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Archiv "Ärztinnen machen Front gegen den überholten Begriff des „Männerberufs“" (16.10.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHTE

Um es vorweg

zu sagen: na- türlich hatte das Thema der XIX. Wissenschaftlichen Ta- gung des Deutschen Ärztin- nenbundes („Die Frau in der modernen Arbeitswelt", Un- tertitel: „Der Einsatz von Frau- en in neuen Berufen und neu- en Technologien aus sozial- und arbeitsmedizinischer Sicht") auch einen Pro-domo- Aspekt. Was die Ärztinnen schon im Mai in Travemünde begonnen hatten, durften, ja mußten sie vom 19. bis zum 22. September in der Rosen- heimer Stadthalle fortsetzen:

nämlich der doch offenkun- digen Gefahr entgegenzutre- ten, daß ihre Kolleginnen bei wachsender „Ärzteschwem- me" allein deshalb zusätzlich benachteiligt werden, weil sie eben keine Männer sind.

Dezent in das große Tagungsthe- ma eingeflochten, wurde dieses Eigeninteresse der Ärztinnen al- lerdings als ein legitimes Anliegen empfunden, das dem Anspruch des Kongresses, aus der Sicht der weiblichen Ärzte Gültiges zur all- gemeinen Probemlage weiblicher Arbeitskräfte auszusagen, keinen Abbruch tun konnte.

Nicht eben praxisnahes Ministerialdenken ...

Bedurfte es folglich in dieser Hin- sicht kaum besonderer Vorsichts- maßnahmen, so zeichneten sich schon bei Beginn der Tagung ei-

nige Gesichtspunkte ab, die mit wacher Behutsamkeit behandelt werden wollten. Wie vorausseh- bar, mußte aus etlichen offiziellen Bekundungen geschlossen wer- den, daß deren Verfasser bezie- hungsweise Überbringer sich auf einer Denkebene bewegten, die von der Denkebene der Ärztinnen erheblich abwich.

Der Hinweis beispielsweise, den Dr. Heiner Geißler noch als Bun- desgesundheitsminister erteilt hatte — die Bundesregierung be- trachte es als eine ihrer vorrangi- gen Aufgaben, „Technikdistanz bei Frauen und Mädchen abzu- bauen und sie für den Umgang mit neuen Techniken zu qualifi- zieren" — entsprach lediglich mit seiner zweiten Hälfte dem Status quo. Denn wenn in sogenannten

„Männerberufen", wie Dr. med.

Roland Mentzel (Bundesanstalt für Arbeit) mitteilte, jetzt schon mehr als 100 000 Frauen arbeiten, wenn jede fünfzehnte Auszubil- dende einen „Männerberuf" an- strebt und wenn die Zahl der weiblichen Lehrlinge in diesen Berufen zwischen 1977 und 1981 von 13 000 auf 54 000 angestiegen ist, so kann wohl von Technikdi- stanz kaum noch die Rede sein.

Und wenn Dr. Heinz Riesenhuber, der Bundesminister für For- schung und Technologie, am neu- en „Förderschwerpunkt" der Bundesregierung hervorhob, er solle „zum Schutz der Gesundheit durch Abwehr und Abbau von Be- lastungen sowie zur menschenge- rechten Anwendung neuer Tech- nologien" beitragen, so verriet auch das ein nicht eben praxisna-

hes Ministerialdenken. Erfreuli- cherweise brachte Dr. med. Elisa- beth Funke (Arbeitsministerium Nordrhein-Westfalen) einige ein- gängige praktische Rezepte mit — zum Beispiel dieses: Statt die Zu- lassung von Frauen und Mädchen zu bestimmten Berufen generell zu beschränken, solle man die Be- rufseignung von Frauen und Män- nern individuell begutachten. Wie denn überhaupt der Kongreß dar- auf abzielte, den Begriff des

„Männerberufs" und seine her- kömmliche, gesellschafts- und ar- beitsmarktpolitisch nicht mehr ak- zeptable Funktion in Frage zu stellen.

