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Archiv "Mammakarzinom-Therapie: Der routinemäßige Einsatz von Gentests ist derzeit nicht sinnvoll" (19.10.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 42

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19. Oktober 2012 A 2085 MAMMAKARZINOM-THERAPIE

Der routinemäßige Einsatz von Gentests ist derzeit nicht sinnvoll

Der Markt für Genexpressionsanalysen, die das Ansprechen auf bestimmte Chemotherapien vorhersagen, ist hart umkämpft. Die Kommission Mamma der Arbeits gemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) gibt eine Einordnung.

E

ine effektive anthrazyklin- und taxanhaltige Chemothera- pie senkt die brustkrebsassoziier- te Zehnjahressterblichkeit um etwa ein Drittel – unabhängig von Alter, TN-Stadium und Hormonrezeptor- ex pression. Der absolute Gewinn für die einzelne Patientin hängt jedoch entscheidend von ihrem Ausgangsrisiko ohne Chemothera- pie ab. So haben Frauen mit einem geringen Rezidivrisiko nur einen geringen absoluten Nutzen durch eine adjuvante Chemotherapie (1).

Unterschied zwischen prognos- tischen und prädiktiven Faktoren:

Prognostische Faktoren schätzen den Krankheitsverlauf der Patientin oh- ne spezielle Berücksichtigung einer adjuvanten medikamentösen The- rapie ab und helfen zu beurteilen, welche Frau adjuvant behandelt werden soll beziehungsweise wel- che Patientin eine so gute Aus- gangssituation hat, dass sie keine zusätzliche adjuvante Chemothera- pie benötigt. Prädiktive Faktoren dienen zum Einschätzen der Effek- tivität einer bestimmten adjuvanten Therapie (Therapieansprechen). Sie unterstützen die Entscheidung, mit welcher Therapie eine Patientin behandelt werden soll.

Risikoabschätzung

Biomarker wie der Östrogenrezep - tor (ER) oder der Human Epidermal Growth Factor Receptor-2 (HER2) haben neben der prognostischen vor allem auch eine prädiktive Bedeu- tung für das Ansprechen auf eine en dokrine Therapie beziehungs - weise HER2-zielgerichtete Therapie (AGO Empfehlungsgrad ++). Wäh- rend bei hormonrezeptornegativen, triplenegativen und bei HER2-posi-

tiven Patientinnen eine adjuvante systemische Therapie in jedem Fall eine Chemotherapie sein muss, sollte bei hormonrezeptorpositiven Patientinnen eine Risikoabschät- zung durchgeführt werden, ob zu- sätzlich zur endokrinen Therapie ei- ne Chemotherapie erfolgen muss.

Hier besteht – zusätzlich zu den klassischen klinisch-pathologischen Faktoren wie Alter, Tumorgröße, Nodalstatus, histologischer Diffe- renzierungsgrad, Wachstumsfrakti- on (Ki-67), ER, PR und HER2, de- ren Verwendung in der klinischen Routine von der AGO eindeutig mit ++ empfohlen wird – die Möglich- keit, Risikoabschätzungen anhand

weiterer tumorbiologischer Fakto- ren durchzuführen.

Von diesen Faktoren hat derzeit die Bestimmung der tumorassozi- ierten Proteolysefaktoren Urokina- se-Plasminogen-Aktivator (uPA)/

Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) (2), die bei N0-Patientin- nen (HR+/−) evaluiert wurden, den höchsten Evidenzgrad und auch die größte Verbreitung in Deutsch- land (AGO +). Ein Nachteil für die tägliche Praxis ist, dass hierzu ob- ligat frisches Tumorgewebe zur Bestimmung benutzt werden muss und der Tumor einen gewissen Mindestdurchmesser haben muss (etwa ab pT1c). Der ELISA-Test kann dezentral durchgeführt wer- den und ist kommerziell erhältlich (Femtelle®).

