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Evozierte Potentiale (EP)

Im Dokument Psychosomatik der Prostata (Seite 48-55)

1.5 Augmenting-Reducing

1.5.3 Evozierte Potentiale (EP)

Eine weitere und vor allem sehr effektive Methode zur Erhebung von Augmenters und Reducers ist die Ableitung von evozierten Potentialen (EPs) in Elektroenzephalogrammen (EEG) (Buchsbaum und Silvermann, 1968, zitiert nach Schwerdtfeger 1999).

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Es handelt sich hierbei um evozierte Potentiale, die aufgrund von Reizen hervorgerufen werden und die zu Spannungsänderungen der Hirnrinde führen. Da es sich hierbei um eine Mittelungstechnik handelt, müssen einzelne Reize mehrmals dargeboten werden, um sogenannte Roh-EEG-Schwankungen heraus zu mitteln. Wie Abbildung 7 gut darstellt, setzten sich sensorische EPs, die für Augmenting-Reducing angewandt werden, aus frühen und späten Komponenten zusammen.

Abbildung 7: Beispiel für ein evoziertes Potential in einem EEG (Schwerdtfeger, 1999)

Im Fall der Untersuchung von Augmenting-Reducing sind vor allem die frühen Komponenten, also P1 (Positivierung, d.h. 76 bis 112 ms nach Reizbeginn), P2 (Positivierung, 168 bis 248 ms) sowie die Komponente N1 (Negativierung, 116 bis 156 ms) von großer Bedeutung, sowie auch die Kombination von zwei aufeinanderfolgenden Komponenten. Mittels visueller Reize von unterschiedlichen Intensitäten erzeugten Buchsbaum und Silverman (1968, zitiert nach Schwerdtfeger, 1999;

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Trummer, 2007) in ihrer Studie evozierte Potentiale und zeigten, dass Augmenter eine Reaktivitätszunahme im EP bei steigender Reizintensität aufwiesen. Hingegen wurde bei Reducern eine Abnahme der Amplitude bei stärkerer Reizintensität beobachtet.

1.5.3.1 Phänomen der transmarginalen Hemmung

Eine mögliche Erklärung, ausgehend von Pawlow (1927, zitiert nach Schwerdtfeger, 1999) für die Abnahme der Reaktivität bei Reducer könnte eine Art Schutzhemmung des Zentralnervensystems sein, die bei übermäßiger Stimulation aktiviert wird. Dieser Schutzmechanismus wird auch als Transmarginale Inhibition bezeichnet (TMI). Pawlow unterscheidet hiermit zwischen Personen mit einem starken und einem schwachen Nervensystem. Personen, die bei lange andauernden, heftigen und sich immer wiederholenden Reizen eine TMI bilden weisen somit eher ein schwaches Nervensystem auf. Individuen mit einem starken Nervensystem hingegen ertragen diese starke Stimulation, ohne das Eintreten der transmarginalen Hemmung. Zusätzlich zeigt sich auch noch, dass Personen mit einem schwachen NS eine erhöhte Sensitivität besitzen, was bedeutet, dass jene Personen bereits bei schwachen Stimulationen stärker reagieren. Vergleicht man die Stärke des Nervensystems mit der Klassifikation nach der RAS, so lässt sich feststellen, dass RAS-Augmenter, die eher extravertiert sind und neue Reize aufsuchen eher ein starkes Nervensystem haben, während RAS-Reducer eher zu einem schwächeren NS neigen.

Von besonderem Interesse ist, dass Davis et al. (1983, zitiert nach Schwerdtfeger, 1999) von einem gegenteiligen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des KFA und dem EP ausgehen. Wie in Abbildung 8 deutlich dargestellt, werden KFA-Augmenter nach der TMI zu EP-Reducern und umgekehrt werden dann KFA-Reducer zu EP-Augmentern. Grund für diese Umkehrung scheint die Reizintensität zu sein, die in beiden Messmethoden unterschiedlich ist, da im KFA eher geringere Reizintensitäten verwendet werden, während hingegen die Reizintensitäten bei EP-Messungen deutlich im höheren Bereich liegen.

