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Gängigste Nachweise der ANS- Reaktivität auf eine Stressbelastungssituation

Im Dokument Psychosomatik der Prostata (Seite 33-37)

1.3 Stress

1.3.2 Gängigste Nachweise der ANS- Reaktivität auf eine Stressbelastungssituation

Die SNS-Hyperaktivität ist ein gängiges Korrelat um psychologischen Stress zu messen.

Besonders häufig wird in gängigen psychologischen Studien die elektrodermale Aktivität (EDA) verwendet um psychischen Stress zu messen. Die EDA ist deshalb ein sehr geeignetes

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Messinstrument, da die Schweißdrüsen ausschließlich vom sympathischen NS, bzw. von einem sympathischen Subsystem reguliert werden, und man somit aussagekräftige Ergebnisseüber die Aktivität des SNS bekommt. Um eine Unterscheidung zwischen sympathischer und parasympathischer Aktivierung festzustellen, also um individuelle Unterschiede in der Reaktion des ANS auf einen psychischen Stressor aufzuzeigen, wird häufig die Messung der Herzratenvariabilität (HRV) verwendet, da diese Methode es ermöglicht, die sympathische und parasympathische Funktion unabhängig voneinander und vor allem nicht-invasiv zu messen. Es hat sich gezeigt, dass während moderatem Stress und der Baselinesituation die Herzrate hauptsächlich vom Parasympathikus beeinflusst wird, während hingegen der Sympathikus erst bei deutlich höheren und stärkeren Stressbedingungen aktiv wird (Papousek et al., 2002). So konnten Papousek et al.(2002) in ihrer Untersuchung, in der sowohl EDA als auch HRV gemessen wurden, während die Probanden eine Rede vor laufender Kamera halten mussten, auch deutlich machen, dass diejenigen Personen die sich deutlich mehr gestresst fühlten während der Testsituation auch eine deutlich stärkere Reaktion im ANS zeigten - also eine stärkere Erhöhung der EDA und eine stärkere Abnahme der HRV im Vergleich zu wenig gestressten Personen.

1.3.2.1 Indirekte Nachweise von Stressreaktivität im Zusammenhang mit Prostatabeschwerden

Bereits einige epidemiologische und Laborstudien bezüglich BPH wurden mit SNS-Überaktivierung in Verbindung gebracht. Die Reaktion auf arbeitsbedingte Stressoren wird sogar mit chronischen Stressbedingungen in Verbindung gebracht (Kamarck, Schwartz &

Janicki, 2003, zitiert nach Ullrich et al., 2007). In der Studie von Ullrich et al. (2007) wurde die Verbindung zwischen physiologischen Antworten auf einen standardisierten Stressor mit den Parametern von BPH hergestellt, indem bei Männern die an BPH leiden während dem psychologischen Stressparadigma, eine Rede vor laufender Kamera zu halten, Blutdruckveränderung, Kortisol- und Testosteronspiegel gemessen wurden. Auch hier hat

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sich gezeigt, dass vor allem der diastolische Blutdruck und die Kortisolreaktivität in Verbindung mit BPH Faktoren stehen.

Unter emotionalem Distress zeigt sich die Stressreaktivität durch vermehrte Kortisolausschüttung. Starker psychologischer Distress wird mit somatischen Beschwerden wie z.B. LUTS in Zusammenhang gebracht. Wichtig zu beachten ist auf alle Fälle, dass der Grad in dem die Patienten psychischen Stress erleben in Reaktion auf den Stress damit in Verbindung stehen könnte, inwiefern sie urinary Symptome überhaupt bemerken und darauf ansprechen (Ullrich et al., 2007).

Basierend auf den bereits erwähnten Vorkenntnissen nahmen auch McVary et al. (2005) an, dass es tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen verstärkter sympathischer Aktivität und der symptomatischen Entwicklung und des Fortschreitens von BPH gibt und sie untersuchten daraufhin Männer mit einem American Urological Association (AUA) Symptome Score größer 8 und verglichen den Zusammenhang zwischen ANS-Aktivität wie Herzrate, Blutdruck, Katecholamine im Urin und Plasma, und den subjektiven Messungen von LUTS (AUA symptome score, Lebensqualität und BPH impact Index) und den objektiven klinischen Messungen von BPH (Prostatagröße, Residualvolumen und max.

urinary flow rate). Um zirkulatorischen Stress zu verursachen und die ANS-Aktivität zu steigern wurde die Kipptischmethode (McVary et al., 2005) verwendet, mit dem Ergebnis, dass sich eine quantitative Beziehung zwischen dem Grad der autonomen sympathischen Aktivität und LUTS bzw. BPH Messungen zeigt.

