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Archiv "Prof. Dr. med. Detlev Ganten: „Das ganze System erforschen“" (23.04.2004)

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DÄ:DFG-Präsident Prof. Winnacker bezeichnete kürzlich das therapeutische Klonen als einen „Irrweg“. Halten Sie das therapeutische Klonen für aussichts- reich?

Ganten: Zunächst einmal halte ich den Ausdruck therapeutisches Klonen für nicht besonders hilfreich, weil er im- pliziert, dass mit dieser Methode thera- peutische Wege aufgezeichnet werden, die breit angewandt werden können.

Dazu ist das Thema viel zu offen und viel zu neu. „Forschungsklonen“ halte ich für einen besseren Ausdruck. Im Grunde geht es darum, die

frühen Stadien der Ent- wicklung von Leben, aber eben auch vom Men- schenleben zu verstehen.

Im eigentlichen Sinne ist das Entwicklungsbiologie und die Erforschung der Differenzierung der Zy- gote zu den etwa 200 ver- schiedenen Körperzellen.

Insofern halte ich es nicht für hilfreich, von „Irrweg“

oder vom „richtigen Weg“

zu sprechen. Was richtig

und was verkehrt ist, lässt sich in der Forschung zu einem so frühen Zeit- punkt nicht entscheiden.

DÄ:Wenn dieses Thema noch so neu ist, warum kann man diese Experimente nicht erst einmal im Tierversuch machen?

Ganten: Die Experimente werden im Tierversuch gemacht. Und zwar inten- siv: an Fröschen, an Mäusen, an Ratten, an Schafen, an Kühen, an allen Model- len, die Erkenntnisgewinn erwarten las- sen. Aber ein Mensch ist keine Maus, und die Menschenbiologie ist, wie wir wissen, in entscheidenden Punkten eine ganz andere. Das heißt, es ist nicht die Frage der Alternative. Die Frage ist, für

wie wichtig halten wir diese Thematik, dass wir sie jetzt schon am Menschen untersuchen wollen, um zu einem mög- lichst frühen Zeitpunkt diese Ergebnis- se für die Linderung von Leiden – das ist ja unser ärztliches Mandat – zur Verfügung zu haben.

DÄ:Ist denn durch den Klonerfolg in Südkorea die therapeutische Anwendung des Klonens in greifbare Nähe gerückt?

Ganten: Ja, das ist ein wichtiges Ex- periment gewesen. Es zeigt, dass diese Methode beim Menschen möglich ist.

DÄ:Das Einpflanzen eines Klons in einen menschlichen Uterus ist nur ein relativ kleiner weiterer Schritt. Zudem dürften sich Menschen finden, die dies tun.Wie hoch schätzen Sie die Gefahr des Miss- brauchs solcher Methoden ein?

Ganten: Ich sehe immer die Notwendigkeit, den Missbrauch einer Techno- logie mit allen Mitteln einer wachsamen Demo- kratie zu verhindern. Ich halte aber die reale Ge- fahr für gering. Wir müs- sen alles tun, damit wichtige wissen- schaftliche medizinische Experimente nicht in Misskredit geraten. So schnell wie möglich sollten deshalb internatio- nale Konventionen getroffen werden, die das reproduktive Klonen auf der ganzen Welt verbieten. Ein Einpflanzen des Embryos in die Gebärmutter ist ein Schritt, der einfach zu kontrollieren ist.

DÄ:Es gibt gewisse Sekten, die sich vielleicht nicht so einfach kontrollieren lassen . . .

Ganten: Es gibt kriminelle Leute und Terroristen und andere furchtbare Din- ge auf dieser Welt. Wegen der Gefahr des Missbrauchs durch einzelne Ver-

rückte diesen Forschungszweig nicht beginnen zu wollen, halte ich für eine nicht zu verantwortende Konsequenz.

DÄ:Sollten wir uns als Deutsche an diesem Forschungszweig beteiligen?

Ganten: Wir als Deutsche müssen natürlich geschichtsbewusst leben.

Doch das hindert uns nicht daran, bio- medizinische Forschung dort zu betrei- ben, wo sie aus meiner Sicht verfas- sungskonform ist. Verfassungskonform ist sie ganz offensichtlich so, wie die Bundesministerin für Justiz es auch dar- gestellt hat – in den frühen Stadien der Entstehung von Leben. Dann darf es auch keinen deutschen Sonderweg ge- ben. Wir dürfen nicht die „Gutmen- schen“ dieser Welt sein wollen.

DÄ: Bisher schränken Gesetze die Stammzellforschung stark ein. Müssten diese geändert werden?

Ganten: Ich bin natürlich gesetzes- treu und akzeptiere den Beschluss des Bundestages. Das heißt aber nicht, dass Gesetze nach einer gewissen Zeit nicht kritisch überdacht werden sollen. Die Stichtagsregelung 1. Januar 2002 ist aus meiner Sicht unhaltbar.

DÄ: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass das Gesetz noch einmal über- dacht wird?

Ganten: Ich glaube an die Vernunft der Menschen und weiß, dass auch in Deutschland darüber noch diskutiert wird, irgendwann sicher auch offiziell im Bundestag. Ich hoffe nur, dass es rechtzeitig passiert und dass die For- scher, die an solchen Fragen interessiert sind, Deutschland dann noch nicht ver- lassen haben.

DÄ: Halten Sie adulte Stammzellen für eine ernsthafte Alternative?

Ganten: Ich halte es für einen unbe- dingt förderungswürdigen Weg. Wenn wir adulte Stammzellen so gut verste- hen, dass wir sie stimulieren und dahin bringen können, dass sie sich zum ge- wünschten Zelltyp differenzieren, dann wäre das wunderbar. Das heißt aber nicht, dass die Forschung an embryona- len Stammzellen ein Irrweg wäre. Die Frage ist, ob wir das ganze System erfor- schen dürfen, oder nur einen Teil.

DÄ-Fragen: Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K

A

A1134 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004

I N T E R V I E W

Ganten: „ Ich glaube an die Vernunft der Menschen“

Foto:privat

Prof. Dr. med. Detlev Ganten

„Das ganze System

erforschen“

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