Elementare Geometrie Vorlesung 4
Markus Rost
15.4.2019 1
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[17.4.2019: erweiterte Version; 19.4.2019: Korrektur auf S. 15]
Der Schwerpunkt I
Definition
Der Schwerpunkt eines Dreiecks ∆ = ABC ist der gemeinsame Schnittpunkt der Seitenhalbierenden
S = S(∆) = S(ABC) = AA 0 ∩ BB 0 ∩ CC 0 Hier sind A 0 , B 0 , C 0 die Seitenmitten:
A 0 = B + C
2 (Seitenmitte von a = BC) B 0 = C + A
2 (Seitenmitte von b = CA) C 0 = A + B
2 (Seitenmitte von c = AB)
Der Schwerpunkt II
Siehe ¨ Ubungsaufgabe 3 ( ¨ Ubungsblatt 2).
Der Schwerpunkt III
Der Schwerpunkt wird meist geometrisch konstruiert. Man kann den Schwerpunkt auch algebraisch beschreiben.
Satz Der Punkt
S = A + B + C 3
liegt auf der Seitenhalbierenden AA 0 und zerlegt sie im Verh¨ altnis 2 : 1
|AS| = 2|SA 0 |
Der Schwerpunkt IV
Zum Beweis m¨ ussen wir folgende Relation zeigen:
S − A = 2(A 0 − S) (1) Diese besagt ja gerade, daß der Richtungsvektor von A nach S (n¨ amlich S − A) genau doppelt so lange ist wie der
Richtungsvektor von S nach A 0 (n¨ amlich A 0 − S) und in die gleiche Richtung zeigt.
Bemerkung
Der Richtungsvektor von einem Punkt P zu einem Punkt Q ist der Vektor Q − P . Es gilt
Q = P + (Q − P )
Der Schwerpunkt V
Zum Beweis von
S − A = 2(A 0 − S) (1) formulieren wir die Gleichung erst mal um (wir bringen S auf die linke Seite):
3S = A + 2A 0 Diese folgt durch Einsetzen der Gleichungen
S = A + B + C
3 oder 3S = A + B + C A 0 = B + C
2 oder 2A 0 = B + C
Der Schwerpunkt VI
Man kann diese Rechnungen auf zwei Weisen interpretieren.
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Wir haben uns die Eigenschaften des Schwerpunktes geometrisch ¨ uberlegt. (Etwa wie in der ¨ Ubungsaufgabe.) Insbesondere wissen wir schon, daß der Schwerpunkt die Seitenhalbierenden im Verh¨ altnis 2 : 1 zerlegt:
Daraus ergibt sich
S − A = 2(A 0 − S) (1) Daraus bekommt man (Rechnung wie oben)
3S = A + 2A 0 = A + 2 B + C
2 = A + B + C und als Ergebnis eine Formel f¨ ur den Schwerpunkt:
S = A + B + C
3
Der Schwerpunkt VII
2
Man definiert einen “neuen” Punkt S durch die Formel S = A + B + C
3
(Man stelle sich dabei etwa vor, man h¨ atte noch nie etwas von einem “Schwerpunkt” geh¨ ort.)
Der Satz besagt, daß der Punkt S auf der Seitenhalbierenden AA 0 liegt.
Nun bleibt S unver¨ andert, wenn man die Dreieckspunkte vertauscht (man sagt, S ist symmetrisch in A, B, C).
Daher liegt S auch auf den anderen Seitenhalbierenden und ist daher ihr gemeinsamer Schnittpunkt.
Das Zerlegungsverh¨ altnis 2 : 1 auf allen 3 Seitenhalbierenden
bekommt man frei Haus.
Der Schwerpunkt VIII
Verhalten des Schwerpunktes bei Verschiebungen
Wenn man das Dreieck ABC verschiebt (also alle 3 Punkte um den gleichen Vektor v verschiebt), verschiebt sich der Schwerpunkt entsprechend mit.