In der Leistungsfähigkeit nur selten überfordert

Nicht einmal mit Professor Dr.

Hans Joachim Sewering, dem Prä- sidenten der Bayerischen Landes- ärztekammer, mochten die Ärztin- nen einverstanden sein, als er von Berufen sprach, „die Frauen nicht zugemutet werden können", und davon, daß die Diskussion in die falsche Richtung gehe, „wenn sie als Maßstab für den Zugang zu ei- nem Beruf allein die Muskelkraft in den Mittelpunkt stellt". Solchen Einwänden setzte der Kongreß ei- nige Erfahrungen entgegen: daß mehr als die Hälfte der in „Män- nerberufen" tätigen Frauen und Mädchen mit ihrer Arbeit zufrie- den sind, daß sie arbeitsplatzbe- dingten psychisch-physischen Be- lastungen oft besser gewachsen sind als ihre männlichen Kolle- gen, daß sie nachgewiesenerma- ßen weniger „krankfeiern" als die Männer, daß sie sich in ihrer Lei- stungsfähigkeit nur selten über- fordert fühlen und daß sie ihre an- erkannt hohen Leistungen nicht zuletzt deshalb erbringen, weil sie in der Betriebspraxis immer wie- der beweisen müssen, „nicht schlechter zu sein" als die Män- ner.

Kronzeuginnen für solche Er- kenntnisse waren die Arbeitsme- dizinerin Dr. Liselott Meißner (Kfz- Werk Audi, Ingolstadt) und die

Ärztinnen machen Front

gegen den überholten Begriff des "Männerberufs"

„Die Frau in der modernen Arbeitswelt":

Wissenschaftliche Tagung des Deutschen Ärztinnenbundes

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 42 vom 16. Oktober 1985 (31) 3061

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Forderungen der Ärztinnen

Die Mitgliederversammlung des Deutschen Ärztinnenbundes verab- schiedete im Rahmen der XIX. Wis- senschaftlichen Tagung des Ver- bandes eine Reihe von Entschlie- ßungen; sie lauten in Kurzfassung:

Bei der Besetzung von Ausschüssen und Beratungsgremien, die in Bund und Ländern Gesundheitsfragen be- handeln, sind Frauen angemessen zu berücksichtigen.

Auf Bundes-, Landes- und kommu- naler Ebene sowie im Universitäts- bereich werden weitere Frauenför- derungspläne mit Berichterstat- tungspflicht gebraucht.

Kosten für Haushaltshilfen müssen in einem Umfang steuerlich absetz- bar sein, der die Berufstätigkeit der Steuerpflichtigen erst ermöglicht.

Die Qualität der Durchführung von Jugendarbeitsschutz-Untersuchun- gen ist durch zielgerichtete Fortbil- dung zu verbessern.

Die arbeitsmedizinische Forderung ist in Bund und Ländern zu intensi- vieren; die Arbeitsschutzbestim- mungen sind den neuesten medizi- nischen Erkenntnissen anzupassen,

damit Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligt werden.

Der öffentliche Dienst und die Wirt- schaft werden aufgefordert, mehr Ärztinnen als bisher den Zugang zur Arbeitsmedizin zu eröffnen.

Die Rahmenlehrpläne sind von den Kultusministern der Länder so zu ergänzen, daß junge Menschen auf eine partnerschaftliche Rollenvertei- lung von Frau und Mann besser vorbereitet werden.

Hinsichtlich der extracorporalen Be- fruchtung darf die Forschung nicht behindert werden, die Beachtung der ethischen Grundsätze muß aber gesichert bleiben.

Bestrebungen, die Indikationsstel- lung zum Schwangerschaftsab- bruch nur noch auf bestimmte Arzt- gruppen zu übertragen oder sogar zu institutionalisieren, sind abzuleh- nen.