Auf dem Boden der prospektiven ChemoN0-Studie (2) kann ange- nommen werden, dass nodalnega - tive Patientinnen mit niedrigen Werten auch ohne adjuvante Che- motherapie eine hohe Überlebens- wahrscheinlichkeit aufweisen. Au- ßerdem verbessert eine adjuvante Chemothe rapie (in der zitierten Studie Cy clophosphamid, Metho- trexat und 5-Fluorouracil/CMF) das rezidivfreie Überleben der an- hand von uPA/PAI-1 als Hochrisi- kopatientinnen eingestuften Patien- tinnen verglichen mit keiner Che- motherapie.

Die prospektive NNBC-3-Studie, die bereits abgeschlossen ist, wird unter anderem zeigen, wie vielen nodalnegativen Patientinnen durch die Bestimmung von uPA/PAI 1 ei- ne adjuvante Chemotherapie er- spart werden kann und welche adju- vante Chemotherapie für die uPA/

PAI-1-Hochrisikopatientinnen opti-

Foto: NCI

Brustkrebszelle:

Aufgrund der He - terogenität des Mammakarzinoms ist die Therapieent- scheidung oftmals schwierig. Tests auf verschiedene mo - lekulare Parameter können im Einzelfall hilfreich sein.

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19. Oktober 2012 mal ist. Ergebnisse werden für 2014

erwartet. Zu uPA/PAI-1 gibt es ne- ben der prospektiven Therapiestu- die ChemoN0 (2) auch eine gepool- te Analyse der EORTC Receptor and Biomarker Group zur prognos- tischen Aussage mit mehr als 8 000 Patientinnen (3). Somit erreicht die- ser Test das höchste Evidenzniveau (Level of Evidenz I) (4).

Höchstes Evidenzniveau Der ebenfalls kommerziell erhältli- che Test MammaPrint® beruht auf der Amsterdamer 70-Gene-Signatur (5). Er wird an Frischmaterial zen- tral durchgeführt. Er wurde retro- spektiv an zum Teil unbehandelten, zum Teil auch behandelten Patien- tinnen mit pN0-1-Tumoren vali- diert. In diesen Analysen war er in der Lage, eine Gruppe von Pa - tientinnen zu definieren, die ein sehr geringes Rückfallrisiko haben (AGO +/−). In der Niedrigrisiko- gruppe zeigt sich retrospektiv nur ein geringer Zusatznutzen durch ei- ne adjuvante Chemotherapie. Für die prospektiv randomisierte Studie (MINDACT) wurden 6 800 Patien- tinnen rekrutiert. Ergebnisse wer- den für 2015 erwartet.

Ein am Paraffinmaterial durch- geführter, ebenfalls kommerziell er- hältlicher Genexpressionsassay ist Oncotype DX®. Hierbei wird mit- tels quantitativer Real-Time-Poly- merasekettenreaktion (qRT-PCR) die Expression von 21 Genen gemes- sen. Die Bestimmung erfolgt am Paraffingewebe in einem US-ame- rikanischen Zentrallabor. Der Test ist evaluiert für hormonrezeptor - positive, nodalnegative und -positi- ve Patientinnen (mit 1–3 befallenen Lymphknoten), die endokrine The- rapie und zum Teil auch Chemothe- rapie erhielten (6, 7).

Schrittweise validierte retrospekti- ve Analysen am Archivmaterial zei- gen, dass der Test prädiktiv für das Ansprechen auf eine Chemo therapie mit CMF beziehungsweise FAC (5-Fluorourazyl, Doxorubicin/Adria- mycin, Cyclophosphamid) ist. Pa- tientinnen mit niedrigem, mittlerem und hohem Risiko haben keinen be- ziehungsweise einen marginalen oder hohen Nutzen von dieser Chemothe- rapie (8). Zwei große randomisierte Studien mit mehr als 15 000 Patien- tinnen (TailorX, PlanB) überprüfen dies derzeit prospektiv. Erste Ergeb- nisse werden 2015 vorliegen.

