Berlin gehört selbstverständlich zur Bundesärztekammer
Änderung der Satzung der Bundesärztekammer und der Geschäftsordnung der Deutschen Ärztetage
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
88. DEUTSCHER ÄRZTETAG
Die vom Vorstand der Bundesärz- tekammer beantragte Änderung der Satzung betraf einen Selbst- gänger, die der Geschäftsordnung eine alte Bekannte.
Durch Satzungsänderung sollte unmißverständlich klargestellt werden, daß auch die Ärztekam- mer Berlin Mitglied der Arbeitsge- meinschaft der deutschen Ärzte- kammer, eben der Bundesärzte- kammer, ist. Bisher stand in § 1 der Satzung nämlich der Satz:
„Die westdeutschen Landesärzte- kammern bilden durch freiwilli- gen Zusammenschluß eine Ar- beitsgemeinschaft". Die Ärzte- kammer Berlin hatte nun bean- tragt, die Sache klarzustellen. Und das sollte dadurch geschehen, daß sämtliche Ärztekammern in der Satzung aufgeführt wurden.
So wurde auch beschlossen (bei nur drei Enthaltungen, weit mehr als die notwendige Zweidrittel- Mehrheit stimmte also der Sat- zungsänderung zu). § 1 Abs. 1 der Satzung lautet demnach jetzt:
❑ „Die Landesärztekammer Baden- Württemberg, die Bayerische Landes- ärztekammer, die Ärztekammer Berlin, die Ärztekammer Bremen, die Ärzte- kammer Hamburg, die Landesärzte- kammer Hessen, die Ärztekammer Nie- dersachsen, die Ärztekammer Nord- rhein, die Landesärztekammer Rhein- land-Pfalz, die Ärztekammer des Saar- landes, dje Ärztekammer Schleswig- Holstein und die Ärztekammer Westfa- len-Lippe bilden eine Arbeitsgemein- schaft."
Antragskommission wieder einmal abgelehnt
Alle Jahre wieder geistert die al- te Bekannte „Antragskommis-
sion" durch den Ärztetag. Eine solche, von Partei- oder Gewerk- schaftstagen bekannt, hat es bei den Deutschen Ärztetagen bisher nicht gegeben. Die Delegierten haben Ansinnen auf Einrichtung einer solchen Kommission regel- mäßig abgelehnt, gleichwohl hat der Vorstand der Bundesärzte- kammer immer wieder einmal ver- sucht, eine Antragskommission zu installieren. Damit sollte die Flut der Anträge, die regelmäßig zu dem Tagesordnungspunkt „Tätig- keitsbericht der Bundesärztekam- mer" eingebracht werden, in ge- ordnete Bahnen gelenkt werden.
Im vorigen Jahr hatte das Thema wieder einmal auf der Tagesord- nung gestanden, es war vertagt worden, eine neue Vorlage sollte erarbeitet werden. Die lag jetzt vor. Der Justitiar der Bundesärzte- kammer, Dr. Rainer Hess, erläu- terte sie. Die Delegierten mochten sich aber immer noch nicht mit ei- ner Antragskommission anfreun- den, von einer Art Maulkorb war die Rede, von der Gefahr, dem Ärztetag könnte viel von seiner Spontaneität genommen werden, die Stimmung im Plenum ging hoch.
Der Ärztetag entledigte sich des Themas auf einfache Weise. Er beschloß Übergang zur Tagesord- nung, was bedeutet, daß über die entsprechenden Anträge nicht einmal mehr abgestimmt wurde.
Das Thema dürfte damit für gerau- me Zeit erledigt sein. Dr. Hess je- denfalls, der einen solchen Aus- gang wohl von Anfang an geahnt hatte, versicherte zum Schluß
„Ich verspreche Ihnen, das nicht mehr wieder zu tun". NJ
Ethische Normen und kollegiales Verhalten
Ergänzung der Berufsordnung für die deutschen Ärzte
An vier Stellen ist die Musterbe- rufsordnung, die der Deutsche Ärztetag beschließt und die als Vorlage für die Berufsordnungen in den einzelnen Landesärzte- kammern dient, geändert worden:
einmal unter Tagesordnungs- punkt 1 (In-vitro-Fertilisation), dreimal unter einem eigenen Punkt (Ergänzung der Berufsord- nung). Zwei der Änderungen ste- hen in engem Zusammenhang mit anderen Tagesordnungspunkten dieses 88. Deutschen Ärztetages.
Wer künftig bestimmte For- schungsvorhaben durchführen will, ist gehalten, sich zuvor von einer Ethikkommission beraten zu lassen. So steht es in dem neuen Absatz vier des Paragraphen eins der Musterberufsordnung. Ein Auslöser für diese Vorschrift sind die Möglichkeiten, die sich mit der ln-vitro-Befruchtung eröffnet ha- ben (ausführliche Berichterstat- tung in Heft 22). Doch nicht nur bei solchen Forschungsprojekten soll der Arzt eine Ethikkommis- sion anrufen, sondern allgemein bei der Durchführung klinischer Versuche am Menschen sowie bei epidemiologischen Forschungen mit personenbezogenen Daten.
In engem Zusammenhang mit den Beratungen über Fragen der ärzt- lichen Ausbildung und der stei- genden Arztzahlen, die unter dem Punkt „Tätigkeitsbericht der Bun- desärztekammer" behandelt wur- den, steht eine zweite Änderung der Berufsordnung. Sie lautet:
Kollegiales Verhalten
❑ § 15 Abs. 1 zweiter Unterabsatz, neuer Satz 2 der Musterberufsord- nung:
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 23 vom 5. Juni 1985 (43) 1763
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Ärztetag: Berufsordnung
„Es ist insbesondere berufsunwürdig, wenn ein ,Arzt im Praktikum', ein Assi- stent oder Vertreter zur Ableistung der Vorbereitungszeit auf die kassenärzt- liche Tätigkeit oder ein Weiterbildungs- assistent sich innerhalb eines Zeitrau- mes von zwei Jahren ohne Zustimmen des Praxisinhabers im Einzugsbereich derjenigen Praxis niederläßt, in wel- cher er die bezeichneten Tätigkeiten mindestens drei Monate ausgeübt hat."
