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Psychosomatik der Prostata

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Academic year: 2022

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Psychosomatik der Prostata

Funktionelle Darstellung des Organs mittels fMRI

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra rerum naturalium

an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Karl – Franzens – Universität Graz

Institut für Psychologie Abteilung für Biologische Psychologie

vorgelegt von

ANITA FELBINGER

Betreuer:

Univ.-Prof.i.R. Dr.phil. Günter Schulter Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Rudolf Stollberger

Graz, 2012

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II

Sehr herzlich möchte ich mich bei meinem Betreuer Herrn Univ. Prof. Dr. Günter Schulter für die kompetente Unterstützung bedanken. Vielen Dank, dass Sie mich so hilfreich und geduldig in den Phasen der Diplomarbeit unterstützt haben und mir jederzeit bei Fragen mit Ihrem Fachwissen zur Seite standen. Ein großes Dankeschön möchte ich auch an Herrn Univ.

Prof. Rudolf Stollberger richten, der mir als externer Betreuer tatkräftig Unterstützung bot und einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung dieser Diplomarbeit beigetragen hat. Des Weiteren möchte ich mich auch noch bei Herrn Dr. Manuel Freiberger und bei Herrn DI Markus Schöllauf recht herzlich bedanken, die mir jederzeit mit technischer Hilfe zur Seite standen. Auch Herrn Dr. Gernot Reishofer und den Mitarbeitern am LKH gilt ein großes Dankeschön, ohne die die Messungen am LKH nicht möglich gewesen wären.

Ein besonderes Dankeschön möchte ich an meine Familie und meinen Partner richten. Vielen Dank, dass ihr mich all die Jahre während meines Studiums geduldig unterstützt habt, auch wenn es nicht immer einfach war, und mich immer wieder motiviert habt meinen Weg zu Ende zu gehen.

Abschließend möchte ich mich auch noch bei meinen FreundInnen bedanken. Danke, dass ihr mir immer motivierend zur Seite gestanden und jdederzeit für mich da gewesen seid.

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III

Tabellenverzeichnis………...VI

Zusammenfassung………..1

Abstract………….………..2

1 Einleitung ... 3

1.1 Allgemeine Einführung ... 3

1.2 Die Prostata ... 5

1.2.1 Aufbau und Form der Prostata ... 5

1.2.2 Funktion der Prostata ... 7

1.2.3 Prostata und Hormone ... 8

1.2.4 Gefäßsystem ... 9

1.2.5 Das vegetative Nervengeflecht ... 12

1.2.6 Adrenerge, noradrenerge und cholinerge Innervation der Prostata ... 14

1.2.7 Benigne Prostatahyperplasie (BPH) und Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS) ... 18

1.2.8 Eine Fehlfunktionen des ANS?... 20

1.3 Stress ... 23

1.3.1 Auswirkungen von Stress auf die Prostata ... 25

1.3.2 Gängigste Nachweise der ANS- Reaktivität auf eine Stressbelastungssituation ... 27

1.4 Psychosomatik ... 31

1.4.1 Das Biopsychosoziale Modell von Schmerz ... 33

1.4.2 ANS und Psychosomatik ... 34

1.4.3 Einfluss von Ängstlichkeit, Neurotizismus, Depression, chronischem Stress und der Umwelt.……….36

1.4.4 Coping-Strategien ... 38

1.5 Augmenting-Reducing ... 39

1.5.1 KFA ... 40

1.5.2 RAS ... 41

1.5.3 Evozierte Potentiale (EP) ... 42

1.6 Ableitung der Ziele und Erwartungen ... 49

2 Methode ... 55

2.1 Stichprobe ... 55

2.2 Untersuchungsdesign ... 56

(4)

IV

2.3.2 Paradigma ... 59

2.3.3 Fragebögen ... 60

2.3.4 Apparatur ... 63

2.4 Physiologische Messungen ... 64

2.5 Ablauf ... 65

2.6 Auswertung ... 68

3 Ergebnisse ... 75

3.1 Deskriptive Statistik ... 75

3.2 Ergebnisse - Vegetative Reaktion der Prostata ... 77

3.2.1 Augmenter – Reducer nach RAS ... 77

3.2.2 Persönlichkeits- & Befindlichkeitsmerkmale ... 89

4 Diskussion ... 96

4.1 Auswahl der Bilder ... 96

4.2 Hämodynamische Response der Prostata ... 97

4.2.1 Messtechnik - Was sagt die HDR aus? ... 97

4.2.2 HE Region ... 98

4.2.3 HE Stimulus ... 100

4.2.4 HE Sekunde ... 102

4.2.5 HE Persönlichkeits- & Befindlichkeitsmerkmale... 103

4.2.6 Wechselwirkungen ... 106

4.3 Alter und Berufstätigkeit... 108

4.4 Posthoc-Analyse - Einfluss von Ängstlichkeit auf das Rating ... 109

4.5 Zusammenfassung und Ausblick für zukünftige Untersuchungen ... 110

5 Literaturverzeichnis ... 115

6 Anhang………119

(5)

V

Abbildung 2: Darstellung des Arteriengeflechtes um die Prostata (Waldeyer, 1974) ... 10

Abbildung 3: Darstellung des Venengeflechtes um die Prostata (Waldeyer, 1974) ... 11

Abbildung 4: Darstellung des Gefäßsystems der Prostata (Haferl 1969) ... 11

Abbildung 5: Darstellung des vegetativen Nervengeflechts um die Prostata (Haferl, 1969) . 13 Abbildung 6: Darstellung der unterschiedlichen Einflüsse auf das ANS, sowie in weiterer Folge auf die Prostata (Grafik nach McVary et al., 2005) ... 22

Abbildung 7: Beispiel für ein evoziertes Potential in einem EEG (Schwerdtfeger, 1999) ... 43

Abbildung 8: Hypothese nach Davis et al. (1983): KFA-Augmenter werden nach TMI zu EP- Reducern und KFA-Reducer werden zu EP-Augmentern. (Schwerdtfeger 1999) ... 45

Abbildung 9: Aufbau des Paradigmas ... 60

Abbildung 10: Darstellung der unterschiedlichen Regions of Interest in der Prostata ... 69

Abbildung 11: Prostata nutzbar für Messung Abbildung 12: Prostata verdeckt von Peristaltik ... 70

Abbildung 13: Modellierte Gesamtzeitserie beider Klassen mit ARMAX-Model ... 71

Abbildung 14: Epochenanalyse für einen Probanden ... 72

Abbildung 15: Gesamtzeitserie beider Klassen mit Epochenanalyse (-- neutral, --negativ) .. 73

Abbildung 16: Gesamtzeitserie der Referenz-ROIs beider Klassen für die Epochenanalyse (-- neutral, --negativ) ... 73

Abbildung 17: HE Region, sign. ... 80

Abbildung 18: HE Stimulus, n.s ... 80

Abbildung 19: HE Sekunde, n.s ... 81

Abbildung 20: HE RAS, n.s ... 82

Abbildung 21: Unterschiede in der HDR zwischen den Stimuli und den Sekunde, n.s ... 84

Abbildung 22: Unterschiede in der HDR zwischen den Stimuli und der Region, n.s ... 85

Abbildung 23: Unterschied in der HDR zwischen Reducer/Augmenter und der Region, n.s 86 Abbildung 24: Unterschied in der HDR zwischen Reducern/Augmentern und dem Stimulustyp, n.s ... 87

Abbildung 25: Unterschiede in der HDR zwischen Reducern/Augmentern und der gemessenen Sekunde, n.s ... 88

Abbildung 26: Haupteffekt für TICS, n.s ... 90

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VI

Stimulustyp, n.s ... 94

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Durchschnittliche Valenz der verwendeten neutralen und negativen IAPS-Stimuli ... 75 Tabelle 2: Durchschnittliches Arousal der verwendeten neutralen und negativen IAPS-

Stimuli ... 75 Tabelle 3: Gruppeneinteilung anhand des Medians ... 76 Tabelle 4: Haupteffekt für RAS (Reducer vs. Augmenter), die Sekunde (von Sekunde 5 bis 12), den Stimulustyp (neutral vs. negativ) und die Region (Prostata vs. Referenz) ... 78 Tabelle 5: Mittelwertvergleich Prostata vs. Referenz ... 79 Tabelle 6: Haupteffekt für TICS / FBL / EPQ-N / EPQ-L / STAI-X2, den Stimulustyp

(neutral vs. negativ) und die Region (Prostata vs. Referenz) ... 89 Tabelle 7: Einfluss von Ängstlichkeit auf das Rating ... 110

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Die vorliegende Untersuchung geht erstmals der Frage nach, ob es möglich ist mittels direkter Messung durch funktionelle Magnetresonanz (fMRI) unter Darbietung von visuellen Stressreizen eine Reaktion in der Prostata festzustellen, d.h. eine vegetative Innervation der Prostata während einer Stresssituation nachzuweisen. Zusätzlich soll auch das Phänomen des Augmenting-Reducing nach der Reducer- Augmenter-Skala von Vando (RAS, 1969) behandelt werden. Zu diesem Zweck wurden 90 Bilder aus dem standardisierten International Affektive Picture System (IAPS; Lang, Bradley & Cuthbert, 1997) herangezogen, und zwar 45 negative sowie 45 neutrale Reize. Die Bilder wurden den Probanden (N=17) während der fMRI-Messung in randomisierter Reihenfolge für jeweils vier Sekunden dargeboten, wobei zwischen jedem Bild ein Interstimulusintervall (ISI) von neun Sekunden lag. Zusätzlich wurden noch Persönlichkeits- (RAS, EPQ-RK, STAI-X2) und Befindlichkeitsfragebögen (TICS, FBL-R) vorgegeben, um Unterschiede zwischen diesen und der hämodynamischen Response (HDR) der Prostata zu überprüfen.

