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Archiv "Gesetz mit Haken und Osen" (11.12.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Schon am 11. Dezember könnte der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung ein Gesetz verabschiedet haben, dessen Entwurf erst am 12. November 1985 von den Fraktio- nen der CDU/CSU und F.D.P in den Gesetzgebungsgang ein- geschleust und bereits am 14. November in erster Lesung ohne jede Aussprache an die zuständigen Bundestagsaus- schüsse überwiesen wurde: ein Gesetz mit der anspruchsvol- len Deklaration "zur Verbesserung der ambulanten und teil- stationären Versorgung psychisch Kranker". (Mit der Vorge- schichte hat sich das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT bereits be- faßt: Heft 44/1985, Seite 3237, und Heft 48/1985, Seite 3569.)

D

ie Verwirklichung dieses Gesetzes in der Entwurfs- fassung würde eine erneute Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Folge haben. So sollen nach Auffas- sung der Koalitionsfraktionen die Kassenärztlichen Vereini- gungen mit psychiatrischen ln- stitutsambulanzen Vereinbarun- gen abschließen, die auch eine Vergütung "geeigneter nicht- ärztlicher Fachkräfte", welche an solchen Ambulanzen tätig sind, beinhalten. Gegen eine solche Erweiterung der Lei- stungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen erhebliche Bedenken, welche die Kassenärztliche Bundesver- einigung in einer Stellungnah- me zusammengefaßt hat:

"Es kann nicht damit gerechnet werden, daß diese Ausdehnung der Leistungspflicht kostenneu- tral erfolgen kann, wie die Ent- wurfsbegründung vorgibt. Ins- besondere die Finanzierung von Leistungen der an solchen Am- bulanzen tätigen Dipi.-Psycholo- gen und Sozialarbeiter wird zu erheblichen Mehrbelastungen der gesetzlichen Krankenversi- cherung führen. Es ist insbeson- dere zu befürchten, daß diese

Gesetz

mit Haken und Osen

" Kosten neutrale " Verbesserung

der psychiatrischen Versorgung in Tageskliniken

und in Klinikambulanzen?

Ausdehnung der Leistungs- pflicht der gesetzlichen Kran- kenversicherung auf Leistungen der sozialen Fürsorge und psy- chologischen Betreuung nicht auf psychiatrische Institutsam- bulanzen begrenzt bleiben wird, sondern den Einstieg in eine ge- nerelle Einbeziehung solcher Leistungen in die ambulante Versorgung bedeutet.

Dies zeigt deutlich der Alterna- tiventwurf der SPD-Fraktion mit seinen weitergehenden Vor- schlägen zur Finanzierung fach- ärztlich geleiteter sozialpsych- iatrischer Dienste und einer sozialpsychiatrischen Kranken- pflege, aber auch die Begrün- dung des Entwurfs der Fraktio- nen von CDU/CSU und F.D.P. mit ihrem Hinweis auf die noch an- stehende Bewertung anderer ambulanter oder komplementä- rer Versorgungseinrichtungen, wie therapeutischen Wohnge- meinschaften und sozialpsych- iatrischen Diensten.

~ Die Kostenbelastung, die dann auf die gesetzliche Kran- kenversicherung zukäme, ist nicht absehbar. Sie würde mit Sicherheit das Ziel der Beitrags- stabilität gefährden, welches nunmehr begrenzt auf psychia- trische Institutsambulanzen aus- drücklich in der Reichsversiche- rungsordnung verankert werden soll."

Wenn der Gesetzgeber sich über diese schwerwiegenden Beden- ken hinwegsetzen sollte und die Vergütung nichtärztlicher Fach- kräfte in psychiatrischen Insti- tutsambulanzen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversiche- rung einführt, so müßte- wie die Kassenärztliche Bundesvereini- gung fordert- auch dem nieder- gelassenen Nervenarzt die Mög- lichkeit gegeben werden, solche nichtärztlichen Fachkräfte in der Kassenpraxis einzusetzen, um auch künftig eine adäquate am- bulante ärztliche Versorgung er- bringen zu können. Solcherart

die "Konkurrenzfähigkeit" zu

erhalten, ist jedoch im Entwurf~

der CDU/CSU/F.D.P.-Fraktionen nicht vorgesehen.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 50 vom 11. Dezember 1985 (13) 3745

(2)

DEUTSCHES

~ZTEBLATT Psychiatrische Versorgung

Neben der vorgesehenen Erwei- terung des Leistungsspektrums von Institutsambulanzen sieht der Gesetzentwurf der CDU/

CSU/F.D.P.-Fraktionen eine er-

weiterte Leistungspflicht der ge- setzlichen Krankenversicherung für teilstationäre Leistungen vor.

Der Gesetzentwurf beschränkt sich dabei nicht auf die Öffnung von Tageskliniken für die Ein- weisung psychisch Kranker, sondern dehnt über das angege- bene Gesetzesziel - einer Ver- besserung der ambulanten und teilstationären psychiatrischen Versorgung - hinaus die Lei- stungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung generell auf teilstationäre Krankenhaus- pflege aus!

Für eine solche Gesetzesformu- lierung aber - darauf hat die Kassenärztliche Bundesvereini- gung nachdrücklich hingewie-

sen- "besteht weder ein sachli-

ches Erfordernis, weil Tages- und Nachtkliniken nur in der psychiatrischen Versorgung be- stehen, noch eine Rechtferti-

gung" in einem Gesetz, das auf

die Verbesserung der psychiatri- schen Versorgung abzielt.