Ein weiteres qRT-PCR basiertes Verfahren, der EndoPredict®-Test, wurde am Archivmaterial von post- menopausalen hormonrezeptorpo- sitiven, endokrin behandelten Pa- tientinnen validiert, die im Rahmen von zwei Studien der Austrian Breast and Colorectal Study Group (ABCSG) therapiert worden waren (9). Der Test kann am Paraffinmate- rial dezentral durchgeführt werden (10). Er identifiziert in Kombina - tion mit Tumorgröße und Nodalsta- tus bei ER-positiven/HER2-negati- ven Patientinnen eine Untergruppe mit sehr guter Prognose, die poten- ziell keiner weiteren adjuvanten Systemtherapie bedarf (9).

Dem Einzelfall vorbehalten Zusammenfassend ist für die ge- nannten Tests davon auszugehen, dass in den jeweils untersuchten Tumorgruppen Patientinnen mit sehr guter Prognose identifiziert werden können. Diese Information kann im Einzelfall eine nützliche Zusatzinformation für die Aufklä- rung der Patientin und die Entschei- dungsfindung darstellen. Auch wenn die beiden letztgenannten Testver- fahren formal anhand von prospek- tiv geplanten retrospektiven Analy- sen Level-I-Evidenz (11) erreicht haben, wird die wissenschaftliche Belastbarkeit der Daten zu den Genexpressionstests derzeit noch kontrovers diskutiert.

Die Organkommission Mamma der Arbeits gemeinschaft Gynäkolo- gische Onkologie kommt deshalb zum Schluss, dass der routinemäßi- ge Einsatz der Genexpressionstests derzeit nicht generell empfohlen werden kann (AGO +/−). Der Ein- satz soll dem begründeten Einzel- fall vorbehalten sein und prioritär innerhalb von prospektiven Studien erfolgen. Eine Neubewertung der angesprochenen Tests wird nach Vorliegen von Daten aus prospekti- ven US-Studien erfolgen.

Prof. Dr. med. Anton Scharl, Sprecher der Kommission Mamma der AGO e.V.

Koautoren: Nadia Harbeck, Wolfgang Janni, Ulrike Nitz, Anton Scharl, Marcus Schmidt, Andreas Schneeweiss und Michael Untch für die Kommission Mamma der AGO e.V.

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit4212 Brustkrebs in Schwangerschaft oder Stillzeit wird

oftmals nicht frühzeitig genug entdeckt, weil mög- liche Symptome den physiologischen Verände - rungen im Rahmen der Schwangerschaft zuge- schrieben werden, wie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGG) mitteilt.

Brustkrebs in Schwangerschaft oder Stillzeit ist eine seltene Erkrankung. Schätzungsweise eine von 5 000 Schwangeren ist davon betroffen, in Deutschland also etwa 100 Frauen pro Jahr. Auch für diese Patientinnen gilt, dass ihre Prognose um- so besser ist, je früher das Karzinom entdeckt wird.

Eine Systemtherapie und/oder Operation kann der DGG zufolge bereits während der Schwangerschaft durchgeführt werden. Eine Bestrahlung der operier- ten Brust aber sollte entsprechend den gültigen Leitlinien möglichst erst nach der Schwangerschaft durchgeführt werden. Allerdings sollte während der Strahlentherapie nicht gestillt werden.

Ist eine Chemotherapie indiziert, bedeutet das nicht, dass die Schwangerschaft abgebrochen werden muss: Nach dem ersten Trimester sind

Chemotherapien mit Vorsicht möglich, ohne dass langfristige Folgen für das Kind zu befürchten sind, wie eine wissenschaftliche Untersuchung in Belgien gezeigt hat (Lancet Oncology 2012; 13:

256–64). Ist die Schwangerschaft bereits weit fortgeschritten und das Ungeborene gut entwi- ckelt, können die Ärzte gemeinsam mit den Eltern überlegen, ob es sinnvoll ist, die Geburt vorzeitig einzuleiten, um erst dann mit der Chemotherapie zu beginnen.