Für die statistische Berechnung wurden sechs univariate Varianzanalysen für Messwiederholung herangezogen. Es konnte gezeigt werden, dass die Prostata tatsächlich auf visuelle Reize zu reagieren scheint. Ein signifikanter Unterschied in dieser Untersuchung konnte lediglich in Bezug auf die Region gefunden werden. Es zeigte sich, dass die Prostata eine deutlich stärkere HDR aufweist als die Referenz, der Musculus levator ani (F1,15 = 7,674; p =,014). Es ist schwierig eine eindeutige Interpretation für die in der Prostata gefundene signifikante HDR zu postulieren. Man könnte annehmen, dass die gefundene signifikante HDR lediglich aufgrund einer stärkeren Aktivierung der Prostata resultiert. Diese Aktivierung führt zu mehr Sauerstoffverbrauch im Blut und dies wird Signalreduktion, der negativen HDR, sichtbar.

Möglich ist aber auch, dass sich die Arteriolen verschließen und eine Perfusionsveränderung resultiert, welche zu einer Abnahme der Sauerstoffsättigung führt, und es keine Veränderung des Energieumsatzes per se gibt. Im Hinblick auf Unterschiede zwischen den visuellen Reizen (neutral vs. negativ) und den einzelnen Sekunden konnte keine Signifikanz nachgewiesen werden. Bezüglich der einzelnen Persönlichkeits- und Befindlichkeitsmerkmale konnten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede gefunden werden. Auch im Hinblick auf die Wechselwirkungen konnten keine signifikanten Ergebnisse gezeigt werden. Mit dieser Untersuchung konnte ansatzweise das Ziel erreicht werden, eine mögliche Aktivierung der Prostata während einer Stresssituation nachzuweisen. Zu beachten ist allerdings, dass noch keine genauen Schlüsse über die Bedeutung der HDR in der Prostata möglich sind und die starke Dichotomie von Sympathikus und Parasympathikus in der Prostata eine eindeutige Interpretation zusätzlich erschwert.

Weitere Untersuchungen sind nötig, um aussagekräftigere Annahmen stellen zu können!

Schlüsselwörter: Prostata – Stress – fMRI – Augmenting/Reducing - IAPS

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The present study focuses on the question of whether or not it is possible to make a direct measurement of the prostate using functional magnetic resonance imaging (fMRI) while visual stimuli are presented with the purpose of inducing stress. The study’s aim was to find vegetative innervation of the prostate during a stressful situation. Another major subject in this paper is the phenomenon of Augmenting-Reducing according to the Reducer-Augmenter-Scale of Vando (1969). In order to illustrate this, 90 pictures were chosen from the standardised “International Affective Picture System” also known as IAPS (Lang, Bradley

& Cuthbert, 1997), out of which 45 were negative and 45 were neutral images. These stimuli were shown to 17 subjects in a random order while an fMRI-measurement took place. Each stimulus was presented for the length of four seconds with a nine second interstimulus intervall (ISI) and measurements were conducted every second. In addition to this, personality tests (RAS, EPQ-RK, STAI-X2) and mental state questionnaires (TICS, FBL-R) were handed out to the subjects in order to find a difference between their outcome and hemodynamic response (HDR) of the prostate. Six “one-way variance analyses with repeated measures” – one for each questionnaire – were calculated for this purpose. In this way it was possible to demonstrate and prove that the prostate reacts when pictures are presented to the subject and it could be shown that the prostate has a significantly stronger HDR than the reference, the musculus levator ani. It is difficult to postulate a correct interpretation of this significant effect in the prostate, but it can be suggested that this significant HDR results from stronger activation of the prostate. This activation leads to a higher oxygen uptake rate in the blood and a decreasing signal, the negative HDR, is measured. Closing arterioles and the variation in the perfusion of the prostate, which means a lower oxygen saturation in this region, and neither the variation of the basic energy rate nor change in the basal energy rate per se may also lead to the significant results of this study. From this finding it can also be concluded the prostate is more activated when it shows a negative HDR. There were no significant differences to be found, neither between the neutral and negative visual stimuli, nor between the individual points of measurement. Accordingly, the questionnaires investigating personality and mental state of the subjects did not show any significant result either. An exanimation of the interaction of all the components described above showed no significant difference in the result. The study did, however, succeeded in rudimentally showing an activation in the prostate during a stressful situation; In spite of this, it is yet impossible to provide an exact interpretation of the meaning of the HDR in the prostate. Furthermore, the strong dichotomy of the sympathetic and the parasympathetic nervous systems make a clear statement even more difficult.

In order to get a very clear picture of the HDR in the prostate, a lot of research remains to be done.

Keywords: Prostate Stress fMRI Augmenting/Reducing - IAPS

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1.1 Allgemeine Einführung

Spielt das vegetative Nervensystem neben Einflüssen wie Testosteron, Wachstumsfaktoren, genetischen Faktoren und Ernährungsgewohnheiten eine genau so wichtige Rolle für das Auftreten von Prostataerkrankungen? Können psychologische Einflussfaktoren wie psychischer Stress oder das Ausmaß sozialer Unterstützung auf Wachstum und Symptomatik der Prostata tatsächlich nachgewiesen werden? Zeigen sich interindividuelle Unterschiede der menschlichen Organsysteme auf eine spezifische Belastung? Während andere Organe einen Zelltod erleiden, passiert in der Prostata genau das Gegenteil, denn ein lebenslanges Zellwachstum ist hier im Gange, welches mit zunehmendem Alter zu Gesundheitsproblemen führen kann. Das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken beträgt in Österreich gut 10%. Sicher ist, dass annähernd die Hälfte der männlichen Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer gutartigen Vergrößerung der Prostata, an einer benignen Prostatahyperplasie (BPH), auf welche in Kapitel 1.2.7 noch näher eingegangen wird, sowie an den damit zusammenhängenden „lower urinary tract symptoms“ (LUTS) leidet. Obwohl das Organ selbst keine Hormone produziert, sind sowohl die Funktion als auch das Wachstum der Prostata stark von diesen abhängig (Pummer, 2002). Ein dichtes Gefäß- sowie Nervensystem bilden eine gute Voraussetzung für eine vegetative Innervation. Auch wenn die Prostata eine starke Innervation des Sympathikus, ausgehend vom Nervus hypogastricus, aufweist, scheint aber das cholinerge System ebenfalls einen starken Einfluss auf das Organ auszuüben.

Allerdings scheint eine eindeutige Interpretation und klare Unterscheidung von sympathischer und parasympathischer bzw. noradrenerger, adrenerger und cholinerger Innervation der Prostata dem momentanen Forschungsstand nach noch nicht möglich zu sein.

Besonders im letzten Jahrzehnt hat das Interesse an der Innervation der Prostata durch das autonome Nervensystem bei sowohl normaler als auch bei gestörter Funktion und Größenwachstum der Drüse zugenommen (Ventura, Pennefather & Mitchelson, 2002).Es ist der Forschung gelungen neben pathophysiologischen Einflüssen auch verstärkt psychologische Faktoren aufzuzeigen, die anscheinend im Zusammenhang mit

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Veränderungen der Prostata stehen. Zahlreiche Studien belegen (z.B.: McVary, Rademaker, Lloyd & Gann, 2005; Ullrich, Lutgendorf, Leserman, Turesky & Krederl, 2005; Ullrich, Lutgendorf & Kreder, 2007; Yassin, El-Sakka & Saad, 2008; Choi, Lee & Kimm, 2009;

McVary, Razzaq, Lee, Venegas, Rademaker & McKenna, 1994; Ventura et al., 2002; Rao, Yang, Liu, Wang, Yin, Liu, He & Yang, 2008), dass eine Hyperaktivität des autonomen Nervensystems (ANS) immer wieder mit den weit verbreiteten Leiden wie Benigne Prostatahyperplasie, den damit einhergehenden lower urinary tract symptoms und sogar mit Prostatakrebs in Verbindung gebracht wird. Ein besonderes Augenmerk in der hier vorliegenden Untersuchung soll auf den Einfluss von Stress auf die Prostata gelegt werden.