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Diese hohen Reizintensitäten führen also in Folge zu einer transmarginalen Inhibition und es tritt der Schutzmechanismus des NS auf, der die Reaktivität abschwächt. Bei geringen Reizintensitäten sollten Reducer nach dem KFA ebenfalls eine eher verringerte Reaktion zeigen, jedoch sollte es zu einem Reaktivitätsanstieg kommen, sobald auch die Reizintensität zunimmt. Im Gegensatz dazu sollten Augmenter nach dem KFA bereits bei geringen Reizintensitäten eine höhere Reaktivität aufweisen, die bis zu dem Punkt der TMI ansteigen sollte und anschließend wieder zu einer Verminderung der Reaktivität trotz steigender Reizintensität führt (Schwerdtfeger, 1999).

Abbildung 8: Hypothese nach Davis et al. (1983): KFA-Augmenter werden nach TMI zu EP-Reducern und KFA-Reducer werden zu EP-Augmentern. (Schwerdtfeger 1999)

Interessant ist, dass es offensichtlich auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, ob visuelle oder akustische Reize dargeboten werden. Während sich bei visuellen Stimuli bei steigender Reizintensität häufiger ein Reducing-Muster erkennen lässt, so zeigt sich hingegen bei auditiven Reizen eher ein Augmenting-Muster (Schwerdtfeger, 1999). Die meisten Studien

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der heutigen Zeit wenden vermehrt auditive Reize an, um EP-Amplituden zu erzeugen, wobei sich gezeigt hat, dass die Messung von N1 zu P2 sich als reliabler erweist als in früheren Studien angenommen, im Vergleich zur Messung von P1 zu N1 (Schwerdtfeger, 2007;

Beauducel, Debener, Brocke & Kayser, 2000).

Ein weiterer interessanter Aspekt für die hier vorliegende Untersuchung ist auch die Studie von Juckel, Molnár, Hegerl, Csépe und Karmos (1997, zitiert nach Schwerdtfeger, 1999), die mittels Tierversuchen festgestellt haben, dass sowohl Serotonin, aber auch das cholinerge System für kortikales Reducing verantwortlich zu sein scheint.

Ein weiterer Interessanter Aspekt, den z.B. Carillo-de-la-Pena (1999) und auch Vallet, Pérez

& Gómez-Parretta (2006, zitiert nach Schwerdtfeger, 2007) in ihrer Studie beschreiben, ist, dass es offensichtlich eine Häufung von EP-Augmentern unter Personen gibt, die an chronischen Schmerzen, Migräne oder Fibromyalgie leiden. Die höhere Schmerztoleranz bei Reducern könnte auch zur Folge haben, dass diese eine Art Schutz vor chronischen Erkrankungen darstellt (Schwerdtfeger, 2007).

1.5.3.2 Zusammenhang zwischen EPs und Arousal

Bereits in frühen Studien beschäftigte man sich damit, ob das autonome Arousal einen Einfluss auf die Reizverarbeitung hat. Mit diesem Phänomen beschäftigten sich z.B. bereits Birchall und Clardige (1979, zitiert nach Schwerdtfeger, 1999). Sie stellten fest, dass es bei Personen mit einer niedrigen Hautleitfähigkeit zu einem Anstieg der EP-Amplituden bei zunehmendem, autonomem Arousal kam, während hingegen bei Individuen mit einer hohen Hautleitfähigkeit die Amplituden trotz zunehmendem Arousal abnahmen. Dies würde wieder auf eine zentralnervöse Schutzhemmung hinweisen, je höher das autonome Arousal ist.

Geht man nochmals von der Stärke des Nervensystems aus, so könnte man annehmen, dass Personen, die anhand der EP als Augmenter eingestuft werden, peripher-physiologisch, mit

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den typischen Maßen Herzrate (HR), Hautleitfähigkeit (EDA) und Pulsvolumenamplitude (PVA), eine geringere Reaktion auf Reize zeigen.

Schwerdtfeger (2007) berichtet davon, dass RAS-Reducer stärkere und auch schnellere Muskelreaktionen während der Aufgaben aufwiesen als Augmenter und führt dies auf ein mögliches Kompensationsverhalten der RAS-Reducer zurück, um ihr schwächeres Arousal mittels motorischer Aktivität zu erhöhen.