Obwohl Krebsmedikamente nur in Spuren in die Muttermilch übergehen, rät Prof. Dr. med. Ale- xander Strauss, stellvertretender Direktor der Uni- versitätsfrauenklinik Kiel, vom gleichzeitigen Stil- len während einer Systemtherapie im Wochenbett ab (Frauenarzt 2012; 7: 624–9). Vier Wochen nach Abschluss der Krebsbehandlung sei das Stil- len jedoch unbedenklich. Deshalb kann die junge Mutter im Einzelfall durchaus versuchen, während der Chemotherapie die Milch abzupumpen und zu verwerfen, um anschließend das Stillen wieder aufzunehmen. Dr. med. Susanna Kramarz

BRUSTKREBS UND SCHWANGERSCHAFT

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19. Oktober 2012

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 40/2012 ZU:

MAMMAKARZINOM-THERAPIE

Der routinemäßige Einsatz von Gentests ist nicht sinnvoll

Der Markt für Genexpressionsanalysen, die das Ansprechen auf bestimmte Chemo- therapien vorhersagen, ist hart umkämpft. Die Kommission Mamma der Arbeits - gemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) gibt eine Einordnung für die Klinik.

LITERATUR

1. Peto R, Davies C, Godwin J et al. Compa- risons between different polychemothera- py regimens for early breast cancer: me- ta-analyses of long-term outcome among 100,000 women in 123 randomised tri- als. Lancet 2012; 379: 432–44.

2. Jänicke F, Prechtl A, Thomssen C, et al.:

Randomized adjuvant chemotherapy trial in high-risk, lymph node-negative breast cancer patients identified by urokinase-ty- pe plasminogen activator and plasmino- gen activator inhibitor type 1. J Natl Can- cer Inst 2001; 93: 913–20.

3. Look MP, van Putten WLJ, Duffy MJ, et al.:

Pooled analysis of prognostic impact of urokinase-type plasminogen activator and its inhibitor PAI-1 in 8377 breast cancer patients. J Natl Cancer Inst 2002; 94:

116–28.

4. Hayes DF, Bast RC, Desch CE, et al.: Tu- mor marker utility grading system: a fra- mework to evaluate clinical utility of tumor markers. J Natl Cancer Inst 1996; 88:

1456–66.

5. van Veer LJ ’t, Dai H, van de Vijver MJ, et al.: Gene expression profiling predicts cli- nical outcome of breast cancer. Nature 2002; 415: 530–6.

6. Paik S, Shak S, Tang G, et al.: A multigene assay to predict recurrence of tamoxifen- treated, node-negative breast cancer.

NEJM 2004; 351: 2817– 26.

7. Paik S, Tang G, Shak S, et al.: Gene ex- pression and benefit of chemotherapy in women with node-negative, estrogen re- ceptor-positive breast cancer. J Clin Oncol 2006; 24: 3726–34.

8. Albain KS, Barlow WE, Shak S, et al.:

Prognostic and predictive value of the 21-gene recurrence score assay in post- menopausal women with node-positive, oestrogen-receptor-positive breast cancer on chemotherapy: a retrospective analysis of a randomised trial. Lancet Onco. 2010;

11: 55–65.

9. Filipits M, Rudas M, Jakesz R, et al.: A new molecular predictor of distant recur- rence in ER-positive, HER2-negative bre- ast cancer adds independent information to conventional clinical risk factors. Clin.

Cancer Res 2011; 17: 6012–20.

10. Denkert C, Kronenwett R, Schlake W, et al.: Decentral gene expression analysis for ER+/Her2- breast cancer: results of a pro- ficiency testing program for the EndoPre- dict assay. Virchows Arch 2012; 460:

251–9.

11. Simon RM, Paik S, Hayes DF: Use of ar- chived specimens in evaluation of prog- nostic and predictive biomarkers. J Natl Cancer Inst 2009; 101: 1446–52.

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Referenzen

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