Ullrich et al. (2007) erklären die Verbindung zwischen Stressreaktivität und LUTS so, dass der Stress die Kontraktion und Muskelspannung der Beckenbodenmuskulatur beeinflusst, die von α-adrenergen Rezeptoren abhängig ist, welche wiederum von Adrenalin und Noradrenalin angeregt werden. Nicht nur kurzfristiger, akuter Stress hat einen Einfluss auf das sympathische Nervensystem (SNS) und die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden (HPG)- Achsenaktivität, sondern auch langanhaltender Stress (Ullrich et al., 2005). Der Zusammenhang zwischen dem ANS (im Besonderen dem SNS), sowie der HPG-Aktivität und deren Einfluss auf Entstehung und Fortschreiten von Prostataerkrankungen, wird in der Literatur häufig berichtet. Man kann als Folge daraus vermuten, dass psychologische Faktoren die Prostata beeinflussen, indem sie zur Ausschüttung von Catecholaminen vom SNS und die Testosteronsekretion über die HPG-Achse führen (z.B.: McVary et al., 2005;

Ullrich et al., 2005; Ullrich et al., 2007; Choi et al., 2009; McVary et al., 1994; Rao et al., 2008).

Wie lasst sich eigentlich darauf schließen bzw. wie wird es messbar gemacht, dass subjektiv empfundener Stress in Zusammenhang mit Prostatabeschwerden steht? Es gibt bereits zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass Stress in Verbindung mit Prostatabeschwerden steht, allerdings handelt es sich bei diesen Studien ausschließlich um indirekte Messungen, was bedeutet, dass in Laborstudien eine Überaktivierung des sympathischen Nervensystems mit dem Auftreten einer BPH in Verbindung gebracht wurde. So zeigten z.B. Ulrich et al.

(2007) bei Männern mit vorhandener BPH eine verstärkte Kortisolaktivität, sowie einen deutlich erhöhten diastolischen Blutdruck unter standardisierten Stressbedingungen.

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Auch McVary et al. (2005) beobachteten einen ähnlichen Zusammenhang, indem sie Stress mittels Kipptischmethode erzeugten. Ihre Ergebnissen zeigten, dass der Grad der autonomen sympathischen Aktivität sehr wohl mit dem Auftreten von LUTS bzw. BPH einhergeht.

Entgegen dieser indirekten Messungen soll in dieser hier vorliegenden Untersuchung erstmals mittels direkter Messung durch funktionelle Magnetresonanz (fMRI) versucht werden, unter Darbietung von visuellen (Stress-) Reizen eine Reaktion in der Prostata festzustellen.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht jedes Individuum auf die gleiche Art und Weise reagiert - sei es, dass Personen mit unterschiedlichen Organen reagieren, oder dass eine Person stärker auf ein und denselben Reiz reagiert als eine andere Person. Aus diesem Grund soll in dieser Untersuchung zusätzlich auf das Phänomen des Augmenting-Reducing nach der Reducer-Augmenter-Skala von Vando (1969) eingegangen werden.

Damit die später geschilderten Einflüsse des autonomen Nervensystems auf die Prostata verständlich und nachvollziehbar sind, folgt nun ein kurzer Überblick über Aufbau und Funktion des Organs.

1.2 Die Prostata

1.2.1 Aufbau und Form der Prostata

Die Prostata, im Deutschen auch Vorsteherdrüse genannt, ist ein drüsiges Organ, das von etlichen glatten Muskelfasern umgeben ist, und die Größe und Form einer Esskastanie hat.

Bei der Prostata handelt es sich also um einen Muskelkörper, in dem das Drüsengewebe (bestehend aus 30 bis 50 tubulo-alveolären Drüsen) eingebettet ist. Das Organ selbst ist wiederum von einer Schicht umgeben, die sich aus Muskelfasern und Bindegewebe zusammensetzt, die so genannte „Capsula prostatae“ (Waldeyer, 1974; Hafferl, 1969;

Benninghof, 1977).

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Ringförmig umgibt sie die Harnröhre und liegt zwischen Blase und Diaphragma urogenitale, dem vorderen Beckenboden (Waldeyer, 1974; Hafferl, 1969), bzw. liegt sie unterhalb der Blase und liegt am Beckenboden auf (Pummer, 2002). Insgesamt 12 bis 20 Ausführungsgänge am Samenhügel münden in die Harnröhre ein (Benninghof). Jener Teil der Harnröhre, der direkt in der Prostata liegt, wird auch als prostatische Harnröhre bzw. prostatische Urethra bezeichnet (Rothamel & Weckermann, 1993). Diese Samenblasen sind zuständig für die Zwischenlagerung des Samens (Pummer, 2002). Die Prostata besteht aus zwei Seitenlappen, einem linken (Lobus sinister) und einem rechten Lappen (Lobus dexter), welche dorsal durch den Isthmus prostatae (Waldeyer, 1974) und vor der Harnröhre durch die Pars praeurethralis prostatae miteinander verbunden sind (Benninghof, 1977). Der Isthmus wird auch als Verbindung der beiden Lappen hinter den Ductus ejaculatorii bezeichnet (Hafferl 1969). Im Alter kommt es häufig zu einer Vergrößerung des Isthmus, der einen Mittellappen bildet und sich somit gegen die Harnröhre und Blase vorwölbt. Diese Veränderung führt zu Beschwerden bei der Harnentleerung (Benninghof, 1977). Man kann die Drüse in eine periphere, eine zentrale und eine transitionale Zone unterteilen, wobei die transitionale Zone eine besondere Bedeutung für die Entwicklung und den Verlauf einer benignen Prostatahyperplasie hat. Diese Zonen unterscheiden sich nicht nur in ihrer anatomischen Lage, sondern auch in ihrer Zellenbeschaffenheit. Die Zellen variieren sowohl im Muster der Innervation als auch in der Art der Verteilung von Neurotransmitterrezeptoren. Die Zellinteraktion spielt einerseits für das „normale“, gesunde Größenwachstum der Prostata eine bedeutende Rolle, aber auch für das „abnormale“, krankhafte Größenwachstum bei einer BPH und bei einem Prostatakarzinom (Ventura et al., 2002). Die Drüsen der Prostata selbst sind umgeben von Stromazellen, während sich das Stroma wiederum aus fasrigem Bindegewebe und dicken Bündel glatter Muskulatur zusammensetzt. Die Ausführungsgänge werden von einem Epithel umgeben, welches die Grenze zum Stroma bildet (Ventura et al., 2002; Benninghoff, 1977). Die nachfolgende Abbildung 1 veranschaulicht den Aufbau der Prostata.

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Abbildung 1: Darstellung der Prostata (Haferl, 1969)

1.2.2 Funktion der Prostata

Die Prostata bildet eine Art Knotenpunkt zwischen Samen- und Harnfluss. Sie produziert ein leicht saures Sekret, das die verschiedenen Inhaltsstoffe wie Kalium, Natrium, Magnesium, Zink, Zitronensäure und verschiedene Eiweißstoffe – der wichtigste davon ist das prostataspezifische Antigen (PSA), welches für die Diagnose eines Prostatakarzinomes von enormer Bedeutung ist – beinhaltet. Dieses leicht saure und dünnflüssige Sekret bildet den größten Teil des Ejakulats und ermöglich erst das Überleben und die Beweglichkeit der Samenzellen. Diese Flüssigkeit wird mehr oder weniger kontinuierlich gebildet und es kommt an und für sich niemals zu einer gänzlichen Entleerung. Die Muskelfasern des Organs können nicht willkürlich bewegt werden, sie bewirken aber beim Orgasmus durch Kontraktion ein schnelles Ausstoßen des Ejakulats und verhindern im selben Moment das Vermischen von Harn und Samenflüssigkeit, indem die Harnblase verschlossen wird.

Die Prostata besitzt somit zwei wesentliche Aufgaben; zum einen die Verschlussfunktion der Harnröhre und zum anderen die Produktion des Prostatasekretes, welches einerseits für die Beweglichkeit der Spermien, aber auch für das Überleben derselben notwendig ist. Die Prostata ist also für Fruchtbarkeit und Fortpflanzung unbedingt von Nöten (Pummer, 2002;

Rothamel & Weckermann, 1993; Benninghof, 1977).

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Eine wesentliche Rolle für die Funktion der Prostata spielen die Hormone, auf welche nun näher eingegangen werden soll.