Das Problem des Konkurrenz- schutzes wird drängender wer- den. Assistenten und ab 1987 Ärz- te im Praktikum werden zuneh- mend auch Zeiten in der Praxis niedergelassener Ärzte absolvie- ren wollen und absolvieren müs- sen. Doch dem steht, so erläutert der Vorsitzende des Ausschusses zur Beratung der Berufsordnung für die deutschen Ärzte, Dr. Wil- helm Baldus, dem Deutschen Ärz- tetag, bisher ein wesentliches Hindernis entgegen: „Der Arzt, der bei einem Kollegen in dessen Praxis solche Aus-, Weiterbil- dungs- und Vorbereitungszeiten absolviert hat, kann sich unmittel- bar danach im Einzugsbereich dieser Praxis niederlassen und damit dem Praxisinhaber, dessen Patientenklientel er in dieser Zeit kennen- und schätzen gelernt hat, Konkurrenz machen. Solche Fälle sind in der Praxis tatsächlich vor- gekommen. Viele Ärzte, die durchaus bereit wären, in der Pra- xis einen Assistenten zum Zwecke der Ableistung von Aus-, Weiter- bildungs- oder Vorbereitungszei- ten zu beschäftigen, lehnen die- ses deswegen im Hinblick auf die aufgezeigte mögliche Konkur- renzsituation ab."
An sich hatten die Berufsord- nungsgremien und der Vorstand der Bundesärztekammer dem Ärztetag eine förmliche Konkur- renzschutzklausel vorschlagen wollen. Doch maßgebliche Ar- beitsrichter hatten der Bundes- ärztekammer signalisiert, daß ei- ne solche Klausel der Berufsord- nung rechtlich nicht wirksam sei.
Dr. Baldus gestand offen zu, daß die nun gefundene Lösung nicht
Dr. Wilhelm Baldus
voll befriedigt: „Aus der jetzt vor- geschlagenen Vorschrift kann nämlich wahrscheinlich keine zi- vilrechtliche Unterlassungsklage gegen den Assistenzarzt erhoben werden, die natürlich viel wirksa- mer als ein Berufsgerichtsverfah- ren die Niederlassung im Einzugs- bereich der Praxis eines Aus- oder Weiterbilders hindern würde."
Anhand dieser abgeschwächten Konkurrenzklausel entwickelte sich auf dem Ärztetag eine kenn- zeichnende Diskussion. Auf der einen Seite war der Wunsch nach Konkurrenzschutz unverkennbar.
Auf der anderen Seite kam der Vorwurf, die niedergelassenen Ärzte wehrten sich grundsätzlich gegen die Konkurrenz des Nach- wuchses, ein Delegierter sprach gar von einem sich abzeichnen- den Krieg der Väter gegen ihre Kinder. Doch jene Väter zeigten sich am Ende keineswegs krie- gerisch. Sie bekannten sich viel- mehr immer wieder dazu, die jun- gen Kollegen in die Praxis aufneh- men, ihnen ihr Wissen weiterge- ben zu wollen. Man brauche ledig- lich einen gewissen Schutz oder,
um die drastische Formulierung eines Delegierten zu nehmen:
„Wir wollen Assistenten in der Praxis, aber wir wollen keinen Praxisklau."
Nicht völlig geklärt wurde die Fra- ge, ob die niedergelassenen Ärzte bereit sind, ihre Praxen nicht nur für Assistenten (zur Weiterbil- dung, zur Vorbereitung auf die kassenärztliche Tätigkeit) zu öff- nen, sondern auch für Ärzte im Praktikum. Einige Delegierte aus dem Kreis der Allgemeinärzte er- klärten ausdrücklich, sie würden nur Assistenten mit Vollapproba- tion, nicht aber Ärzte im Prakti- kum aufnehmen. Dem standen (an anderer Stelle des Ärztetages) Ap- pelle gegenüber, AiPs zu neh- men. Auch Politiker setzen hier auf die niedergelassenen Ärzte.
Der schleswig-holsteinische Mini- sterpräsident Barschel etwa drang in einer Rede vor dem Ärz- tetag darauf, soweit es möglich sei, Plätze für Ärzte im Praktikum bereitzustellen.
Die dritte Änderung der Berufs- ordnung schließlich betrifft den Geburtshelfer. Er ist bisher im Pa- ragraph 27, Absatz 5, der Muster- berufsordnung erwähnt. Dort heißt es: „Ärzte, welche Geburts- hilfe ausüben, dürfen den Zusatz
„Geburtshelfer" auf ihrem Praxis- schild führen." Dieser Passus wird nach der Beschlußfassung von Travemünde, beantragt von Dr.
Koschade, gestrichen. NJ
Der „Geburtshelfer"
wird gestrichen
❑ Änderung von § 27 Abs. 5 der Mu- sterberufsordnung:
„1. § 27 Absatz 5 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte wird gestri- chen. Der bisherige Absatz 6 wird Ab- satz 5."
„2. Wer bei Inkrafttreten der Änderung den Zusatz ‚Geburtshelfer' auf seinem Praxisschild führt, ist berechtigt, den Zusatz auch weiterhin in dieser Weise
zu führen." ❑
1764 (44) Heft 23 vom 5. Juni 1985 82. Jahrgang Ausgabe A