Die gesetzlichen Bestimmungen zur regelmäßigen Kontrolle nach dem Geschlechtskrankengesetz sind auch auf die männlichen Prosti- tuierten auszudehnen.

Behörden und Gerichte sind aufge- fordert, die Prostitution von Kin- dern, insbesondere aus Entwick- lungsländern, mit allen gesetzlichen Mitteln zu unterbinden. ❑

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztinnen machen Front

Münchner Bahnärztin Dr. Renate Krone, aber auch die Düsseldorfer Medizin-Statistikerin Dr. Lieselot- te von Ferber und — besonders eindrucksvoll, weil sie nicht als Wissenschafterin über andere, sondern als Praktikerin über sich selbst und ihre ganz persönlichen Berufserfahrungen sprechen konnte — die Münchner Pilotin und Fluglehrerin Madlene Clau- sen.

Als Zentralthema der Diskussio- nen erwies sich in Rosenheim die Frage, was geschehen muß, wenn das tradierte Rollenverständnis

bei Frauen wie Männern, nament- lich aber bei den letzteren, die un- umgängliche, technikbedingte Auflockerung erfahren soll. Einen der wichtigsten Schritte zur Pro- blemlösung sieht Präsidentin Dr.

Hedda Heuser darin, medizini- sche Gesichtspunkte in die bis- lang vorwiegend sozialwissen- schaftlich oder arbeitsmarktpoli- tisch geführte Auseinanderset- zung einzubringen. In lebhafter Aussprache einigten sich die Ärz- tinnen nicht nur über Grundsätze, die dabei zu beachten sind, son- dern auch über Ansatzpunkte, von denen hilfreiche flankierende

Maßnahmen des Gesetzgebers ausgehen könnten. Hier einige der wichtigsten Ergebnisse: Die Frau hat Anspruch darauf, sich je- des Berufsfeld zu erschließen;

diesem Anspruch entgegenste- hende, medizinisch nicht gerecht- fertigte Engpässe sind abzubau- en; nicht nur in den Betrieben, sondern auch in den Familien und bei Freunden muß mehr Verständ- nis für gesellschaftspolitische Umschichtungen und ihre Konse- quenzen geweckt werden; Aufga- ben und Finanzierung des Mutter- schutzes sind zu einer Sache der Allgemeinheit zu machen; junge Menschen sollten frühzeitig in partnerschaftliche Beziehungen hineinwachsen, die es erleichtern, die veränderten Arbeitsbedingun- gen zu bewältigen; Frauen müs- sen auf Chancengleichheit und Respektierung ihrer Leistung auch dann rechnen dürfen, wenn sie aus freien Stücken eine Be- rufswahl getroffen haben, die an- deren als ungewöhnlich oder gar unverständlich erscheint.

Sachkundige, denen das Thema

„Frauen in Männerberufen" von Amts wegen auf den Nägeln brennt, hatten vor Eintritt in die Beratungen die Meinung geäu- ßert, es wäre allein schon ein Ver- dienst, wenn der Ärztinnenbund zur Versachlichung einer Diskus- sion beitragen könnte, die weithin immer noch vorwiegend durch Emotionen geprägt ist. Ihre Erwar- tung wurde nicht enttäuscht. Ge- rade dieses Verdienst haben sich die Ärztinnen in überzeugender Weise erworben. An den Politi- kern liegt es nun, der erzielten Versachlichung in ihrer eigenen Arbeit Raum zu geben — auch dann, wenn dabei einige ihnen liebgewordene Vorstellungen ins Wanken geraten. Schließlich möchten nicht nur die Ärztinnen den Satz ernst nehmen, den der Bayerische Innenminister Dr. Karl Hillermeier bei der Eröffnung des Rosenheimer Kongresses aus- sprach: „Der Politiker freut sich immer, wenn eine Berufsgruppe über ihre eigenen Grenzen hin- ausblickt." Kurt Gelsner

3062 (32) Heft 42 vom 16. Oktober 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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