1.5.3.3 Reaktionszeiten bei Augmenting – Reducing

Schwerdtfeger und Baltissen (2002, zitieret nach Schwerdtfeger, 2003) konnten als erste feststellen, dass auch bezüglich der Reaktionszeit ein Unterschied zwischen Augmentern und Reducern besteht. So zeigte sich bei simplen Reaktionszeitaufgaben, dass Reducer schneller reagieren als Augmenter. Interessant sind diese Ergebnisse dahingehend, dass sie widersprüchlich sind im Bezug auf Studien, die sich mit Persönlichkeitseigenschaften wie Extraversion, Impulsivität sowie Enthemmung beschäftigt haben. Diese Ergebnisse besagten nämlich, dass Extravertierte und Impulsive schneller reagieren und auch mehr Fehler machen als zum Beispiel introvertierte Personen. Extravertierte Individuen scheinen mehr inhibitorische Potentiale bei der Stimulusaufnahme aufzuweisen, aber exzitatorische Potentiale beim Antwortverhalten, gemessen mittels elektromyographischer Reaktivität (EMG), und Introvertierte weisen genau das Gegenteil auf. Diese Individuen gehen demnach völlig unterschiedlich mit den Aufgaben um: während Extravertierte schneller bei der motorischen Reaktion sind und somit schneller antworten, scheinen Introvertierte deutlich schneller dabei zu sein, den Stimulus zu erfassen. Um die frühen Momente der Stimulus-enkodierung zu überprüfen, wird mittels ERPs gemessen, und es konnte gezeigt werden, dass introvertierte Personen, wie zu erwarten, die eingehenden Stimuli schneller verarbeiten, aber länger für eine Antwort brauchen. Da Extraversion mit Reducing korreliert stellt sich die Frage, wieso es bei Reducern plötzlich zu einem schnelleren Antwortverhalten

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kommt als bei Augmentern. Hierzu führten Schwerdtfeger et al. (2003) eine Untersuchung mittels simple reaction time (SRT) durch, nachdem sie 52 Personen anhand der RAS in die Gruppen der Augmenter und Reducer unterteilt hatten. Reducer reagierten um rund 58ms schneller im EMG und zeigten auch eine stärkere Antwortreaktion, z.B. mittels höherer EMG-Amplitude. Es scheint also, dass Reducer weniger aufmerksam antworten, da sie ein möglichst schnelles und intensives Antwortverhalten aufweisen. Diese Ergebnisse könnten wiederum mit Petries Theorie der stimulus intensity modulation erklärt werden, dass Reducer deutlich mehr Stimulation benötigen und somit ihr geringes Level an sensorischer Stimulation kompensieren (Schwerdtfeger, 2004).

1.5.3.4 Schlussfolgerung und Gütekriterien

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Klassifikation von Personen in Augmenter oder Reducer anscheinend deutlich abhängig ist von dem angewandten Messinstrument. Selbst bei der Erhebung von EPs kommt es zu deutlichen Unterschieden bei visuellen oder auditiven Reizen (Beauducel et al., 2000).

Im Allgemeinen stellt die Erhebung von Augmenting-Reducing mittels evozierten Potentialen eine gute Wahl dar, da sie gute Gütekriterien aufweist. Manko einer solchen Untersuchung ist vor allem die fehlende Standardisierung in der Versuchsdurchführung und auch in der Auswertung (z.B. Connolly, 1986, zitiert nach Schwerdtfeger, 1999), da je nach Studie die Reizintensität, die Anzahl der verschiedenen Intensitäten als auch die Komponenten variieren können. Zusätzlich stellt sich auch das Problem, dass für eine Untersuchung, in der vor allem event-bezogene Potentiale (ERPs) verwendet werden, eine Vielzahl von unterschiedlichen Stimulusintensitätslevels benötigt werden (mindestens fünf bis sechs) und diese Intensitäten relativ hoch sein sollten, um eine reliable Messung zu erzielen (Beauducel et al., 2000).

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