1.2.3 Prostata und Hormone

Untergasser, Madersbacher & Berger (2005) beschreiben, dass neben dem fortgeschrittenen Alter auch die Androgene einen wesentlichen Einflussfaktor bilden, was wiederum voraussetzt, dass ein intakter intra-prostatischer Androgen-Metabolismus vorhanden sein muss. Aber auch zahlreiche andere Studien gehen davon aus, dass sowohl das Alter als auch der Einfluss von Androgenen eine entscheidende Rolle für die Entstehung einer BPH (Ventura et al., 2002; Pummer, 2002; Untergasser et al., 2005) sowie eines Prostatakarzinoms (Rao et al., 2008) spielen. Sowohl die Funktion wie auch das Wachstum der Prostata sind zwar unter anderem abhängig von einer hormonellen Steuerung, aber das Organ selbst produziert keine Hormone (Pummer, 2002). Während die Innendrüse vorrangig Östrogen abhängig ist, wird die Außendrüse von Androgenen, besonders von Testosteron beeinflusst (Benninghoff, 1977). Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Testosteron und einem vergrößerten Prostatawachstum lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, aber es wird vermutet, dass das Verhältnis zwischen Testosteron und Östrogen für die Entwicklung einer BPH von Bedeutung ist (Pummer, 2002), und dass Testosteron, welches durch die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achsenaktivität produziert wird, das Größenwachstum der Prostata reguliert (Ullrich et al., 2005). Testosteron kann seinen Einfluss auf verschiedenen Ebenen bemerkbar machen: zum einen bildet der Hypothalamus Releasing- Hormone, welche die Produktion des luteinisierenden Hormons (LH) in der Hirnanhangsdrüse steuern. In bestimmten Zellen des Hodens (Leydig-Zellen) bewirkt LH in Folge die Bildung von Testosteron. Über den Blutweg gelangt das Testosteron schließlich in die Prostatazelle, wo es durch die 5-Alpha-Reduktase zur aktiven Form, dem Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt wird. DHT verbindet sich dann mit den

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Androgenrezeptoren (AR) zu einem Komplex. Dieser Komplex gelangt anschließend in den Zellkern, wo er über Aktivierung hormonabhängiger Gene Wachstum und Funktion der Prostatazelle beeinflusst (Pummer, 2002; Rothamel & Weckermann, 1993; Untergasser et al., 2005). DHT hat die Fähigkeit eine Vielzahl von Größenwachstumsfaktoren zu stimulieren, die ihrerseits wiederum das Größenwachstum der Prostata anregen (Ullrich et al., 2005). Das Enzym 5-Alpha-Reduktase zeigt außerdem eine höhere Aktivität bei vorhandener BPH (Untergasser et al., 2005). Zum anderen spielt Testosteron ebenfalls eine wichtige Rolle für das Wachstum eines Prostatakarzinoms. Stoppt man die Testosteronproduktion im Körper, so kann auch das Wachstum eines Prostatakarzinoms unterbunden werden. Sobald jedoch wieder Testosteron zugeführt wird, nimmt die Prostata ihre Funktion wieder auf (Rothammel &

Weckermann, 1993).

Testosteron könnte also verschiedene Effekte auf die autonomen Neuronen haben (Ventura et al., 2002) und in weiterer Folge könnte es für die Reflex-Aktivität des ANS wichtig sein. Es zeigt sich in der Forschung bislang kein eindeutiger Zusammenhang, aber es wäre insofern erklärbar, dass es sich um indirekte Einwirkungen des Testosterons handelt (Yassin et al., 2008).

1.2.4 Gefäßsystem

Sowohl der Blutgefäß- als auch der Nervenversorgung nach gehört die Prostata eigentlich zur Harnblase. Die große arterielle Versorgung der Prostata erfolgt durch die Arteria vesicalis inferior, die sich von der Seite her an das Organ nähert und die sich von einer der großen Arterien, der Arteria iliaca interna abspaltet. Kleine Äste gelangen auch aus der Arteria rectalis media zum Organ. Diese Arteria rectalis media entspringt ihrerseits wiederum meist der Arteria pudenda interior oder der bereits genannten Arteria vesicalis inferior und versorgt das Rectum, die Samenbläschen sowie die Prostata. Die Arteria vesicalis inferior steigt lateral von den Samenbläschen abwärts zum Fundus der Blase und der Prostata und versorgt sowohl

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die Samenbläschen, die Prostata wie auch den Blasengrund. Abbildung 2 veranschaulicht das Arteriengeflecht rund um die Prostata.

Abbildung 2: Darstellung des Arteriengeflechtes um die Prostata (Waldeyer, 1974)

Ein dichtes Geflecht, den Plexus vesicoprostaticus, bilden die Venen des kleinen Beckens vor und seitens der Prostata sowie der Blase. Den unteren Teil des großen Plexus vesicoprostaticus bildet ventral von beiden Seiten her der dichte Plexus venosus prostaticus.

Über die Vena rectalis superior erfolgt schließlich der Abfluss, weiter über die Vena illica interna, die Pfortader, bis in die Vena cava inferior (Waldeyer, 1974; Hafferl, 1969).

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Abbildung 3 und 4 zeigen den genauen Gefäßverlauf der Venen rund um die Prostata.

Abbildung 3: Darstellung des Venengeflechtes um die Prostata (Waldeyer, 1974)

Abbildung 4: Darstellung des Gefäßsystems der Prostata (Haferl 1969)

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1.2.5 Das vegetative Nervengeflecht

Die Prostata hat nicht nur einen sehr starken Blutfluss, sie ist auch reichlich mit vaskulären glatten Muskelzellen, Nervenfasern und Mastzellen ausgestattet. Des Weiteren umgibt ein dichter Nervenplexus die Drüse (Ventura et al., 2002).

Ausgehend vom sympathischen Plexus aorticus spaltet sich das vegetative Nervengeflecht zum einen in den paarigen Plexus iliaci und zum anderen in den unpaarigen Plexus hypogastricus superior (siehe Abbildung 5). Verlaufend über das kleine Becken teilt sich dieser schließlich in die Nuclei hypogastricus dexter et sinister, welche ihrerseits wiederum seitlich vom Rectum her in den Plexus hypogastricus inferior (Plexus pelvinus) weiter verlaufen (Waldeyer, 1974). Aus dem Plexus pelvinus gelangen die vegetativen Nerven anschließend zusammen mit kleinen Arterienästen, als Plexus prostaticus an die Drüse (Hafferl, 1969). Aus dem 3. und 4. Sakralnerv erreichen auch die parasympathischen Fasern den Plexus hypogastricus inferior. Zahlreiche Ganglien sind ebenfalls in dieses Geflecht eingelagert und bilden als Gesamtes das Ganglion pelvinum. Zusammen mit den kleineren Arterienästen verlaufen die efferenten Fasern des Plexus hypogastricus inferior zu den Beckenorganen und versorgen dort unter anderem den Plexus prostaticus und die Prostata (Waldeyer, 1974). Ventura et al. (2002) schreiben, dass das Prostataepithel cholinerg innerviert wird, während hingegen im Stroma ein dichtes Netzwerk von noradrenergen und adrenergen Nervenfasern gefunden werden kann, und dieses somit funktionell sympathisch innerviert ist (Guh, Chueh & Teng, 2000; McVary et al.,1994). Im Hinblick auf die Regulation des Prostataepithels, in Bezug auf Größenwachstum und Funktion der Drüse, können acetylcholinesterase-positive Nerven nachgewiesen werden. Die Lokalisierung der Nerven unter dem Epithel ist begünstigend für den Transport der Acetylcholine in den Gefäßen und des weiteren betonen Ventura et al. (2002) in ihrem Artikel, dass das Acetylcholin sowohl für die Kontraktilität der Drüse als auch für die sekretorische Funktion eine Rolle spielt. Musacrine Rezeptoren sind hauptsächlich auf dem Drüsenepithel der Prostata (glandular epithelium) lokalisiert. Vergleichsweise zum Epithel, welches

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acetylcholinesterase-positive Nerven aufweist, besitzt das Stroma hingegen eine große Menge an Tyrosin hydroxilase-immunreaktiven Nerven. Nicht nur bei Menschen, sondern bei allen bislang im Hinblick auf die Prostata erforschten Lebewesen ist diese regionale Trennung charakteristisch für die Prostatadrüse (Ventura et al., 2002).

Abbildung 5: Darstellung des vegetativen Nervengeflechts um die Prostata (Haferl, 1969)

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1.2.6 Adrenerge, noradrenerge und cholinerge Innervation der Prostata

Eine eindeutige Interpretation und klare Unterscheidung von sympathischer und parasympathischer bzw. noradrenerger, adrenerger und cholinerger Innervation der Prostata scheint dem momentanen Forschungsstand nach noch nicht möglich zu sein. Die Rezeptoren der menschlichen Prostata sind α1-adrenerg, dopaminerg, musacrin-cholinerg, serotonerg und histaminerg (Kester, Mooppan, Gousse, Alver, Gintautas, Gulmi, Abadir & Kim, 2003).

