Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 50|
14. Dezember 2012 A 2525STUDIEN IM FOKUS
Im Allgemeinen wird Patienten zur Bestimmung von Cholesterin und Triglyzeriden empfohlen, dass sie acht Stunden vor der Blutentnahme keine Nahrung zu sich nehmen.
Neuere Studiendaten lassen an der Notwendigkeit dieser Empfehlung zweifeln. In einer kanadischen Quer- schnittstudie wurde untersucht, ob der Zeitabstand zur letzten Nah- rungsaufnahme einen Einfluss auf das Lipidprofil hat. Die Calgary Lab - oratory Services, die 99 % aller me- dizinischen Labortests in der kanadi- schen Stadt durchführen, akzeptieren seit 2011 für den Lipidstatus auch Blutproben von nicht nüchternen Patienten – vorausgesetzt, es wird
angegeben, wie lang die letzte Mahl- zeit zurückliegt. Die Forscher analy- sierten Laborwerte von 209 180 Per- sonen. Von ihnen waren 4 400 weni- ger als acht und 3 000 weniger als vier Stunden nüchtern gewesen. Das Gesamtcholesterin und das HDL- Cholesterin schwankten um weniger als 2 %, die LDL-Cholesterinwerte wurden durch Mahlzeiten um weni- ger als 10 % verändert. Selbst bei den Triglyzeriden, die postprandial ansteigen, war der Einfluss mit we- niger als 20 % im Durchschnitt ver- gleichsweise gering.
Fazit: Für Routinebestimmungen der Blutfettwerte, zum Beispiel
für die Abschätzung des kardio- vaskulären Risikos, haben auch postprandial genommene Proben eine ausreichend große Aussage- kraft, so das Ergebnis einer Quer- schnittstudie. Allerdings wird das Ergebnis durch die vergleichswei- se geringe Zahl der nicht nüchter- nen Patienten teilweise einge- schränkt. Sollte das Monitoring der Triglyzeridwerte notwendig sein, könnten nach wie vor Nüch- ternmessungen sinnvoll sein.
Rüdiger Meyer
Sidhu D, Naugler C: Fasting time and lipid levels in a community-based population. A cross-sectonal study. Arch Intern Med (2012;
doi: 10.1001/jamainternmed.2013.1771) BESTIMMUNG DER BLUTFETTWERTE
HDL und Gesamtcholesterin schwanken postprandial wenig
Die Implantationen von Hüft- und Kniegelenkendoprothesen gehören zu den häufigsten Operationen in Deutschland: 2011 sind nach Anga- ben des Statistischen Bundesamtes 213 935 künstliche Hüftgelenke und 158 207 Kniegelenkendopro- thesen eingepflanzt worden. Seit längerem wird vermutet, dass die Rate akuter Myokardinfarkte bei Endoprothesenimplantation perio- perativ erhöht sein könnte. Diese Fragestellung ist nun in einer retro- spektiven Kohortenstudie mit ge- matchten Kontrollen untersucht worden.
Auf Basis von dänischen Natio- nalregistern hat ein Autorenteam Daten von 66 524 Patienten mit Hüftendoprothese und 28 703 Pa- tienten mit Kniegelenkersatz mit Daten von insgesamt 286 165 nicht operierten, in Bezug auf Alter, Ge- schlecht und Wohnregion gematch- ten Kontrollpersonen verglichen.
Dabei wurden die Raten akuter Herzinfarkte eruiert.
In den ersten beiden postoperati- ven Wochen war das Herzinfarktri- siko bei Patienten, die eine künstli- che Hüfte erhalten hatten, um den Faktor 25,5 (95-%-Konfidenzinter- vall [KI] 17,1–37,9) im Vergleich zu den passenden Kontrollen er- höht; eine Risikoerhöhung bestand bis zu sechs Wochen nach Opera - tion (absolutes 6-Wochen-Risiko:
0,51 %) und fiel danach wieder ab.
Für Patienten mit Kniegelenker- satz betrug die Hazard Ratio für ei- nen Myokardinfarkt in den ersten beiden postoperativen Wochen so- gar 30,9 (95-%-KI 11,1–85,5), un- terschied sich aber im weiteren postoperativen Verlauf nicht mehr von dem der Kontrollgruppen.
Von erhöhten Risiken für einen Herzinfarkt waren vor allem ältere Patienten betroffen, besonders bei Hüftendoprothesenimplantation, die unter 60-Jährigen hatten ein mit den gematchten Kontrollen vergleich- bares Risiko. Außerdem waren männliches Geschlecht, frühere In-
farkte, Herzinsuffizienz, zerebro- vaskuläre Erkrankungen und be- stimmte Medikamente wie nicht- steroidale Antiphlogistika, Betablo- cker und kaliumsparende Diuretika mit einem erhöhten Myokardin- farktrisiko assoziiert.
Fazit: Das Herzinfarktrisiko ist ei- ner großen Kohortenstudie zufolge bis zu sechs Wochen nach Implanta- tion einer Hüftendoprothese deutlich erhöht, bei einem Kniegelenkersatz bis zu zwei Wochen. Angesichts oft kurzer Krankenhausverweildauern empfehlen die Autoren, vor allem ältere Patienten besser zu beobach- ten und bei Myokardinfarkt in der Anamnese einen Zeitabstand von mindestens einem Jahr bis zur En- doprothesenoperation abzuwarten.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Lalmohamed A, Vestergaard P, Klop C, et al.:
Timing of acute myocardial infarction in pa- tients undergoing total hip or knee replace- ment: A nationwide cohort study. Arch Intern Med. 2012; 172: 1229–35.
ENDOPROTHESENIMPLANTATION