Dies ist klar aus der geometrischen Definition des Schwerpunktes (die Seitenmitten verschieben sich entsprechend, daher auch ihr gemeinsamer Schnittpunkt).
Es ist aber genauso klar aus der algebraischen Formel: Die Verschiebung
A −→ A v = A + v
B −→ B v = B + v
C −→ C v = C + v
Der Schwerpunkt IX
ergibt die Verschiebung
S −→ S v = S + v denn es gilt
3S v = A v + B v + C v
= (A + v) + (B + v) + (C + v)
= A + B + C + 3v
= 3S + 3v
und daher tats¨ achlich (nach Division durch 3)
S v = S + v
Ausblick: Andere Transformationen der Ebene
Wir haben gesehen, daß bei Verschiebungen des Dreiecks der Schwerpunkt sich entsprechend “mitverschiebt”.
Ein ¨ ahnliches Verhalten trifft man an bei anderen Transformationen der Ebene. Hier ist eine Liste:
Verschiebungen
Streckungen (von einem fixierten Punkt aus) Drehungen (um einen fixierten Punkt) Spiegelungen (an einer Gerade) Scherungen (entlang einer Geraden)
Bei all diesen Transformationen “wandert” der Schwerpunkt
entsprechend mit.
Das Seitenmittendreieck A-I
Definition
Das Seitenmittendreieck von ∆ = ABC ist das Dreieck
∆ 0 = A 0 B 0 C 0 auch bezeichnet mit
M(∆) = A M B M C M
dessen Punkte die Seitenmitten des Dreiecks ∆ sind.
A M = A 0 = B + C
2 (Seitenmitte von a = BC) B M = B 0 = C + A
2 (Seitenmitte von b = CA) C M = C 0 = A + B
2 (Seitenmitte von c = AB)
Das Seitenmittendreieck A-II
Das Seitenmittendreieck A-III
Die Konstruktion des Seitenmittendreiecks kann man umkehren:
Dazu betrachtet man durch jeden Punkt des Dreiecks die Parallele zur gegen¨ uberliegenden Seite. Diese Parallelen nenne ich die
“Seitenparallelen” des Dreiecks.
Das Seitenmittendreieck A-IV
Definition
Das Parallelendreieck eines Dreiecks ∆ ist das Dreieck
∆ = e A e B e C e auch bezeichnet mit
P(∆) = A P B P C P
dessen Seitengeraden die Seitenparallelen von ∆ sind.
Es gelten die Formeln (Beweis kommt gleich)
A P = A e = B + C − A
(Schnittpunkt der Parallelen durchB,C)B P = B e = C + A − B
(Schnittpunkt der Parallelen durchC,A)C P = C e = A + B − C
(Schnittpunkt der Parallelen durchA,B)Das Seitenmittendreieck A-V
Das Seitenmittendreieck A-VI
Satz
In einem Parallelogramm sind gegen¨ uberliegende Seiten (“Gegenseiten”) gleich lang. [Siehe externe Links.]
Daher ist das urspr¨ ungliche Dreieck ABC das Seitenmittendreieck des neuen Dreiecks A e B e C(= e A P B P C P ). Genauer:
CACB e ist ein Parallelogramm = ⇒ | CA| e = |BC|
BACB e ist ein Parallelogramm = ⇒ |A B| e = |BC|
= ⇒ | CA| e = |A B| e
= ⇒ A ist Mitte von C e B. e
Das Seitenmittendreieck A-VII
Satz
Das Parallelendreieck des Seitenmittendreiecks ist das urspr¨ ungliche Dreieck:
P(M(∆)) = ∆
Das Seitenmittendreieck des Parallelendreiecks ist das urspr¨ ungliche Dreieck:
M(P(∆)) = ∆
Ich hoffe, diese Formulierung ist klarer als die von letzter Woche:
(∆]0) = ∆ (∆)e 0= ∆