Wie bereits erwähnt, hat die Prostata eine starke Innervation der sympathisch-cholinergen Nervenfasern, die aus dem Nervus hypogastricus entspringen. Verwunderlich ist diese enge Verbindung zwischen sympathischen und parasympathischen Fasern in der Prostata keinesfalls, da Acetylcholinesterase selbst in catecholaminergen Neuronen des Zentralnervensystems (ZNS) nachweisbar ist. Allerdings gilt es bei der Interpretation vorsichtig zu sein, denn auch wenn sich Acetylcholinesterase nachweisen lässt, bedeutet das noch nicht zwingend, dass es sich um einen cholinergen Nerv handeln muss. Genau so wenig kann man sich absolut sicher sein, dass es sich um einen noradrenergen Nerv handelt, nur weil sich Hydroxilase nachweisen lässt.

Ventura et al. (2002) weisen in ihrem Artikel darauf hin, dass im Prostatagewebe von Ratten die parasympathischen Neuronen größtenteils nicht noradrenerg sind, was wiederum vermuten lässt, dass getrennt sowohl noradrenerge als auch cholinerge Nervenfasern existieren, welche die Prostata innervieren. Auch Nervenfasern, welche die glatte Muskulatur versorgen, könnten einerseits zugleich noradrenerg und cholinerg innerviert sein, aber auch getrennt voneinander. Auf alle Fälle gibt es eine sehr hohe Dichte von noradrenergen und cholinergen Nervenfasern (Ventura et al., 2002). Die veränderte Innervation des ANS vermindert die Relaxation und führt zu einem erhöhten adrenergen Tonus (Untergasser et al., 2005).

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1.2.6.1 Cholinerger Einfluss auf die Prostatafunktion

Nicht nur hormonelle Faktoren beeinflussen die glatte Muskulatur, sondern auch das ANS spielt eine wichtige Rolle für die Funktion (Rao et al., 2008). Da die Kontrolle des ANS unterschiedlich und organspezifisch ist, kommt es folglich auch zu verschiedenen Reaktionen (Antworten) der glatten Muskulatur. Selbst innerhalb ein und desselben Organsystems kann es zu Variationen kommen (Sudoh, Inagaki & Honda, 1997). Rund 40% des prostatischen Drucks wird durch den Tonus der glatten Muskulatur verursacht (Kester et al., 2003). Die Kontraktion der menschlichen Prostata wird von α1-adrenergen Rezeptoren reguliert, wobei zusätzlich endogene adrenerge Stimulationen eine wichtige Rolle spielen (Guh et al., 2000).

Die zahlreichen α-adrenergen Rezeptoren machen die Prostata besonders empfindlich für die Catecholamine Norepinephrin und Epinephrin. Aus der Abgabe von Norepinephrin könnte in Folge ein beschleunigtes Zellwachstum in der Prostata stattfinden und des weiteren eine Zunahme an Spannung (Tension) der glatten Muskulatur (Ullrich et al., 2005). Die cholinergen Begleitfasern des sympathischen Nervus hypogastricus können an der Kontraktion der glatten Muskulatur beteiligt sein, sowie auch an der sekretorischen Funktion der Prostata (Ventura et al., 2002). Das sympathische System, also die noradrenergen Nerven, ist zuständig, dass während der Ejakulation die Prostataflüssigkeit in die Harnröhre ausgestoßen wird, während hingegen das parasympathische System, also die cholinergen Nerven, die Rate der Sekretion verstärkt (Untergasser et al., 2005). Anhand von Studien bei anästhesierten Hunden konnte festgestellt werden, dass Atropin sowohl die durch den Nervus pelvicus als auch den Nervus hypogastricus stimulierte Kontraktion reduziert. Unter Stimulierung des Nervus pelvicus konnte eine Kontraktion des Stroma und der Capsula nachgewiesen werden, während der Nervus hypogastricus nur zu einer Capsulakontraktion geführt hat. Somit scheint der Nervus pelvicus einen stärkeren parasympathischen Anteil zu haben als der Nervus hypogastricus (Ventura et al., 2002). Auch McVary et al. (1994) machen darauf aufmerksam, dass parasympathische präganglionäre Fasern in den Nervus pelvicus ziehen, während hingegen die sympathischen präganglionäre Fasern im Nervus hypogastricus enden.

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Sudoh et al. (1996) haben in ihrer Studie untersucht, inwieweit sich die verschiedenen Agonisten auf die Sensitivität der glatten Muskulatur der Harnblase, Harnröhre und Prostata auswirken. Hierzu haben sie Hasen die jeweiligen Organe entnommen und anschließend die entsprechenden Substanzen zugeführt und kamen teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen als sie von Ventura et al. (2002) geschildert wurden. Eine Kontraktion der glatten Prostatamuskulatur konnte durch Zufuhr aller verwendeten Agonisten erzielt werden. In der Prostata zeigte Noradrenalin, gefolgt von Phenylephrine die stärkste Wirkung. Acetylcholin erzielte nahezu die schwächste Wirkung. Sudoh et al. (1996) konnten zeigen, dass die Harnblase hauptsächlich von cholinergen Mechanismen beeinflusst wird, während hingegen die Prostata und auch die Harnröhre größtenteils α1-Adrenorezeptoren (siehe auch: Guh et al., 2000; Kester et al., 2005) besitzen und somit hauptsächlich sympathisch innerviert sind. Die Harnblase besitzt sowohl parasympathische als auch sympathische Innervation.

Ventura et al. (2002) nehmen auch Bezug auf ältere Studien (Farrell & Lyman, 1937), die feststellen konnten, dass bei Stimulation des Nervus hypogastricus in der Prostata von Hunden eine Sekretion herbeigeführt werden konnte, die wiederum von Atropin gehemmt worden ist. Ergebnisse wie diese lassen vermuten, dass die neuronale Stimulationen aktiviert wird und im weiteren zu einer Sekretion der Drüse führt. Auch McVary et al. (1994) weisen darauf hin, dass Sympathikus und Parasympathikus verschiedene Rollen für Größenwachstum und Sekretionsfunktion der Drüse haben. So konnten sie bei Ratten aufzeigen, dass die Prostata nach einer Sympathektomie ventral an Gewicht verliert, was im weiteren Sinne auf eine Atrophie auf der intakten, ipsilateralen Seite hinweist. Da die Drüse auf dieser Seite operiert wurde, kommt es hier zu einem teilweisen oder gar gänzlichen Verlust der neuralen Stimulation. Hingegen bei einer Parasympathektomie kommt es nur zu einem sehr geringen Gewichtsverlust, während auf der intakten, kontralateralen Seite eine deutliche Gewichtszunahme nachweisbar ist, die eine Prostatahyperplasie repräsentiert. Wurde eine kombinierte Paraysmpathektomie und Sympathektomie durchgeführt, so zeigte sich wiederum eine Gewichtsabnahme auf der denervierten, intakten Seite, und eine Hyperplasie des Organs auf der kontralateralen Seite. Somit scheint die kombinierte präganglionische Sympathektomie und Parasympathektomie den selben Effekt wie die einzelne Denervierung

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zu haben. Auch die Entfernung des Pelvic-Ganglion hat in etwa den gleichen Effekt wie die kombinierte Parasympathektomie und Sympathektomie. Die Tatsache, dass eine Sympathektomie zu einer ipsilateralen, ventralseitigen Atrophie führt, während hingegen die Parasympathektomie eine kontralaterale Hyperplasie hervorruft, ist ein weiterer Indikator dafür, dass die sympathische und parasympathische Innervation eine unterschiedliche Kontrolle über das Größenwachstum der Prostata haben. Diese Ergebnisse zeigten sich allerdings nur für die ventralen Seitenlappen der Prostata, nicht aber für die Dorsalen oder Lateralen. was darauf schließen lässt, dass die ventrale Seite weitaus sensitiver ist. Über eine Hyperplasie auf der intakten Seite konnte zum damaligen Zeitpunkt jedoch nur theoretisiert werden. Da zahlreiche Wachstumsfaktoren in der Rattenprostata entdeckt wurden, wäre es möglich, dass die geschwächte Drüse einen oder mehrere dieser Faktoren über die Blutbahn quasi auf die andere Seite schickt und dort die miotische Aktivität erhöht.

Eine weitere mögliche Erklärung für die hier vorgefundenen Ergebnisse könnte sein, dass Zellen, wenn sie sterben, bestimmte Proteine in erhöhter Menge synthetisieren werden. Somit wäre es auch möglich, wenn Stroma- oder Epithelzellen sterben, dass sie diese Proteine in die umliegende Umgebung abgeben und diese Produkte quasi mit der gegenüberliegenden Seite kommunizieren und diese in weiterer Folge dazu anregen die Anzahl der Zellen zu erhöhen, bis die Proteine wieder in normaler Menge synthetisiert werden. Eine andere Erklärung für die vorgefundene Hyperplasie wäre, dass die Prostatasekretionsaktivität unter Reflexkontrolle des lumbosacralen Spinalcord steht. Bei einer „Zerstörung“ kommt es zu einem Anstieg dieser Reflexaktivität, worauf das ZNS mit einer erhöhten Rate an Signalen auf der gesunden, innervierten Seite reagiert, was in Folge zu einer Hyperplasie führen könnte.

