreht.Am Montag, eine Woche bevor der neue AVR erscheint, präsentierte die KBV ihr Konzept der Festzuschuss- regelung für GKV-Arzneimittel (siehe Textkasten). Danach würden die Kran- kenkassen für jedes Medikament nur noch einen bestimmten Preis bezahlen.

Die Differenz zum Wunschpräparat müsste jeder Patient selbst begleichen.

Würden sich die Kassen beim Festzu- schuss an den im AVR aufgeführten, be- sonders günstigen Präparaten orientie- ren, ließen sich zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Darauf wies der Zweite Vorsitzende der KBV, Dr. med.

Leonhard Hansen, in Berlin hin. Er verhehlte allerdings nicht, dass rund drei Milliarden Euro nötig seien, um den Mehrbedarf an Arzneimitteln zu decken. Unterversorgt seien beispiels- weise Patienten mit Alzheimer, Hepati- tis C oder Depressionen, aber auch Schmerzpatienten und Kinder (Imp- fungen). „Diese Nachricht ist für Politi- ker und Krankenkassenfunktionäre nicht gerade bequem“, sagte Hansen.

Dr. med.Werner Baumgärtner, KBV- Vorstandsmitglied und zusammen mit

Hansen im Vorstand für Arzneimittel- fragen zuständig, setzte sich gleichfalls für das Festzuschusssystem ein. So ließe sich eine rechtssichere Lösung schaffen.

Der neue Ansatz unterscheide sich auch von der bisherigen Festbetragsregelung, um die es bekanntlich kartellrechtliche Auseinandersetzungen gegeben hat.

Nach Baumgärtners Worten wäre ein weiterer Vorzug, dass die Ärzte – anders als bei aut idem – wieder für ihre Ver- ordnungen verantwortlich seien.

Hansen ging in Berlin auch auf die Entwicklung der Arzneimittelausgaben ein. Er verwies darauf, dass die Verord- nungsmengen in den letzten Jahren stets rückläufig waren. Der Umsatzan- teil der Generika am generikafähigen Markt betrage rund 70 Prozent. Reim- porte habe man gesteigert, umstrittene Arzneimittel würden immer weniger verordnet: „Die Zielvereinbarungen greifen.“ Eine Ausnahme allerdings

gibt es: die Analogpräparate. Ihr Um- satz erhöht sich seit Jahren.

Dass auch die Gesamtausgaben trotz gewisser Sparerfolge steigen, musste Hansen zugeben. Die vereinbarte fünf- prozentige Absenkung der Arzneimit- telausgaben werde man nicht erreichen können, gab der KBV-Vize unumwun- den zu. 2001 sparten die Vertragsärzte 410 Millionen DM ein, 530 Millionen DM waren vereinbart.

Hansen wehrte sich jedoch dagegen, dass man stets den Ärzten den Schwar- zen Peter für die Arzneimittelausgaben zustecke. Unter anderem vereitele die eigenwillige Preispolitik der Pharmain- dustrie manche Einsparbemühung. So seien in bestimmten Segmenten „Dum- mies“ auf den Markt gebracht worden, die extrem teuer seien, beispielsweise eine Ranitidin-Darreichung für 500 Eu- ro (günstigstes Präparat: 21,80 Euro).

Dadurch sei die Grenze für das untere Preisdrittel von 33,65 auf 82,83 Euro hochgeschnellt. Ergebnis: Sehr viel mehr Präparate als zuvor fallen da- durch in die Gruppe der Präparate, die nach der Aut-idem-Regelung vom Apo- theker ausgegeben werden dürfen.

Der KBV-Vize kritisierte zudem, dass die Kosten reimportierter Arznei- mittel zum Teil drastisch in die Höhe ge- gangen sind. In einigen Fällen sei das reimportierte Präparat teurer gewesen als das Original. Bekannt sei zudem, dass Generika nirgends so kostspielig seien wie in Deutschland.

Die KBV plant nun eine Informati- onsinitiative zur Arzneimittelversorgung bei Ärzten und Patienten. Foren werden das Deutsche Ärzteblatt, weitere medizi- nische Fachzeitschriften, die Publikums- presse, das Internet und Rundschreiben der Kassenärztlichen Vereinigungen sein.

Die KVen werden sich zudem mit eige- nen Beiträgen beteiligen. Sabine Rieser P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002 AA2671

Arzneiverordnungen

Flucht nach vorn

Die KBV ist es leid, für steigende Arzneimittelausgaben verantwortlich gemacht zu werden, ohne sie umfassend steuern zu können. Sie hat deshalb ein Festzuschuss-Konzept vorgelegt, das die Kassen mit in die Pflicht nehmen würde.

Festzuschuss: So soll es funktionierten

>Bei Arzneimitteln wird pro Wirkstoffgruppe eine Referenzsubstanz definiert. Ihr Preis wird von der Krankenkasse übernommen, egal welcher Wirk- stoff einer Gruppe verordnet wird.

>Der Festzuschuss wird als Satzungsleistung der Kasse festgelegt.

>Der Patient ist so medizinisch voll versorgt.

Möchte er ein teureres Medikament, muss er die Differenz zum Festzuschuss selbst bezahlen. Das bisherige Alles-oder-nichts-Prinzip wird aufgeho- ben. Für chronisch Kranke kann die Zuzahlung entfallen.

>Krankenkassen könnten mehr bezahlen als den Preis für die Referenzsubstanz, um sich positiv von Wettbewerbern abzuheben.

>Für die Festlegung der Festzuschüsse könnte man sich an den Referenzpräparaten orientieren, die Prof. Dr. Ulrich Schwabe jährlich im „Arznei- verordnungs-Report“ aufführt. So ließen sich zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen.

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