Es ist problematisch und bislang auch noch nicht geglückt, einen direkten Zusammenhang zwischen BPH, LUTS und Stress bzw. ANS-Aktivität herzustellen und zu beweisen. Bislang war es nur möglich, durch indirekte Messungen, also Messungen anderer Parameter für die Aktivierung des vegetativen Nervensystems wie z.B. Kortisolspiegel, Herzratenvariabilität, Blutdruckveränderungen etc., auf die sympathikotone Aktivierung der Prostata rückzuschließen. Direkte Untersuchungen an der Prostata durch Sympathektomie, wie es in Tierstudien (Ventura et al., 2002) üblich ist, sind im Humanbereich natürlich nicht möglich.

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Choi et al. (2010) arbeiteten hingegen mit der Herzratenvariabilität (HRV), um zwischen Männern mit LUTS und Männern ohne dieses Leiden zu unterscheiden. Mittels HRV ist es, wie bereits erwähnt, einfach möglich zwischen sympathischer und parasympathischer Aktivierung zu unterscheiden und sie ist eine gute Möglichkeit, um die gesamte autonome Funktion sowohl qualitativ als auch quantitativ und vor allem nicht-invasiv zu messen. Die HRV ist abhängig vom Einfluss der sympathischen und vagalen Aktivität, die Variabilität reflektiert spontane Veränderungen im ANS. Männer mit LUTS zeigten eine deutlich verringerte hohe Frequenz (HF), was auf eine verringerte Aktivität des parasympathischen Systems hinweist. Hingegen zeigte sich bei Männern mit prädominanten voiding-Symptomen (obstruktive Symptome, dünner Strahl beim Harnlassen, „Nachtröpfeln“ etc.) von LUTS eine verstärkte Aktivität in der niedrigen Frequenz (LF), welche ein Marker für die sympathische Modulation darstellt (Choi et al.2010). Hingegen beschreiben Farah et al. (2006) in ihrer Studie, dass es bislang keine einheitliche Meinung über die LF gibt – manche gehen davon aus, dass sie ausschließlich ein Indikator für den Sympathikus ist, während andere wieder der Meinung sind, dass sowohl sympathische als auch vagale Inputs ihren Einfluss haben (Fahra et al., 2006). Da die Relation zwischen LF und HF die Balance zwischen sympathischer und parasympathischer Aktivität widerspiegelt, lässt sich vermuten, dass Patienten die an LUTS leiden, tatsächlich eine Inbalance bzw. eine Erkrankung des ANS haben, aber auch Patienten, die „nur“ an voiding-Symptomen leiden, haben eine deutlich stärkere Sympathikusaktivität (Choi et al. 2010).

Im Vergleich dazu kamen Papousek et al. (2002) in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass die HRV-LF nicht ausschließlich den Sympathikus im Herz repräsentiert, sondern dass auch gewisse parasympathische Teile ihren Einfluss haben, was aber auch bedeuten könnte, dass die Stressstimulation zu gering war, um eine vollständige sympathische Reaktion im Herzen hervorzurufen.

Diese indirekten Messungen des ANS mit Rückschluss auf die Prostata sind nur eine sehr grobe Annäherung an das Problem, da einerseits Organsysteme auf eine spezifische Belastung, einen Stressor sehr unterschiedlich stark reagieren können; und andererseits existieren von Person zu Person große Unterschiede dahingehend, in welchem Ausmaß und

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mit welchem Organsystem bevorzugt auf Stress reagiert wird, wie z.B. erhöhte Muskelspannung, Anstieg des Blutdrucks, schnellerer Herzschlag, vermehrte Schweißabsonderung an den Handflächen und/oder eine verstärkte Innervation der Prostata.

Eine optimale Lösung des Problems würde folglich darin bestehen, die Reaktivität der Prostata selbst in einer stressinduzierenden Testsituation zu untersuchen. Voraussetzung dafür ist die Entwicklung einer völlig neuen Methode, mittels funktioneller Magnetresonanz die durch Stress ausgelöste Reaktion der Prostata zu quantifizieren.

1.3.2.2 Stress im Zusammenhang mit Insulin und BHP

Hinweise gibt es auch dafür, dass Stress in Zusammenhang mit einem zu hohen Insulinspiegel in Verbindung mit BPH steht. Sowohl kurzzeitige als auch chronische Stressoren wurden bereits in der Literatur mit erhöhtem Insulinspiegel assoziiert. Des Weiteren ergibt sich daraus, dass Hyperinsulinämie zu einem verstärkten Prostatawachstum führt. Stress und Insulin in Verbindung mit Prostatafunktionen könnte besonders verstärkt bei Männern mit metabolischem Syndrom von Bedeutung sein, da diese eine verstärkte Stressreaktivität im SNS und der HPG-Achse haben (Ullrich et al., 2007). Anders sehen das hingegen Temml et al. (2009), die in ihrer Untersuchung herausgefunden haben, dass das metabolische Syndrom nicht signifikant und völlig unabhängig an der Entstehung von LUTS - sowohl bei Männern als auch Frauen - beteiligt ist.

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