Auf alle Fälle lässt sich mit großer Gewissheit sagen, dass die cholinerge Innervation die Sekretion der Prostata stimuliert und die Kontraktion der Drüse anregt und es scheint, wie schon früher erwähnt, eine Dichotomie von Sympathikus und Parasympathikus zu bestehen.

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1.2.7 Benigne Prostatahyperplasie (BPH) und Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS)

Der lower urinary tract setzt sich zusammen aus Harnblase und Harnröhre. Die Prostata spielt jedoch einen wichtigen Part im lower urinary tract für die Entleerung des Harns (Sudoh et al., 1997). Während bei den meisten Organen der natürliche Zelltod überwiegt, kommt es bei der Prostata hingegen ab dem 30. Lebensjahr zu einer verstärkten Zellneubildung, die sich ins hohe Alter fortsetzt und fortwährend langsamer wird und ca. ab dem 70. Lebensjahr ihr Wachstum einstellt. Es sind also hauptsächlich ältere Männer betroffen, wobei die Schwere der Erkrankung im Laufe des Alters zunimmt (Pummer, 2002).

Histologisch wird BPH diagnostiziert, wenn eine progressive Vergrößerung der Düse und des Stromagewebes um die Harnröhre vorliegt, d.h. es bilden sich gutartige Knötchen in der Prostata (Untergasser et al., 2005). Zu einer klinischen Diagnose kommt es erst, wenn LUTS auftritt und eine deutliche Vergrößerung der Drüse zu erkennen ist (McVary et al., 2005). Bei jungen Männern, ab einem Alter von 30 Jahren, lässt sich eine solche Veränderung jedoch nur mikroskopisch feststellen. In diesem Alter weist die Prostata ungefähr die Größe einer Walnuss auf, verglichen mit einer Prostata eines 60-jährigen Mannes, dessen Prostata die Größe einer Zitrone betragen kann (Pummer, 2002). In den meisten Fällen treten LUTS in Verbindung mit BPH auf, aber es gibt auch Ausnahmefälle, wo keine BPH vorhanden sein muss (Choi et al., 2010).

Zwar handelt es sich bei BPH um keine bösartige Erkrankung, sondern um einen gutartigen Wachstumsprozess innerhalb der Prostata, dennoch kann sie Ursache schwerer Funktionsstörungen der Nieren sein, die unbehandelt sogar zur lebensbedrohlichen Harnvergiftung führen kann, was die Notwendigkeit einer permanenten Dialyse mit sich bringt (Pummer, 2002; Rothamel & Weckermann, 1993).

Das stark vergrößerte Prostatavolumen, welches durch rasches Anwachsen der Zellen in Stroma und Epithel bedingt ist, führt in weiterer Folge zu LUTS (Pummer, 2002). Hierbei handelt es sich aber um kein Leiden, welches nur bei Männern auftritt, sondern auch Frauen

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können davon betroffen sein. Die Entstehung ist also geschlechtsunabhängig und ein multifaktorieller Prozess, mit Strukturveränderungen der Blase und Infektionen, aber auch neurologische Prozesse sowie Hormone spielen eine wesentliche Rolle (Temml, Obermayr, Marszalek, Rauchenwald, Madersbacher & Ponholzer, 2009). Diese lower urinary tract Symptome äußern sich bei Männern, indem die Blasenentleerungen aufgrund einer deutlichen Verengung der prostatischen Harnröhre erheblich erschwert wird und von starken Schmerzen begleitet wird. Die Beschwerden, zu denen unter anderem z.B.: häufiger, nächtlicher Harndrang, Gefühl unvollständiger Blasenentleerung, Brennen beim Harnlassen etc. zählen, können sowohl einzeln als auch in Kombination auftreten (Pummer, 2002).

1.2.7.1 LUTS – mehr als nur ein medizinisches Problem?

In Folge der bereits erwähnten Beschwerden ist auch zu erwähnen, dass Männer, die von LUTS betroffen sind auch ein deutlich höheres Risiko haben an einer erektilen Dysfunktion zu erkranken (Shiri, Häkkinen, Hakama, Huhtala, Auvinen, Tammela & Koskimäki, 2005).

Besonders betroffen davon sind jene Männer, die sich einem chirurgischen Eingriff, einer transurethralen Resektion der Prostata unterziehen, im Vergleich zu Männern, die nur medikamentös behandelt werden (Quek, Low, Razack & Loh, 2002). So ist also zu beachten, dass zu den medizinischen Faktoren noch eine gravierende Auswirkung auf die Lebensqualität hinzukommt (Quek et al., 2002; Speakman, 2008). Auch zusätzliche psychische Belastungen wie Depression können vermehrt auftreten, zumal Männer mit weniger starken Beschwerden häufig dazu tendieren keine medizinische Hilfe aufzusuchen.

Ängstlichkeit und psychiatrische Morbidität treten ebenfalls häufig als Folge von LUTS auf.

Besonders Depressionen und die Ängstlichkeit können sich auf den Schweregrad, die Dauer und vor allem die Lebensqualität auswirken, wobei sich die Beeinträchtigung der Lebensqualität meist nicht nur auf den betroffenen Patienten beschränkt, sondern die gesamte Familie und sein Umfeld beeinflusst. Besonders psychischer Distress und Depressionen

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zählen zu den Kofaktoren, die den Ausgang medizinischer Interventionen beeinflussen können (Quek et al., 2002).

1.2.8 Eine Fehlfunktionen des ANS?

Kann es sein, dass eine Fehlfunktion des ANS bzw. im Besonderen eine Überfunktion des Sympathikus zu pathophysiologischen Veränderungen in der Prostata führt? Eine Hyperreaktivität des ANS wird in zahlreichen Studien (z.B.: McVary et al., 2005; Ullrich et al., 2005; Ullrich et al., 2007; Yassin et al., 2008; Choi et al., 2009; McVary et al., 1994;

Ventura et al., 2002; Rao et al., 2008) signifikant immer wieder mit den weit verbreitenden Leiden wie benigne Prostatahyperplasie, den damit einhergehenden lower urinary tract symptoms und sogar mit Prostatakrebs in Verbindung gebracht. Prostatakarzinome und BPH stellen ein zunehmendes medizinisches Problem dar. BPH ist der bei älteren Männern am häufigsten auftretende gutartige Tumor (Ventura et al., 2002). In etwa bei der Hälfte der männlichen Population über einem Alter von 50 Jahren kann BPH diagnostiziert werden. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter auf 90% (Speakman, 2008). Die Pathogenese dieser Erkrankung ist bislang noch nicht deutlich klar (Untergasser et al., 2005). Auch für die Ätiologie scheinen zahlreiche Aspekte ihren Beitrag zu leisten. So geht man davon aus, dass nicht nur Obstruktionen und altersabhängige Schwächen der Harnblase verantwortlich sind, sondern dass vor allem extraprostatische Mechanismen wie die Stimulation von α1- adrenergen Rezeptoren einen wesentlichen Beitrag leisten (Speakman, 2008). Man nimmt ebenfalls an, dass Faktoren, die Noradrenalinausschuss von adrenergen Nerven in der menschlichen Prostata verursachen, diese Veränderungen beeinflussen könnten (Guh et al., 2000). Die Aktivität des ANS kann demnach eine wichtige Determinante für das Größenwachstum der Prostata sein!

Zahlreiche Tierstudien lassen vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen ANS Hyperaktivität und urinary Symptomen gibt. So konnte bei spontan-hypertensiven Ratten

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(SHR) gezeigt werden, dass diese bereits im jungen Alter eine erhöhte autonome Aktivität hatten und auch eine Prostatahyperplasie aufwiesen. Diese SHRs zeigten ein extremes Ausmaß an Sympathikussträngen, die in der Harnblase innerviert sind. Bereits bei geringem Volumen konnte eine spontane Blasenkontraktion herbeigeführt werden. Dieser Effekt konnte jedoch mit Alpha-Blockade deutlich gebessert werden und scheint durch erhöhte Nervenwachstumsfaktoren herbeigeführt zu werden. α-Blocker hemmen die adrenerge Aktivität der α-adrenergen Rezeptoren sowohl im ZNS als auch im Stroma und der Capsula der Prostata (McVary et al., 2005).

Kann es sein, dass eine Fehlfunktion des ANS auch für (Prostata-) Krebs mitverantwortlich ist?