..,.. Nach Auffassung der KBV müßte im Gesetzestext klarge- stellt werden, daß die notwendi- ge Krankenhauspflege teilstatio- när gewährt wird, soweit bei psychiatrischer Versorgung voll- stationäre Versorgung nicht er- forderlich ist.

Zwar wird die von der SPD ge- forderte sehr viel weitergehen- de Einbeziehung aller Modell- einrichtungen des Modellpro- gramms "Psychiatrie" von CDU/ CSU und F.D.P. unter Hinweis auf die noch nicht ausgewerte- ten Programmergebnisse abge- lehnt; der Einstieg in einen für die GKV sehr kostenintensiven neuen Leistungsbereich ambu- lanter psychologischer Betreu- ung und sozialer Fürsorge ist aber auch im Gesetzentwurf der CDU/CSU/F.D.P.-Fraktionen ge-

macht. EB/H

DER KOMMENTAR

Gelegentlich könnte man den Ein- druck gewinnen, die Publizität wissenschaftlicher Politikbera- tung wachse mit dem Zynismus ihrer Experten -drapiert als "rei- ne Lehre". Als Markt-Ökonomen vor Jahren darangingen, den Nut- zen von Rettungshubschraubern zu berechnen, legten sie den Luft- transport ohnehin Invalider gera- de noch nahe, indem sie ihm ei- nen beachtlichen Zeitwert atte- stierten. Ob man Früherken- nu ngsu ntersuchu ngen, Arznei mit- telprüfungen oder gar gleich die ganze Landschaft von Verkehrs- ampeln nicht lieber abschaffen sollte, wurde gefragt, wenn Nach- sorge vielleicht billiger käme als Vorsorge? Solche rüden Thesen verraten wissenschaftliches Urge- stein.

Die Beratungsprominenz von

"Mehr Markt" im Gesundheitswe-

sen bilden denn heute auch sel- ten Ökonomen, die sich seit Jah- ren mit den sozial- und gesund- heitspolitischen Problemen des Gesundheitswesens auseinander- gesetzt haben, sondern "Lehr- stuhi"-Professoren, die die Wen- de gleich in vorkaiserliche Zeiten vollzogen sehen möchten.

Die mit der Kaiserlichen Botschaft proklamierte Krankenversiche- rung Bismarcks richtet sich so gar nicht nach der durch Kaufkraft ge- steuerten Logik anonymer Märk- te, deren Gleichgewichtsmecha- nismus elegant funktioniert, weil derjenige, der nicht zahlen kann, ausgeschlossen bleibt. Vielmehr werden Sachleistungen solida- risch finanziert und nach dem Be- darfsprinzip über ein Scheine-Sy- stem verteilt. Markt-Ökonomen mag dies erscheinen wie die Le- bensmittelzuteilung in totalitären Zwangswirtschaften. Dabei seien die "Konsumenten" von Gesund- 3746 (14) Heft 50 vom 11. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

heitsleistungen doch mündig und· lehnten bürokratische Bevormun- dung ab. Auch sei der Wohlstand der Nation so gediehen, daß (fast) jeder zur Eigenvorsorge über den Markt imstande sei. Kollektiv-soli- darische Finanzierungssysteme verleiteten dagegen nur zum Miß- brauch der Inanspruchnahme.

Gerade als gäbe es - um im Bild der Zwangswirtschaft zu bleiben- nach Monaten wieder einmal Fleisch.

Die (markt-ökonomische} Gleich- setzung von Gesundheitsleistun- gen mit Konsumgütern führt in die Irre. Der Nachfrager nach Ge- sundheitsleistungen ist als Kran- ker selten souverän und in seiner Entscheidung frei. Er geht zum Arzt, weil er gerade nicht weiß, was ihm fehlt oder wie zu helfen ist. Anders blieben nicht 80 Pro- zent der morbiden Episoden in der Sphäre gesundheitlicher Selbsthilfe und Selbstmedikation.

Das "Sich-Anvertrauen" schränkt

die souveräne "Konsu mentenent- scheidung" in weiten Teilen ein. Bei Marktwettbewerb der Anbie- ter würde das Patientenvertrauen durch die Orientierung auf das vordergründig attraktivste Ange- bot abgelöst. Mangels anderer In- formationen könnte sich der Pa- tient nur am Preis orientieren. Ein

"Probeliegen" prämalader Hypo- chonder im Krankenhaus paßt

schließlich auch nicht ins Szena-

rio der "Radikalreformer".

Mit einem Marktwettbewerb der Kassen würde das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversi- cherung zu Grabe getragen. Be- zugspunkt wäre nicht mehr die Gemeinschaft der Versicherten, sondern das Risiko des einzelnen.

Die Verteilung von Gesundheitsri- siken nach sozialer Schichtung, Arbeits- und Umweltbelastung, die der Verteilung der Einkom- men nicht parallel verläuft, könnte auch ansatzweise nicht mehr kompensiert werden. Man verglei- che, mit Verlaub, bereits heute die unterschiedliche Lebenserwar- tung von Arbeitnehmern des Bau- hauptgewerbes mit der evangeli-

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