Wie bereits Rao et al. (2008) berichteten, nehmen autonome „Abnormalitäten“ mit dem Alter zu, wobei vor allem sympathische Dysfunktionen einen Einfluss auf die Prostata zu haben scheinen. Es scheint des Weiteren gut möglich zu sein, dass auch Prostatakrebs mit erhöhter sympathischer Aktivität im Zusammenhang steht. Sowohl hoher Blutdruck als auch eine hohe Herzrate sind beides Kennzeichen für eine erhöhte zentralnervöse sympathische Aktivität, aus der möglicherweise eine androgen-regulierte Stimulation des Prostatakrebswachstums erfolgt (Rao et al., 2008).

Viel zu wenige Untersuchungen gibt es bislang auch hinsichtlich der Frage, ob psychologischer Distress für die Entstehung und das Fortschreiten von Prostatakrebs mitverantwortlich ist. Hierzu zeigte sich z.B., dass Männer, die unter moderatem Stress leiden, den stärksten Zusammenhang aufweisen verglichen mit niedrigem Stress. Hingegen Männer, die ein sehr hohes Stresslevel haben, liegen genau in der Mitte (Turner, Metcalfe, Down, Donnavan, Hamdy & Vedhara, 2009).

Zu beachten ist der Zusammenhang mit Depressionen! Sind bereits urinary Symptome vorhanden, so ist ein gemeinsames Auftreten von Depression und Prostatakrebs eher ersichtlich. Turner et al. (2009) konnten jedoch nicht nachweisen, dass es tatsächlich eine Verbindung zwischen Distress und dem PSA gibt. Die möglicherweise wichtigste Rolle spielt die depressive Stimmung zu Beginn der Erkrankung.

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Auch das Stresshormon Cortisol macht sich bemerkbar. So ist das Cortisollevel bei Männern mit unbehandeltem Prostatakrebs im Vergleich zu Männern mit BPH deutlich erhöht. Cortisol trägt scheinbar also ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zu Wachstum der Prostatakrebszellen und zur Ausschüttung des PSA bei (Turner et al., 2009).

Klar ist auf alle Fälle, dass es nicht DEN Faktor gibt, der verantwortlich ist für Regulierung der mitogenetischen Effekte der ANS Hyperaktivität auf das Wachstum der Prostata, sondern dass es sich hier sehr wahrscheinlich um ein Zusammenspiel multipler autonomer humoraler Faktoren handelt. Es ist auch davon auszugehen, dass die ANS Hyperaktivität sicherlich eine Schlüsselrolle für BPH und die damit einhergehenden LUTS und möglicherweise auch für Prostatakarzinome hat, bzw. für eine deutliche Verstärkung der Beschwerden verantwortlich ist, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine ANS Hyperaktivität alleine verantwortlich ist, sondern man geht viel eher davon aus, dass auch Faktoren wie das Alter, Hyperinsulinämie, physische Trägheit, der Bodymaßindex sowie auch unbekannte Variablen als Einflussfaktoren dienen (McVary et al., 2005). Die nachstehende Abbildung 6 verdeutlicht nochmals die unterschiedlichen Einflussfaktoren.

Abbildung 6:Darstellung der unterschiedlichen Einflüsse auf das ANS, sowie in weiterer Folge auf die Prostata (Grafik nach McVary et al., 2005)

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1.3 Stress

Stress, ein Begriff der jedem geläufig ist und von dem in der heutigen Zeit nahezu ein jeder betroffen ist – sei es, dass man unter langfristigem oder sogar chronischem Stress leidet, wie z.B. Arbeitsstress, oder dass kurzfristige, einmalige Stressoren wie z.B. ein Erdbeben oder ein Trauerfall einem zu schaffen machen. Nicht immer ist es also möglich den genauen Zeitpunkt zu nennen, wann der Stress genau begonnen hat, da er sich häufig über eine lange Zeit hinweg bemerkbar macht. Was genau meinen Betroffene, wenn sie behaupten an Stress zu leiden?

Meistens ist damit gemeint, dass sich die Lebensumstände auf irgendeine Art negativ verändert haben und man jetzt mit dieser neuen Situation fertig werden muss. Manchmal kommt es aber auch vor, dass die Herausforderung dieser neuen Situation nicht wahrgenommen wird, dennoch erfordert sie aber Aufmerksamkeit. Bezieht sich der Stress auf länger andauernde Lebensumstände, beschreiben Betroffene oft, dass sie sich ängstlich und irritiert fühlen, aber auch, dass sie Schlafprobleme haben, aufgrund der Belastungen zu Hause oder am Arbeitsplatz (Dimsdale, 2008).

Unumstritten ist auf alle Fälle die Tatsache, dass psychologischer Distress wichtige physiologische Systeme sowohl für Gesundheit als auch Erkrankungen beeinflusst (Turner et al., 2009). Unter psychologischen Faktoren wie z.B. Stress kann es zu enormen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen (McVary et al., 2005), was sowohl die Entstehung als auch den Verlauf einer Erkrankung betreffen kann (Turner et al., 2009). So leiden einzelne Individuen unter Stress häufig an Gastritis, Magengeschwüren, Herzerkrankungen wie Hypertension und Arrythmien als Folge einer ANS Hyperaktivität (McVary et al., 2005). Für die Entwicklung einer kardiovasculären Erkrankung wird Stress sogar als Hauptrisikofaktor angesehen (Farah, Joaquim, &Morris, 2006). Dimsdale (2007) beschreibt ebenfalls, dass Stress zu klinischen Herzbeschwerden führen kann und eine verstärkte Vulnerabilität fördert, aber er betont auch, dass Stress nicht zwingend verantwortlich sein muss für Herzbeschwerden! Stress alleine ist also wahrscheinlich nicht ausschlaggebend für die Entstehung bzw. den Verlauf einer Erkrankung, aber Stress sowie

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auch andere psychologische Faktoren könnten sowohl mit biologischen als auch anatomischen Faktoren interagieren und auf diesem Weg die Ätiologie einer Erkrankung nicht unwesentlich beeinflussen (Papousek, Schulter & Premsberger, 2002; Ullrich et al., 2007).

Keine Seltenheit in der Literatur ist die Tatsache, dass das ANS durch Stressoren aktiviert wird und es in Folge zu einem Anstieg der Herzrate sowie des Blutdrucks kommt, aber auch die Körpertemperatur steigt und die endokrine Sekretion nimmt deutlich zu (Farah et al., 2006).

Zentral-peripher autonome Nervenbahnen scheinen ein Hauptmediator für viszerale Reaktionen auf Emotionen zu sein, wobei man aber berücksichtigen muss, dass diese autonomen Reaktionen auf (emotionale) Stressoren nicht zwingend von negativer Bedeutung sein müssen, sondern ganz im Gegenteil einen wesentlichen und wichtigen Anpassungsprozess darstellen um das physische Gleichgewicht in Ordnung zu halten. Eine ausgeprägte vegetative Reaktion ist dann positiv, wenn innerhalb kürzester Zeit wieder das Ausgangsniveau hergestellt ist. Erst wenn das Intervall bis zum Ausgangspunkt zu lange andauert, kann man die autonome Reaktion als negative bewerten. Zu unterscheiden gilt es, ob ein Stressor psychischer oder physischer Herkunft ist. Von einem „bottom-up“ Prozess ist die Rede, wenn physischer Stress der Auslöser ist und die autonomen Reaktionen vom subkortikalen Level reguliert werden und die Information so von den Organen ausgeht und hinauf zu Hirnstamm und Hypothalamus geleitet und dort verarbeitet wird. Hingegen führt psychischer Stress zum genauen Gegenteil, dem „top-down“ Prozess. Hier sind höhere Hirnstrukturen wie auch der Präfrontalkortex beteiligt und es kann zur Beeinflussung physiologischer Funktionen führen. Es zeigt sich auch, dass bei physischen Stressoren Sympathikus und Parasympathikus abwechselnd (reziprok) arbeiten und das Herz beeinflussen, während es hingegen bei psychischem Stress keine klaren Gesetzmäßigkeiten gibt. Das wiederum bedeutet, dass bei den jeweiligen Individuen nicht die gleichen Reaktionen ablaufen, sondern dass jeder Mensch ganz individuell auf psychische Stressoren reagiert. Manche Menschen zeigen hauptsächlich eine verstärkte Reaktion des Sympathikus,

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andere jedoch wieder zeigen hauptsächlich parasympathische Aktivität (Papousek et al., 2002)

Man darf keinesfalls außer Acht lassen, dass man sicherlich nicht dieselben Reaktionen mit einem experimentellen Stressor erreicht, wie man sie wahrscheinlich bei einem „natürlichen“

Stressor wie z.B. einem Erdbeben erzielt. Von wesentlicher Bedeutung ist daher auch darauf zu achten, wie lange ein aversiver Stressor dargeboten werden muss um z.B. tatsächlich eine angemessene Reaktion im Herzen zu erkennen (Dimsdale, 2007).

Zu beachten ist auch, dass in akuten, meist physiologischen Stresssituationen die Schmerzempfindlichkeit deutlich geringer ist. So ist es beispielsweise Sportlern möglich schwere Verletzungen relativ leicht zu ertragen. Durch den Stress der Verwundung werden die körpereigenen opioiden Peptide freigesetzt und es tritt eine Art momentane Schmerzunempfindlichkeit ein (Rüegg, 2005).

1.3.1 Auswirkungen von Stress auf die Prostata

Auch mit Faktoren für Prostataleiden bzw. -erkrankungen werden Stressbedingungen in Zusammenhang gesetzt (Ullrich et al., 2007). Stress und die somit einhergehende erhöhte Aktivität des Sympathikus wird in der Literatur oft mit BPH und den damit zusammenhängenden LUTS in Verbindung gebracht.

Zahlreiche Hinweise der Forschung belegen, dass psychologischer Stress eindeutig die Aktivität des SNS und der HPG-Achse beeinflusst, bzw. zumindest eine wesentliche Rolle für die Ätiologie dieses Syndroms spielt. Führen z.B. akute Stressoren zu einer Aktivierung des SNS, so wird Noradrenalin freigesetzt, welches sich im Weiteren dann auf den ganzen Körper und die Organe auswirkt. Stehen Menschen unter chronischem Stress, so zeigt sich in der Norm ein erhöhter Noradrenalin-Level. Unterschiedlicher sind die Effekte auf die Aktivierung der HPG-Achse und die Testosteronsekretion bei akutem und chronischem Stress. In der

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Literatur können sowohl Studien für einen erhöhten als auch einen verringerten Testosteronspiegel im Zusammenhang mit starkem Stress gefunden werden (z.B. Rosmond, Dallman & Björntorp, 2009).

Rosmond et al. (2009) beschreiben, dass die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) im Allgemeinen hypersensitiv ist, vor allem bei bestehender Fettleibigkeit, und es dadurch zu einer Hemmung der Sexual- und Wachstumshormone kommen kann. Eine dauernde bzw. häufige Überstimulation der HPA-Achse führt die Konsequenz mit sich, dass erhöhte Kortisolsekretion sowie eine verringerte Konzentration von Wachstums- und Sexualhormonen messbar ist. Hierbei handelt es sich um eine typisch endokrine Reaktion, die auf Stress folgt. Von einer Hypersensitivität der HPA berichten auch Papousek et al. (2002) in ihrer Studie im Zusammenhang mit Patienten, die unter bestimmten stressbedingten Störungen leiden, aber auch bei gesunden Personen, welche mit ununterbrochenem Stress zu kämpfen haben.

Die Verbindung zwischen Stressreaktivität und LUTS könnte möglicherweise so erklärt werden, dass der Stress die Kontraktion und Muskelspannung der Beckenbodenmuskulatur beeinflusst, da die Spannung der Prostatamuskulatur von α-adrenergen Rezeptoren abhängig ist, welche wiederum von den Substanzen Adrenalin und Noradrenalin angeregt werden, die als Antwort auf akuten Stress freigesetzt werden (Ullrich et al., 2007).

Aber nicht nur kurzfristiger, akuter Stress scheint einen Einfluss auf das SNS und die HPG- Achsenaktivität zu haben, sondern auch langanhaltender Stress (Ullrich et al., 2005). Wie bereits in früheren Kapiteln angeführt, wird in der Literatur (z.B: McVary et al., 2005; Ullrich et al., 2005; Ullrich et al., 2007; Choi et al., 2009; McVary et al., 1994; Rao et al., 2008) immer wieder der Zusammenhang zwischen ANS bzw. SNS- und HPG Aktivität und deren Einfluss auf Erkrankungen der Prostata, bzw. deren Fortschreiten erwähnt und somit kann man in Folge vermuten, dass psychologische Faktoren die Prostata beeinflussen, indem sie zur Ausschüttung von Catecholaminen vom SNS und Testosteron von der HPG-Achse führen.

Stress kann diese HPG-Aktivität einerseits so stimulieren, dass es zu einer vermehrten Testosteronsekretion kommt, andererseits kann es unter Stress aber auch dazu kommen, dass

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die HPG-Achse gehemmt wird und es zu eine verringerte Testosteronausschüttung resultiert, was infolge die Bedingungen für eine BPH deutlich verbessert.

Man geht von der Möglichkeit aus, dass stärkerer Stress über eine bestimmte Lebensspanne, also über längere Dauer, die Reaktion der HPG-Aktivität und des SNS so beeinflusst, dass es im weiteren zu einer kleineren Prostatagröße kommt als im Normalfall. Es wäre also denkbar, dass dieser verstärkte, lang andauernde Stress direkt zu einer Downregulation der HPG- Aktivität führt, aus der anschließend ein verringerter Testosteronoutput resultiert. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass es bei starkem „Lifestress“ unabhängig von der HPG- Aktivität zu einer Reduzierung der Prostatagröße kommt, indem einfach ein verminderter Blutfluss in der Prostata vorherrscht. Starker „Lifestress“ steht neben einem geringen Prostatavolumen zusätzlich noch im Zusammenhang mit einem geringeren Residualvolumen.

So könnten z.B. stressvolle Ereignisse, so genannte „life events“ das Residualvolumen insofern beeinflussen, indem der Muskeltonus im ganzen Körper verstärkt wird, und somit auch im Bereich des Beckens. Folge einer verstärkten Muskelaktivität im Beckenboden ist eine stärkere Entspannung der Blasenmuskulatur. Alles in allem lässt sich sagen, dass akute, schwache Stressoren wahrscheinlich eher Einfluss auf Penis und Blase haben, während hingegen bei starken Stressoren und vor allem länger andauernden Stressoren erwartet wird, dass sie die Prostata(funktion) beeinflussen (Ullrich et al., 2005). Eine weitere mögliche Erklärung für die gefundenen Verbindungen zwischen der erhöhten SNS-Reaktivität und BPH könnte sein, dass durch die starke SNS-Aktivität der Zelltod abnimmt, woraufhin natürlich das Gewebe der Prostata immer mehr an Größe zunimmt (Ullrich et al., 2007).

1.3.2 Gängigste Nachweise der ANS- Reaktivität auf eine Stressbelastungssituation

Die SNS-Hyperaktivität ist ein gängiges Korrelat um psychologischen Stress zu messen.

Besonders häufig wird in gängigen psychologischen Studien die elektrodermale Aktivität (EDA) verwendet um psychischen Stress zu messen. Die EDA ist deshalb ein sehr geeignetes

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Messinstrument, da die Schweißdrüsen ausschließlich vom sympathischen NS, bzw. von einem sympathischen Subsystem reguliert werden, und man somit aussagekräftige Ergebnisseüber die Aktivität des SNS bekommt. Um eine Unterscheidung zwischen sympathischer und parasympathischer Aktivierung festzustellen, also um individuelle Unterschiede in der Reaktion des ANS auf einen psychischen Stressor aufzuzeigen, wird häufig die Messung der Herzratenvariabilität (HRV) verwendet, da diese Methode es ermöglicht, die sympathische und parasympathische Funktion unabhängig voneinander und vor allem nicht-invasiv zu messen. Es hat sich gezeigt, dass während moderatem Stress und der Baselinesituation die Herzrate hauptsächlich vom Parasympathikus beeinflusst wird, während hingegen der Sympathikus erst bei deutlich höheren und stärkeren Stressbedingungen aktiv wird (Papousek et al., 2002). So konnten Papousek et al.(2002) in ihrer Untersuchung, in der sowohl EDA als auch HRV gemessen wurden, während die Probanden eine Rede vor laufender Kamera halten mussten, auch deutlich machen, dass diejenigen Personen die sich deutlich mehr gestresst fühlten während der Testsituation auch eine deutlich stärkere Reaktion im ANS zeigten - also eine stärkere Erhöhung der EDA und eine stärkere Abnahme der HRV im Vergleich zu wenig gestressten Personen.

1.3.2.1 Indirekte Nachweise von Stressreaktivität im Zusammenhang mit Prostatabeschwerden

Bereits einige epidemiologische und Laborstudien bezüglich BPH wurden mit SNS- Überaktivierung in Verbindung gebracht. Die Reaktion auf arbeitsbedingte Stressoren wird sogar mit chronischen Stressbedingungen in Verbindung gebracht (Kamarck, Schwartz &

Janicki, 2003, zitiert nach Ullrich et al., 2007). In der Studie von Ullrich et al. (2007) wurde die Verbindung zwischen physiologischen Antworten auf einen standardisierten Stressor mit den Parametern von BPH hergestellt, indem bei Männern die an BPH leiden während dem psychologischen Stressparadigma, eine Rede vor laufender Kamera zu halten, Blutdruckveränderung, Kortisol- und Testosteronspiegel gemessen wurden. Auch hier hat

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